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Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Lauf der Spekulationsfrist vor Abschluss eines Kaufvertrags 眉ber ein Grundst眉ck durch dessen Mieter allein aufgrund eines bestehenden Vorkaufsrechts
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Leitsatz (NV)
- Ob ein Spekulationsgesch盲ft i.S.d. 搂 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. 搂 22 Nr. 2 EStG vorliegt, bestimmt sich unabh盲ngig von dem Grund des Steuerpflichtigen f眉r das Gesch盲ft (st盲ndige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Urteil vom 2. Mai 2000 IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 496).
- F眉r die Berechnung der Spekulationsfrist ist grunds盲tzlich der Zeitpunkt ma脽geblich, in dem der obligatorische (Kauf-)Vertrag geschlossen wird; auf einen fr眉heren Zeitpunkt kann es nur ankommen, wenn das wirtschaftliche Eigentum bereits 眉bergegangen ist (Anschluss an BFH-Urteil vom 2. Oktober 2001 IX R 45/99, BFHE 196, 567, BStBl II 2002, 10).
- Das wirtschaftliche Eigentum an einem Grundst眉ck geht nicht auf den sp盲teren Erwerber 眉ber, solange er es lediglich aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrages nutzt und ihm lediglich ein Vorkaufsrecht an dem Grundst眉ck einger盲umt ist.
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Normenkette
AO 1977 搂 39; EStG 搂听23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, 搂听22 Nr. 2
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Verfahrensgang
Nieders盲chsisches FG (EFG 2001, 750) |
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Tatbestand
I. Die nichtselbst盲ndig t盲tigen Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) erwarben im M盲rz 1993 ein Einfamilienhaus, das sie bereits seit 1987 als Mieter bewohnten. Aufgrund ihrer Versetzung an einen anderen Dienstort ver盲u脽erten sie das Haus im Februar 1994 und erwarben ein Einfamilienhaus in der N盲he der neuen Arbeitsst盲tte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt 鈥旻A鈥) errechnete aus dem Verkauf des ersten Hauses unter Ber眉cksichtigung weiterer nachgewiesener Kosten einen Gewinn, den er als Spekulationsgewinn der Besteuerung unterwarf.
Dagegen trugen die Kl盲ger im Einspruchsverfahren erfolglos vor, im Zeitpunkt der Ver盲u脽erung sei die Spekulationsfrist i.S. des 搂 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der f眉r das Streitjahr geltenden Fassung bereits abgelaufen gewesen. Bereits kurz nach Bezug des 1987 zun盲chst angemieteten Hauses habe die fr眉here Eigent眉merin ihnen eine Ver盲u脽erung des Hauses zugesagt, sobald dies m枚glich sei; zusammen mit dem daraufhin im Jahr 1989 einger盲umten 鈥昻otariell beurkundeten鈥 Vorkaufsrecht sowie dem bestehenden Mietvertrag h盲tten sie bereits zu jenem Zeitpunkt die Stellung wirtschaftlicher Eigent眉mer des Grundst眉cks gehabt. Abgesehen davon sei 搂 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht anwendbar, weil der An- und Verkauf des Hauses nicht aus spekulativen Gr眉nden, sondern ausschlie脽lich wegen der vom Dienstherrn angeordneten Versetzung und damit unter Zwang erfolgt sei; denn ohne die Ver盲u脽erung h盲tten sie den Erwerb des Hauses in der N盲he der neuen Arbeitsst盲tte nicht finanzieren k枚nnen. Im 脺brigen m眉sse der vom FA errechnete Gewinn um die Kosten f眉r Investitionen gemindert werden, die sie in den Jahren vor Abschluss des Kaufvertrages in Erwartung des Erwerbs get盲tigt h盲tten.
Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegr眉ndet ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 750 ver枚ffentlicht.
Mit der Revision r眉gen die Kl盲ger Verletzung des Verfahrensrechts und des 搂 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG.
Sie beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer f眉r 1994 unter 脛nderung des Einkommensteuerbescheids f眉r 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 1996 ohne Ansatz des Gewinns aus der Grundst眉cksver盲u脽erung festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegr眉ndet und nach 搂 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur眉ckzuweisen.
1. Zu Recht hat das FG im Streitfall ein Spekulationsgesch盲ft i.S. des 搂 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. 搂 22 Nr. 2 EStG bejaht.
Nach 搂 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG in der f眉r das Streitjahr ma脽geblichen 鈥晆nd verfassungsgem盲脽en (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 鈥旴VerfG鈥 vom 9. Juli 1969 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302, BStBl II 1970, 156; Urteile des Bundesfinanzhofs 鈥旴FH鈥 vom 29. August 1969 VI R 319/67, BFHE 96, 520, BStBl II 1969, 705, und vom 7. August 1970 VI R 166/67, BFHE 100, 93, BStBl II 1970, 806)鈥 Fassung liegen u.a. bei Grundst眉cken Spekulationsgesch盲fte vor, die zu sonstigen Eink眉nften (搂 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, 搂 22 Nr. 2 EStG) f眉hren, wenn es sich um Ver盲u脽erungsgesch盲fte handelt, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Ver盲u脽erung nicht mehr als zwei Jahre betr盲gt.
a) Ein solches Ver盲u脽erungsgesch盲ft unterliegt in den durch 搂 23 Abs. 4 EStG bestimmten Grenzen der Einkommensbesteuerung, ohne dass es nach der gesetzlichen Definition entgegen der Ansicht der Kl盲ger auf den Grund der Bet盲tigung des Steuerpflichtigen (Spekulationsabsicht, Krankheit, drohende Enteignung, sonstiger Zwang wie z.B. im Streitfall aufgrund arbeitsplatzbedingter Ortswechsel usw.) ankommt (st盲ndige Rechtsprechung: BVerfG-Beschluss in BVerfGE 26, 302, BStBl II 1970, 156; BFH-Urteile vom 16. Januar 1973 VIII R 96/70, BFHE 108, 502, BStBl II 1973, 445; vom 2. Mai 2000 IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 469, m.w.N.; zum ausnahmsweise die Anwendung des 搂 23 EStG ausschlie脽enden Zwangsaustausch mit Ersatzgrundst眉cken und 盲hnlichen besonderen Zwangslagen vgl. BFH-Urteil in BFHE 96, 520, BStBl II 1969, 705, m.w.N.).
b) Zu Recht sind FA und FG davon ausgegangen, dass Anschaffung und Ver盲u脽erung des Grundst眉cks durch die Kl盲ger innerhalb von zwei Jahren erfolgt sind.
aa) F眉r die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Ver盲u脽erung ist nach st盲ndiger Rechtsprechung des BFH grunds盲tzlich der Zeitpunkt ma脽gebend, in dem der obligatorische (Kauf-)Vertrag abgeschlossen wird (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 1963 VI 120/62, H枚chstrichterliche Finanzrechtsprechung 鈥旽FR鈥 1964, 157; vom 15. Dezember 1993 X R 49/91, BFHE 173, 144, BStBl II 1994, 687; vom 30. November 1999 IX R 70/96, BFHE 190, 425, BStBl II 2000, 262, und vom 2. Oktober 2001 IX R 45/99, BFHE 196, 567, BStBl II 2002, 10). Unter Anschaffung bzw. Ver盲u脽erung i.S. des 搂 23 EStG ist nach der Rechtsprechung des BFH die entgeltliche 脺bertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten zu verstehen. Dabei setzt der Normzweck, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterh枚hungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatverm枚gen der Einkommensteuer zu unterwerfen, voraus, dass die entsprechenden 鈥晄chuldrechtlichen鈥 Vertragserkl盲rungen des Verk盲ufers und des Erwerbers innerhalb der Spekulationsfrist abgegeben worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 2. Mai 2000 IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614, m.w.N.).
bb) Allerdings weisen die Kl盲ger zu Recht darauf hin, dass bereits vor Abschluss eines solchen notariellen (Grundst眉cks-) Kaufvertrages wirtschaftlich der Vollzug eines Erwerbs mit der Folge gegeben sein kann, dass bereits ab diesem fr眉heren Zeitpunkt die Frist i.S. des 搂 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu laufen beginnt. Dies setzt allerdings voraus, dass dem Erwerber bereits zu diesem fr眉heren Zeitpunkt wirtschaftliches Eigentum an dem Objekt 鈥昫urch 脺bergang von Gefahr, Nutzen und Lasten鈥 眉bertragen wird (BFH-Urteil in BFHE 196, 567, BStBl II 2002, 10, m.w.N.).
Ein solcher 脺bergang wirtschaftlichen Eigentums liegt ersichtlich noch nicht vor, solange der sp盲tere Erwerber ein Grundst眉ck lediglich 鈥晈ie im Streitfall鈥 aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrages nutzt und ihm lediglich ein Vorkaufsrecht hinsichtlich des Grundst眉cks einger盲umt wurde. Denn das Vorkaufsrecht schr盲nkt nicht die Verf眉gungsbefugnis des Eigent眉mers 眉ber das Grundst眉ck ein: Unabh盲ngig davon kann er frei entscheiden, ob er einen Kaufvertrag 眉ber das Grundst眉ck mit einem Dritten abschlie脽t und erst damit die Voraussetzung f眉r eine Aus眉bung des Vorkaufsrechts schafft (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1971 VIII R 84/71, BFHE 104, 513, BStBl II 1972, 452).
An dieser Verf眉gungsbefugnis des (b眉rgerlich-rechtlichen) Eigent眉mers 盲ndert sich auch nichts dadurch, dass dieser eine Eigentums眉bertragung 鈥晈ie im Streitfall behauptet鈥 m眉ndlich zugesagt hat oder die Mieter einen Verwendungsersatzanspruch gegen den Eigent眉mer wegen baulicher Investitionen in das Mietobjekt gem盲脽 搂搂 951 Abs. 1, 946 des B眉rgerlichen Gesetzbuches (BGB) bei Beendigung des Mietverh盲ltnisses ohne Eigentums眉bertragung h盲tten geltend machen k枚nnen. Aufgrund dieser Umst盲nde kann entgegen der Auffassung der Kl盲ger das wirtschaftliche Eigentum schon deshalb nicht auf sie 眉bergegangen sein, weil zum einen der mit dem Formzwang der Grundst眉cks眉bertragung (搂 313 BGB) bezweckte 脺bereilungsschutz durch eine m眉ndliche Vereinbarung oder Zusage nicht unterlaufen werden kann. Zum anderen kommt wirtschaftliches Eigentum eines Mieters aufgrund von Verwendungsersatzanspr眉chen gegen den b眉rgerlich-rechtlichen Eigent眉mer nach 搂搂 951, 946, 812 BGB nur dann in Betracht, wenn diese Anspr眉che 鈥昦nders als im Streitfall鈥 dem Verkehrswert des Geb盲udes entsprechen (vgl. BFH-Urteile vom 18. Juli 2001 X R 23/99, BFH/NV 2002, 100; vom 18. Juli 2001 X R 69/00, BFH/NV 2002, 171).
2. Auch die Berechnung des Spekulationsgewinns durch das FG begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Obwohl 搂 23 EStG in seinem letzten Absatz von "Gewinn oder Verlust" aus Spekulationsgesch盲ften spricht, handelt es sich um 脺berschusseink眉nfte, f眉r deren Ermittlung die zugeflossenen Einnahmen den abgeflossenen Werbungskosten gegen眉berzustellen sind (BFH-Urteil in BFHE 192, 88, BStBl II 2000, 469). Gewinn oder Verlust aus einem Spekulationsgesch盲ft ist danach der Unterschied zwischen dem Ver盲u脽erungspreis und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten (搂 23 Abs. 4 Satz 1 EStG). Unter Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb eines bereits vorhandenen Wirtschaftsguts von einem Dritten zu verstehen. Der Begriff "Anschaffungskosten" in 搂 23 Abs. 4 Satz 1 EStG ist mit dem Begriff der Anschaffungskosten in 搂 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG identisch (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2000 IX R 100/97, BFHE 194, 182, BStBl II 2001, 345) und gilt gleicherma脽en im Bereich der Gewinneink眉nfte wie im Bereich der 脺berschusseink眉nfte; vom Steuerpflichtigen selbst geschaffene Wirtschaftsg眉ter sind danach nicht "angeschafft" (BFH-Urteil in BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614). Deshalb k枚nnen eigene Bauma脽nahmen des Erwerbers bei der Ermittlung des Spekulationsgewinns nach 搂 23 Abs. 4 EStG nicht mindernd ber眉cksichtigt werden, wenn sie 鈥晈ie ersichtlich auch im Streitfall鈥 keine substantielle Umgestaltung zu einem anderen Wirtschaftsgut zur Folge haben (vgl. BFH-Urteile vom 31. August 1994 X R 66/92, BFH/NV 1995, 391, 393; vom 27. August 1997 X R 26/95, BFHE 184, 385, BStBl II 1998, 135). Schon im Hinblick auf diesen Grund f眉r die Nichtber眉cksichtigung des Aufwands ("fehlende substantielle Umgestaltung") kann es keinen Unterschied machen, ob der Aufwand nach Erwerb des Objekts oder 鈥晈ie im Streitfall鈥 schon vorher entstanden ist.
3. Schlie脽lich hat das FG, soweit es von einer Vernehmung der von den Kl盲gern benannten Zeugin abgesehen hat, nicht Verfahrensrecht verletzt, weil es die unter Beweis gestellte Tatsache 鈥晄elbst aus der Sicht der Kl盲ger鈥 als wahr unterstellt hat.
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Fundstellen
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BFH/NV 2003, 1171 |
HFR 2003, 974 |