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Entscheidungsstichwort (Thema)
R眉ckabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags. Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteilen vom 07.11.2023 VIII R 7/21 und VIII R 16/22
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Leitsatz (NV)
1. Der Bezug eines Nutzungsersatzes im Rahmen der reinen R眉ckabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags nach Widerruf (vor Anwendbarkeit des 搂 357a Abs. 3 Satz 1 des B眉rgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- a.F.; jetzt 搂 357b BGB) begr眉ndet keinen steuerbaren Kapitalertrag, da er nicht auf einer erwerbsgerichteten T盲tigkeit beruht und mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssph盲re angefallen ist.
2. Das infolge des Widerrufs entstandene R眉ckgew盲hrschuldverh盲ltnis ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln.
3. Der bezogene Nutzungsersatz ist auch nicht gem盲脽 搂 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes steuerbar.
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Normenkette
EStG 搂听20 Abs. 1 Nr. 7, 搂听22 Nr. 3; BGB 搂搂听346, 348, 357b; AO 搂 38
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Verfahrensgang
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Tenor
Auf die Revision der Kl盲ger werden das Urteil des Finanzgerichts K枚ln vom 14.08.2019 - 14 K 719/19 und die Einspruchsentscheidung vom 15.02.2019 aufgehoben.
Der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 04.07.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.02.2019 wird dahingehend ge盲ndert, dass bei den Eink眉nften aus Kapitalverm枚gen im Sinne des 搂 32d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ein Betrag in H枚he von 4.225 鈧 --zu 2.113 鈧 beim Kl盲ger und zu 2.112 鈧 bei der Kl盲gerin-- nicht bei den laufenden Kapitalertr盲gen angesetzt wird.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten aufgegeben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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Tatbestand
I.
Rz. 1
Die Beteiligten streiten dar眉ber, ob es sich bei der von einer Bank aufgrund widerrufener Darlehensvertr盲ge gezahlten Nutzungsentsch盲digung f眉r bereits erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen um steuerbare Eink眉nfte handelt.
Rz. 2
Die Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) werden im Jahr 2017 (Streitjahr) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie schlossen am...2004 mit der X-Bank Darlehensvertr盲ge 眉ber einen Betrag von insgesamt 216.250听鈧 zur Finanzierung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie ab.
Rz. 3
Die X-Bank zahlte die Darlehen aus. Die Kl盲ger f眉hrten eines der Teildarlehen durch j盲hrliche Tilgungen bis zum 30.03.2011 zur眉ck und l枚sten die 眉brigen Teildarlehen zum Ende der vorgesehenen Zinsbindungsdauer am 30.06.2014 gegen Zahlung der Restvaluta in H枚he von 195.192,65听鈧 ab. Mit Schreiben vom 09.01.2017 widerriefen die Kl盲ger unter Verweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung ihre auf den Abschluss der Darlehensvertr盲ge gerichteten Willenserkl盲rungen. Sie machten gegen眉ber der X-Bank einen von ihnen errechneten Betrag in H枚he von 23.522,75听鈧 als zu leistenden Nutzungsersatz f眉r die von ihnen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen geltend.
Rz. 4
Au脽ergerichtlich einigten sich die Kl盲ger und die X-Bank wie folgt:
"2. (...) Die [X-]Bank verpflichtet sich, unverz眉glich nach Abschluss dieser Vergleichsvereinbarung einen Betrag in H枚he von 4.225,00听EUR an den Darlehensnehmer auf ein noch anzugebendes Konto des Darlehensnehmers zu zahlen. Dieser Betrag kann ganz oder teilweise der Kapitalertragsteuer unterliegen.
3. Die Parteien sind sich dar眉ber einig, dass mit Abschluss dieser Vereinbarung und der gegenseitigen Erf眉llung s盲mtliche Anspr眉che aus dieser Darlehensangelegenheit erledigt sind. Die Parteien sind sich auch dar眉ber einig, dass mit Abschluss dieser Vereinbarung s盲mtliche Anspr眉che im Zusammenhang mit dem von den Darlehensnehmern erkl盲rten Widerruf und/oder beabsichtigten Widerruf --egal ob bekannt oder unbekannt-- erledigt sind. Die Darlehensnehmer verzichten ausdr眉cklich auf einen etwaigen R眉ckabwicklungsanspruch.
4. Kosten auf Seiten des Darlehensnehmers einschlie脽lich etwaiger Anwaltskosten tr盲gt dieser selbst."
Rz. 5
Die X-Bank f眉hrte den in der von ihr erteilten Steuerbescheinigung angegebenen Betrag der Kapitalertragsteuer in H枚he von 777,50听鈧 nebst Solidarit盲tszuschlag in H枚he von 42,76听鈧 ab und zahlte den Kl盲gern den verbleibenden Differenzbetrag aus.
Rz. 6
Die Kl盲ger gaben in ihren Anlagen KAP zur Einkommensteuererkl盲rung f眉r 2017 den Betrag in H枚he von 4.225听鈧 anteilig bei der Kl盲gerin und beim Kl盲ger an, vertraten aber die Ansicht, dass insoweit zu Unrecht Kapitalertragsteuer einbehalten worden sei. Sie beantragten jeweils f眉r s盲mtliche Kapitalertr盲ge die 脺berpr眉fung des Steuereinbehalts gem盲脽 搂听32d Abs.听4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --FA--) folgte dem nicht und ber眉cksichtigte im Einkommensteuerbescheid f眉r das Streitjahr vom 04.07.2018 den streitigen Betrag (Einnahmen des Kl盲gers 2.113听鈧; Einnahmen der Kl盲gerin 2.112听鈧) neben weiteren nicht streitigen Kapitalertr盲gen als Eink眉nfte aus Kapitalverm枚gen im Sinne des 搂听32d Abs.听1 EStG, wobei es beim Kl盲ger und der Kl盲gerin jeweils den Sparer-Pauschbetrag in H枚he von 801听鈧 abzog.
Rz. 7
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 101 mitgeteilten Gr眉nden nur teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass ein Betrag in H枚he von 2.535听鈧 (60听% des Vergleichsbetrags) gem盲脽 搂听20 Abs.听1 Nr.听7 EStG zu besteuern sei; insoweit entfalle der Vergleichsbetrag auf Anspr眉che der Kl盲ger gegen die darlehensgebende X-Bank auf Nutzungsersatz f眉r erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen. Hingegen sei ein Betrag in H枚he von 1.690听鈧 (40听% des Vergleichsbetrags) nicht steuerbar, da dieser Betrag auf Anspr眉che der Kl盲ger gegen die X-Bank auf R眉ckzahlung 眉berh枚hter Zinsen entfalle. Das FG gelangte zu dieser Aufteilung der Vergleichssumme im Wege einer eigenen Sch盲tzung. Es stellte hierzu s盲mtliche von den Kl盲gern auf Grundlage der Vergleichsverhandlungen mit der X-Bank f眉r den Fall der (hypothetischen) R眉ckabwicklung der Darlehensvertr盲ge ermittelten wechselseitigen Zahlungspflichten gegen眉ber und ermittelte hieraus im Saldo einen h枚heren R眉ckzahlungsanspruch der Kl盲ger. Diesen Betrag verteilte es auf den Nutzungsersatzanspruch der Kl盲ger gegen die X-Bank und auf einen Anspruch der Kl盲ger auf die R眉ckzahlung zu hoher Zinsen gegen die X-Bank. Das Verh盲ltnis der beiden Anspr眉che zueinander von 60听% Nutzungsersatz zu 40听% Zinsr眉ckgew盲hr wandte das FG auf den Vergleichsbetrag von 4.225听鈧 an.
Rz. 8
Mit ihrer Revision r眉gen die Kl盲ger die Verletzung materiellen Bundesrechts.
Rz. 9
Die Kl盲ger beantragen sinngem盲脽,
das Urteil des FG K枚ln vom 14.08.2019听- 14听K听719/19 und die Einspruchsentscheidung vom 15.02.2019 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 04.07.2018 dahingehend zu 盲ndern, dass ein Betrag in H枚he von 4.225听鈧 --zu 2.113听鈧 beim Kl盲ger und zu 2.112听鈧 bei der Kl盲gerin-- als nicht steuerbar behandelt wird.
Rz. 10
Das FA beantragt,
die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
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II.
Rz. 11
Die Revision ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Stattgabe der Klage (搂听126 Abs.听3 Satz听1 Nr.听1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der im Rahmen der R眉ckabwicklung der Darlehensvertr盲ge von der X-Bank an die Kl盲ger geleistete Nutzungsersatz in H枚he von 2.535听鈧 ist kein steuerbarer Kapitalertrag im Sinne des 搂听20 Abs.听1 Nr.听7 EStG (unter II.1.). Die R眉ckabwicklung der Darlehensvertr盲ge f眉hrt bei den Kl盲gern auch nicht zu Eink眉nften aus Leistungen im Sinne des 搂听22 Nr.听3 EStG, sodass sich die Vorentscheidung auch nicht gem盲脽 搂听126 Abs.听4 FGO im Ergebnis als richtig darstellt (unter II.2.). Die Sache ist spruchreif (unter II.3.). Der Senat gibt der Klage wie beantragt statt.
Rz. 12
1. Die Entscheidung des FG, dass der im Rahmen der R眉ckabwicklung der Darlehensvertr盲ge von der X-Bank an die Kl盲ger geleistete Nutzungsersatz f眉r Zins- und Tilgungsleistungen in H枚he von 2.535听鈧 zu einem Kapitalertrag im Sinne des 搂听20 Abs.听1 Nr.听7 EStG f眉hrt, h盲lt einer revisionsrechtlichen 脺berpr眉fung nicht stand. Der Nutzungsersatz ist nicht steuerbar. Er beruht nicht auf einer erwerbsgerichteten T盲tigkeit der Kl盲ger und ist mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssph盲re angefallen.
Rz. 13
a) Im Streitfall hat das FG den zwischen den Kl盲gern und der X-Bank geschlossenen Vergleich dahingehend ausgelegt, dass in ihm ausschlie脽lich die wechselseitigen Anspr眉che aus dem R眉ckgew盲hrschuldverh盲ltnis im Wege des gegenseitigen Nachgebens erledigt werden sollten und die an die Kl盲ger geleistete Vergleichssumme in H枚he von 2.535听鈧 als Nutzungsersatz der Kl盲ger und in H枚he von 1.690听鈧 als R眉ckgew盲hr von geleisteten Zinszahlungen anzusehen ist. Dagegen sind keine zul盲ssigen und begr眉ndeten Verfahrensr眉gen erhoben worden. Die Auslegung des FG verst枚脽t auch nicht gegen anerkannte Auslegungsgrunds盲tze oder Denk- und Erfahrungss盲tze und ist daher f眉r den Senat gem盲脽 搂听118 Abs.听2 FGO bindend (vgl. Beschl眉sse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 09.10.2001听- VIII听B听30/01, BFH/NV 2002, 191, m.w.N.; vom 05.12.2006听- VIII听B听4/06, BFH/NV 2007, 490, unter 2.c [Rz听10]).
Rz. 14
b) Der von den Kl盲gern vereinnahmte Nutzungsersatz in H枚he von 2.535听鈧 ist nicht steuerbar. Im Streitfall ist die R眉ckabwicklung der Darlehensvertr盲ge nach den in den Urteilen des Senats vom 07.11.2023听- VIII听R听7/21 und VIII听R听16/22 (jeweils zur amtlichen Ver枚ffentlichung vorgesehen) dargelegten Ma脽st盲ben keine steuerbare erwerbsgerichtete T盲tigkeit. Das R眉ckgew盲hrschuldverh盲ltnis ist bei wirtschaftlicher Betrachtung ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln. Dies gilt unabh盲ngig davon, ob die R眉ckabwicklung einvernehmlich, durch Vergleich, durch zivilgerichtliches Urteil oder auf andere Weise vollzogen wird und ob die Parteien des urspr眉nglichen Darlehensvertrags --wie im Streitfall-- anstelle der Leistung von Wertersatz an die Bank auf eine R眉ckabwicklung der vom Darlehensnehmer geleisteten Zinsen verzichten. Die Kl盲ger und die X-Bank haben im Rahmen ihrer vergleichsweisen Einigung 眉ber die R眉ckabwicklung der Darlehensvertr盲ge hinaus auch keine weiteren Vereinbarungen getroffen, die zu steuerbaren Kapitalertr盲gen f眉hren k枚nnten.
Rz. 15
2. Die Entscheidung des FG stellt sich auch nicht aus anderen Gr眉nden im Ergebnis als richtig dar (搂听126 Abs.听4 FGO). Der von der X-Bank geleistete Nutzungsersatz ist nicht nach der allein in Betracht kommenden Regelung zu den Eink眉nften aus Leistungen im Sinne des 搂听22 Nr.听3 EStG steuerbar, da es sich bei der R眉ckabwicklung der Darlehensvertr盲ge nicht um einen Leistungsaustausch innerhalb der Erwerbssph盲re handelt. Wegen der weiteren Begr眉ndung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auch insoweit auf seine Urteile in den Verfahren vom 07.11.2023听- VIII听R听7/21 und VIII听R听16/22 (jeweils zur amtlichen Ver枚ffentlichung vorgesehen) Bezug.
Rz. 16
3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundlagen ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Senat gibt der Klage statt. Der von der X-Bank an die Kl盲ger geleistete Nutzungsersatz f眉r Zins- und Tilgungsleistungen in H枚he von 2.535听鈧 ist kein steuerbarer Kapitalertrag im Sinne des 搂听20 Abs.听1 Nr.听7 EStG und keine steuerbare Leistung im Sinne des 搂听22 Nr.听3 EStG. Auch die R眉ckgew盲hr der geleisteten Zinszahlungen in H枚he von 1.690听鈧 f眉hrte nicht zu steuerbaren Einnahmen bei den Kl盲gern, denn die R眉ckzahlung von Aufwendungen, die au脽erhalb der Erwerbssph盲re angefallen sind, ist ihrerseits nicht durch die Eink眉nfteerzielung veranlasst (vgl. BFH-Urteile vom 29.09.2022听- VI听R听34/20, BFHE 278, 319, BStBl II 2023, 142; vom 19.07.2022听- IX听R听18/20, BFHE 278, 85, BStBl II 2023, 173; Schmidt/Kr眉ger, EStG, 42.听Aufl., 搂听9 Rz听112, 113). Letzteres ist hier der Fall, da der Zweck der urspr眉nglichen Darlehensaufnahme in der Finanzierung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilie der Kl盲ger bestand und die Zinszahlungen dementsprechend gem盲脽 搂听12 Nr.听1 EStG nicht steuermindernd zu ber眉cksichtigen waren. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid f眉r das Streitjahr vom 04.07.2018 ist wie beantragt dahingehend zu 盲ndern, dass bei den Eink眉nften aus Kapitalverm枚gen im Sinne des 搂听32d Abs.听1 EStG ein Betrag in H枚he von 4.225听鈧 --zu 2.113听鈧 beim Kl盲ger und zu 2.112听鈧 bei der Kl盲gerin-- nicht bei den laufenden Kapitalertr盲gen angesetzt wird.
Rz. 17
4. Die Entscheidung 眉ber die Kosten beruht auf 搂听135 Abs.听1 FGO.
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Fundstellen
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BFH/NV 2024, 498 |