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Entscheidungsstichwort (Thema)
Erm盲脽igte Quellensteuer nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-RUS
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Leitsatz (amtlich)
Die Quellensteuer auf Dividenden einer deutschen Kapitalgesellschaft ist nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland nur dann auf 5 v.H. der Dividende zu reduzieren, wenn der Nominalwert der Beteiligung mindestens 160 000 DM (81 806,70 鈧) betr盲gt.
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Normenkette
DBA RUS Art. 10 Abs. 1 Buchst. a
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten dar眉ber, ob von einer deutschen GmbH ausgesch眉ttete Dividenden nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen F枚deration zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Verm枚gen (DBA-Russland) einer Quellenbesteuerung von 5 v.H. oder von 15 v.H. unterliegen.
Die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin), eine russische Kapitalgesellschaft, war in den Streitjahren (1996 bis 1998) an der deutschen R-GmbH beteiligt. Das Stammkapital der R-GmbH belief sich auf 150 000 DM, der Anteil der Kl盲gerin hieran auf 70 005 DM.
Die R-GmbH sch眉ttete in den Jahren 1997 bis 1999 f眉r die Streitjahre 鈥 DM (1996), 鈥 DM (1997) und 鈥 DM (1998) an die Kl盲gerin aus. Sie behielt von den Aussch眉ttungen jeweils Kapitalertragsteuer ein und f眉hrte die Abzugsbetr盲ge an das zust盲ndige Finanzamt ab.
Auf einen Antrag der Kl盲gerin hin erlie脽 der Beklagte und Revisionsbeklagte (Bundesamt f眉r Finanzen 鈥旴fF鈥) am 20. Januar 1998 einen Freistellungsbescheid f眉r 1996, in dem er u.a. davon ausging, dass die Aussch眉ttung der R-GmbH nur mit 15 v.H. zu besteuern sei. Dies f眉hrte zu einer Erstattung von 鈥 DM Kapitalertragsteuer. Am 28. Januar 1998 erging ein zweiter Bescheid, mit dem das BfF unter Hinweis auf eine 脛nderung des DBA-Russland weitere 鈥 DM von der Steuer freistellte. Beide genannten Bescheide standen gem盲脽 搂 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachpr眉fung. Ihnen entsprechend beantragte und erhielt die Kl盲gerin auch f眉r 1997 und 1998 Freistellungsbescheide, in denen die Kapitalertragsteuer auf 5 v.H. der Aussch眉ttungsbetr盲ge reduziert wurde.
Im Dezember 2000 teilten die steuerlichen Vertreter der R-GmbH mit, dass nach ihrer Ansicht die Kapitalertragsteuer nur auf 15 v.H. der Aussch眉ttungsbetr盲ge reduziert werden d眉rfe. Daraufhin erlie脽 das BfF f眉r alle Streitjahre ge盲nderte Freistellungsbescheide, in denen es von einer Besteuerung in H枚he von 15 v.H. der Aussch眉ttungsbetr盲ge ausging. Die gegen die 脛nderungsbescheide gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen; sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1174 abgedruckt.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision r眉gt die Kl盲gerin eine Verletzung des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland. Sie beantragt, das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen 脛nderungsbescheide aufzuheben.
Das BfF beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegr眉ndet und war deshalb gem盲脽 搂 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur眉ckzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die angefochtenen Bescheide rechtm盲脽ig sind.
1. Die Kl盲gerin hat in den Streitjahren von einer deutschen GmbH Dividenden bezogen. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass sie damit inl盲ndische Kapitalertr盲ge i.S. des 搂 43 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt hat, die der Kapitalertragsteuer unterlagen (搂 43 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 EStG). Die Kapitalertragsteuer bel盲uft sich auf 25 v.H. der Aussch眉ttungsbetr盲ge (搂 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG) und musste von der R-GmbH unabh盲ngig von den Regelungen des DBA-Russland (搂 50d Abs. 1 Satz 1 EStG) in dieser H枚he einbehalten und abgef眉hrt werden (搂 44 Abs. 1 EStG).
Die Kl盲gerin kann jedoch eine Erstattung der von der R-GmbH einbehaltenen und abgef眉hrten Betr盲ge verlangen, soweit ihre Dividendeneink眉nfte nach dem DBA-Russland in Deutschland nur einem niedrigeren Steuersatz unterworfen werden d眉rfen (搂 50d Abs. 1 Satz 2 EStG). Rechtsgrundlage f眉r eine solche Erstattung ist ein Freistellungsbescheid i.S. des 搂 155 Abs. 2 AO 1977 (Senatsurteil vom 11. Oktober 2000 I R 34/99, BFHE 193, 336, BStBl II 2001, 291, 292, m.w.N.), f眉r dessen Erlass das BfF zust盲ndig ist (搂 5 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes 眉ber die Finanzverwaltung). Vor diesem Hintergrund streiten die Beteiligten im vorliegenden Verfahren dar眉ber, ob das BfF in den angefochtenen Freistellungsbescheiden zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Aussch眉ttungen an die Kl盲gerin nach dem DBA-Russland in Deutschland mit 15 v.H. besteuert werden d眉rfen.
2. Nach Art. 10 Abs. 1 DBA-Russland darf jeder Vertragsstaat Dividenden, die eine in ihm ans盲ssige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ans盲ssige Person zahlt, nach seinem Recht besteuern. Die Steuer darf aber 5 v.H. des Bruttobetrags der Dividende nicht 眉bersteigen, wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft ist, die unmittelbar 眉ber mindestens 10 v.H. des Grund- oder Stammkapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verf眉gt, und dieser Kapitalanteil 鈥昻ach der im Streitfall ma脽geblichen Fassung der Vorschrift鈥 mindestens 160 000 DM oder den entsprechenden Wert in Rubeln betr盲gt (Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland). In allen anderen F盲llen ist das Besteuerungsrecht dieses Staates (Quellenstaat) auf 15 v.H. des Bruttobetrags der Dividende begrenzt (Art. 10 Abs. 1 Buchst. b DBA-Russland).
3. Der Kl盲gerin steht hiernach nur eine Erm盲脽igung der Kapitalertragsteuer auf 15 v.H. der Aussch眉ttungsbetr盲ge zu. Denn sie war zwar am Kapital der R-GmbH mit mehr als 10 v.H. beteiligt. Ihr Kapitalanteil belief sich jedoch auf weniger als 160 000 DM, so dass Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland im Streitfall nicht eingreift.
a) Nach den Feststellungen des FG, die nicht mit zul盲ssigen und begr眉ndeten Revisionsr眉gen angefochten wurden und deshalb im Revisionsverfahren bindend sind (搂 118 Abs. 2 FGO), betrug der Nominalwert der Beteiligung der Kl盲gerin am Stammkapital der R-GmbH 70 005 DM. Nur auf diesen Wert, und nicht auf einen ggf. h枚heren Verkehrswert der Beteiligung, kommt es im Zusammenhang mit Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland an.
aa) Der Begriff "Kapitalanteil" ist im DBA-Russland nicht definiert. Das bedeutet jedoch entgegen der Ansicht der Kl盲gerin nicht, dass insoweit unmittelbar auf das deutsche Handelsrecht und speziell auf die zu 搂搂 120 ff. und 搂搂 155 f. des Handelsgesetzbuchs (HGB) entwickelten Begriffsbestimmungen zur眉ckzugreifen w盲re. Vielmehr ist gem盲脽 Art. 3 Abs. 2 DBA-Russland vorrangig auf den Sinnzusammenhang des Abkommens abzustellen. Dabei sind u.a. die erkennbaren Vorstellungen der Vertragsparteien sowie diejenigen Begriffsinhalte zu ber眉cksichtigen, die zu vergleichbaren anderen Abkommenstexten entwickelt worden sind. Abgesehen davon sind die von der Kl盲gerin in Anspruch genommenen handelsrechtlichen Vorschriften im Streitfall schon deshalb nicht einschl盲gig, weil sie ausschlie脽lich Anteile an Personengesellschaften betreffen, w盲hrend es hier um die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft geht.
bb) Das FG hat zu Recht angenommen, dass der Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland f眉r eine Ma脽geblichkeit des Nominalwerts der Beteiligung spricht. Denn wenn es dort hei脽t, dass "dieser Kapitalanteil" mindestens 160 000 DM betragen m眉sse, wird damit auf die zuvor verlangte Beteiligung von 10 v.H. am Grund- oder Stammkapital Bezug genommen. Mit der Beteiligung am "Grund- oder Stammkapital" ist aber, da dieses Kapital sowohl nach deutschem (z.B. 搂 6 des Aktiengesetzes; 搂 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschr盲nkter Haftung) als auch nach russischem Recht (vgl. hierzu Wagner in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 10 DBA-Russland Rz. 12) mit dem Nennwert auszuweisen ist, ersichtlich der Anteil an diesem Wert gemeint. Daf眉r spricht zudem, dass der Kommentar zum OECD-Musterabkommen (OECD-MustAbk) den Begriff "Kapital" i.S. des Kapitals im gesellschaftsrechtlichen Sinne und ohne Ber眉cksichtigung von Reserven definiert (Nr. 15 OECD-MustAbk zu Art. 10). Gegen眉ber dieser Definition haben weder Deutschland oder Russland Vorbehalte angebracht. Wenn nunmehr das DBA-Russland im Zusammenhang mit der betragsm盲脽igen Wertgrenze ohne weitere Differenzierung auf den so definierten Kapitalanteil verweist, spricht dies daf眉r, dass es insoweit ebenfalls auf den Nominalwert der Beteiligung ankommen soll. H盲tte Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland nur hinsichtlich der prozentualen Beteiligung auf den Nennwert, bei der absoluten Wertgrenze aber auf einen anderen Wert abstellen wollen, so h盲tte diese Unterscheidung in irgendeiner Form zum Ausdruck gebracht werden m眉ssen.
cc) Hinzu kommt, dass die von der Kl盲gerin bef眉rwortete Ankn眉pfung an den Verkehrswert in der praktischen Umsetzung zu erheblichen Schwierigkeiten f眉hren muss. Das gilt nicht nur deshalb, weil der Verkehrswert einer Beteiligung h盲ufig nur schwer zu bestimmen ist. Er kann vielmehr im zeitlichen Verlauf auch schwanken. Deshalb kann es in der Praxis insbesondere vorkommen, dass der Verkehrswert zu bestimmten Zeitpunkten unter, zu anderen hingegen 眉ber 160 000 DM liegt. Angesichts dessen w盲re es in hohem Ma脽e unpraktikabel, wenn der Umfang des Besteuerungsrechts davon abhinge, welchen Verkehrswert die Beteiligung des Dividendenempf盲ngers im Zeitpunkt vor oder nach der Aussch眉ttung (搂 44 Abs. 1 Satz 2 EStG) hatte. Auch unter diesem Gesichtspunkt verbietet sich die von der Kl盲gerin vertretene Auslegung des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland. Demgegen眉ber bietet die Ankn眉pfung an den Nominalwert der Beteiligung eine zuverl盲ssige und leicht handhabbare Beurteilungsgrundlage f眉r den Umfang des dem Quellenstaat zustehenden Besteuerungsrechts; sie ist gerade unter diesem Gesichtspunkt vorzugsw眉rdig.
dd) Der Kl盲gerin ist zuzugeben, dass bei einer solchen Auslegung Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland immer dann nicht eingreifen kann, wenn 鈥晈ie im Streitfall鈥 das Grund- oder Stammkapital der aussch眉ttenden Gesellschaft sich auf weniger als 160 000 DM bel盲uft. Daraus l盲sst sich jedoch die von ihr angestrebte Auslegung der Vorschrift nicht ableiten. Die Begrenzung auf Beteiligungen in H枚he von mindestens 160 000 DM dient n盲mlich ersichtlich dem Ziel, das Schachtelprivileg nur demjenigen Kapitalanleger zu gew盲hren, der sich in einer bestimmten Gr枚脽enordnung in dem jeweils anderen Vertragsstaat engagiert; Investitionen geringeren Umfangs gelten aus der Sicht des Abkommens mithin nicht als besonders f枚rderungsw眉rdig. Dabei kann es jedoch keinen Unterschied machen, ob der Anleger einen unter 160 000 DM liegenden Betrag in eine gro脽e Gesellschaft investiert und daf眉r nur einen Teil der Gesellschaftsanteile erh盲lt oder ob er f眉r denselben Betrag alle Anteile an einer kleinen Gesellschaft erwirbt. Es entspricht mithin gerade dem Ziel der Abkommensregelung, auch in dem letztgenannten Fall die Reduzierung der Quellensteuer auf 5 v.H. zu versagen. Deshalb kann die Argumentation der Kl盲gerin weder die vom FG vertretene Auslegung des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland ersch眉ttern noch eine Nichtanwendung jener Regelung auf den Streitfall rechtfertigen.
ee) Der Senat vermag auch nicht der in der Literatur vertretenen Ansicht zu folgen, Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland sei im Wege einer teleologischen Reduktion dahin auszulegen, dass bei einer Beteiligung von mehr als 25 v.H. am Grund- oder Stammkapital die Quellensteuer unabh盲ngig vom Wert der Beteiligung auf 5 v.H. zu begrenzen sei (Kramer, Internationales Steuerrecht 鈥旾StR鈥 2003, 159, 160 f.). Es ist zwar richtig, dass eine solche Handhabung sowohl dem OECD-MustAbk als auch den meisten von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Abkommen und in diesem Sinne einem internationalen Standard entspricht. Jedoch enth盲lt das DBA-Russland insoweit gerade eine von diesem Standard abweichende Regelung. H盲tten die Vertragsparteien jede Beteiligung von mehr als 25 v.H. beg眉nstigen und lediglich dar眉ber hinaus bei Beteiligungen zwischen 10 v.H. und 25 v.H. eine weitere Alternative f眉r die Gew盲hrung des Schachtelprivilegs zur Verf眉gung stellen wollen, so h盲tte dies im Abkommenstext ohne Schwierigkeiten zum Ausdruck gebracht werden k枚nnen. Das ist nicht geschehen. Angesichts dessen muss die getroffene Regelung als abschlie脽end verstanden werden; f眉r eine Auslegung des Inhalts, dass auch in anderen F盲llen eine Begrenzung der Quellensteuer auf 5 v.H. in Betracht komme, ist kein Raum (ebenso Wagner in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 DBA-Russland Rz. 13).
ff) Zu Unrecht beruft sich die Kl盲gerin auf die Verst盲ndigungsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen F枚deration, die im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18. Oktober 2001 (BStBl I 2001, 777) wiedergegeben ist. Dort hei脽t es zwar u.a., dass die Mindestbeteiligung in H枚he von 160 000 DM bzw. des entsprechenden Werts in Rubeln nur im Zeitpunkt der Investition und nicht zus盲tzlich im Zeitpunkt der Aussch眉ttung gegeben sein m眉sse (Nr. 1 des BMF-Schreibens). Diese Vereinbarung bringt aber nicht zum Ausdruck, dass sich nach dem 眉bereinstimmenden Verst盲ndnis der russischen und der deutschen Finanzverwaltung der Wert der Beteiligung nach dem Zeitpunkt der Investition 盲ndern kann (a.A. Kramer, IStR 2003, 159, 161). Sie zielt vielmehr darauf ab, einer m枚glichen Schwankung der Wechselkurse Rechnung zu tragen; insbesondere soll bei einer Abrechnung in Rubel das Schachtelprivileg nicht dadurch verloren gehen k枚nnen, dass im Anschluss an die Investition der Kurs des Rubels gegen眉ber demjenigen der deutschen W盲hrung sinkt (Wagner in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 DBA-Russland Rz. 12). Die von der Kl盲gerin angestrebte Ankn眉pfung der Wertgrenze an den jeweiligen Verkehrswert der Beteiligung vermag die Verst盲ndigungsvereinbarung mithin nicht zu st眉tzen.
b) Zu einer abweichenden Beurteilung f眉hren nicht die verschiedenen Staatsvertr盲ge, auf die sich die Kl盲gerin zur St眉tzung ihres Begehrens berufen hat.
aa) Das gilt zun盲chst f眉r den Vertrag der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken 眉ber die F枚rderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 13. Juni 1989 (BGBl II 1990, 343). Art. 3 Abs. 1 und 2 dieses Vertrages verpflichten zwar die Vertragsstaaten, Investoren aus dem jeweils anderen Vertragsstaat nicht weniger g眉nstig zu behandeln als Investoren aus dritten Staaten. Doch bestimmt Art. 3 Abs. 3 ausdr眉cklich, dass sich dieses Diskriminierungsverbot nicht auf Vorrechte und Verg眉nstigungen bezieht, die im Zusammenhang mit einem gemeinsamen Markt, einer Zoll- oder Wirtschaftsunion oder einer Freihandelszone oder aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens oder sonstiger Vereinbarungen 眉ber Steuerfragen gew盲hrt werden. Angesichts dessen l盲sst sich aus dem genannten Vertrag weder die von der Kl盲gerin begehrte Auslegung des Art. 10 DBA-Russland noch ein Anspruch der Kl盲gerin auf Gleichbehandlung mit Unternehmen aus EU-Staaten ableiten. Dasselbe gilt im Hinblick auf den Vertrag 眉ber gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 9. November 1990 (BGBl II 1991, 703), der im Hinblick auf die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen keine konkreten Rechte f眉r einzelne Personen oder Unternehmen begr眉ndet.
bb) Ebenso l盲sst sich die Position der Kl盲gerin nicht auf das Abkommen 眉ber Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gr眉ndung einer Partnerschaft zwischen den Europ盲ischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen F枚deration andererseits vom 24. Juni 1994 (BGBl II 1997, 846) st眉tzen. Dieses Abkommen regelt die hier interessierende Frage der Investitionsbedingungen im Allgemeinen in Titel IV (Art. 23 ff.) und speziell die Niederlassungsm枚glichkeiten von Unternehmen in dessen Kapitel II (Art. 28 ff.). Art. 28 des Abkommens enth盲lt zwar verschiedene Meistbeg眉nstigungsklauseln (Abs. 1 und Abs. 2); doch beziehen sich diese ausdr眉cklich weder auf Vorteile aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 49 Abs. 1) noch auf wohnsitzbedingte Differenzierungen (Art. 49 Abs. 3). Folglich kann auch aus diesem Abkommen f眉r die Auslegung des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland nichts abgeleitet werden; allein der Umstand, dass Art. 58 Abs. 1 des Abkommens u.a. von der Schaffung eines g眉nstigen gegenseitigen Investitionsklimas spricht, reicht entgegen der Ansicht der Kl盲gerin hierf眉r nicht aus.
Der Senat kann diese Frage selbst beurteilen und muss nicht die von der Kl盲gerin angestrebte Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europ盲ischen Gemeinschaften (EuGH) einholen. Er ist als letztinstanzliches Gericht zwar nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gr眉ndung der Europ盲ischen Gemeinschaft (EGV) im Grundsatz verpflichtet, Fragen zur Auslegung europ盲ischen Gemeinschaftsrechts dem EuGH vorzulegen. Das gilt jedoch nicht, wenn 眉ber die richtige Anwendung dieses Rechts kein vern眉nftiger Zweifel herrschen kann (EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 "C.I.L.F.I.T.", EuGHE 1982, 3415, Tz. 16). Diese Situation liegt im Streitfall vor, da sich aus Wortlaut und Systematik des ma脽geblichen Abkommens klar ergibt, dass hieraus die von der Kl盲gerin angestrebte Rechtsfolge nicht abgeleitet werden kann. Angesichts dessen kann im Streitfall offen bleiben, ob Art. 234 Abs. 3 EGV auch im Zusammenhang mit von der Europ盲ischen Gemeinschaft (EG) abgeschlossenen v枚lkerrechtlichen Vertr盲gen gilt, die nur von den einzelnen Mitgliedstaaten erf眉llt werden k枚nnen (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 30. September 1987 Rs. 12/86 "Demirel", EuGHE 1987, 3719, Tz. 7 ff.).
c) Schlie脽lich verst枚脽t die Erhebung der nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. b DBA-Russland zul盲ssigen deutschen Quellensteuer nicht gegen die Regelungen des EGV.
aa) Das gilt zun盲chst im Hinblick auf die durch Art. 43 (bis 30. April 1999: Art. 52) EGV garantierte Niederlassungsfreiheit. Denn diese steht nur Staatsangeh枚rigen eines Mitgliedstaats sowie dar眉ber hinaus den Staatsangeh枚rigen der Mitgliedstaaten des Europ盲ischen Wirtschaftsraums zu (vgl. hierzu Br枚hmer in Calliess/Ruffert, Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Aufl., Art. 43 Rz. 7). F眉r Gesellschaften gilt dies in dem Sinne, dass sie sich dann auf die Niederlassungsfreiheit berufen k枚nnen, wenn sie nach dem Recht eines der genannten Staaten gegr眉ndet worden sind oder in einem jener Staaten ihren satzungsm盲脽igen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung haben (Art. 48 Abs. 1 EGV; bis 30. April 1999: Art. 58 Abs. 1 EGV). Die Kl盲gerin erf眉llt keine der genannten Voraussetzungen, so dass ihr die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit nicht zusteht.
bb) Im Ergebnis dasselbe gilt im Hinblick auf die durch Art. 56 Abs. 1 (bis 30. April 1999: Art. 73b) EGV garantierte Freiheit des Kapitalverkehrs. Diese schlie脽t zwar Beschr盲nkungen des Kapitalverkehrs nicht nur im Verh盲ltnis zwischen Mitgliedstaaten aus; vielmehr wird auch der Kapitalverkehr zwischen Mitgliedstaaten und dritten Staaten gesch眉tzt. Doch wird die hier in Rede stehende Dividendenbesteuerung selbst dann, wenn sie dem Grunde nach die Freiheit des Kapitalverkehrs ber眉hrt, jedenfalls durch Art. 58 Abs. 1 Buchst. a (bis 30. April 1999: Art. 73d Abs. 1 Buchst. a) EGV gerechtfertigt.
aaa) Danach ber眉hrt Art. 56 Abs. 1 EGV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschl盲gigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort unterschiedlich behandeln. Diese Bestimmung ist im Streitfall einschl盲gig. Sie gilt zwar, soweit der Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten betroffen ist, nur im Hinblick auf die am 31. Dezember 1993 bestehenden steuerrechtlichen Vorschriften (Erkl盲rung Nr. 7 zum Vertrag 眉ber die Europ盲ische Union). Im Hinblick auf den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und Drittl盲ndern besteht jedoch keine entsprechende zeitliche Begrenzung (Glaesner in Schwarze, EU-Kommentar, Art. 58 EGV Rz. 2; Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europ盲ischen Union, Art. 58 EGV Rz. 11). Mithin ist die genannte Regelung auch auf das am 30. Dezember 1996 in Kraft getretene DBA-Russland anwendbar.
bbb) Im Streitfall wird zwar die Kl盲gerin im Hinblick auf die H枚he der einzubehaltenden Kapitalertragsteuer ung眉nstiger behandelt als eine Person, die sich auf ein Doppelbesteuerungsabkommen mit einer weiter gehenden Begrenzung der Quellenbesteuerung berufen kann. Diese unterschiedliche Behandlung ist aber ausschlie脽lich darin begr眉ndet, dass die Kl盲gerin in Russland ans盲ssig ist. Angesichts dessen wird nach dem klaren Wortlaut des Art. 58 EGV die hier in Rede stehende Besteuerung durch Art. 56 Abs. 1 EGV nicht ausgeschlossen.
Dieser Beurteilung steht das EuGH-Urteil vom 21. November 2002 C-436/00 "X und Y" (EuGHE 2002, 10829) nicht entgegen. Zwar hat der EuGH die dort 眉berpr眉fte Vorschrift des schwedischen Steuerrechts nicht nur im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit, sondern auch wegen eines Versto脽es gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs verworfen (Tz. 66 ff. des Urteils). Doch ging es in jener Vorschrift darum, dass die 脺bertragung von Gesellschaftsanteilen an eine ausl盲ndische Gesellschaft oder an deren Tochtergesellschaft steuerlich ung眉nstiger behandelt wurde als eine ansonsten vergleichbare Anteils眉bertragung an eine inl盲ndische (schwedische) Gesellschaft. Eine derartige Regelung ist geeignet, eine willk眉rliche Diskriminierung oder eine verschleierte Beschr盲nkung des freien Kapitalverkehrs zu bewirken, die durch den in Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EGV angeordneten steuerrechtlichen Vorbehalt nicht abgedeckt wird (Art. 58 Abs. 3 EGV; bis 30. April 1999: Art. 73d Abs. 3 EGV). Im Streitfall scheidet eine solche jedoch schon deshalb aus, weil die ma脽gebliche Bestimmung des DBA-Russland das Ergebnis einer gegenseitigen Vereinbarung zwischen den beteiligten Vertragsstaaten ist, in die deren jeweilige Interessen eingeflossen und zum Ausgleich gebracht worden sind. Dabei ist speziell die hier ma脽gebliche Formulierung in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland augenscheinlich von der russischen Seite eingebracht worden, die als den ma脽gebenden Wert den Nennwert der Beteiligung betrachtet (vgl. hierzu Wagner in Debatin/ Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 DBA-Russland Rz. 12). Vor diesem Hintergrund ist die Annahme, dass eine entsprechende Handhabung des DBA-Russland auf eine willk眉rliche Diskriminierung russischer Unternehmen oder auf eine verschleierte Beschr盲nkung des Kapitalverkehrs mit Russland hinauslaufe, offensichtlich fernliegend. Damit wird die genannte Auslegung unter dem Gesichtspunkt des freien Kapitalverkehrs von Art. 58 Abs. 1 EGV abgedeckt. Einer Anrufung des EuGH bedarf es auch in diesem Zusammenhang nicht.
4. Im Ergebnis kann die Kl盲gerin mithin f眉r alle Streitjahre nur eine Begrenzung der Kapitalertragsteuer nach Ma脽gabe des Art. 10 Abs. 1 Buchst. b DBA-Russland, also auf 15 v.H. der Aussch眉ttungsbetr盲ge, beanspruchen. Die angefochtenen Bescheide, die dem entsprechen, sind deshalb inhaltlich zutreffend. Entgegen der Ansicht der Kl盲gerin war das BfF auch nicht nach Treu und Glauben am Erlass dieser Bescheide gehindert.
a) Durch die streitbefangenen Bescheide wurden voraufgegangene Freistellungsbescheide ge盲ndert, die unter dem Vorbehalt der Nachpr眉fung standen. Die 脛nderungsbefugnis des BfF ergibt sich deshalb aus 搂 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977. Die 脛nderung scheiterte auch nicht am Ablauf der Festsetzungsfristen (搂 164 Abs. 4 Satz 1 AO 1977), da diese bei Erlass der 脛nderungsbescheide f眉r alle Streitjahre noch andauerten. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
b) Im Erlass der Freistellungsbescheide mit einer Begrenzung der Quellensteuern auf 5 v.H. kann entgegen der Ansicht der Kl盲gerin keine verbindliche Zusage des Inhalts liegen, dass es bei dieser Sachbehandlung endg眉ltig bleiben werde. Dem steht schon die Anordnung des Vorbehalts der Nachpr眉fung entgegen, aus der sich f眉r die Kl盲gerin erkennbar ergab, dass das BfF sich die M枚glichkeit einer sp盲teren 脛nderung der Bescheide offen halten wollte. Abgesehen davon fehlt es im Streitfall an allen Merkmalen einer verbindlichen Zusage, namentlich an einem entsprechenden Antrag der Kl盲gerin und einer beh枚rdlichen Erkl盲rung, die sich auf einen erst in Zukunft zu verwirklichenden Sachverhalt bezieht (vgl. hierzu Klein/R眉sken, Abgabenordnung, 8. Aufl., 搂 204 Rz. 23, m.w.N.).
c) Schlie脽lich war bei Erlass der angefochtenen Bescheide der hier in Rede stehende Steueranspruch nicht verwirkt. Eine Verwirkung tritt n盲mlich nur dann ein, wenn die Finanzbeh枚rde 眉ber l盲ngere Zeit unt盲tig geblieben ist und die versp盲tete Rechtsaus眉bung aufgrund besonderer Umst盲nde als Versto脽 gegen Treu und Glauben erscheint (Senatsurteil vom 24. April 2002 I R 25/01, BFHE 198, 303, BStBl II 2002, 586, 589, m.w.N.). Ein solcher Sachverhalt liegt entgegen der Ansicht der Kl盲gerin im Streitfall nicht schon deshalb vor, weil das BfF die urspr眉nglichen Feststellungsbescheide ohne Veranlassung seitens der Kl盲gerin zu deren Gunsten ge盲ndert und dazu auf eine 脛nderung des DBA-Russland hingewiesen hatte. Daraus mag zwar abzuleiten sein, dass das BfF im Vorfeld jener Ma脽nahme die Sach- und Rechtslage 眉berpr眉ft hatte. Auch insoweit muss jedoch die Erw盲gung durchgreifen, dass es sich durch die Anordnung des Vorbehalts der Nachpr眉fung eine erneute 脺berpr眉fung vorbehalten hatte und dass dies f眉r die Kl盲gerin erkennbar war. Wenn es sp盲ter von dieser erkl盲rterma脽en vorbehaltenen Pr眉fungsm枚glichkeit Gebrauch gemacht hat, stellt dies keinen Versto脽 gegen Treu und Glauben dar (vgl. hierzu auch Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 28. August 2002 V B 71/02, BFH/NV 2003, 4, m.w.N.). Die Kl盲gerin genie脽t mithin im Ergebnis keinen Vertrauensschutz.
Hierf眉r kommt es nicht darauf an, ob der Kl盲gerin durch das Vorgehen des BfF ein Schaden entstanden ist. Diese Frage hat das FG deshalb zu Recht offen gelassen. Falls das Vorgehen des BfF f眉r die Kl盲gerin 鈥晈ie diese vortr盲gt鈥 zum Verlust von Steueranrechnungsm枚glichkeiten in Russland gef眉hrt haben sollte, k枚nnte dies allenfalls Anlass f眉r eine Billigkeitsma脽nahme nach 搂 163 oder nach 搂 227 AO 1977 sein. Dar眉ber kann aber im Steuerfestsetzungsverfahren (Klein/R眉sken, a.a.O., 搂 163 Rz. 2, m.w.N.) und damit auch im Freistellungsverfahren nicht befunden werden.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 1208292 |
BFH/NV 2004, 1444 |
BStBl II 2004, 767 |
BFHE 2005, 332 |
BFHE 206, 332 |
BB 2004, 1950 |
DStRE 2004, 1293 |
DStZ 2004, 624 |
HFR 2004, 1079 |