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Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen f眉r die Strafverteidung k枚nnen dann Werbungskosten sein, wenn der strafrechtliche Schuldvorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranla脽t gewesen ist (脛nderung der Rechtsprechung).
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Normenkette
EStG 搂 9 Abs. 1
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Der Kl盲ger und Revisionsbeklagte (Kl盲ger) war als Gie脽erei-Ingenieur in einer chemischen Fabrik nichtselbst盲ndig t盲tig. Bei Pre脽versuchen im Betrieb unter Verwendung eines nach einem Rezept des Kl盲gers hergestellten Zusatzes kam es zu einer Explosion. Dabei wurden mehrere Arbeiter get枚tet und weitere verletzt. Au脽erdem entstand erheblicher Sachschaden.
Der Kl盲ger wurde strafrechtlich zur Verantwortung gezogen; er wurde rechtskr盲ftig wegen fahrl盲ssiger T枚tung in Tateinheit mit fahrl盲ssiger K枚rperverletzung und fahrl盲ssiger Herbeif眉hrung einer Sprengstoffexplosion zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Strafe zur Bew盲hrung ausgesetzt. Auf die Strafverteidigungskosten hat der Kl盲ger im Streitjahr 1975 Vorauszahlungen in H枚he von insgesamt 7 000 DM geleistet.
Sein Antrag auf Lohnsteuererm盲脽igung 1975 und das sich anschlie脽ende Einspruchsverfahren blieben insoweit erfolglos, als der Kl盲ger die Eintragung eines Lohnsteuerfreibetrages hinsichtlich seiner Aufwendungen f眉r seine Strafverteidigung beantragt hatte.
Mit seiner Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte er dagegen insofern Erfolg, als dieses durch Urteil vom 13. Dezember 1977 I 4/76 L (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1978, 220) den Beklagten und Revisionskl盲ger (das Finanzamt - FA -) verpflichtete, einen zus盲tzlichen Freibetrag in H枚he von 7 000 DM auf der Lohnsteuerkarte des Kl盲gers einzutragen. Die vom Kl盲ger auf die sp盲tere Gesamtrechnung seines Strafverteidigers im Streitjahr unstreitig geleisteten Vorsch眉sse seien steuerrechtlich als Werbungskosten nach 搂 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ber眉cksichtigen. Zwar habe die h枚chstrichterliche Steuerrechtsprechung sowohl Geldstrafen als auch Kosten f眉r eine Strafverteidigung steuerrechtlich als nicht abziehbaren Aufwand behandelt, und dies selbst dann, wenn der strafrechtliche Schuldvorwurf ausschlie脽lich auf einem beruflichen Verhalten des Steuerpflichtigen beruht habe. Dem k枚nne jedoch nicht gefolgt werden. Denn f眉r die Beantwortung der Frage, ob die Aufwendungen als Betriebsausgaben nach 搂 4 Abs. 4 EStG oder als Werbungskosten nach 搂 9 EStG steuerrechtlich absetzbar seien, komme es nur darauf an, ob sie durch den Betrieb oder Beruf veranla脽t worden seien (Veranlassungsprinzip). Dies sei im Streitfall zu bejahen.
Mit seiner Revision r眉gt das FA die Verkennung des Werbungskostenbegriffs. Da eine Geldstrafe steuerrechtlich nicht zu ber眉cksichtigen sei, k枚nne bez眉glich der Folgekosten einer Straftat keine andere Beurteilung Platz greifen, und zwar selbst dann nicht, wenn der Straftatbestand anl盲脽lich der Berufsaus眉bung des Steuerpflichtigen verwirklicht worden sei. Auch wenn die berufliche T盲tigkeit eine unabdingbare Voraussetzung f眉r die strafbare Handlung sei, bleibe letztere ein von der Rechtsordnung mi脽billigtes Verhalten. Im Falle eines strafrechtlichen Schuldausspruchs h盲tten zwar die Proze脽- und Anwaltskosten keinen Strafcharakter. Sie fielen jedoch kraft Gesetzes als notwendige Folge der strafbaren Handlung an. Eine Belastung der Allgemeinheit durch die steuerliche Absetzungsm枚glichkeit. solcher Aufwendungen sei im Hinblick auf den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung nicht gerechtfertigt. Ein Versto脽 gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder aber gegen die guten Sitten sei zwar f眉r die Besteuerung unbeachtlich (vgl. 搂 5 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes; jetzt: 搂 40 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Es k枚nne dem FG aber nicht darin beigetreten werden, da脽 dieser Grundsatz in gleicher Weise auch bei der Beurteilung von steuerrechtlich absetzbaren Faktoren Beachtung finden m眉sse. Denn die genannten Vorschriften sollten lediglich verh眉ten, da脽 jemand aus einem von der Rechtsordnung mi脽billigten Verhalten noch zus盲tzlich steuerrechtliche Vorteile ziehen k枚nne. Hierzu f眉hre aber gerade die vom FG hier vertretene Auffassung.
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Die Revision ist unbegr眉ndet.
1. Mit Recht hat das FG die Klage f眉r zul盲ssig erachtet, obwohl im Zeitpunkt seines Urteils - dem 13. Dezember 1977 - auch im Falle eines Obsiegens des Kl盲gers die Ber眉cksichtigung eines h枚heren als des bereits in der Lohnsteuerkarte 1975 vermerkten Steuerfreibetrags durch den Arbeitgeber nach 搂 42b Abs. 3 Satz 1 EStG 1975 nicht mehr m枚glich gewesen ist. Der erkennende Senat hat jedoch durch Urteil vom 29. Mai 1979 VI R 21/77 (BFHE 128, 148, BStBl II 1979, 650) seine bisherige Rechtsprechung hierzu dahin pr盲zisiert, der Kl盲ger k枚nne bei Vorliegen eines berechtigten Interesses seinen auf eine Verpflichtung des FA gerichteten Klageantrag nach 搂 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf einen Feststellungsantrag des Inhalts umstellen, da脽 der vom FA erlassene oder unterlassene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei. Der Senat hat keine Bedenken, hier zugunsten des Kl盲gers davon auszugehen, da脽 dieser den Klageantrag vor dem FG in einen Feststellungsantrag umgestellt hat.
2. Die Revision ist mit der Ma脽gabe und Feststellung als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen, da脽 der Beklagte es rechtswidrig unterlassen hat, einen zus盲tzlichen Freibetrag in H枚he von 7 000 DM auf der Lohnsteuerkarte 1975 des Kl盲gers einzutragen. Denn das FG hat die im Streitjahr 1975 geleisteten Vorauszahlungen auf die Strafverteidigungskosten zu Recht als abziehbare Werbungskosten angesehen.
Nach 搂 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Der Bundesfinanzhof (BFH) legt diese Vorschrift dahin aus, da脽 Werbungskosten bei den Eink眉nften aus nichtselbst盲ndiger Arbeit alle durch den Beruf veranla脽ten Aufwendungen sind (vgl. hierzu insbesondere Beschlu脽 des Gro脽en Senats des BFH vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105). Eine berufliche Veranlassung ist bei Werbungskosten im Rahmen der Eink眉nfte aus nichtselbst盲ndiger Arbeit stets dann anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht und subjektiv die Aufwendungen zur F枚rderung des Berufs, n盲mlich zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung von Einnahmen dieser Einkunftsart, gemacht werden (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368 und die dort erw盲hnte Rechtsprechung).
Die Aufwendungen des Kl盲gers f眉r seine Strafverteidigung waren im Streitfall durch seinen Beruf veranla脽t. Sie standen in einem objektiven Zusammenhang mit seiner beruflichen T盲tigkeit, da sich das Betriebsungl眉ck, f眉r das der Kl盲ger strafrechtlich verantwortlich gemacht worden ist, in Aus眉bung seiner dienstlichen Verrichtung als Gie脽erei-Ingenieur ereignete. Der Kl盲ger wandte die Strafverteidigungskosten auch in der Absicht auf, sich hierdurch Einnahmen aus nichtselbst盲ndiger Arbeit zu erwerben, zu sichern oder zu erhalten. Wollte er sich n盲mlich seine Stellung als Gie脽erei-Ingenieur bei seiner bisherigen Arbeitgeberin erhalten oder sich - im Falle seiner dortigen Entlassung - in einem anderen Unternehmen erfolgreich um eine gleichwertige Anstellung bewerben, so mu脽te er um Entlastung von dem Vorwurf bem眉ht sein, das Betriebsungl眉ck verschuldet zu haben.
Auch von der herrschenden Meinung im Schrifttum wird die Abziehbarkeit von Strafverteidigungskosten - bei beruflicher oder betrieblicher Veranlassung - als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben bejaht (vgl. Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und K枚rperschaftsteuer, 19. Aufl., Anm. 49 e, Abs. 2 zu 搂 4 EStG, mit weiteren Hinweisen; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 13. Aufl., Anm. 893 zu 搂搂 4, 5 EStG, sowie neuerdings: Tanzer, Die Abzugsf盲higkeit von Geldstrafen und Geldbu脽en im Einkommensteuerrecht, bei S枚hn, Die Abgrenzung der Betriebs- oder Berufssph盲re von der Privatsph盲re im Einkommensteuerrecht, S. 227 ff., 258, 269; Felix/Streck, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1979, 479 ff., a. A. Bergmann, Betriebs-Berater - BB - 1981, 2001 ff.; ders., Finanz-Rundschau - FR - 1981, 292 ff.). Die "Einheit der Rechtsordnung" rechtfertigt es nach Auffassung des erkennenden Senats nicht, Strafverteidigungskosten vom Werbungskostenabzug auszuschlie脽en. Selbst wenn es wegen dieses Grundsatzes geboten sein sollte, Geldstrafen wegen krimineller Vergehen nicht 眉ber das Steuerrecht mittelbar zu mildern, so h盲tte eine solche Auffassung jedenfalls keine Auswirkung auf die hier zu beurteilenden Strafverteidigungskosten. Denn sie haben keinen Strafcharakter; sie sollen den Steuerpflichtigen nicht unabdingbar treffen, und sie werden ihm auch nicht von einem staatlichen Organ auferlegt. Sie m眉ssen bei einem Strafverfahren nicht einmal zwangsl盲ufig entstehen; denn schlie脽lich braucht ein Angeklagter sich nicht stets durch einen Rechtsanwalt verteidigen zu lassen. Deshalb kann nach Ansicht des Senats keine Rede davon sein, da脽 die Einheit der Rechtsordnung den Abzug solcher Aufwendungen als Werbungskosten verbietet.
Der erkennende Senat weicht mit dieser seiner Rechtsaufassung sowohl von dem Urteil des I. Senats vom 6. November 1968 I R 12/66 (BFHE 94, 56, BStBl II 1969, 74) als auch von den Urteilen des IV. Senats vom 18. Mai 1972 IV R 122/68 (BFHE 105, 486, BStBl II 1972, 623) und vom 8. April 1976 IV R 69/73 (nicht ver枚ffentlicht) ab. Der I. Senat und der IV. Senat haben jedoch auf Anfrage mitgeteilt, da脽 sie der beabsichtigten Abweichung von ihren vorgenannten Entscheidungen zustimmen. Die Rechtsauffassung des Senats steht zwar auch in Widerspruch zu den Ausf眉hrungen des Gro脽en Senats in BFHE 124, 43, 50 ff., BStBl II 1978, 105, 109, weil der Gro脽e Senat dort unter Bezugnahme auf das Urteil in BFHE 105, 486, BStBl II 1972, 623 auf die Nichtabziehbarkeit von Geldstrafen und damit zusammenh盲ngenden Proze脽kosten hingewiesen hat. Der Senat braucht deshalb aber nicht nach 搂 11 Abs. 3 FGO den Gro脽en Senat des BFH anzurufen; denn es handelt sich bei den Ausf眉hrungen des Gro脽en Senats nicht um die Entscheidung tragende Gr眉nde. Damit sieht sich der erkennende Senat nicht gehindert - wie geschehen -, mit der Kostenfolge aus 搂 135 Abs. 2 FGO zu entscheiden.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 74282 |
BStBl II 1982, 467 |
BFHE 1982, 449 |