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Entscheidungsstichwort (Thema)
Das Prinzip von Treu und Glauben als Hinderungsgrund, einheitliche GewSt-Me脽betr盲ge und USt-Anspr眉che festzusetzen
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Leitsatz (NV)
1. In der Festsetzung des einheitlichen GewSt-Me脽betrages (搂 14 Abs. 1 und 2 GewStG) liegt u.a. die Feststellung der sachlichen und pers枚nlichen Steuerpflicht (搂 184 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Zur Feststellung der sachlichen Steuerpflicht geh枚rt die Feststellung dessen, was Steuergegenstand ist. Dies setzt u.a. voraus, da脽 festgestellt wird, es liege ein Gewerbebetrieb vor.
2. Ein Ingenieurb眉ro stellt einen Gewerbebetrieb i.S. des 搂 2 GewStG dar, wenn dieses zu den gewerblichen Unternehmen i.S. des EStG geh枚rt, weil die Inhaberin nicht Ingenieurin ist und insoweit nicht Eink眉nfte aus selbst盲ndiger Arbeit i.S. des 搂 18 EStG bezieht.
3. Zur finanzbeh枚rdlichen Zusage und zur Verwirkung als Anwendungsf盲lle der Grunds盲tze von Treu und Glauben.
4. 搂 205 Abs. 2 AO 1977 enth盲lt die gesetzliche Fixierung allgemeiner Grunds盲tze.
5. F眉r die Anwendung der Grunds盲tze 眉ber die Verwirkung werden das einen einheitlichen GewSt-Me脽betrag festsetzende FA als Anspruchsberechtigter behandelt und das Recht des FA, den einheitlichen GewSt-Me脽betrag festzusetzen, als verwirkbar angesehen.
6. Auch die in einem ESt-Bescheid zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des FA kann ein schutzw眉rdiges Vertrauen darauf begr眉nden, da脽 das FA endg眉ltig auf die Festsetzung eines einheitlichen GewSt-Me脽betrages verzichten werde; hierbei ist auf den ESt-Bescheid des jeweiligen Folgejahres abzustellen.
7. Zur Anwendung von Treu und Glauben bei der Umsatzsteuer.
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Normenkette
AO 1977 搂听184 Abs. 1 S. 2, 搂听205 Abs. 2; EStG 搂 18; GewStG 搂搂听2, 14 Abs.听1-2; UStG 1967/73 搂 12
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Die Kl盲gerin und Revisionsbeklagte (Klin.) ist gelernte Kontoristin. Ihr Ehemann ist Ingenieur. Am . . . 1963 er枚ffnete die Klin. ein Ingenieurb眉ro und meldete es bei der zust盲ndigen Kommunalbeh枚rde unter der Bezeichnung ,,Ingenieurb眉ro und technische Vertretungen" an. Daraufhin erhielt sie einen GewSt-Vorauszahlungsbescheid, gegen den sie Widerspruch einlegte. Im Widerspruchsverfahren wurde die Klin. darauf aufmerksam gemacht, da脽 Einwendungen gegen die GewSt-Pflicht dem Grunde nach beim Beklagten und Revisionskl盲ger (FA) erhoben werden m眉脽ten. Danach wandte sich die Klin. an den f眉r sie zust盲ndigen Sachbearbeiter beim FA. In mehreren Unterredungen mit dem Sachbearbeiter gab sie an, sie sei seit 1932 als Kontoristin t盲tig gewesen und sei seit dem 1. M盲rz 1963 als Unternehmerin t盲tig. Vorerst werde in ihrem B眉ro nur ein Angestellter (Ingenieur) stundenweise besch盲ftigt. Sie selbst sei nicht Ingenieurin. Vielmehr sei ihr Ehemann graduierter Ingenieur und habe die tats盲chliche Leitung des Unternehmens inne.
Bei einer dieser Unterredungen teilte der Sachbearbeiter der Klin. mit, der GewSt- Freiheit des Ingenieurb眉ros stehe entgegen, da脽 das Unternehmen sich auf eine Handelsvertretung (technische Vertretung) erstrecke. Daraufhin meldete die Klin. am . . . 1963 bei der Kommune das Gewerbe ab. In der Abmeldebescheinigung ist unter ,,Grund der Aufgabe" vermerkt: ,,Einstellung der technischen Vertretung. Das Ingenieurb眉ro ist freiberuflich und bleibt weiterhin bestehen."
In den ESt-Akten befindet sich auf dem Berechnungsbogen f眉r die ESt 1963 eine mit einem Namenszeichen versehene Anweisung an die Adrema: ,,Gw ab 1963 l枚schen, da selbst. T盲tigkeit." Das gleiche Namenszeichen steht auf dem Berechnungsbogen in dem f眉r den Sachbearbeiter vorgesehenen Feld. Die abschlie脽ende Zeichnung der Veranlagung durch den Sachgebietsleiter ist mit dem Datum vom 20. Januar 1965 versehen.
Die Eink眉nfte der Klin. aus dem Ingenieurb眉ro wurden 1963 und in den folgenden Jahren vom FA als Eink眉nfte aus selbst盲ndiger Arbeit behandelt. GewSt- Me脽bescheide ergingen nicht. Bei der Veranlagung zur USt sah das FA die T盲tigkeit der Klin. als freiberuflich an.
1973 meldete der f眉r die Klin. zust盲ndige Teilbezirk des FA das Unternehmen der Klin. zur Vormerkung f眉r eine Betriebspr眉fung mit der Begr眉ndung an: ,,Die Ehefrau war bis zum Jahre 1963 Kontoristin/Stenotypistin. Im Jahr 1963 er枚ffnete sie ein Ingenieurb眉ro, der Ehemann war und ist als Ingenieur Arbeitnehmer. Es ist fraglich, ob die Ehefrau als Unternehmerin Angeh枚rige eines freien Berufs ist."
Bei der 1974 durchgef眉hrten Betriebspr眉fung wurde die Klin. darauf hingewiesen, da脽 ihre T盲tigkeit nicht als freiberuflich, sondern als gewerblich angesehen werden m眉sse. Im Anschlu脽 an die Schlu脽besprechung stellte die Klin. mit Ablauf des . . . 1974 ihre unternehmerische T盲tigkeit ein. Das Unternehmen wurde danach durch den Ehemann der Klin. fortgef眉hrt.
Aufgrund der Feststellungen der Betriebspr眉fung erlie脽 das FA f眉r die Jahre 1971 bis 1974, derentwegen Veranlagungen teils vorl盲ufig vorgenommen, teils 眉berhaupt nicht durchgef眉hrt worden waren, USt-Bescheide, in denen die Steuer nach dem Regelsteuersatz, nicht nach dem erm盲脽igten Steuersatz, berechnet ist. Hinsichtlich der GewSt sah das FA den Steueranspruch f眉r die Jahre bis einschlie脽lich 1969 als verwirkt an. Bez眉glich der Jahre 1970 bis 1972 erlie脽 das FA GewSt-Me脽bescheide gegen die Klin.
Mit der Klage beantragt die Klin., die USt-Bescheide 1971 bis 1974 dahin zu 盲ndern, da脽 den Steuerfestsetzungen der erm盲脽igte Steuersatz zugrunde gelegt wird, und die GewSt-Me脽bescheide aufzuheben.
Das FG gab der Klage mit der Begr眉ndung statt, im Umfange des Klagebegehrens seien die Bescheide rechtswidrig, weil das FA insoweit gegen die Grunds盲tze von Treu und Glauben versto脽en habe. Diese geb枚ten, da脽 im Rechtsverkehr jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessen R眉cksicht nehme und sich mit seinem eigenen fr眉heren Verhalten, auf das der andere vertraut habe, nicht in Widerspruch setze. Das FA sei von seinen, der Klin. gegen眉ber im Fr眉hjahr 1963 abgegebenen Erkl盲rungen, da脽 die Eink眉nfte der Klin. als Eink眉nfte aus selbst盲ndiger Arbeit und nicht als gewerbliche Eink眉nfte anzusehen seien, abgewichen, obwohl die Klin. auf diese Beurteilung auch zuk眉nftig vertraut habe, habe vertrauen k枚nnen und entsprechende Dispositionen getroffen habe. Die Erkl盲rung des Sachbearbeiters allein h盲tte zwar wegen dessen fehlender Zust盲ndigkeit keine Bindung des FA herbeif眉hren k枚nnen. Eine solche Bindung sei jedoch dadurch entstanden, da脽 der Sachbearbeiter die der Klin. gegen眉ber vertretene Auffassung auf dem Berechnungsbogen der ESt-Veranlagung 1963 durch die Anweisung an die Adrema, das ,,Gw"-Signal zu l枚schen, zum Ausdruck gebracht habe, was durch den Sachgebietsleiter mit der abschlie脽enden Zeichnung ,,sanktioniert" worden sei. Diese Anweisung habe insoweit Au脽enwirkung gehabt, als die Klin. vom FA bez眉glich der GewSt nicht mehr angesprochen worden sei, insbesondere nicht zur Abgabe entsprechender Steuererkl盲rungen aufgefordert worden sei. Dieser Beurteilung stehe der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung nicht entgegen. Denn der Umstand, da脽 die Klin. aufgrund des Gespr盲chs mit dem Sachbearbeiter darauf verzichtet habe, das Unternehmen auf den Bereich der technischen Vertretung zu erstrecken, zeige, da脽 aus der Sicht beider an dem Gespr盲ch Beteiligten es um die Beantwortung grundlegender, auch auf die Zukunft gerichteter Fragen gegangen sei. Angesichts der fast ein Jahrzehnt andauernden Behandlung des Steuerfalles stelle sich die r眉ckwirkende Korrektur als treuwidrig dar. Dabei sei zu ber眉cksichtigen, da脽 die vom FA zu entscheidende Rechtsfrage einfach gelagert sei und da脽 seitens der Klin. und ihres Ehemannes bei einwandfreiem Verhalten des FA die Voraussetzungen f眉r die GewSt-Freiheit und die Anwendung des erm盲脽igten Steuersatzes bei der USt ohne weiteres h盲tten erf眉llt werden k枚nnen. Es k枚nne n盲mlich davon ausgegangen werden, da脽 die Klin. und ihr Ehemann diejenige Gestaltung, die nach der Schlu脽besprechung gew盲hlt worden sei, auch schon im Jahre 1963 gew盲hlt haben w眉rden, d.h., da脽 der Ehemann der Klin. bereits 1963 formal nach au脽en als Unternehmer aufgetreten w盲re. Im Ergebnis w盲ren den Steuergl盲ubigern keine h枚heren Steuerbetr盲ge zugeflossen. Dies unterscheide den vorliegenden Fall von dem, mit dem sich der BFH im Urteil vom 22. Juni 1971 VIII 23/65 (BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749 f., 750) besch盲ftigt habe. Dispositionen der Klin. als Folge des vom FA gesetzten Vertrauenstatbestandes l盲gen darin, da脽 die Klin. die h枚here USt und die GewSt nicht in ihre Kalkulation einbezogen und keine h枚heren Honorare erhoben habe, was beides m枚glich gewesen w盲re.
Mit der Revision beantragt das FA, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Das FA r眉gt die Verletzung der Grunds盲tze von Treu und Glauben und macht geltend, der vorliegende Sachverhalt sei dem des BFH-Urteils vom 5. M盲rz 1970 IV 213/65 (BFHE 100, 1, BStBl II 1970, 793) vergleichbar. Auch in diesem Fall habe ein FA auf das Vorstelligwerden des Steuerpflichtigen hin eine gewerbesteuerrechtliche Entscheidung getroffen und die streitigen Eink眉nfte 眉ber Jahre hinweg als solche aus freier Berufst盲tigkeit eingeordnet. Wegen dieser Umst盲nde habe der BFH zwar die Berechtigung eines Vertrauensschutzes bejaht, der zu einer Verwirkung f眉hren k枚nne. Hinsichtlich des Zeitmoments der Verwirkung habe der BFH aber entschieden, da脽 der Steuerpflichtige erst von dem Zeitpunkt an auf das Unterbleiben von GewSt-Veranlagungen habe vertrauen d眉rfen, in dem er den ESt-Bescheid f眉r das n盲chste Jahr erhalten habe. Erst zu diesem Zeitpunkt habe er sicher sein k枚nnen, da脽 das FA nunmehr f眉r das vorhergehende Jahr eine GewSt-Veranlagung nicht mehr durchf眉hren w眉rde.
Die Grunds盲tze dieser Entscheidung habe der BFH im Urteil in BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749 best盲tigt.
Dem Zeitmoment sei bei den aufgrund der Betriebspr眉fung ergangenen Veranlagungen Rechnung getragen worden. Die USt-Bescheide 1971 bis 1974 sowie die GewSt-Me脽bescheide 1970 und 1972 seien ergangen, bevor die Klin. die ESt-Bescheide f眉r die Folgejahre erhalten habe.Der im FG-Urteil eingenommene Standpunkt, wegen der jederzeit m枚glichen Umgestaltung des Sachverhalts sei die BFH-Rechtsprechung nicht anwendbar, k枚nne nicht geteilt werden. Im Urteil in BFHE 100, 1, BStBl II 1970, 793, auf das im Urteil in BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749 Bezug genommen worden sei, habe der BFH sich mit der Frage der Verwirkung auseinandergesetzt. Dem Urteil sei nicht zu entnehmen, da脽 irgendwelche Einschr盲nkungen hinsichtlich seiner Anwendbarkeit in Betracht kommen k枚nnten. Der zu entscheidende Sachverhalt - Einordnung der Eink眉nfte eines Steuerpflichtigen als solche aus freier Berufst盲tigkeit - sei vielmehr insoweit identisch mit dem vorliegenden.
Im 眉brigen entziehe es sich seiner, des FA, Kenntnis, warum die Klin. und ihr Ehemann nicht bereits im Jahre 1963 die Gestaltung gew盲hlt h盲tten, bei der die Einordnung der Eink眉nfte als freiberuflich zutreffend gewesen w盲re. Hierbei k枚nnten Umst盲nde eine Rolle gespielt haben, die im Jahre 1963 eine Gestaltung des Unternehmens in der Form, wie sie 1974 gew盲hlt worden sei, nicht erlaubt h盲tten. Es k枚nne nicht, wie das FG folgere, davon ausgegangen werden, da脽 die Klin. und ihr Ehemann ,,ohne weiteres" die angestrebte freiberufliche Qualifikation h盲tten erf眉llen k枚nnen. Nicht ohne Grund werde die Klin. nach au脽en als Unternehmerin aufgetreten sein, w盲hrend in Wirklichkeit ihr Ehemann die Leitung des Unternehmens innegehabt habe.
Die Klin. hat sich im Revisionsverfahren nicht ge盲u脽ert.
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贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
Die Revision des FA ist begr眉ndet. Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils wird die Klage abgewiesen (搂 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat zu Unrecht angenommen, da脽 die Grunds盲tze von Treu und Glauben es nicht erlaubt h盲tten, die angefochtenen GewSt-Me脽bescheide 1970 bis 1972 zu erlassen und in den angefochtenen USt-Bescheiden 1971 bis 1974 statt des erm盲脽igten Steuersatzes den Regelsteuersatz anzuwenden.
1. Die Vorentscheidung war aufzuheben, weil die Revisionsr眉gen des FA begr眉ndet sind und die Vorentscheidung selbst sich nicht aus anderen Gr眉nden als richtig darstellt (搂 126 Abs. 4 FGO).
a) Das FA hat die angefochtenen GewSt- Me脽bescheide 1970 bis 1972 auch unter Ber眉cksichtigung von Treu und Glauben erlassen d眉rfen.
aa) Nach 搂 14 Abs. 2 S盲tze 1 und 2 GewStG wird der einheitliche GewSt- Me脽betrag (搂 14 Abs. 1 GewStG) f眉r den Erhebungszeitraum (regelm盲脽ig: Kalenderjahr) nach dessen Ablauf festgesetzt. In einer solchen Festsetzung liegt u.a. die Feststellung der sachlichen und der pers枚nlichen Steuerpflicht (搂 212a Abs. 2 AO; siehe jetzt 搂 184 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Zur Feststellung der sachlichen Steuerpflicht geh枚rt die Feststellung dessen, was Steuergegenstand ist (siehe hierzu 搂 2 GewStG) - vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., 搂 184 Tz. 2 -. Dies setzt u.a. voraus, da脽 festgestellt wird, es liege ein Gewerbebetrieb vor (vgl. 搂 2 GewStG). Das FG ist zutreffend - insoweit in 脺bereinstimmung mit beiden Beteiligten - davon ausgegangen, da脽 das von der Klin. in den Streitjahren betriebene Ingenieurb眉ro einen Gewerbebetrieb im Sinne des 搂 2 Abs. 1 S盲tze 1 und 2 GewStG darstellt, weil es zu den gewerblichen Unternehmen im Sinne des EStG geh枚rt und weil die Klin., die nicht Ingenieurin ist, insoweit nicht Eink眉nfte aus selbst盲ndiger Arbeit im Sinne des 搂 18 EStG erzielte (vgl. Glanegger/G眉roff, Gewerbesteuergesetz, 搂 2 Anm. 88 ff., 98, Stichwort: Ingenieur).
bb) Das FG hat weiter angenommen, da脽 die Grunds盲tze von Treu und Glauben dem Erla脽 der angefochtenen GewSt- Me脽bescheide entgegenst盲nden. Hierin vermag der erkennende Senat dem FG weder in Beziehung auf die Grunds盲tze zur finanzamtlichen Zusage noch hinsichtlich des Rechtsinstituts der Verwirkung zu folgen.
Als allgemeines, auch im Steuerrecht geltendes Rechtsprinzip gebietet die Verpflichtung zur Beachtung von Treu und Glauben, da脽 im Steuerrechtsverh盲ltnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessen R眉cksicht nimmt und sich mit seinem fr眉heren Verhalten, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er in einer irreparablen Weise disponiert hat, nicht in Widerspruch setzt. Als Anwendungsf盲lle der Verpflichtung auf Treu und Glauben werden im Steuerrecht u.a. angesehen: die Grunds盲tze 眉ber die finanzbeh枚rdliche Zusage, soweit es f眉r sie an einer gesetzlichen Regelung fehlt, sowie die 眉ber die Verwirkung (Tipke, Steuerrecht, 11. Aufl., 搂 17 Abschn. 4 = S. 598 ff.).
Die Festsetzung der einheitlichen GewSt- Me脽betr盲ge f眉r die Streitjahre (1970 bis 1972) war dem FA nicht im Hinblick auf die aus Treu und Glauben abgeleiteten Grunds盲tze 眉ber die Beachtung finanzamtlicher Zusagen verwehrt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 16. M盲rz 1983 IV R 36/79, BFHE 138, 223, BStBl II 1983, 459 mit weiteren Nachweisen, unter 4c). Finanzbeh枚rden sind verpflichtet, u.a. die f眉r die Entstehung und den Umfang des Steueranspruchs ma脽gebenden Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen durchzuf眉hren. Nur ausnahmsweise k枚nnen sie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert sein, Besteuerungsgrundlagen in der dem Gesetz entsprechenden H枚he festzustellen. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn ein FA einem Steuerpflichtigen zugesagt hat, einen Sachverhalt bei der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in einem bestimmten Sinne zu beurteilen (wegen der Voraussetzungen f眉r bindende Wirkung einer finanzbeh枚rdlichen Zusage siehe BFH- Urteil vom 4. August 1961 VI 269/60 S, BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562).
F眉r die Frage, ob durch Zusage eine finanzbeh枚rdliche Bindung eingetreten ist und gegebenenfalls in welchem Umfang diese Bindung besteht, kommt es auf den durch Auslegung zu ermittelnden Sinngehalt des betreffenden finanzbeh枚rdlichen Verhaltens an. Dabei ist auf die Sicht desjenigen abzustellen, dem die Zusage erteilt worden sein soll, wobei allerdings s盲mtliche den Beteiligten bekannten und erkennbaren Umst盲nde zu ber眉cksichtigen sind (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., vor 搂 204 Tz. 16). Herangezogen werden kann ferner die Regelung durch 搂 205 Abs. 2 AO 1977 der inhaltlichen Voraussetzungen einer verbindlichen Zusage im Anschlu脽 an eine Au脽enpr眉fung, weil insoweit allgemeine Grunds盲tze gesetzlich fixiert sind (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., vor 搂 204 Tz. 12).
F眉r den vorliegenden Fall bedeutet dies, da脽 dahingestellt bleiben kann, ob im 眉brigen die Voraussetzungen einer das FA bindenden Zusage vorliegen; denn das FA hat der Klin. jedenfalls nicht zugesagt, ihr gegen眉ber f眉r die Streitjahre (1970 bis 1972) keine einheitlichen GewSt-Me脽betr盲ge festzusetzen. Da脽 die Klin. das Verhalten des FA in einem solchen Sinne h盲tte verstehen d眉rfen, ist weder vom FG in einer den Senat bindenden Weise ausdr眉cklich festgestellt worden, noch gibt es in den 眉brigen Feststellungen des FG hierf眉r hinreichende Anhaltspunkte.
In dem die Entscheidunsgr眉nde enthaltenden Teil der Vorentscheidung (S. 6. 1. Absatz) ist der Inhalt der Erkl盲rung des FA, die das FG dem Verhalten des FA entnommen hat und die es als Zusage betrachtet, wie folgt umschrieben: Die Eink眉nfte der Klin. seien als Eink眉nfte aus selbst盲ndiger Arbeit und nicht als gewerbliche Eink眉nfte anzusehen. Das FG hat hierbei keine Feststellungen wiedergegeben, denen sich entnehmen lie脽e, die den Gegenstand der Erkl盲rung darstellende gewerbesteuerrechtliche W眉rdigung seitens des FA solle auch f眉r k眉nftige Erhebungszeitr盲ume gelten. Mithin wird hierdurch, was k眉nftige Erhebungszeitr盲ume anbelangt, die vom FG daran gekn眉pfte Subsumption, die Klin. habe auf diese Art der Beurteilung auch zuk眉nftig vertraut und vertrauen k枚nnen, nicht gerechtfertigt.
Nichts Gegenteiliges ergibt sich aus den Feststellungen des FG, derentwegen das FG gemeint hat, die Abgabe einer Erkl盲rung des er枚rterten Inhalts dem FA zurechnen zu k枚nnen. Die vom Sachbearbeiter auf dem Berechnungsbogen f眉r die ESt 1963 verf眉gte und nach Ansicht des FG durch die abschlie脽ende Zeichnung des Sachgebietsleiters sanktionierte Anweisung an die Adrema, das Signal ,,Gw" zu l枚schen, war zwar eine auf die Zukunft bezogene Ma脽nahme, die zur Folge hatte, da脽 die Klin. fortan gewerbesteuerlich nicht mehr gef眉hrt wurde und dementsprechend keine Vordrucke zur Abgabe diesbez眉glicher Steuererkl盲rungen mehr erhielt. Aber weder das erstmalige Absehen von der Festsetzung eines einheitlichen GewSt-Me脽betrages (1963) noch das Unterbleiben entsprechender Ma脽nahmen f眉r jeden der folgenden Erhebungszeitr盲ume konnte bei der Klin. vern眉nftigerweise zu der Annahme f眉hren, fortan f眉r alle Zukunft oder mindestens bis zu einer entsprechenden vorherigen Ank眉ndigung von der Festsetzung einheitlicher GewSt-Me脽betr盲ge, insbesondere f眉r die Streitjahre (1970 bis 1972), verschont zu bleiben. Hierf眉r h盲tte es anderer - d.h. einen entsprechenden Bindungswillen des FA erkennbar machender - Anhaltspunkte bedurft als der in tats盲chlicher Hinsicht jederzeit auch f眉r zur眉ckliegende Erhebungszeitr盲ume 盲nderbaren L枚schung des ,,Gw"-Signals oder des Unterlassens der 脺bersendung von Steuererkl盲rungsvordrucken.
Die Feststellung des FG des Inhalts, da脽 durch die Unterredung zwischen der Klin. und dem Sachbearbeiter f眉r das FA klar gewesen sei, die Frage der Gewerbesteuerpflicht sei f眉r die Klin. von grundlegender Bedeutung auch f眉r die Zukunft und die Klin. habe den Willen gehabt, etwaige die GewSt-Pflicht herbeif眉hrende Umst盲nde auszur盲umen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Hieraus ergibt sich nicht, da脽 die Klin. in dem er枚rterten Verhalten des FA, statt jederzeit 盲nderbare Ma脽nahmen, eine Zusicherung habe sehen d眉rfen, von der das FA allenfalls nach vorheriger Ank眉ndigung f眉r die Zukunft h盲tte abr眉cken k枚nnen. Die Vorentscheidung l盲脽t sich ferner nicht aufgrund der in der h枚chstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Grunds盲tze zur Verwirkung aufrechterhalten.
Verwirkung als Anwendungsfall des Verbots widerspr眉chlichen Verhaltens greift ein, wenn ein Anspruchsberechtigter beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen hat, da脽 nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung des Anspruchs als illoyale Rechtsaus眉bung empfunden werden mu脽 (BFH-Urteile vom 14. September 1978 IV R 89/74, BFHE 126, 130, BStBl II 1979, 121 unter II.3; vom 7. Juni 1984 IV R 180/81, BFHE 141, 451, BStBl II 1984, 780 unter 2b).
F眉r die Anwendung der Verwirkung wird ein einen einheitlichen GewSt-Me脽betrag festsetzendes FA als Anspruchsberechtigter (siehe oben) behandelt und das Recht dieses FA, den einheitlichen GewSt-Me脽betrag festzusetzen, als verwirkbar angesehen (vgl. Urteil in BFHE 141, 451, BStBl II 1984, 780); siehe auch Glanegger/G眉roff, a.a.O., 搂 1 Anm. 32).
Verwirkung setzt neben dem blo脽en Zeitmoment (zeitweilige Unt盲tigkeit des Anspruchsberechtigten) ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten voraus, demzufolge der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Vertrauenstatbestand), sowie weiter voraus, da脽 der Anspruchsverpflichtete tats盲chlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich hierauf eingerichtet hat. Durch das Rechtsinstitut der Verwirkung soll der Steuerpflichtige davor gesch眉tzt werden, da脽 ihm erhebliche Nachteile entstehen, die ihm nicht entstanden w盲ren, wenn das FA den Steueranspruch rechtzeitig geltend gemacht h盲tte (vgl. Urteil in BFHE 141, 451, BStBl II 1984, 780).
Im vorliegenden Fall ist ein vom FA begr眉ndeter Vertrauenstatbestand nicht etwa darin zu sehen, da脽 das FA die GewSt-Pflicht f眉r die zur眉ckliegenden Jahre verneint hatte. Denn das FA war verpflichtet, f眉r jeden Erhebungszeitraum die Voraussetzungen der Festsetzung eines einheitlichen GewSt-Me脽betrages erneut zu pr眉fen. Dabei ist das FA an fr眉here Rechtsauffassungen selbst dann nicht gebunden gewesen, wenn die Klin. im Vertrauen auf diese disponiert hat, wie vom FG angenommen worden ist (vgl. Urteil in BFHE 141, 451, BStBl II 1984, 780 unter Hinweis auf das Urteil in BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749).
Einen Vertrauenstatbestand in dem er枚rterten Sinne kann die Klin. f眉r das Streitjahr 1970 nicht daraus herleiten, da脽 das FA bei der Veranlagung zur ESt 1971 der Klin. den Freibetrag f眉r freie Berufe gew盲hrt hat. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, da脽 auch eine im ESt- Bescheid zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des FA ein schutzw眉rdiges Vertrauen darauf begr眉nden kann, da脽 das FA endg眉ltig auf die Festsetzung eines einheitlichen GewSt-Me脽betrags verzichtet habe. Hierbei wird auf den ESt-Bescheid des jeweiligen Folgejahres abgestellt, weil erst von dessen Erla脽 an das Unterbleiben der GewSt-Veranlagung als sicher angesehen werden k枚nne. Schutzw眉rdig ist das Vertrauen auf die Ma脽geblichkeit der einkommensteuerlichen Behandlung jedoch dann nicht, wenn - wie im vorliegenden Falle - der Bescheid f眉r das Folgejahr gem盲脽 搂 100 Abs. 2 AO vorl盲ufig ergangen ist, weil unter solchen Umst盲nden damit gerechnet werden mu脽, da脽 das FA der Besteuerung zun盲chst die Angaben in der ESt-Erkl盲rung weitgehend ungepr眉ft zugrunde gelegt hat (vgl. Urteil in BFHE 141, 451, BStBl II 1984, 780 unter 2. b am Ende).
b) Unter Ber眉cksichtigung von Treu und Glauben war das FA entgegen der Annahme des FG ferner nicht gehindert, die USt f眉r die Streitjahre (1971 bis 1974) unter Anwendung des Regelsteuersatzes zu berechnen. Beide Beteiligten gehen mit dem FG zutreffend davon aus, da脽 auf die von der Klin. in den Streitjahren bewirkten Ums盲tze nach dem Gesetz der Regelsteuersatz (搂 12 Abs. 1 UStG 1967/73) zur Anwendung kommt. Der Senat vermag dem FG nicht darin zu folgen, da脽 die Grunds盲tze von Treu und Glauben entsprechenden Veranlagungen der Klin. entgegengestanden h盲tten. Hierf眉r wird auf die Ausf眉hrungen zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit diese die GewSt- Me脽bescheide 1970 bis 1972 betrifft, verwiesen. Da das FG zur USt von einer anderen Rechtslage ausgegangen ist, liegt auch insoweit ein Aufhebungsgrund vor. Auf die Fragen, ob aufgrund eines die einheitlichen GewSt-Me脽betr盲ge betreffenden Verhaltens USt-Anspr眉che - teilweise - verwirkt sein k枚nnten und ob eine nicht gerechtfertigte Gew盲hrung der umsatzsteuerlichen Verg眉nstigung aufgrund des 搂 7a Abs. 2 UStG 1951 Verwirkung hinsichtlich der H枚he des Steuersatzes (搂 12 UStG 1967/73) auszul枚sen vermag, braucht nicht eingegangen zu werden.
2. Der Senat kann durcherkennen. Aus den bisherigen Ausf眉hrungen ergibt sich zugleich, da脽 durch die Festsetzung einheitlicher GewSt-Me脽betr盲ge 1970 bis 1972 und durch die Ermittlung der USt 1972 bis 1974 nach dem Regelsteuersatz nicht Rechte der Klin. verletzt sind. Die auf Aufhebung bzw. 脛nderung der angefochtenen Bescheide gerichtete Klage der Klin. war daher abzuweisen.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 415904 |
BFH/NV 1989, 356 |