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Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltung des Kassenstaatsprinzips f眉r Geh盲lter der VBL
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Leitsatz (NV)
Die von der VBL an ihre Besch盲ftigten gezahlten Geh盲lter werden f眉r Dienstleistungen in der Verwaltung gezahlt. Ist der Besch盲ftigte ein Grenzg盲nger mit Wohnsitz in Frankreich, ist die Anwendung der Grenzg盲ngerregelung des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich durch die Sonderregelung des Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich (Kassenstaatsprinzip) ausgeschlossen.
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Normenkette
DBA FRA Art.听13 Abs. 5, Art.听14 Abs.听1, 3; FGO 搂 100 Abs. 1 S. 4; EStG 搂听1 Abs. 4, 搂听39b Abs. 6, 搂听49 Abs. 1 Nr. 4
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Die Kl盲gerin und Revisionsbeklagte (Kl盲gerin), eine deutsche Staatsangeh枚rige, ist Angestellte der Versorgungsanstalt des Bundes und der L盲nder (VBL) in Karlsruhe. Seit 1991 hat sie ihren Wohnsitz im Elsass. Der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt --FA--) best盲tigte ihren sog. Grenzg盲ngerstatus in widerruflichen und befristeten Freistellungsbescheinigungen nach 搂 39b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Eink眉nfte der Kl盲gerin aus nichtselbst盲ndiger T盲tigkeit wurden daher von der VBL nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen, sondern in Frankreich besteuert (Art. 13 Abs. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Franz枚sischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und 眉ber gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Verm枚gen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959, BGBl II 1961, 398, mit sp盲teren 脛nderungen --DBA-Frankreich--).
Mit Bescheid vom 25. Juli 2003 widerrief das FA die zuletzt erteilte Freistellungsbescheinigung vom 4. Januar 2001 mit Wirkung zum 1. Januar 2003. Es war der Auffassung, aufgrund des Kassenstaatsprinzips nach Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich stehe Deutschland das Besteuerungsrecht f眉r die Lohneink眉nfte der Kl盲gerin zu, weil sie bei der VBL und damit einer Anstalt des 枚ffentlichen Rechts besch盲ftigt sei, die keine Gewinnerzielungsabsicht habe (Art. 14 Abs. 3 DBA-Frankreich). Die sog. Grenzg盲ngerregelung des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich k枚nne daher nicht auf die Kl盲gerin angewandt werden.
Das Finanzgericht (FG) Baden-W眉rttemberg, Au脽ensenate Karlsruhe, hat der deswegen erhobenen, in ihrem Hauptantrag auf Aufhebung des Widerrufsbescheids gerichteten Klage mit Urteil vom 26. Juni 2007听 1 K 421/04, ver枚ffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1401, soweit sie hilfsweise als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgef眉hrt wurde, stattgegeben und festgestellt, dass der Widerruf der Freistellungsbescheinigung rechtswidrig gewesen sei.
Mit seiner Revision r眉gt das FA eine Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kl盲gerin beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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II. Die Revision ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (搂 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage zul盲ssig ist (搂 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), weil die Kl盲gerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufs der Freistellungsbescheinigung hat. Das FA hat auch in der Folgezeit der Kl盲gerin keine Freistellungsbescheinigung nach 搂 39b Abs. 6 EStG erteilt und ferner die Lohnsteuer nachgefordert. Das berechtigte Interesse der Kl盲gerin besteht daher sowohl unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr als auch unter dem der Prozess枚konomie (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Juni 1989 X R 12/84, BFHE 157, 370, BStBl II 1989, 976).
2. Das FG hat aber zu Unrecht angenommen, dass der Widerruf der Freistellungsbescheinigung rechtswidrig gewesen sei. Die Kl盲gerin kann f眉r die von der VBL erhaltenen Bez眉ge keine Freistellungsbescheinigung gem盲脽 搂 39b Abs. 6 EStG i.V.m. Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich beanspruchen. Das Besteuerungsrecht f眉r diese Eink眉nfte steht nicht Frankreich, sondern Deutschland zu.
a) Die in Frankreich wohnende Kl盲gerin ist in Deutschland mit ihren inl盲ndischen Eink眉nften aus ihrer hier ausge眉bten nichtselbst盲ndigen Arbeit gem盲脽 搂 1 Abs. 4 i.V.m. 搂 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG beschr盲nkt einkommensteuerpflichtig. Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich steht das Besteuerungsrecht f眉r Eink眉nfte aus nichtselbst盲ndiger Arbeit grunds盲tzlich dem T盲tigkeitsstaat zu. Abweichend hiervon bestimmt Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich, dass Eink眉nfte aus nichtselbst盲ndiger Arbeit von Personen, die im Grenzgebiet eines Vertragsstaates arbeiten und ihre st盲ndige Wohnst盲tte, zu der sie in der Regel jeden Tag zur眉ckkehren, im Grenzgebiet des anderen Vertragsstaates haben, nur in diesem anderen Staat besteuert werden. Die Kl盲gerin erf眉llt zwar diese Voraussetzungen. Die sog. Grenzg盲ngerregelung des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich ist aber durch die Sonderregelung des Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich ausgeschlossen (vgl. Senatsurteil vom 5. September 2001 I R 88/00, BFH/NV 2002, 623).
b) Nach Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich k枚nnen Geh盲lter, L枚hne und 盲hnliche Verg眉tungen sowie Ruhegeh盲lter, die einer der Vertragsstaaten, ein Land oder eine juristische Person des 枚ffentlichen Rechts dieses Staates oder Landes an in dem anderen Staat ans盲ssige nat眉rliche Personen f眉r gegenw盲rtige oder fr眉here Dienstleistungen in der Verwaltung oder in den Streitkr盲ften zahlt, grunds盲tzlich nur in dem erstgenannten Staat besteuert werden. Diese Regelung greift im Streitfall ein.
aa) Die VBL ist nach 搂 1 ihrer Satzung (VBLS) eine Anstalt des 枚ffentlichen Rechts und damit eine juristische Person des 枚ffentlichen Rechts.
bb) Die Kl盲gerin erh盲lt ihren Lohn von der VBL f眉r "Dienstleistungen in der Verwaltung".
aaa) Das Merkmal "in der Verwaltung" erfordert eine gewisse Einbindung des Dienstleistenden in eine Gebietsk枚rperschaft oder juristische Person des 枚ffentlichen Rechts und grenzt einmalige oder gelegentliche Leistungen von selbst盲ndig oder gewerblich T盲tigen f眉r die Verwaltung aus dem Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich aus (vgl. Kramer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 14 Frankreich Rz 11). Ferner fordert es eine Dienstleistung f眉r die Gebietsk枚rperschaft oder juristische Person des 枚ffentlichen Rechts. Allein die Besoldung durch Bund, L盲nder oder sonstige juristische Personen des 枚ffentlichen Rechts reicht demnach nicht aus, wenn der Bedienstete --wie im Sachverhalt, der dem Senatsurteil vom 17. Dezember 1997 I R 60-61/97 (BFHE 185, 376, BStBl II 1999, 13) zugrunde lag-- mittels Dienstleistungs眉berlassungsvertrag einem privaten Steuersubjekt 眉berlassen wird und diesem das Weisungs- und Direktionsrecht zusteht. Ebenso wenig fallen --wie sich aus Art. 14 Abs. 3 DBA-Frankreich ergibt-- auf Gewinnerzielung gerichtete gewerbliche T盲tigkeiten eines Vertragsstaates, eines Landes oder einer juristischen Person des 枚ffentlichen Rechts dieses Staates oder Landes unter Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich.
bbb) Eine weitere Abgrenzung danach, ob mit den Dienstleistungen unmittelbar 枚ffentliche Aufgaben verwirklicht werden, ist entgegen der Auffassung des FG nicht vorzunehmen. Vielmehr k枚nnen auch Dienstleistungen, die z.B. im Bereich der Verm枚gensverwaltung oder auf privatrechtlicher Grundlage erbracht werden, unter Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich fallen. Dies folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Bestimmung, der mehrere Deutungsm枚glichkeiten zul盲sst; es ergibt sich jedoch aus dem Aufbau des Art. 14 DBA-Frankreich. Die Regelung in Art. 14 Abs. 3 DBA-Frankreich, nach der Zahlungen f眉r Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer auf Gewinnerzielung gerichteten gewerblichen T盲tigkeit eines der beiden Vertragsstaaten, eines Landes oder einer juristischen Person des 枚ffentlichen Rechts dieses Staates oder Landes stehen, nicht unter Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich fallen, w盲re 眉berfl眉ssig, wenn bereits nach Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich alle T盲tigkeiten, die nicht der unmittelbaren Erf眉llung 枚ffentlicher Aufgaben dienten, von der Geltung des Kassenstaatsprinzips ausgeschlossen w盲ren. Dies spricht daf眉r, dass Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich allein an die 枚ffentlich-rechtliche Rechtsform des Dienstherrn ankn眉pft und alle Aufwendungen f眉r Arbeitnehmer oder Personen mit arbeitnehmer盲hnlicher Einbindung in die Verwaltung der juristischen Personen erfassen will. Nur dann, wenn die juristischen Personen des 枚ffentlichen Rechts wie Privatrechtssubjekte eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete T盲tigkeit aus眉ben, wird das Kassenstaatsprinzip durch Art. 14 Abs. 3 DBA-Frankreich weiter eingeschr盲nkt.
Die Auffassung, nur hoheitliche T盲tigkeiten fielen unter Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich, f眉hrte dar眉ber hinaus zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten, weil es weitgehend in das Belieben des Staates gestellt ist, welche Aufgaben er sich als 枚ffentliche Aufgabe zueigen macht. Ebenso steht es ihm grunds盲tzlich frei, ob er seine Aufgaben in privatrechtlicher oder 枚ffentlich-rechtlicher Form erf眉llt.
Ferner kann es sich --wie der Streitfall zeigt-- auch bei Leistungen, die nicht unmittelbar dem hoheitlichen Bereich zuzurechnen sind, wirtschaftlich betrachtet gleichwohl um Aufwendungen f眉r Dienstleistungen im 枚ffentlichen Dienst handeln. Die VBL gew盲hrt den bei ihren Mitgliedern (搂 19 VBLS) Besch盲ftigten eine im Umlageverfahren finanzierte zus盲tzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung. Diese Versorgung wird 眉berwiegend von den 枚ffentlichen Arbeitgebern finanziert (B枚hm/Spiertz/Sponer/Steinherr, Bundesangestelltentarif, Kommentar 搂 16 ATV Rz 6), die hierzu tarifvertraglich verpflichtet sind (搂 46 des Bundesangestelltentarifvertrags). Aus Sicht der Arbeitgeber handelt es sich bei den Umlagen zur Finanzierung der zus盲tzlichen Altersversorgung um Lohnaufwendungen f眉r die Besch盲ftigten im 枚ffentlichen Dienst und damit um Kosten, die im Zusammenhang mit der Erf眉llung 枚ffentlicher Aufgaben anfallen. Die Erfassung dieser Geh盲lter entspricht demnach auch dem Zweck des Kassenstaatsprinzips, die Vertragsstaaten durch die Aus眉bung der Besteuerungsrechte nicht bei der Wahrnehmung 枚ffentlicher Aufgaben zu behindern.
ccc) Der Auffassung des FG, aus Art. 19 des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Verm枚gen (OECD-MustAbk), der nur Bund und L盲nder, nicht dagegen sonstige juristische Personen des 枚ffentlichen Rechts nenne, folge, dass das Merkmal "in der Verwaltung" in Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich restriktiv auszulegen sei, ist nicht zu folgen. Es gibt keinen Grundsatz, dass Bestimmungen in DBA, die das Besteuerungsrecht hinsichtlich bestimmter Eink眉nfte gegen眉ber den entsprechenden Regelungen im OECD-Musterabkommen erweitern, im Interesse einer m枚glichst geringen Abweichung vom OECD-Musterabkommen einschr盲nkend auszulegen sind. Die Vertragsstaaten haben in Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich nicht nur Verg眉tungen der Vertragsstaaten oder einer ihrer Gebietsk枚rperschaften, sondern ausdr眉cklich auch Verg眉tungen, die von sonstigen juristischen Personen des 枚ffentlichen Rechts bezahlt werden, einbezogen. Diese Entscheidung ist nicht durch restriktive Auslegung anderer Merkmale des Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich zu konterkarieren. Zwar ist zu vermuten, dass die Vertragsstaaten die Bestimmung eines DBA, die ihrem Wortlaut nach mit einer Bestimmung des OECD-Musterabkommens 眉bereinstimmt, auch im Sinne des Musterkommentars verstanden haben. Diese Vermutung greift jedoch bei einer vom Wortlaut des OECD-Musterabkommens abweichenden Regelung nicht ein und gilt erst recht nicht, wenn die Bestimmung --wie hier-- in einem DBA bereits vor Schaffung des ersten Musterabkommens im Jahr 1963 zwischenstaatlich vereinbart wurde. Im 脺brigen wird auch zu Art. 19 OECD-MustAbk die Auffassung vertreten, ma脽geblich sei nicht die Aus眉bung einer hoheitlichen T盲tigkeit, sondern allein die 枚ffentlich-rechtliche Rechtsform des Dienstherrn (Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 19 MA Rz 40).
ddd) Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb angezeigt, weil die Kl盲gerin in den Streitjahren als 鈥 von ihrer eigentlichen T盲tigkeit freigestellt war. Eine Abgrenzung nach der Art der ausge眉bten T盲tigkeit ist allenfalls dann erforderlich, wenn die juristische Person des 枚ffentlichen Rechts auch T盲tigkeiten mit Gewinnerzielungsabsicht aus眉bt (vgl. Senatsbeschluss vom 7. April 2004 I B 196/03, BFH/NV 2004, 1377). Denn insoweit ist die Anwendung des Art. 14 Abs. 1 DBA-Frankreich ausgeschlossen (Art. 14 Abs. 3 DBA-Frankreich). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die VBL entfaltet keine auf Gewinnerzielung gerichtete T盲tigkeit. Die Kl盲gerin f盲llt danach nicht unter die Grenzg盲ngerregelung des Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich.
3. Das FG ist von anderen Grunds盲tzen ausgegangen. Sein Urteil ist daher aufzuheben und die Klage ist insgesamt abzuweisen.
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Fundstellen
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BFH/NV 2009, 390 |
HFR 2009, 556 |