听
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Anforderungen an die Gew盲hrung des Vorsteuerabzugs aus Billigkeitsgr眉nden
听
Leitsatz (amtlich)
1. Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren setzt voraus, dass der Unternehmer gutgl盲ubig war und alle Ma脽nahmen ergriffen hat, die vern眉nftigerweise von ihm verlangt werden k枚nnen, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu 眉berzeugen und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist.
2. Im Billigkeitsverfahren muss das FA nicht das Vorliegen objektiver Umst盲nde nachweisen, die den Schluss zulassen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betr眉gerischer Weise oder missbr盲uchlich geltend gemacht wird. Das ist nur dann erforderlich, wenn der Vorsteuerabzug trotz Vorliegens dessen objektiver Merkmale wegen der Einbindung des Unternehmers in eine missbr盲uchliche Gestaltung versagt werden soll.
3. Es stellt keinen Ermessensfehler dar, wenn eine Beh枚rde ihre Entscheidung auf mehrere Ermessenserw盲gungen st眉tzt, von denen zwar eine oder einzelne fehlerhaft sind, die Beh枚rde aber eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass jede einzelne der Ermessenserw盲gungen bereits allein tragend ist.
听
Normenkette
UStG 搂 15; AO 搂搂听163, 227; FGO 搂 102
听
Verfahrensgang
听
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts M眉nchen vom 20. Mai 2014 2 K 875/11 wird zur眉ckgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tr盲gt der Beklagte.
听
Tatbestand
Rz. 1
I. Streitig ist im Revisionsverfahren, ob der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt 鈥揊A鈥) zu Recht eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgr眉nden abgelehnt hat.
Rz. 2
Die Kl盲gerin und Revisionsbeklagte (Kl盲gerin) erzielt steuerpflichtige Ums盲tze aus der Lagerung, Kommissionierung und Verteilung von G眉tern aller Art. Gesellschafter der Kl盲gerin sind A und P.K. Mit ihrer Umsatzsteuererkl盲rung f眉r das Streitjahr (2006) machte die Kl盲gerin u.a. abziehbare Vorsteuerbetr盲ge aus zwei Rechnungen der Fa. H (Prag/Tschechien) vom 5. Dezember 2005 und 11. Januar 2006 眉ber die Lieferung von Nickel-Kathoden zum Preis von 249.674,99 EUR zzgl. 16 % Mehrwertsteuer in H枚he von 39.948 EUR und 258.022,57 EUR zzgl. 16 % Mehrwertsteuer in H枚he von 41.283,61 EUR geltend. Auf den Rechnungen ist eine Steuernummer mit einer vierstelligen Ziffernfolge im dritten Ziffernblock angegeben. Die Rechnungen enthalten den Hinweis, dass die Verladung im Lager N (Inland) bei der Fa. M nur in Absprache mit dem Mitarbeiter J erfolgen d眉rfe.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 3. M盲rz 2008 teilte das FA X dem beklagten FA mit, dass die Fa. H keine Gesch盲ftst盲tigkeit ausge眉bt und niemals Verf眉gungsmacht 眉ber die angeblich an die Kl盲gerin gelieferten Waren gehabt habe. Die streitgegenst盲ndlichen Rechnungen seien deshalb zu Unrecht ausgestellt worden. Das FA X legte dazu Niederschriften 眉ber die Beschuldigtenvernehmung von Frau B, der Gesch盲ftsf眉hrerin der Fa. H, vom 17. November 2006 und 眉ber die Zeugenvernehmung von A.K., dem Gesch盲ftsf眉hrer der Kl盲gerin, vom 8. November 2007, vor.
Rz. 4
Im Rahmen der daraufhin von der Steuerfahndungsstelle des FA durchgef眉hrten Ermittlungsma脽nahmen wurde festgestellt, dass die Waren von einer niederl盲ndischen Spedition ab dem Lager der Fa. M in N (Inland) direkt zum Abnehmer nach Italien transportiert wurden. Die Kl盲gerin stellte die Lieferungen dem italienischen Abnehmer in Rechnung, der diese per 脺berweisung bezahlte. Die Kl盲gerin 眉berwies die Rechnungsbetr盲ge auf das auf den Rechnungen angegebene Konto einer Schweizer Bank. Feststellungen zu einem Herrn J konnten nicht getroffen werden. Ein Mitarbeiter der Fa. M sagte als Zeuge aus, dass er einen Herrn J nicht kenne. Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Fa. H im Handelsregister des Stadtgerichts Prag eingetragen war und 眉ber eine tschechische USt-IdNr. verf眉gte.
Rz. 5
Das FA setzte daraufhin mit Steuer盲nderungsbescheid vom 4. Dezember 2008 die Umsatzsteuer f眉r 2006 unter Versagung der Vorsteuer aus den beiden Rechnungen der Fa. H fest.
Rz. 6
Hiergegen legte die Kl盲gerin Einspruch ein und beantragte eine abweichende Festsetzung der Umsatzsteuer aus Billigkeitsgr眉nden, die mit Bescheid vom 2. Februar 2010 abgelehnt wurde.
Rz. 7
Den hiergegen eingelegten Einspruch und den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 4. Dezember 2008 verband das FA zu gemeinsamer Entscheidung und wies beide Einspr眉che mit Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2011 als unbegr眉ndet zur眉ck.
Rz. 8
Die Ablehnung einer Gew盲hrung des Vorsteuerabzugs aus Billigkeitsgr眉nden begr眉ndete das FA damit, dass die Kl盲gerin 鈥搊bwohl es sich bei der Fa. H um eine neue Gesch盲ftsbeziehung gehandelt habe鈥 weder Kenntnis von den Gesch盲ftsf眉hrern noch von sonstigen Kontaktpersonen bei der angeblichen Lieferantin Fa. H gehabt habe, auf Faxantworten der Fa. H auch keine Kontaktperson aufgef眉hrt gewesen sei, unterschiedliche Adressen der Fa. H in der Rechnung und in der weiteren Korrespondenz genannt worden seien, die von der Fa. H verwendete Steuernummer erkennbar von den in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) gebr盲uchlichen Steuernummern abgewichen sei, die Kl盲gerin dies habe erkennen und mittels einer Nachfrage beim FA X verifizieren k枚nnen und dass bei einem besonders gelagerten Gesch盲ft, bei dem der Lieferant und der Abnehmer von einem Dritten, hier dem italienischen Gesch盲ftsfreund, vorgegeben w眉rden und keine Verhandlungen 眉ber den Gesch盲ftsablauf und die Preisgestaltung gef眉hrt worden seien, besondere Aufmerksamkeit erforderlich sei.
Rz. 9
Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) best盲tigte den Steuer盲nderungsbescheid vom 4. Dezember 2008 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung, hob aber den Bescheid vom 2. Februar 2010 眉ber die Ablehnung einer abweichenden Festsetzung der Umsatzsteuer aus Billigkeitsgr眉nden und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2011 wegen fehlerhafter Ermessensaus眉bung auf.
Rz. 10
Zur Begr眉ndung f眉hrte das FG im Wesentlichen aus, das FA habe den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Fa. H zu Recht versagt, weil sie nicht die der Fa. H vom FA erteilte Steuernummer enthalten habe und die Fa. H auch nicht leistende Unternehmerin gewesen sei. Nicht die Rechnungsausstellerin die Fa. H, sondern ein (unbekannter) Dritter habe die Lieferungen der in den Rechnungen angef眉hrten Nickel-Kathoden an die Kl盲gerin ausgef眉hrt. Bei der auf den Rechnungen angegebenen Adresse habe es sich somit nicht um den Namen und die Anschrift der leistenden Unternehmerin i.S. von 搂 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gehandelt. Soweit die Kl盲gerin 眉ber die Identit盲t der Leistenden get盲uscht worden sei, k枚nne sie sich nicht darauf berufen, gutgl盲ubig gewesen zu sein, denn 搂 15 Abs. 1 UStG sch眉tze nicht den guten Glauben an die Erf眉llung der Voraussetzungen f眉r den Vorsteuerabzug. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes k枚nnten im Festsetzungsverfahren nicht ber眉cksichtigt werden. Das FA habe daher im Steuer盲nderungsbescheid vom 4. Dezember 2008 den Vorsteuerabzug zu Recht versagt.
Rz. 11
Anders verhalte es sich mit der Ablehnung der von der Kl盲gerin beantragten abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgr眉nden. Der Ablehnungsbescheid vom 2. Februar 2010 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung seien aufzuheben, weil das FA hierbei das ihm zustehende Ermessen nicht ordnungsgem盲脽 ausge眉bt habe. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europ盲ischen Union (EuGH) k枚nne dann, wenn nachgewiesen sei, dass die streitgegenst盲ndlichen Lieferungen von Gegenst盲nden tats盲chlich bewirkt und diese Gegenst盲nde vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe f眉r die Zwecke seiner besteuerten Ums盲tze verwendet worden seien, das Recht auf Vorsteuerabzug nur versagt werden, wenn die Steuerbeh枚rden das Vorliegen objektiver Umst盲nde nachgewiesen h盲tten, die den Schluss zulie脽en, dass dieses Recht in betr眉gerischer Weise oder missbr盲uchlich geltend gemacht werde. Nur wenn Anhaltspunkte f眉r Unregelm盲脽igkeiten oder Steuerhinterziehung vorl盲gen, k枚nne ein verst盲ndiger Wirtschaftsteilnehmer nach den Umst盲nden des konkreten Falls verpflichtet sein, 眉ber einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenst盲nde oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtige, Ausk眉nfte einzuholen, um sicherzustellen, dass dessen Ums盲tze nicht in einen von einem Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Betrug einbezogen seien.
Rz. 12
Das FA habe aber weder im Ablehnungsbescheid vom 2. Februar 2010 noch in der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2011 objektive Umst盲nde dargelegt, aufgrund derer die Kl盲gerin verpflichtet gewesen sei, weitere Ausk眉nfte 眉ber die Fa. H einzuholen. Die Zahlung auf ein Konto in der Schweiz und die Vermittlung des Gesch盲fts mit der Fa. H durch einen, dem Gesch盲ftsf眉hrer der Kl盲gerin (G), bekannten Dritten seien keine au脽ergew枚hnlichen Umst盲nde, die auf eine Steuerhinterziehung schlie脽en lie脽en. Das gelte gleicherma脽en f眉r den Umstand, dass G die Ware nicht selbst gesehen und keinen pers枚nlichen Kontakt zu Frau B gehabt habe und das Gesch盲ft 眉ber den (angeblich) beauftragten J abgewickelt worden sei.
Rz. 13
Mit der Revision, mit der es Verletzung materiellen Rechts (搂 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 搂 14 UStG, 搂 31 der Umsatzsteuer-Durchf眉hrungsverordnung, 搂搂 163, 227 der Abgabenordnung 鈥揂O鈥) geltend macht, wendet sich das FA gegen die Aufhebung seiner Entscheidungen im Billigkeitsverfahren. Zu den vom Leistungsempf盲nger zu ergreifenden Ma脽nahmen geh枚re u.a. die dokumentierte Vergewisserung 眉ber die Unternehmereigenschaft des Leistenden. In der Einspruchsentscheidung seien diverse Besonderheiten aufgef眉hrt und gew眉rdigt worden, die der Kl盲gerin zu weiteren Nachforschungen Anlass gegeben h盲tten. Den sich daraus ergebenden Zweifeln sei die Kl盲gerin aber nicht nachgegangen. Der vom FG geforderte Nachweis, dass die Kl盲gerin ihr Vorsteuerabzugsrecht in betr眉gerischer Absicht oder missbr盲uchlich geltend mache, lasse sich weder aus der Rechtsprechung des EuGH noch aus der des Bundesfinanzhofs (BFH) herleiten.
Rz. 14
Das FA beantragt, das FG-Urteil insoweit aufzuheben, als es der Klage stattgegeben hat und die Klage insgesamt abzuweisen.
Rz. 15
Die Kl盲gerin beantragt, die Revision des FA als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
Rz. 16
Zur Begr眉ndung tr盲gt sie im Wesentlichen vor, die von der Fa. H an sie, die Kl盲gerin, verkaufte Ware sei tats盲chlich durch einen von ihr beauftragten Spediteur zum Abnehmer nach Italien verbracht worden. Das FA habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgekl盲rt, um eine sachgem盲脽e Ermessensentscheidung treffen zu k枚nnen. Allein der Umstand, dass eine erbrachte Leistung nicht tats盲chlich von dem in der Rechnung angegebenen Leistenden bewirkt worden sei oder die Unterschriften der Personen, die bestimmte Dokumente als Leistende unterzeichnet h盲tten, sich als falsch erwiesen h盲tten, reiche nicht aus, den Vorsteuerabzug zu versagen. Das FA k枚nne vom Steuerpflichtigen nicht verlangen, zu pr眉fen, ob der Aussteller der Rechnung Steuerpflichtiger sei.
听
贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
Rz. 17
II. Die Revision des FA ist unbegr眉ndet und deshalb zur眉ckzuweisen (搂 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung 鈥揊GO鈥). Die Entscheidung des FG stellt sich im Ergebnis aus anderen Gr眉nden als richtig dar (搂 126 Abs. 4 FGO).
Rz. 18
1. Das FG hat die Voraussetzungen, unter denen im Billigkeitsverfahren (搂搂 163, 227 AO) der Vorsteuerabzug gew盲hrt werden kann, verkannt.
Rz. 19
a) Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren zu gew盲hren ist, wenn die Steuerbeh枚rden nicht das Vorliegen objektiver Umst盲nde nachweisen, die den Schluss zulassen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betr眉gerischer Weise oder missbr盲uchlich geltend gemacht wird, denn diese Voraussetzung betrifft nicht das Billigkeitsverfahren.
Rz. 20
b) Das FG hat seine Auffassung insoweit zu Unrecht auf die EuGH-Urteile Mahageb茅n und D谩vid vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11 (EU:C:2012:373), Maks Pen vom 13. Februar 2014 C-18/13 (EU:C:2014:69) und Bonik vom 6. Dezember 2012 C-285/11 (EU:C:2012:774) gest眉tzt. Denn in den vom EuGH in den Entscheidungen Mahageb茅n und D谩vid, Maks Pen und Bonik zu beurteilenden Sachverhalten stand aufgrund der Vorlageentscheidungen fest, dass die nach der Richtlinie 2006/112/EG des Rates 眉ber das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (Mehrwertsteuersystem-Richtlinie 鈥揗wStSystRL鈥) vorgesehenen materiellen und formellen Voraussetzungen f眉r die Entstehung und die Aus眉bung des Rechts auf Vorsteuerabzug erf眉llt waren (EuGH-Urteile Mahageb茅n und D谩vid, EU:C:2012:373, Rz 43, 44, 52; Maks Pen, EU:C:2014:69, Rz 25, und Bonik, EU:C:2012:774, Rz 29, 33, 40). Mit diesen Urteilen hat der EuGH daher das Recht auf Vorsteuerabzug nicht durch Vertrauensschutzgesichtspunkte erweitert, sondern begrenzt, indem er den Vorsteuerabzug selbst dann versagt, wenn dessen Voraussetzungen zwar tats盲chlich vorliegen, jedoch aufgrund objektiver Umst盲nde feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder h盲tte wissen m眉ssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war (BFH-Urteil vom 22. Juli 2015 V R 23/14, BFHE 250, 559, BStBl II 2015, 914, Rz 36). Diese Sanktion, dem Steuerpflichtigen den Vorsteuerabzug trotz Vorliegens seiner objektiven Merkmale zu versagen, ist nur zu rechtfertigen, wenn das FA das Vorliegen objektiver Umst盲nde nachweist, die den Schluss zulassen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug vom Steuerpflichtigen in betr眉gerischer Weise oder missbr盲uchlich geltend gemacht wird (z.B. EuGH-Urteil Bonik, EU:C:2012:774, Rz 44).
Rz. 21
c) Entgegen der Auffassung des FG lassen sich auch aus dem EuGH-Urteil Maks Pen (EU:C:2014:69, Rz 31) keine dahingehenden Schlussfolgerungen ableiten, dass auch bei unzutreffenden Rechnungsangaben der Vorsteuerabzug nur versagt werden d眉rfe, wenn das FA das Vorliegen objektiver Umst盲nde nachweist, die den Schluss zulassen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug vom Steuerpflichtigen in betr眉gerischer Weise oder missbr盲uchlich geltend gemacht wird. Aus Rz 31 ergibt sich, dass Zweifel daran, dass die Rechnungsangaben zutreffend und die Abrechnende auch die leistende Unternehmerin ist, nicht allein damit begr眉ndet werden k枚nnen, dass die Abrechnende nicht 眉ber das erforderliche Personal sowie die erforderlichen Sachmittel und Verm枚genswerte verf眉gt habe, die Kosten der Leistung nicht in ihrer Buchf眉hrung dokumentiert worden seien oder die Unterschrift der Personen, die bestimmte Dokumente als Leistende unterzeichnet haben, sich als falsch erwiesen haben. Vorliegend steht nach den Feststellungen des FG aber fest, dass die Fa. H nicht die leistende Unternehmerin war, sondern ein unbekannter Dritter und dass die Rechnung nicht die korrekte Steuernummer der Rechnungsausstellerin enthalten hat.
Rz. 22
d) Im Billigkeitsverfahren (搂搂 163, 227 AO) kann der Vorsteuerabzug ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Vertrauensschutzes nach den Grunds盲tzen der EuGH-Rechtsprechung (Urteile Teleos vom 27. September 2007 C-409/04, EU:C:2007:548, Rz 68, und Netto Supermarkt vom 21. Februar 2008 C-271/06, EU:C:2008:105, Rz 25) in Betracht kommen. Das setzt voraus, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer gutgl盲ubig war und alle Ma脽nahmen ergriffen hat, die vern眉nftigerweise von ihm verlangt werden k枚nnen, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu 眉berzeugen und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, Rz 49).
Rz. 23
Die Begr眉ndung des FG tr盲gt deshalb die Aufhebung der Ermessensentscheidung des FA nicht.
Rz. 24
2. Die Aufhebung der Entscheidung des FA im Billigkeitsverfahren ist aber im Ergebnis richtig, weil dem FA Ermessensfehler unterlaufen sind.
Rz. 25
a) Die vom FA im Rahmen einer Billigkeitsma脽nahme nach 搂 163 AO zu treffende Ermessensentscheidung ist im finanzgerichtlichen Verfahren nur eingeschr盲nkt dahingehend 眉berpr眉fbar, ob die Beh枚rde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens 眉berschritten (Ermessensmissbrauch) oder von dem ihr einger盲umten Ermessen in einer dem Zweck der Erm盲chtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Ermessensfehlgebrauch; vgl. BFH-Urteil vom 23. September 2004 V R 58/03, BFH/NV 2005, 825, Rz 12).
Rz. 26
b) Das FA hat in seinen Ermessenserw盲gungen ber眉cksichtigt, dass die Kl盲gerin 鈥搊bwohl es sich bei der Fa. H um eine neue Gesch盲ftsbeziehung handelte鈥 weder Kenntnis von den Gesch盲ftsf眉hrern noch von sonstigen Kontaktpersonen bei der angeblichen Lieferantin der Fa. H hatte, auf Faxantworten der Fa. H auch keine Kontaktperson aufgef眉hrt war, unterschiedliche Adressen der Fa. H in der Rechnung und in der weiteren Korrespondenz genannt wurden und dass bei einem besonders gelagerten Gesch盲ft, bei dem der Lieferant und der Abnehmer von einem Dritten, hier dem italienischen Gesch盲ftsfreund, vorgegeben werden und keine Verhandlungen 眉ber den Gesch盲ftsablauf und die Preisgestaltung gef眉hrt werden, besondere Aufmerksamkeit erforderlich ist.
Rz. 27
c) Das FA hat dar眉ber hinaus seine Ermessensentscheidung aber auch darauf gest眉tzt, dass die von der Fa. H verwendete Steuernummer erkennbar von den in Deutschland gebr盲uchlichen Steuernummern abgewichen sei und die Kl盲gerin sich 眉ber die Steuernummer der Fa. H durch eine R眉ckfrage beim FA X habe Gewissheit verschaffen k枚nnen. Die Annahme des FA, dass die Steuernummern in Deutschland durchweg durch eine f眉nfstellige Ziffernkombination im dritten Ziffernblock gekennzeichnet seien, erweist sich als unzutreffend. Zumindest im Bundesland Nordrhein-Westfalen ist eine vierstellige Ziffernfolge im dritten Ziffernblock 眉blich. Deshalb ist auch die auf der Annahme einer erkennbar unzutreffenden Steuernummer beruhende Erw盲gung des FA, die Kl盲gerin habe sich durch eine Nachfrage beim FA X Gewissheit verschaffen m眉ssen, fehlerhaft.
Rz. 28
d) Zwar stellt es keinen Ermessensfehler dar, wenn eine Beh枚rde ihre Entscheidung auf mehrere Ermessenserw盲gungen st眉tzt, von denen zwar eine oder einzelne fehlerhaft sind, die Beh枚rde aber zum Ausdruck gebracht hat, dass bereits jede einzelne der Ermessenserw盲gungen sie dazu veranlasst hat, die von ihr getroffene Entscheidung vorzunehmen, also insofern bereits allein tragend ist. F眉r die Fehlerfreiheit einer Ermessensentscheidung gen眉gt es, dass ein selbst盲ndig tragender Grund rechtlich fehlerfrei ist (BFH-Urteil vom 16. September 2014 X R 30/13, BFH/NV 2015, 150, 2. Orientierungssatz und Rz 29; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 1981 1 C 169.79, BVerwGE 62, 215; vom 21. September 2000 2 C 5.99, Deutsches Verwaltungsblatt 2001, 726; vom 27. September 1978 1 C 28.77, Die 枚ffentliche Verwaltung 1979, 374; vom 27. M盲rz 1979 1 C 15.77, Buchholz 402.24 搂 10 der Ausl盲ndergesetzes Nr. 61; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 21. Aufl., 搂 114 Rz 6a, m.w.N.).
Rz. 29
Der Ermessensentscheidung des FA l盲sst sich aber nicht entnehmen, ob die unter II.2.b) genannten Erw盲gungen allein oder in ihrer Summe f眉r die Entscheidung des FA ma脽gebend gewesen sind oder erst in der Gesamtschau mit den unter II.2.c) genannten fehlerhaften Erw盲gungen. Diese Entscheidung kann der Senat nicht an Stelle des FG treffen, denn das Gericht hat im Falle der Aufdeckung von Ermessensfehlern die Ermessensentscheidung aufzuheben (BFH-Urteil vom 3. August 1983 II R 144/80, BFHE 139, 128, BStBl II 1984, 321, Orientierungssatz) und darf grunds盲tzlich nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltungsbeh枚rde setzen (st盲ndige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 6. November 2012 VII R 72/11, BFHE 239, 15, BStBl II 2013, 141, Orientierungssatz und Rz 14).
Rz. 30
3. Die Kostenentscheidung beruht auf 搂 135 Abs. 2 FGO.
听
Fundstellen
亿兆体育-Index 9250581 |
BFH/NV 2016, 988 |
BFH/PR 2016, 224 |
BStBl II 2016, 589 |
BFHE 2016, 283 |
BFHE 253, 283 |
BB 2016, 1045 |
BB 2017, 349 |
DB 2016, 6 |
DB 2016, 996 |
DStR 2016, 960 |
DStRE 2016, 573 |
DStZ 2016, 469 |
HFR 2016, 653 |
UR 2016, 397 |