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Entscheidungsstichwort (Thema)
Beibehaltung eines inl盲ndischen Wohnsitzes trotz mehrj盲hriger Auslandst盲tigkeit - steuerlicher Wohnsitzbegriff - Kriterien f眉r das Innehaben eines Wohnsitzes als den BFH bindende Tatsachenfeststellung des FG
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Leitsatz (amtlich)
1. Ein Steuerpflichtiger kann mehrere Wohnungen und mehrere Wohnsitze i.S. des 搂 8 AO 1977 haben. Diese k枚nnen im Inland und/oder im Ausland gelegen sein.
2. Ein Wohnsitz i.S. des 搂 8 AO 1977 setzt nicht voraus, da脽 der Steuerpflichtige von dort aus seiner t盲glichen Arbeit nachgeht. Ebensowenig ist es erforderlich, da脽 der Steuerpflichtige sich w盲hrend einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr in der Wohnung aufh盲lt.
3. Ein FG kann seine Beurteilung, da脽 objektiv erkennbare Umst盲nde f眉r die Beibehaltung der Wohnung f眉r Zwecke des eigenen Wohnens sprechen, auf die Wohnungsausstattung und die tats盲chliche Nutzung der Wohnung st眉tzen.
4. Nach der Lebenserfahrung spricht es f眉r die Beibehaltung eines Wohnsitzes i.S. des 搂 8 AO 1977, wenn jemand eine Wohnung, die er vor und nach einem Auslandsaufenthalt als einzige st盲ndig nutzt, w盲hrend desselben unver盲ndert und in einem st盲ndig nutzungsbereiten Zustand beibeh盲lt.
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Orientierungssatz
1. Die Beurteilung der Begleitumst盲nde des Innehabens einer Wohnung liegt weitgehend auf tats盲chlichem Gebiet. Insoweit ist der BFH als Revisionsgericht an die Beurteilung des FG gebunden, soweit diese nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungss盲tze verst枚脽t.
2. F眉r das Vorliegen eines Wohnsitzes ist allein entscheidend, ob objektiv erkennbare Umst盲nde daf眉r sprechen, da脽 der Steuerpflichtige die Wohnung f眉r Zwecke des eigenen Wohnens beibeh盲lt. F眉r die Beurteilung dieser Frage k枚nnen alle Umst盲nde des Einzelfalles herangezogen werden. Sie m眉ssen nur nach der Lebenserfahrung den Schlu脽 erlauben, da脽 der Steuerpflichtige die Wohnung h盲lt, um sie als solche zu nutzen. Der Wohnsitzbegriff setzt nicht voraus, da脽 sich dort auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet (Festhaltung an der BFH-Rechtsprechung zum Wohnsitzbegriff).
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Normenkette
AO 1977 搂 8; EStG 搂 1 Abs. 1; FGO 搂 118 Abs. 2
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Die Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) sind Eheleute, die f眉r die Streitjahre 1987 und 1992 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kl盲ger ist X-Meister. Er war vom 1. August 1986 bis zum 30. Juni 1992 f眉r seinen inl盲ndischen Arbeitgeber in dessen ausl盲ndischer Vertretung in Y/Saudi Arabien nichtselbst盲ndig t盲tig. Der Kl盲ger erhielt in dieser Zeit sein Gehalt von dem arabischen Generalvertreter, obwohl das Arbeitsverh盲ltnis mit dem inl盲ndischen Arbeitgeber fortbestand. Der Kl盲ger hatte in Y ab dem 1. September 1986 eine Wohnung gemietet. Dort lebte er zusammen mit der Kl盲gerin. Seine Wohnung in Deutschland behielt er bei, obwohl er hier polizeilich abgemeldet war. In den Jahren 1987 bis 1991 hielten die Kl盲ger sich in ihrer inl盲ndischen Wohnung zwischen drei und acht Wochen j盲hrlich auf.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte die Kl盲ger als unbeschr盲nkt steuerpflichtig. Er veranlagte sie f眉r die Streitjahre 1987 und 1992 auch mit den Eink眉nften, die der Kl盲ger f眉r seine in Saudi Arabien ausge眉bte T盲tigkeit erzielt hatte. Die Einspr眉che der Kl盲ger blieben in diesem Punkt ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision r眉gen die Kl盲ger die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen, das Urteil des FG N眉rnberg vom 16. Juli 1996 I 291/95 aufzuheben, den Einkommensteuerbescheid 1987 vom 20. April 1994 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1992 vom 4. Februar 1994 mit der Ma脽gabe zu 盲ndern, da脽 die Einkommensteuer nur auf Eink眉nfte aus nichtselbst盲ndiger Arbeit in H枚he von 32 886 DM erhoben wird.
Das FA beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
II. Die Revision ist unbegr眉ndet. Sie war deshalb zur眉ckzuweisen (搂 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach 搂 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind nat眉rliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gew枚hnlichen Aufenthalt haben, unbeschr盲nkt einkommensteuerpflichtig. Nach 搂 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfa脽t die unbeschr盲nkte Einkommensteuerpflicht auch Eink眉nfte aus nichtselbst盲ndiger Arbeit. Dies gilt unabh盲ngig davon, ob die nichtselbst盲ndige Arbeit im In- oder Ausland ausge眉bt wird.
2. Die Frage, ob eine nat眉rliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich nach 搂 8 der Abgabenordnung (AO 1977). Danach kommt es darauf an, ob die betroffene Person im Inland eine Wohnung unter Umst盲nden innehat, die darauf schlie脽en lassen, da脽 er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Dazu ist unstreitig, da脽 die Kl盲ger in den Jahren 1987 und 1992 in H (Inland) eine Wohnung innehatten. Die Wohnung bestand aus zum dauerhaften Wohnen geeigneten R盲umlichkeiten. Sie stellte eine den pers枚nlichen und wirtschaftlichen Verh盲ltnissen der Kl盲ger entsprechende Bleibe dar. Die Beteiligten streiten nur dar眉ber, ob Umst盲nde darauf schlie脽en lassen, da脽 die Kl盲ger die Wohnung in H in den Jahren 1987 und 1992 beibehalten und benutzen wollten. Dies hat das FG in 脺bereinstimmung mit der st盲ndigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in einer revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise bejaht.
3. Was die Begleitumst盲nde des Innehabens einer Wohnung anbelangt, so ist vorab darauf hinzuweisen, da脽 ihre Beurteilung weitgehend auf tats盲chlichem Gebiet liegt. Insoweit ist der erkennende Senat als Revisionsgericht in Ermangelung erhobener Verfahrensr眉gen an die Beurteilung durch das FG gem盲脽 搂 118 Abs. 2 FGO gebunden. Er kann die Beurteilung durch das FG nur auf Verst枚脽e gegen die Denkgesetze und gegen Erfahrungss盲tze hin 眉berpr眉fen.
Ferner gilt, da脽 jeder Steuerpflichtige mehrere Wohnungen und mehrere Wohnsitze i.S. des 搂 8 AO 1977 haben kann. Diese k枚nnen im In- und/oder im Ausland gelegen sein. Ein Wohnsitz i.S. des 搂 8 AO 1977 setzt nicht voraus, da脽 der Steuerpflichtige von dort aus seiner t盲glichen Arbeit nachgeht. Ebensowenig ist es erforderlich, da脽 der Steuerpflichtige sich w盲hrend einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr in der Wohnung aufh盲lt. Entscheidend ist allein, ob objektiv erkennbare Umst盲nde daf眉r sprechen, da脽 der Steuerpflichtige die Wohnung f眉r Zwecke des eigenen Wohnens beibeh盲lt. F眉r die Beurteilung dieser Frage k枚nnen alle Umst盲nde des Einzelfalles herangezogen werden. Sie m眉ssen nur nach der Lebenserfahrung den Schlu脽 erlauben, da脽 der Steuerpflichtige die Wohnung h盲lt, um sie als solche zu nutzen.
4. a) Vor diesem Hintergrund ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, da脽 das FG seine Beurteilung in erster Linie auf die Ausstattung und auf die tats盲chliche Nutzung der Wohnung in H durch die Kl盲ger in den Jahren 1986 bis 1992 st眉tzte. Die Ausstattung und tats盲chliche Nutzung sind geeignete Umst盲nde, um wiederzugeben, zu welchem Zweck die Kl盲ger die Wohnung hielten. Revisionsrechtlich ist es ebensowenig zu beanstanden, da脽 das FG auch die Nutzung der Wohnung in der Zeit vor dem 1. August 1986 und nach dem 30. Juni 1992 in seine 脺berlegungen einbezog. Nach der Lebenserfahrung spricht es f眉r die Beibehaltung eines Wohnsitzes i.S. des 搂 8 AO 1977, wenn jemand eine Wohnung, die er vor und nach einem Auslandsaufenthalt als einzige st盲ndig nutzt, w盲hrend desselben unver盲ndert und in einem st盲ndig nutzungsbereiten Zustand beibeh盲lt. Dies gilt dann um so mehr, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung j盲hrlich mit einer gewissen Regelm盲脽igkeit auf die Dauer von zwischen drei bis acht Wochen nutzt. Von Bedeutung kann dabei auch sein, ob der Steuerpflichtige --wie im Streitfall-- nach Beendigung des Auslandsaufenthaltes mit hoher Wahrscheinlichkeit die Wohnung wieder st盲ndig nutzen wird. So gesehen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG dem Umstand Bedeutung beigemessen hat, da脽 der Kl盲ger von seinem Arbeitgeber immer nur f眉r die Dauer von zwei Jahren nach Saudi Arabien abgeordnet wurde. Dies dokumentiert die M枚glichkeit, da脽 die Kl盲ger auch kurzfristig ins Inland in ihre "alte Wohnung" zur眉ckkehren konnten.
b) Von untergeordneter Bedeutung ist demgegen眉ber die Annahme des FG, der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Kl盲ger habe sich weiterhin in H befunden. Der Wohnsitzbegriff setzt nicht voraus, da脽 sich dort auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet. Zwar mag ein feststellbarer Mittelpunkt der Lebensinteressen den R眉ckschlu脽 erlauben, da脽 sich dort auch ein Wohnsitz des Steuerpflichtigen befindet. Der gleiche Schlu脽 kann aber schon dann gezogen werden, wenn jemand eine Wohnung an einem Ort innehat, zu dem er intensive pers枚nliche Beziehungen wie z.B. Verwandte, Freunde, Herkunft, Grundverm枚gen u.a.m. unterh盲lt.
5. Entgegen der Auffassung der Kl盲ger steht die Vorentscheidung in voller 脺bereinstimmung mit der st盲ndigen h枚chstrichterlichen Rechtsprechung.
a) Die Kl盲ger berufen sich zu Unrecht auf das BFH-Urteil vom 26. Juli 1972 I R 138/70 (BFHE 106, 537, BStBl II 1972, 949). Zwar hat der BFH (in BFHE 106, 537, BStBl II 1972, 949) die damalige h枚chstrichterliche Rechtsprechung dahingehend zusammengefa脽t, eine Wohnung m眉sse, um Wohnsitz zu sein, dem Steuerpflichtigen dadurch als Bleibe dienen, da脽 er sie st盲ndig oder doch mit einer gewissen Regelm盲脽igkeit nutze. Der Hinweis diente jedoch --was die Zitate belegen-- der Abgrenzung von den zum Berliner Pr盲ferenzgesetz ergangenen BFH-Urteilen vom 24. April 1964 VI 236/62 U (BFHE 79, 626, BStBl III 1964, 462) und vom 4. Juni 1964 IV 29/64 U (BFHE 80, 169, BStBl III 1964, 535), die jeweils die Errichtung von "Ferienh盲usern" in der Oberpfalz bzw. in Oberbayern als "Zweitwohnungen" betrafen. In den Entscheidungen wurde von der j盲hrlichen Aufenthaltsdauer von f眉nf bis sechs Wochen auf den Charakter eines "Ferienhauses" geschlossen. Ein solcher R眉ckschlu脽 ist jedoch dann nicht mehr m枚glich, wenn eine Wohnung unver盲ndert beibehalten wird, die vor und nach einem Auslandsaufenthalt des Steuerpflichtigen dessen einzigen Wohnsitz bildete.
b) Das BFH-Urteil vom 23. November 1988 II R 139/87 (BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182) betrifft einen Sachverhalt, in dem es der BFH f眉r die Annahme eines Wohnsitzes hat gen眉gen lassen, da脽 Erblasser und Erbin, die ehe盲hnlich zusammenlebten, eine Wohnung j盲hrlich regelm盲脽ig zweimal zur Rehwildjagd 眉ber einige Wochen nutzten. Danach ist also die Nutzung einer Wohnung w盲hrend einiger Wochen eine solche mit einer gewissen Regelm盲脽igkeit und Gewohnheit.
c) Auch das BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 I R 8/94 (BFHE 178, 294, BStBl II 1996, 2) ist f眉r die Beurteilung des Streitfalles nicht einschl盲gig. Es betrifft zwar die Aufgabe eines Wohnsitzes durch Eheleute infolge einer Versetzung ins Ausland. Im Urteilsfall war aber nur dar眉ber zu entscheiden, ob die Wohnsitzaufgabe f眉r beide Eheleute zeitlich einheitlich zu beurteilen ist oder ob es denkbar ist, da脽 die Eheleute ihren jeweiligen Wohnsitz zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgeben. Der erkennende Senat hat letzteres f眉r m枚glich gehalten, jedoch gefordert, da脽 die Steuerpflichtigen die Umst盲nde darlegen, die f眉r eine Wohnsitzaufgabe zu unterschiedlichen Zeitpunkten sprechen. In der Regel wird eine solche Darlegung nur dann schl眉ssig m枚glich sein, wenn die Ehefrau sich mit nur kurzem zeitlichen Abstand ebenfalls ins Ausland begibt. So ist der Streitfall jedoch nicht gelagert. Er ist durch die Beibehaltung einer Wohnung gekennzeichnet, die auch vor und nach dem Auslandsaufenthalt der Kl盲ger deren Wohnsitz bildete.
6. Die Vorentscheidung verletzt kein Bundesrecht. Sie gibt auch keinen Anla脽, die bisherige h枚chstrichterliche Rechtsprechung, die von mehreren Senaten des BFH gemeinsam getragen wird, zu 眉berdenken oder zu modifizieren.
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Fundstellen
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BFH/NV 1997, 286 |
BStBl II 1997, 447 |
BFHE 182, 296 |
BFHE 1997, 296 |
BB 1997, 1298 (Leitsatz) |
DStR 1997, 1003-1004 (Leitsatz und Gr眉nde) |
DStRE 1997, 562 (Leitsatz) |
HFR 1997, 553-554 (Leitsatz) |
StE 1997, 382-383 (Leitsatz) |