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Leitsatz (amtlich)
Bei Hausgewerbetreibenden, die selbst die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitr盲ge zur gesetzlichen Rentenversicherung abf眉hren und die Arbeitgeberbeitr盲ge durch entsprechend erh枚hte St眉ckpreise von den Auftraggebern verg眉tet bekommen, ist der zus盲tzliche Sonderausgaben-H枚chstbetrag nach 搂 10 Abs.3 Nr.2 EStG nicht um den verg眉teten Arbeitgeberbeitrag zu k眉rzen.
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Orientierungssatz
1. Ein Hausgewerbetreibender i.S. des 搂 162 Abs. 1 und 2 RVO ist trotz der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht steuerrechtlich kein Arbeitnehmer, sondern Gewerbetreibender (vgl. BFH-Urteil vom 4.8.1982 I R 101/77).
2. Analogie setzt eine L眉cke im Gesetz voraus. Eine L眉cke ist anzunehmen, wenn ein bestimmter Sachbereich gesetzlich geregelt ist, aber keine Vorschrift f眉r F盲lle enth盲lt, die nach dem Grundgedanken und dem System des Gesetzes h盲tten mitgeregelt werden m眉ssen. Keine L眉cken sind rechtspolitische Unvollst盲ndigkeiten ("rechtspolitische Fehler"). Sie sind gegeben, wenn eine Erg盲nzung der gesetzlichen Regelung nur aus rechtspolitischen Gr眉nden w眉nschenswert w盲re (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).
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Normenkette
EStG 1975 搂 10 Abs. 3 Nr. 2; EStG 搂 15 Abs. 1 Nr. 1
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Verfahrensgang
FG M眉nster (Entscheidung vom 23.10.1985; Aktenzeichen VII 4925/83 E) |
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Tatbestand
Die Kl盲ger und Revisionsbeklagten (Kl盲ger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kl盲ger ist Hausgewerbetreibender (Metallf盲rber) und ermittelt seinen Gewinn nach 搂 5 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
In den Streitjahren 1976 bis 1978 f眉hrte er die Beitr盲ge zur gesetzlichen Rentenversicherung (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) selbst ab und behandelte diese als Betriebsausgaben. Den Arbeitgeberanteil kalkulierte er mit Kenntnis der Auftraggeber in die in Rechnung gestellten St眉ckpreise ein.
Nach einer Au脽enpr眉fung 盲nderte der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt --FA--) die --unter Vorbehalt der Nachpr眉fung ergangenen-- Einkommensteuerbescheide 1976 bis 1978. Er k眉rzte die Betriebsausgaben um die Rentenversicherungsbeitr盲ge und erh枚hte daf眉r die (beschr盲nkt abziehbaren) Sonderausgaben.
Auf den Einspruch der Kl盲ger, in dem diese auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4.August 1982 I R 101/77 (BFHE 136, 407, BStBl II 1983, 200) hinwiesen, 盲nderte das FA die Einkommensteuerbescheide 1976 bis 1978 und ber眉cksichtigte die H盲lfte der Sozialversicherungsbeitr盲ge (Arbeitgeberanteil) als Betriebsausgaben, k眉rzte aber den zus盲tzlichen H枚chstbetrag f眉r Vorsorgeaufwendungen (搂 10 Abs.3 Nr.2 EStG) um den Arbeitgeberanteil. Da der Arbeitgeberanteil jeweils h枚her war als der zus盲tzliche H枚chstbetrag von --im Streitfall-- 3 000 DM, wirkte sich der zus盲tzliche H枚chstbetrag nicht aus.
Der Einspruch der Kl盲ger, mit dem sie sich gegen die K眉rzung des Vorwegabzugs wendeten, war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 176 ver枚ffentlicht ist, gab der Klage statt. Es lie脽 die Vorsorgeaufwendungen des Kl盲gers mit weiteren 3 000 DM j盲hrlich zum Abzug als Sonderausgaben zu. Nach seiner Auffassung ist die Regelung 眉ber die K眉rzung des Vorwegabzugs im Streitfall weder unmittelbar noch analog anwendbar.
Mit der Revision r眉gt das FA Verletzung des 搂 10 Abs.3 Nr.2 EStG. Es ist der Auffassung, die Regelung 眉ber die K眉rzung des Vorwegabzugs m眉sse bei der Ermittlung des Sonderausgabenh枚chstbetrags von Hausgewerbetreibenden analog angewendet werden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kl盲ger beantragen, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
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贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
Die Revision ist unbegr眉ndet.
1. Nach 搂 10 Abs.3 Nr.2 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung konnten zusammenveranlagte Steuerpflichtige Vorsorgeaufwendungen i.S. des 搂 10 Abs.1 Nr.2 EStG --auch Beitr盲ge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen-- zus盲tzlich zu den H枚chstbetr盲gen des 搂 10 Abs.3 Nr.1 und 3 EStG bis zu einem Betrag von 3 000 DM als Sonderausgaben abziehen (搂 10 Abs.3 Nr.2 Satz 1 EStG). Dieser sog. Vorwegabzug verminderte sich bei Arbeitnehmern um den vom Arbeitgeber geleisteten gesetzlichen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie um steuerfreie Zusch眉sse des Arbeitgebers i.S. des 搂 3 Nr.62 Satz 2 und 3 EStG (搂 10 Abs.3 Nr.2 Satz 2 EStG).
Der Kl盲ger war Hausgewerbetreibender i.S. des 搂 162 Abs.1 und 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. (搂 12 Abs.1 des Sozialgesetzbuches --SGB-- IV vom 23.Dezember 1976) und geh枚rte damit zu den Personen, die in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter versichert werden (搂 1227 Abs.1 Satz 1 Nr.3 RVO). Die Pflichtbeitr盲ge waren vom Kl盲ger und seinen Auftraggebern je zur H盲lfte zu tragen (搂 1385 Abs.4 Buchst.a RVO i.V.m. 搂 162 Abs.4 RVO a.F. --搂 12 Abs.3 SGB IV--).
Trotz der Rentenversicherungspflicht war der Kl盲ger als Hausgewerbetreibender aber steuerrechtlich kein Arbeitnehmer, sondern Gewerbetreibender (BFHE 136, 407, BStBl II 1983, 200). Die Tatbestandsvoraussetzungen des 搂 10 Abs.3 Nr.2 Satz 2 EStG f眉r eine K眉rzung des Vorwegabzugs liegen somit nicht vor.
2. Entgegen der Auffassung des FA ist die Regelung 眉ber die K眉rzung des Vorwegabzugs auch nicht analog auf den Streitfall anwendbar.
a) Analogie setzt eine L眉cke im Gesetz voraus. Eine L眉cke ist anzunehmen, wenn ein bestimmter Sachbereich gesetzlich geregelt ist, aber keine Vorschrift f眉r F盲lle enth盲lt, die nach dem Grundgedanken und dem System des Gesetzes h盲tten mitgeregelt werden m眉ssen. Das Gesetz mu脽 also erg盲nzungsbed眉rftig sein, jedoch darf die Erg盲nzung nicht einer vom Gesetz gewollten Beschr盲nkung widersprechen (z.B. BFH-Urteile vom 19.Juli 1972 I R 164/68, BFHE 106, 441, BStBl II 1972, 858, und vom 25.Januar 1973 IV R 152-153/70, BFHE 108, 211, BStBl II 1973, 407, sowie Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., 搂 4 AO 1977 Anm.113). Keine L眉cken sind rechtspolitische Unvollst盲ndigkeiten ("rechtspolitische Fehler"). Sie sind gegeben, wenn eine Erg盲nzung der gesetzlichen Regelung nur aus rechtspolitischen Gr眉nden w眉nschenswert w盲re (BFH-Urteil vom 24.Januar 1974 IV R 76/70, BFHE 111, 329, BStBl II 1974, 295; Tipke/Kruse, a.a.O.).
b) 搂 10 Abs.3 Nr.2 EStG enth盲lt keine L眉cke in diesem Sinn. Die Vorschrift ist hinsichtlich des Adressatenkreises durch die Tatbestandsmerkmale "Arbeitnehmer" und "Arbeitgeber" in ihrem Regelungsbereich vollst盲ndig abgegrenzt. Dasselbe gilt f眉r die in 搂 10 Abs.3 Nr.2 EStG getroffene Rechtsfolgeanordnung. Die auf den zus盲tzlichen H枚chstbetrag anzurechnenden Betr盲ge werden einzeln und abschlie脽end aufgez盲hlt. Sie k枚nnen daher durch Rechtsanwendung nicht erweitert werden um die Beitr盲ge des Hausgewerbetreibenden zur Rentenversicherung, die er in die St眉ckpreise einkalkuliert und seinem Auftraggeber in Rechnung stellt.
c) Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte best盲tigt. Der --durch das Steuer盲nderungsgesetz vom 13.Juli 1961 (BGBl I 1961, 981, BStBl I 1961, 444) eingef眉hrte-- Vorwegabzug sollte diejenigen Steuerpflichtigen beg眉nstigen, die ihre Beitr盲ge zur Altersvorsorge in voller H枚he selbst aufbringen m眉ssen. Der zus盲tzliche Sonderausgabenh枚chstbetrag wurde aber nicht auf bestimmte Berufsgruppen beschr盲nkt, sondern --weil dies nach Auffassung des Gesetzgebers dem Gedanken des Ausgleichs und der gleichm盲脽igen Besteuerung besser entsprach-- grunds盲tzlich allen Steuerpflichtigen zugebilligt; jedoch war bei Arbeitnehmern der zus盲tzliche H枚chstbetrag um den vom Arbeitgeber geleisteten Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung zu k眉rzen (BTDrucks III/2573 S.17, 21). Als Zusch眉sse des Arbeitgebers i.S. des 搂 3 Nr.62 Satz 2 und 3 EStG steuerfrei gestellt wurden, erstreckte der Gesetzgeber durch das Zweite Krankenversicherungs盲nderungsgesetz vom 21.Dezember 1970 (BGBl I 1970, 1770, BStBl I 1971, 114) die K眉rzung des Vorwegabzugs auch hierauf.
Der Vorwegabzug sollte somit nicht bei allen Steuerpflichtigen gek眉rzt werden, die ohne oder nur zum Teil mit eigenen Beitr盲gen Anwartschaften auf eine Altersversorgung erlangen. Die Anrechnung auf den zus盲tzlichen H枚chstbetrag beschr盲nkte sich ausdr眉cklich auf den bei Arbeitnehmern vom Arbeitgeber geleisteten (nach 搂 3 Nr.62 Satz 1 EStG steuerfreien) gesetzlichen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung und die sp盲ter steuerfrei gestellten Zusch眉sse i.S. des 搂 3 Nr.62 Satz 2 und 3 EStG. Personen, die ohne eigene Beitragsleistung Anwartschaften auf eine Versorgungsleistung erwarben, wurde der zus盲tzliche Sonderausgabenh枚chstbetrag aus Vereinfachungsgr眉nden (BTDrucks 8/292 S.21) --auch noch in den Streitjahren 1976 und 1977-- ungek眉rzt zugestanden. Der Forderung, diesen Personenkreis von dem zus盲tzlichen H枚chstbetrag auszuschlie脽en, kam der Gesetzgeber erst durch das Steuer盲nderungsgesetz 1977 vom 16.August 1977 (BGBl I 1977, 1586, BStBl I 1977, 442) nach. Ab dem Veranlagungszeitraum 1978 (搂 52 Abs.14 EStG 1977) war danach bei versicherungsfreien Arbeitnehmern mit lebensl盲nglicher Versorgung (z.B. Beamten, Richtern, Berufssoldaten usw.), bei sonstigen nichtversicherungspflichtigen Steuerpflichtigen mit einer Altersversorgung ohne eigene Beitragsleistung (z.B. Vorstandsmitgliedern einer AG) und bei Steuerpflichtigen mit Eink眉nften i.S. des 搂 22 Nr.4 EStG (Abgeordneten) der Vorwegabzug um den Betrag zu k眉rzen, der im Falle der Versicherungspflicht als Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten w盲re.
搂 10 Abs.3 Nr.2 EStG sollte zwar in erster Linie Steuerpflichtige beg眉nstigen, die ihre Beitr盲ge f眉r die Altersvorsorge in voller H枚he selbst aufbringen. Ein Plan, ausschlie脽lich diesen Personen den zus盲tzlichen Sonderausgabenh枚chstbetrag ungek眉rzt zukommen zu lassen, ist aber weder der Gesetzesbegr眉ndung noch dem Gesetz selbst zu entnehmen. Nach der in den Streitjahren geltenden gesetzlichen Regelung kamen auch andere Personen in den Genu脽 des Vorwegabzugs. Es ist daher nicht gerechtfertigt, den Vorwegabzug bei Hausgewerbetreibenden zu k眉rzen, weil sie in der Regel den h盲lftigen Beitrag zur Rentenversicherung wirtschaftlich nicht selbst tragen.
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Fundstellen
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BFH/NV 1989, 46 |
BStBl II 1989, 891 |
BFHE 158, 45 |
BFHE 1990, 45 |
BB 1989, 2103-2103 (L1) |
DB 1989, 2462-2463 (LT) |
HFR 1990, 21 (LT) |