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Entscheidungsstichwort (Thema)
Verl盲ngerung der Bekanntgabe-Dreitagesfrist bis zum n盲chsten Werktag
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Leitsatz (amtlich)
Die Dreitagesfrist zwischen der Aufgabe eines Verwaltungsakts zur Post und seiner vermuteten Bekanntgabe (搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977) verl盲ngert sich, wenn das Fristende auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend f盲llt, bis zum n盲chstfolgenden Werktag.
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Normenkette
AO 1977 搂听108 Abs. 3, 搂听122 Abs. 2 Nr. 1
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Der Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) legte gegen die Einkommensteuerbescheide 1993 bis 1995 jeweils Einspruch ein. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt 鈥旻A鈥) wies die Einspr眉che zur眉ck. Die Einspruchsentscheidung ist nach dem in den Steuerakten enthaltenen Abgangsvermerk am Donnerstag, dem 18. Dezember 1997, zur Post gegeben worden. Die dagegen erhobene Klage ging beim Finanzgericht (FG) am 22. Januar 1998 ein.
Auf den Hinweis des FA, dass die Klage unzul盲ssig sei, und den Hinweis des Berichterstatters des FG, dass die Klagefrist von einem Monat am 21. Januar 1998 geendet habe, f眉hrte der Kl盲ger aus: Die Einspruchsentscheidung sei seinem Bevollm盲chtigten tats盲chlich erst am 22. Dezember 1997 zugegangen und mit dem Eingangsstempel der Kanzlei versehen worden. Die Post werde 眉ber das Postfach des Bevollm盲chtigten beim 枚rtlichen Postamt zugestellt. Das Postfach werde von Montag bis Freitag jeweils nach Dienstbeginn (9.00 Uhr) geleert. Am Freitag, dem 19. Dezember 1997, habe die Einspruchsentscheidung morgens noch nicht im Postfach gelegen (Beweis: Zeugnis einer namentlich benannten Kanzleimitarbeiterin). Sie sei erst am folgenden Montag zugegangen; denn eine in das Postfach des Adressaten eingelegte Briefsendung sei in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem das Postfach normalerweise geleert werde.
Das FG wies die Klage als unzul盲ssig ab. Die Klagefrist sei bereits am 21. Januar 1998 abgelaufen, weil die Einspruchsentscheidung gem盲脽 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) als am Sonntag, dem 21. Dezember 1997, bekannt gegeben gelte. Die Einspruchsentscheidung sei am Donnerstag, dem 18. Dezember 1997, zur Post gegeben worden. Der Kl盲ger k枚nne die Zugangsvermutung des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 nicht dadurch widerlegen, dass im Betrieb seines Bevollm盲chtigten sonnabends nicht gearbeitet und das Postschlie脽fach nur arbeitst盲glich von montags bis freitags geleert werde. Das Einlegen eines Briefes in ein Postfach sei nicht anders zu beurteilen als die Auslieferung in der Wohnung oder der Einwurf in einen Hausbriefkasten. Es gebe auch keinen Grund zu der Annahme, dass die Einspruchsentscheidung nicht sp盲testens am Sonnabend, dem 20. Dezember 1997, in das Postfach eingelegt worden sei. Nach Auskunft der Post erreichten 94 v.H. aller Briefe den Empf盲nger am n盲chsten Tag, 98 v.H. am 眉bern盲chsten Tag; Sendungen w眉rden in die Postf盲cher morgens zwischen 7.00 Uhr und 9.00 Uhr eingelegt, auch samstags, jedoch nicht sonntags.
Mit der Revision r眉gt der Kl盲ger die Verletzung des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977.
Der Kl盲ger beantragt, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer entsprechend den Steuererkl盲rungen herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
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II. Die Revision ist begr眉ndet. Gem盲脽 搂 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zur眉ckzuverweisen. Das FG hat die am 22. Januar 1998 bei Gericht eingegangene Klage zu Unrecht als versp盲tet abgewiesen, weil es davon ausgegangen ist, dass die Einspruchsentscheidung gem盲脽 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 am Sonntag, dem 21. Dezember 1997, als bekannt gegeben gilt.
1. Nach 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post 眉bermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, au脽er wenn er nicht oder zu einem sp盲teren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Beh枚rde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. F盲llt der dritte Tag dieses Dreitageszeitraums auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet dieser Zeitraum gem盲脽 搂 108 Abs. 3 AO 1977 mit Ablauf des n盲chstfolgenden Werktags mit der Folge, dass der Verwaltungsakt an diesem Werktag als bekannt gegeben gilt.
a) Gem盲脽 搂 108 Abs. 3 AO 1977 endet, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend f盲llt, die Frist mit dem Ablauf des n盲chstfolgenden Werktags.
aa) Der Dreitageszeitraum des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 ist eine "Frist" in diesem Sinne.
Der Begriff der "Frist" bedeutet nach dem Sprachgebrauch des B眉rgerlichen Gesetzbuches (BGB) einen abgegrenzten, bestimmten oder jedenfalls bestimmbaren Zeitraum (Urteil des Reichsgerichts vom 8. Juni 1928 III 426/27, RGZ 120, 356, 362). Eine Frist kann den unterschiedlichsten Zwecken dienen (vgl. Palandt/Heinrichs, B眉rgerliches Gesetzbuch, 62. Aufl. 2003, 搂 186 Rn. 3). Im Prozessrecht wird der Begriff der Frist hingegen enger verstanden: Danach ist zu unterscheiden zwischen Fristen im engeren Sinne (eigentlichen Fristen) zur Vornahme einer Parteihandlung oder Vorbereitung auf einen Termin und uneigentlichen Fristen, f眉r die allein der Ablauf einer bestimmten Zeitspanne entscheidend ist und die den prozessrechtlichen Normen f眉r Fristen nicht unterstehen (Rosenberg/Schwab/ Gottwald, Zivilprozessrecht, 15. Aufl. 1993, S. 398; Gr盲ber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, 搂 54 Rz. 3 f.).
F眉r die Auslegung des 搂 108 AO 1977 ist, wie aus der Verweisung auf die Fristbestimmungen des BGB in Abs. 1 der Vorschrift hervorgeht, der weitere Fristbegriff des B眉rgerlichen Rechts ma脽gebend. Danach ist der Dreitageszeitraum des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 eine "Frist" i.S. von 搂 108 Abs. 3 AO 1977, weil es sich um einen abgegrenzten, durch das Gesetz bestimmten Zeitraum handelt, der mit einem bestimmten Ereignis (Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post) beginnt und am dritten Tag danach mit dem fingierten Zugang des Verwaltungsaktes endet.
Im 脺brigen ist auch die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) 鈥昦llerdings ohne daraus entsprechende Rechtsfolgen abzuleiten鈥 beil盲ufig davon ausgegangen, dass es sich nach allgemeinem Sprachgebrauch um eine "Frist" handelt ("Dreitagesfrist": BFH-Urteile vom 12. August 1981 I R 140/78, BFHE 134, 213, BStBl II 1982, 102; vom 23. Oktober 1986 IV R 21/85, BFH/NV 1987, 412; vom 6. September 1989 II R 233/85, BFHE 158, 297, BStBl II 1990, 108; vom 8. Februar 1996 III R 127/93, BFH/NV 1996, 850; vom 17. Juni 1997 IX R 79/95, BFH/NV 1997, 828; Beschl眉sse des BFH vom 12. August 1998 IV B 145/97, BFH/NV 1999, 286; vom 20. Januar 1999 IV B 28/98, BFH/NV 1999, 905; vom 28. Februar 2001 X B 162/00, BFH/NV 2001, 747; "am letzten Tag der Frist": BFH-Urteil vom 26. Juni 1996 X R 97/95, BFH/NV 1997, 90).
bb) Dieses Auslegungsergebnis wird durch einen Vergleich der Vorschrift des 搂 108 AO 1977 mit der ihr vorangehenden Regelung des 搂 82 der Reichsabgabenordnung (RAO) best盲tigt. W盲hrend die Regelung des 搂 82 RAO i.V.m. 搂 193 BGB eine Verl盲ngerung der an einem Sonntag, Feiertag oder Sonnabend ablaufenden Fristen nur dann vorsah, wenn eine Willenserkl盲rung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken war, enth盲lt 搂 108 Abs. 3 AO 1977 in Anlehnung an 搂 31 Abs. 3 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes 鈥昖wVfG鈥 (vgl. dazu BTDrucks 7/910, S. 54) diese Einschr盲nkung nicht mehr, sondern erfasst alle Arten von Fristen. Der Zweck des 搂 193 BGB, die Sonn- und Feiertagsruhe zu wahren und die in Wirtschaft und 枚ffentlicher Verwaltung 眉bliche F眉nftagewoche zu ber眉cksichtigen (Palandt/Heinrichs, a.a.O., 搂 193 Rn. 1), wird mithin durch 搂 108 Abs. 3 AO 1977 (und 搂 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG; ebenso 搂 222 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. 搂 54 Abs. 2 FGO) auf alle Arten von Fristen erstreckt.
cc) Gleichwohl hat die Rechtsprechung des BFH bisher die Vorschrift des 搂 108 Abs. 3 AO 1977 auf die Dreitagesfrist des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 nicht angewendet (zweifelnd allerdings Beschluss des BFH vom 24. November 1983 IV B 40/81, juris). Zur Begr眉ndung ist angef眉hrt worden, 搂 108 Abs. 3 AO 1977 habe gegen眉ber der fr眉heren Rechtslage nichts ge盲ndert. Die Vorschrift gelte zwar nun f眉r alle Fristen, aber nicht f眉r Zeitr盲ume, innerhalb derer wie bei 搂 122 Abs. 2 AO 1977 das Gesetz aus Praktikabilit盲tsgr眉nden f眉r einen Vorgang eine pauschalierte Zeitdauer vermutet, denn dabei handele es sich um keine Frist, sondern um eine widerlegliche Vermutung im Sinne eines Anscheinsbeweises, die durch schl眉ssig begr眉ndetes Vorbringen entkr盲ftet werden k枚nne (BFH-Urteil vom 5. M盲rz 1986 II R 5/84, BFHE 146, 27, BStBl II 1986, 462).
Gegen diese Argumentation spricht, dass 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 nicht allein den fiktiven Zeitpunkt der Bekanntgabe, also einen Zeitpunkt, regelt (so aber Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 8. Aufl., M眉nchen 2003, 搂 122 Rz. 52; S枚hn in: H眉bschmann/Hepp/Spitaler 鈥旽HSp鈥, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 搂 108 AO Rz. 41 f.; Schwarz, Abgabenordnung, 搂 108 Rz. 2; Schaffhausen in Pump/Lohmeyer, Abgabenordnung, 搂 108 RdNr. 45 f.; im Ergebnis auch Haarmann/ Schmieszek, Rechtsschutz in Steuer- und Abgabensachen, F. 12101 Rn. 111) und auch nicht allein eine Bekanntgabevermutung beinhaltet. Vielmehr begr眉ndet die Vorschrift nach der Rechtsprechung des BFH dar眉ber hinaus besondere Substantiierungspflichten f眉r den Steuerpflichtigen. Da nach der Rechtsprechung der einfache Vortrag des Steuerpflichtigen, er habe den Verwaltungsakt erst nach Ablauf der Dreitagesfrist erhalten, zur Ersch眉tterung der Zugangsvermutung nicht ausreicht, zwingt 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 den Steuerpflichtigen dazu, die Zugangsvermutung f眉r jeden einzelnen Tag der Dreitagesfrist durch substantiierte Angaben zu ersch眉ttern (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 828, m.w.N.). Die Regelungswirkung der Vorschrift, wie sie sich in der Rechtsprechung des BFH entwickelt hat, umfasst mithin im Ergebnis den gesamten Dreitageszeitraum nach der Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post. Es handelt sich folglich um eine dreit盲gige Frist, deren Ablauf die Rechtsfolgen der Bekanntgabe ausl枚st. Dass die Bekanntgabevermutung ersch眉ttert werden kann und ihre Rechtsfolgen dann nicht eintreten, steht der Beurteilung des dreit盲gigen Vermutungszeitraums als "Frist" i.S. des 搂 108 Abs. 3 AO 1977 nicht entgegen.
Auch die Begr眉ndung, die Dreitagesfrist des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 sei deshalb keine "Frist" i.S. von 搂 108 Abs. 3 AO 1977, weil es sich um eine "uneigentliche Frist" handele (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 搂 122 AO Tz. 54, 搂 108 AO Tz. 8, 22; S枚hn in HHsp, a.a.O.), rechtfertigt es nicht, 搂 108 Abs. 3 AO 1977 entgegen seinem Wortlaut und seinem Zweck nicht anzuwenden. Eine Unterscheidung von "eigentlichen" und "uneigentlichen" Fristen entsprach zwar der Regelung des 搂 193 BGB i.V.m. 搂 82 RAO, ist aber nicht mit der Vorschrift des 搂 108 Abs. 3 AO 1977 vereinbar, die ausdr眉cklich nicht mehr zwischen verschiedenen Arten von Fristen unterscheidet.
b) Wenn man die Norm des 搂 108 Abs. 3 AO 1977 nicht unmittelbar f眉r anwendbar h盲lt, weil 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 eine Vermutung regelt, so ist jedenfalls ihre entsprechende Anwendung geboten. Dies erfordert sowohl der Zweck des 搂 108 Abs. 3 AO 1977 als auch der des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977.
aa) Der der Vorschrift des 搂 108 Abs. 3 AO 1977 zugrunde liegende Zweck, die Sonn- und Feiertagsruhe zu wahren und die in Wirtschaft und 枚ffentlicher Verwaltung 眉bliche F眉nftagewoche zu ber眉cksichtigen, betrifft auch die Dreitagesfrist des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977. Dies zeigt sich insbesondere bei Sachverhalten wie im Streitfall, in dem die Beteiligten 鈥昻ach Einholung einer Auskunft der Post鈥 dar眉ber streiten, ob der Verwaltungsakt am Sonnabend in das Postfach eingelegt worden sein kann und ob die Zugangsvermutung deshalb ersch眉ttert ist, weil das Postfach des Bevollm盲chtigten des Kl盲gers an Sonnabenden generell nicht geleert wird. Auch derartige Streitigkeiten, die letztlich den Umfang der Berufspflichten der steuerberatenden Berufe an Sonnabenden betreffen, sollten durch die generelle Ber眉cksichtigung der F眉nftagewoche in 搂 108 Abs. 3 AO 1977 (und in 搂 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG) ersichtlich vermieden werden. Ebenso, wie sich das auf einen Sonnabend fallende Ende einer Rechtsbehelfsfrist stets auf den folgenden Montag verschiebt, selbst wenn der Steuerpflichtige bei entsprechenden Anstrengungen den Rechtsbehelf auch noch am Sonnabend h盲tte einlegen k枚nnen, verschiebt sich das auf einen Sonntag fallende Ende der Dreitagesfrist des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 auf den folgenden Montag, ohne dass es darauf ankommt, ob der Steuerpflichtige schon am Sonnabend sein Postamt h盲tte aufsuchen und bei der Leerung seines Postfachs den Verwaltungsakt h盲tte zur Kenntnis nehmen k枚nnen. Andernfalls w眉rde die mit dem (vermuteten) Zugang beginnende Rechtsbehelfsfrist, die der Steuerpflichtige als 脺berlegungs- und Bearbeitungsfrist grunds盲tzlich voll nutzen k枚nnen soll (st.Rspr., vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1990 VI R 10/86, BFHE 163, 400, BStBl II 1991, 437) unzul盲ssig verk眉rzt, weil dann die Rechtsbehelfsfrist bereits am Sonntag beginnt, obwohl an diesem Tag keine M枚glichkeit des Zugangs bestand und am Sonnabend eine Abholung vom Postamt aus dem Postfach nicht erwartet werden konnte.
bb) Die Anwendung des 搂 108 Abs. 3 AO 1977 auf die Dreitagesfrist des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 entspricht auch dem Zweck der Zugangsvermutung, f眉r das steuerrechtliche Massenverfahren eine wenig verwaltungsaufw盲ndige, praktikable, m枚glichst rechtssichere und m枚glichst streitvermeidende Form der Bekanntgabe von Verwaltungsakten zu er枚ffnen.
Wenn sich die Dreitagesfrist des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 f眉r den Fall auf den n盲chsten Werktag verl盲ngert, dass der dritte Tag nach der Aufgabe zur Post ein Sonnabend, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag ist, so k枚nnen beide Verfahrensbeteiligte auf einfache, leicht nachpr眉fbare und rechtssichere Weise den fiktiven Bekanntgabetag errechnen, an dem die Rechtsbehelfsfrist beginnt. Dadurch werden eine Reihe von Problemen vermieden, mit denen die Rechtsprechung wiederholt befasst worden ist, und die f眉r die Beteiligten unvorhergesehene und sachlich nicht erforderliche Zugangsschranken f眉r die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes bilden; Vorschriften des Verfahrensrechts sind gem盲脽 Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes im Zweifel so auszulegen, dass der Zugang zu den Gerichten er枚ffnet wird (Beschluss des Gro脽en Senats des BFH vom 3. September 2001 GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802, unter C. III. 2. b dd, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). So brauchen, wenn 搂 108 Abs. 3 AO 1977 angewandt wird, die Finanz盲mter, Finanzgerichte und auch die steuerberatenden Berufe sich nicht mit der Frage zu befassen, auf welche Weise die Zugangsvermutung f眉r Sonnabende sowie Sonn- und gesetzliche Feiertage ersch眉ttert werden kann, z.B. wenn Absprachen mit dem Postboten bestehen, die Post erst am Montag statt am Sonnabend zu bringen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1997, 828; vom 9. Dezember 1999 III R 37/97, BFHE 190, 292, BStBl II 2000, 175), wenn die Post antragsgem盲脽 beim Postamt zur Abholung bereitgehalten wird (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 90), wann ein Postfach 眉blicherweise geleert zu werden pflegt (BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1998 X B 147/98, BFH/NV 1999, 745) und ob ein Anwalt oder Steuerberater sich an Sonnabenden pers枚nlich zur Post begeben und seine Post aus dem Postfach abholen muss, wenn sein Kanzleipersonal aufgrund der F眉nftagewoche nicht verf眉gbar ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 286).
脺berdies wird, da die Ersch眉tterung der Bekanntgabevermutung in F盲llen der vorliegenden Art h盲ufig mit Schwierigkeiten verbunden ist, der Streit oftmals zus盲tzlich um die Frage gef眉hrt werden, ob der Verwaltungsakt tats盲chlich an dem in den Akten vermerkten Datum zur Post gegeben worden ist. Da die Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post nicht im Wege des Anscheinsbeweises gef眉hrt werden kann (st盲ndige Rechtsprechung: BFH-Urteile vom 14. M盲rz 1989 VII R 75/85, BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534; vom 4. Oktober 1989 VI R 55/86, BFH/NV 1990, 148; vom 15. September 1994 XI R 31/94, BFHE 175, 327, BStBl II 1995, 41; vom 28. September 2000 III R 43/97, BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211, unter II. 3. b) und die Finanz盲mter die Feststellungslast f眉r den tats盲chlichen Zeitpunkt der Aufgabe zur Post tragen (BFH-Urteile vom 26. April 1989 I R 86/88, BFHE 157, 19, BStBl II 1989, 695, unter II. 5.; in BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211, unter II. 3. a), droht dann die Finanzverwaltung hinsichtlich der Einzelheiten des Postabsendeverfahrens im steuerrechtlichen Massenverfahren in Beweisnot zu geraten (vgl. BFH-Urteile vom 19. Dezember 1984 I R 7/82, BFHE 143, 200, BStBl II 1985, 485; in BFHE 157, 19, BStBl II 1989, 695). All diese Streitigkeiten werden hingegen in F盲llen der vorliegenden Art weitgehend vermieden, wenn sich die Dreitagesfrist des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 jeweils gem盲脽 搂 108 Abs. 3 AO 1977 bis zum n盲chsten Werktag verl盲ngert.
c) Die Auffassung, dass sich die Dreitagesfrist des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977, wenn ihr Ende auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag f盲llt, auf den n盲chsten Werktag verl盲ngert, wird von Teilen des steuerrechtlichen Schrifttums (Spanner in HHSp, 搂 122 AO Rz. 25 a; G眉roff in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, 搂 122 AO Rz. 34 f.; ebenso bereits Offerhaus, Neue Juristische Wochenschrift 鈥昇JW鈥 1977, 1512, 1513; Sp盲th, Betriebs-Berater 1974, 1468) und von der 眉berwiegenden Meinung im Schrifttum zu 搂 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG (entspricht 搂 108 Abs. 3 AO 1977) und 搂 41 Abs. 2 VwVfG (entspricht 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977) geteilt (Obermayer/Gr眉n, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 1999, 搂 31 Rn. 34; Stelkens/ Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, 搂 31 Rn. 35; Knack/Hennecke, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2000, 搂 41 Rn. 19; Meyer/Borgs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1982, 搂 41 Rn. 14; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl., 搂 31 Rn. 14, 搂 41 Rn. 41; a.A. Obermayer/Liebetanz, a.a.O., 搂 41 Rz. 35; Kopp/Ramsauer, a.a.O., 8. Aufl. 2003, 搂 31 Rn. 32, 搂 41 Rn. 44; ferner Verwaltungsgerichtshof M眉nchen, Beschluss vom 23. Juli 1990 Gr.S. 1/90-19 B 88.185, NJW 1991, 1250). Die Auffassungen im Schrifttum zu den entsprechenden Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch 鈥昐GB X鈥 (搂 26 Abs. 3, 搂 37 Abs. 2 SGB X) sind gespalten (Nachweise zum Streitstand bei Schneider-Danwitz, Sozialgesetzbuch, Sozialversicherung, Gesamtkommentar, 搂 37 SGB X, Anm. 41; vgl. auch Urteil des Bundessozialgerichts 鈥旴SG鈥 vom 19. M盲rz 1957 10 RV 609/56, BSGE 5, 53 - zu 搂 4 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes, entsprechend der bisherigen Auffassung des BFH; offen gelassen indes im Urteil des BSG vom 6. Dezember 1996, BSGE 79, 293).
d) An der entgegenstehenden Auffassung im Urteil in BFH/NV 1997, 828 und im Beschluss vom 30. Juni 1999 IX B 53/99 (BFH/NV 1999, 1620) h盲lt der erkennende Senat aus den genannten Gr眉nden nicht mehr fest. Der erkennende Senat weicht mit seiner Auffassung von Entscheidungen des II. Senats (Urteil in BFHE 146, 27, BStBl II 1986, 462), des III. Senats (Urteil in BFHE 190, 292, BStBl II 2000, 175), des IV. Senats (Beschluss in BFH/NV 1999, 286), des X. Senats (Urteil in BFH/NV 1997, 90; Beschluss in BFH/NV 1999, 745) und des XI. Senats (Beschluss vom 22. April 1996 XI B 2/96, BFH/NV 1996, 727) ab. Die betreffenden Senate haben auf Anfrage der Abweichung zugestimmt.
Ferner weicht der erkennende Senat von dem Urteil des I. Senats vom 13. M盲rz 1991 I R 39/90 (BFH/NV 1992, 146) ab. Eine Anfrage gem盲脽 搂 11 Abs. 3 Satz 1 FGO kommt aber insoweit nicht in Betracht, weil die ma脽gebliche Rechtsfrage f眉r den I. Senat seinerzeit nicht entscheidungserheblich war (vgl. Beschluss des BFH vom 21. Oktober 1985 GrS 2/84, BFHE 145, 147, BStBl II 1986, 207). In dem vom I. Senat entschiedenen Fall, in dem die Dreitagesfrist des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 an einem Sonntag endete und der I. Senat 搂 108 Abs. 3 AO 1977 nicht anwandte, war die Klage um zwei Tage versp盲tet erhoben; sie w盲re mithin auch bei Anwendung des 搂 108 Abs. 3 AO 1977 versp盲tet gewesen.
2. Da die Vorentscheidung auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Klage ist rechtzeitig erhoben. Die Sache geht an das FG zur眉ck, damit es das Klagebegehren in der Sache pr眉ft.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 1050844 |
BFH/NV 2003, 1626 |
BStBl II 2003, 898 |
BFHE 2004, 26 |
BFHE 203, 26 |
BB 2003, 2558 |
DB 2003, 2530 |
DStR 2003, 2015 |
DStRE 2003, 1480 |
HFR 2004, 3 |