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Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des 鈥濻trohmann鈥-Gesch盲fts
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Leitsatz (NV)
- Auch ein "Strohmann" kommt als leistender Unternehmer in Betracht; er ist nicht deswegen unselbstst盲ndig i.S. des 搂 2 Abs. 1 Satz 1 UStG t盲tig, weil er im Innenverh盲ltnis den Weisungen des Auftraggebers verpflichtet ist.
- Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngesch盲ft, wenn es nur zum Schein abgeschlossen worden ist, d.h. wenn die Vertragsparteien 鈥 der Strohmann und der Dritte (hier der Leistungsempf盲nger) 鈥 einverst盲ndlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Gesch盲ftes gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Dritten und dem Hintermann eintreten sollen. Diese Feststellung obliegt dem FG als Tatsachengericht.
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Normenkette
UStG 1980 搂听2 Abs. 1 S. 1, 搂听15 Abs. 1
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin) betreibt einen Handel mit Nutzfahrzeugen und Baumaschinen.
In ihrer Umsatzsteuererkl盲rung f眉r 1990 machte die Kl盲gerin Vorsteuerbetr盲ge in H枚he von 48 857 DM aus Rechnungen 眉ber den Erwerb von Fahrzeugen von der Firma X (Inh. Frau Z) geltend.
Aufgrund einer Mitteilung der Steuerfahndung und der Feststellungen einer Au脽enpr眉fung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt 鈥旻A鈥) davon aus, es handele sich insoweit um eine Scheinfirma, deren Inhaberin, Frau Z, lediglich als "Strohfrau" f眉r A t盲tig geworden sei. Die Ums盲tze seien deshalb A zuzurechnen.
Frau Z hatte am 鈥 Februar 1989 unter ihrem Namen ein Gewerbe "Einzelhandel mit Waren aller Art, ausgenommen erlaubnispflichtige Warenarten" angemeldet. Die von ihr unter dem 鈥 Februar 1990 beantragte Handelsregistereintragung der Firma "鈥. Z鈥 X" wurde vom zust盲ndigen Registergericht zur眉ckgewiesen. Frau Z mietete f眉r die Firma X zum 1. M盲rz 1989 einen B眉roraum unter der Anschrift B-Stra脽e in C. Am 鈥 Juli 1989 wurde der Vertrag in einen Servicevertrag f眉r eine Domiziladresse umgewandelt. Der Vertrag sah folgende Leistungen vor: "Entgegennahme von Anrufen unter eigener Durchrufnummer, Notierung der eingehenden Gespr盲che, Annahme von Postsendungen unter Bereitstellung eines eigenen Briefkastens, Nutzung der Domizil-Office-Telex- und Telefaxnummer, Empfangsservice". Die eingerichteten Gesch盲ftskonten lauten auf den Namen von Frau Z.
Frau Z wurde dabei stets in Begleitung und auf Anweisung von A t盲tig, der 鈥昳m Gegensatz zu Frau Z鈥 gesch盲ftlich und aufgrund seiner vorherigen T盲tigkeit insbesondere im Kfz-Handel erfahren war. Seine Erfahrungen hatte er seinerzeit selbst genutzt, um Fahrzeuge einzukaufen (in der Regel "Schwarzeink盲ufe") und anschlie脽end an verschiedene H盲ndler (u.a. auch die Kl盲gerin) weiterzuverkaufen.
Die streitigen Gesch盲fte wurden ausschlie脽lich von A abgewickelt, der jedoch stets als Angestellter von Frau Z auftrat und sich durch eine Ablichtung der Gewerbeanmeldung entsprechend auswies. Dieser hatte auch Einzelvollmacht f眉r zwei Gesch盲ftskonten, die auf den Namen von Frau Z lauten. Eine schriftliche Vollmacht ist A nicht erteilt worden.
Das FA bezog sich f眉r seine Auffassung, es handele sich um eine Scheinfirma und Frau Z habe 鈥昦ls "Strohfrau"鈥 letztlich keine Verf眉gungsmacht an den gelieferten Fahrzeugen gehabt und sie deshalb auch nicht liefern k枚nnen, im Wesentlichen auf die im Rahmen des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durchgef眉hrten Vernehmungen von Frau Z. Danach sei Frau Z von A und weiteren Personen dazu gedr盲ngt worden, unter ihrem Namen einen Gewerbebetrieb anzumelden. Dies habe sie getan, da ihr als Gegenleistung ein Gehalt angeboten worden sei. Ihre T盲tigkeit f眉r die Firma X habe sich darauf beschr盲nkt, eingehende Gesch盲ftspost in Empfang zu nehmen und an A weiterzuleiten. Die Unterschriften auf den Rechnungsformularen habe sie blanko erteilt; der 眉berwiegende Teil der von der Firma X erteilten Ausgangsrechnungen sei nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft von A unterschrieben worden. A, nicht Frau Z als Inhaberin der Firma X, seien die Lieferungen zuzurechnen. Die in den Rechnungen der Firma X, Inh. Frau Z, ausgewiesene Vorsteuer sei deshalb nicht abziehbar.
Mit der Klage machte die Kl盲gerin geltend, bei der Firma X habe es sich nicht um eine Scheinfirma gehandelt. Die Inhaberin, Frau Z, habe die Firma gegr眉ndet, die Gewerbeanmeldung vorgenommen, die Geb眉hrenrechnung f眉r die Eintragung in das Handelsregister bezahlt, beim Notar die notarielle Anmeldung der Firma vorgenommen, die Bankkonten er枚ffnet und die Vertr盲ge 眉ber Gesch盲ftsr盲ume und Telefon geschlossen.
Frau Z sei 2 bis 3 mal in der Woche im B眉ro gewesen. Die Post sei an die Gesch盲ftsanschrift gerichtet gewesen, so dass Frau Z jederzeit 眉ber die Gesch盲ftsabl盲ufe informiert gewesen sei. Dass die Post dann an A als Bevollm盲chtigten zur weiteren Bearbeitung und Veranlassung weitergereicht worden sei, entspreche typischen innerbetrieblichen Verfahrensabl盲ufen und sei keinesfalls ungew枚hnlich. Die Firma X sei auch als zuverl盲ssige H盲ndlerin i.S. des 搂 28 Abs. 3 der Stra脽enverkehrszulassungsverordnung (StVZO) von der zust盲ndigen Stra脽enverkehrszulassungsbeh枚rde anerkannt worden. Denn die von der Firma X an sie (die Kl盲gerin) verkauften Fahrzeuge seien alle mit einem roten Dauerkennzeichen nach 搂 28 StVZO 眉berf眉hrt worden. Die Vergabe eines solchen roten Kennzeichens k枚nne nach 搂 28 StVZO nur bei "nachgewiesenem Bed眉rfnis" an "zuverl盲ssige Hersteller, H盲ndler und Handwerker" vergeben werden. Dass die Firma X ihre umsatzsteuerrechtlichen Pflichten nicht erf眉llt habe, k枚nne nicht dazu f眉hren, ihr die Unternehmereigenschaft abzuerkennen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1558 abgedruckt.
Das FG f眉hrte im Wesentlichen aus, der Kl盲gerin stehe der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firma X (Inh. Frau Z) nicht zu. Die LKW-Lieferungen seien Frau Z zuzurechnen. Diese sei Leistende, weil A 鈥昺indestens mit Duldung der Frau Z鈥 berechtigterweise in ihrem Namen aufgetreten sei.
Der Vorsteuerabzug scheitere jedoch daran, dass Frau Z als Leistende mangels selbst盲ndigen T盲tigwerdens nicht als Unternehmer(in) i.S. des 搂 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 搂 2 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG) anzusehen sei. Die Selbst盲ndigkeit sei 鈥昒mkehrschluss aus 搂 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG鈥 nicht nach b眉rgerlich-rechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Ma脽gebend sei das Gesamtbild der Verh盲ltnisse. Wesentlich sei, wer das Risiko der wirtschaftlichen Bet盲tigung trage und mit der M枚glichkeit eines echten unternehmerischen Verlustes rechnen m眉sse (Unternehmerrisiko) und wer die unternehmerische Entscheidung treffe (Unternehmerinitiative).
Mit der Revision r眉gt die Kl盲gerin Verletzung materiellen Rechts.
Die Kl盲gerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Umsatzsteuerbescheid dahin gehend zu 盲ndern, dass weitere Vorsteuerbetr盲ge in H枚he von 鈥 DM zum Abzug zugelassen werden.
Das FA beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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II. Die Revision ist begr眉ndet; sie f眉hrt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zur眉ckverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (搂 126 Abs. 3 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung 鈥旻GO鈥).
1. Ein Unternehmer kann nach 搂 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die in Rechnungen i.S. des 搂 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer f眉r Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern f眉r sein Unternehmen ausgef眉hrt worden sind, als Vorsteuerbetr盲ge abziehen. Entgegen der Auffassung des FG liegen diese Voraussetzungen vor. Frau Z hat als 鈥晄elbst盲ndige鈥 Unternehmerin i.S. des 搂 2 Abs. 1 Satz 1 UStG unter ihrer Firmenbezeichnung 眉ber von ihr erbrachte entgeltliche Lieferungen abgerechnet.
a) Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer m眉ssen grunds盲tzlich identisch sein (st盲ndige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs 鈥旴FH鈥 vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BFH/NV 2002, 835, m.w.N.). Das FG hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen mit der in sich widerspr眉chlichen Begr眉ndung verneint, Frau Z habe zwar die in den streitigen Rechnungen bezeichneten Lieferungen erbracht, denn diese seien ihr zuzurechnen, da A beim Verkauf der Fahrzeuge an die Kl盲gerin zumindest mit Duldungsvollmacht f眉r Frau Z aufgetreten sei. Dennoch fehle ihr die Unternehmereigenschaft, weil im Hintergrund A die Gesch盲fte bestimmt habe. Diese Auffassung鈥昫ie im 脺brigen zur Folge h盲tte, dass die Ums盲tze unversteuert bleiben m眉ssten, bei Frau Z mangels Unternehmereigenschaft und bei A, weil Frau Z und nicht A geliefert h盲tte鈥 h盲lt einer rechtlichen Pr眉fung nicht stand.
b) Unternehmer ist nach 搂 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche T盲tigkeit selbst盲ndig aus眉bt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige T盲tigkeit zur Erzielung von Einnahmen (搂 2 Abs. 1 Satz 3 UStG).
aa) Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelm盲脽ig aus den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegen眉ber einem anderen selbst ausf眉hrt oder durch einen Beauftragten ausf眉hren l盲sst. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, h盲ngt deshalb grunds盲tzlich davon ab, ob der Handelnde gegen眉ber dem Leistungsempf盲nger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausf眉hrung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH-Beschluss in BFHE 198, 208, m.w.N.).
Ma脽geblich ist hiernach, wer aus dem entsprechenden Rechtsgesch盲ft zu einer Leistung i.S. des 搂 1 Abs. 1 UStG an den Leistungsempf盲nger verpflichtet ist. Ohne Bedeutung ist insoweit, ob er seine Leistungsverpflichtung h枚chstpers枚nlich ausf眉hrt oder durch andere ausf眉hren l盲sst und inwiefern ihm der wirtschaftliche Erfolg des Gesch盲fts endg眉ltig verbleibt. Tritt deshalb jemand 鈥晈ie hier Frau Z鈥 im Rechtsverkehr im eigenen Namen aber f眉r Rechnung eines anderen auf, der aus welchen Gr眉nden auch immer nicht selbst als berechtigter bzw. verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will, ist zivilrechtlich grunds盲tzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgesch盲ft berechtigt und verpflichtet; dementsprechend sind auch dem sog. Strohmann die Leistungen zuzurechnen, die der sog. Hintermann (hier A) berechtigterweiseim Namen desStrohmanns tats盲chlich ausgef眉hrt hat (ausf眉hrlich BFH in BFHE 198, 208, m.w.N.).
Ohne Bedeutung f眉r die Beurteilungen der Leistungsbeziehungen im Verh盲ltnis zu Dritten ist grunds盲tzlich
- aus welchen Gr眉nden der Hintermann im Verh盲ltnis zum Dritten, dem Vertragspartner des Strohmanns und Leistungsempf盲ngers, als Leistender nicht in Erscheinung treten will,
- dass der Strohmann, weil er das Rechtsgesch盲ft f眉r Rechnung des Hintermannes abschlie脽t, wirtschaftlich am Erfolg des zwischen ihm und dem Dritten wirksamen Rechtsgesch盲ftes nicht oder nur in Form einer "Provision" f眉r seine Strohmann-Dienste teilhaben soll,
- ob er die ihn als Vertragspartner treffenden Risiken mit R眉cksicht auf einen Ersatzanspruch gegen den "Hintermann" nicht endg眉ltig tr盲gt,
- dass derjenige, der im eigenen Namen f眉r Rechnung des "Hintermannes" auftritt oder zul盲sst, dass dieser (der Hintermann) in oder "unter" seinem (des Strohmannes) Namen im Rechtsverkehr auftreten kann, dessen Weisungen folgt oder auf dessen Kenntnisse angewiesen ist.
bb) Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngesch盲ft 鈥晍ivilrechtlich und (umsatz-)steuerrechtlich (vgl. auch 搂 41 Abs. 2 der Abgabenordnung 鈥AO 1977鈥)鈥 allerdings dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen worden ist, d.h. wenn die Vertragsparteien 鈥昫er Strohmann und der Dritte (hier der Leistungsempf盲nger)鈥 einverst盲ndlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Gesch盲ftes gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Dritten und dem Hintermann eintreten sollen (ausf眉hrlich BFH in BFHE 198, 208, m.w.N.).
cc) Zu Unrecht meint das FG, der Kl盲gerin seien zwar die Kfz-Lieferungen zuzurechnen, weil A berechtigterweise in ihrem Namen aufgetreten sei, ihr fehle aber die f眉r die Unternehmereigenschaft erforderliche Selbst盲ndigkeit.
Die Senatsentscheidungen, auf die sich das FG zur Begr眉ndung seiner Auffassung bezieht (BFH-Urteil vom 17. Oktober 1996 V R 63/94, BFHE 181, 240, BStBl II 1997, 188, und BFH-Beschluss vom 12. Mai 1999 V B 22/99, BFH/NV 1999, 1391), betreffen eine andere Rechtsfrage, n盲mlich, ob deswegen keine umsatzsteuerbare Leistung vorliegt, weil der Leistende im Verh盲ltniszum Leistungsempf盲nger nichtselbst盲ndig t盲tig geworden ist, z.B. weil er diesem gegen眉ber die Leistung z.B. aufgrund eines Dienst- oder Arbeitsverh盲ltnisses schuldet. Im Verh盲ltnis zur Leistungsempf盲ngerin, der Kl盲gerin, war Frau Z nicht unselbst盲ndig t盲tig. Dass Frau Z auf den Sachverstand eines Dritten angewiesen war und ihr letztlich im Verh盲ltnis zu A der wirtschaftliche Erfolg ihrer T盲tigkeit nicht endg眉ltig verblieb, betrifft lediglich die Verwendung der von ihr als Unternehmerin erzielten Ertr盲ge. Dies ist umsatzsteuerrechtlich unerheblich.
2. Das FG ist von anderen Grunds盲tzen ausgegangen; sein Urteil war deshalb aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Das FG geht zwar davon aus, Frau Z seien die Leistungen zuzurechnen, weil A berechtigterweise in deren Namen aufgetreten sei; es hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Kl盲gerin, die nach dem festgestellten Sachverhalt zuvor schon Fahrzeuge von A bezogen hatte, davon wusste oder wissen konnte, dass die Einschaltung von Frau Z nur der Verschleierung von Lieferungen des A an die Kl盲gerin dienen sollte. Die Sache geht deshalb zur Nachholung entsprechender Feststellungen an das FG zur眉ck.
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Fundstellen
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BFH/NV 2004, 233 |
DStRE 2004, 153 |