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Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot bei unberechtigtem Steuerausweis i.S. des 搂 14c Abs. 2 UStG
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Leitsatz (NV)
F眉r die Anwendung des 搂 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist bei einer Steuerberichtigung nach 搂 14c Abs. 2 UStG entscheidend, wann die Gef盲hrdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist; dies ist bei vorheriger Durchf眉hrung des Vorsteuerabzugs durch den Rechnungsempf盲nger der Fall, wenn die geltend gemachte Vorsteuer zur眉ckgezahlt worden ist.
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Normenkette
InsO 搂 96 Abs. 1 Nr. 1; UStG 搂 14c Abs. 2 S. 5
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Verfahrensgang
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Tenor
Die Revision des Kl盲gers gegen das Urteil des Finanzgerichts N眉rnberg vom 02.07.2019 - 2 K 938/17 wird als unbegr眉ndet zur眉ckgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kl盲ger zu tragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Streitig ist die Aufrechnung eines Umsatzsteuerverg眉tungsanspruchs zur Umsatzsteuer 2010 gegen Forderungen aus Umsatzsteuer 2009.
Rz. 2
Der Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) ist Insolvenzverwalter in dem am 15.09.2011 er枚ffneten Insolvenzverfahren der B. Diese ist Einzelunternehmerin und war bis zur Insolvenzer枚ffnung i.S. von 搂听2 Abs.听2 Nr.听2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) Organtr盲gerin der T-AG. 脺ber das Verm枚gen der T-AG wurde am 31.10.2011 das Insolvenzverfahren er枚ffnet, wobei wiederum der Kl盲ger als Insolvenzverwalter bestimmt wurde.
Rz. 3
In den Jahren 2006 bis 2008 hatten B wie auch die T-AG gegen眉ber der A-KG Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis 眉ber einvernehmlich nicht erbrachte Leistungen erteilt. Die A-KG nahm hieraus den Vorsteuerabzug in Anspruch.
Rz. 4
Das f眉r die A-KG zust盲ndige Finanzamt听A versagte dieser aufgrund einer Au脽enpr眉fung f眉r die Jahre 2006 bis 2010 den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der B und der T-AG. Die sich hieraus ergebende bestandskr盲ftig festgesetzte Steuerr眉ckforderung wurde von der A-KG noch in 2010 beglichen.
Rz. 5
Am Tag vor der jeweiligen Insolvenzer枚ffnung berichtigte der Kl盲ger die von B und der T-AG erteilten Rechnungen.
Rz. 6
Mit Schreiben vom 26.06.2013 beantragte der Kl盲ger als Insolvenzverwalter der B bei dem Finanzamt听B, die Umsatzsteuer September 2011 aufgrund von Korrekturbetr盲gen aus den Jahren 2006 und 2007 herabzusetzen, da er f眉r die Rechnungen mit Steuerausweis 眉ber die nie erbrachten Leistungen jeweils am Tag vor der Insolvenzer枚ffnung berichtigte Rechnungen an die A-KG erteilt habe. Einen dem entsprechenden Antrag stellte er f眉r die T-AG.
Rz. 7
Das Finanzamt听B ging hierzu von einem nach 搂听14c Abs.听2 UStG bereits im Jahr 2010 entstandenen Berichtigungsanspruch der B in Bezug auf die von B und der T-AG erteilten Rechnungen aus und setzte daher einen Verg眉tungsanspruch zur Umsatzsteuer 2010 nebst Zinsen mit 脛nderungsbescheid vom 05.12.2014 unter der f眉r B erteilten Insolvenzsteuernummer fest. Das hiergegen gerichtete Einspruchsverfahren ruht.
Rz. 8
Mit Umbuchungsmitteilung vom 16.12.2014 rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit f盲lligen R眉ckst盲nden aus Umsatzsteuer听2009 gegen den Verg眉tungsanspruch aus Umsatzsteuer听2010 nebst Zinsen auf. Hierzu erlie脽 das FA auf Antrag des Kl盲gers am 19.12.2014 einen entsprechenden Abrechnungsbescheid.
Rz. 9
Dem Einspruch des Kl盲gers gegen den Abrechnungsbescheid gab das FA im Hinblick auf die Aufrechnung mit dem Zinsanspruch statt und wies ihn im 脺brigen zur眉ck.
Rz. 10
Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung l盲gen vor, weil gleichartige und gegenseitige Anspr眉che zur Aufrechnung gestellt seien und der Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer 2009 wirksam und f盲llig sowie der Verg眉tungsanspruch zur Umsatzsteuer 2010 aufgrund der vorherigen Festsetzung erf眉llbar sei. Zudem stehe der Aufrechnung insbesondere nicht das insolvenzrechtliche Verbot nach 搂听96 Abs.听1 Nr.听1 der Insolvenzordnung (InsO) entgegen, weil das FA den Verg眉tungsanspruch nicht erst nach der Er枚ffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden sei. Entscheidend sei, dass s盲mtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen f眉r das Entstehen des Verg眉tungsanspruchs vor der Er枚ffnung des Insolvenzverfahrens erf眉llt gewesen seien. Dies sei beim Entstehen eines Verg眉tungsanspruchs infolge eines unberechtigten Steuerausweises bereits mit der Beseitigung der Gef盲hrdung des Steueraufkommens, hier also mit der R眉ckzahlung der zuvor abgezogenen Vorsteuer durch die A-KG in 2010, der Fall.
Rz. 11
Hiergegen wendet sich der Kl盲ger mit seiner Revision. Das FG habe ein Aufrechnungsverbot nach 搂听96 Abs.听1 Nr.听1 InsO rechtsfehlerhaft verneint. Hierf眉r sei der Zeitpunkt der vollst盲ndigen Verwirklichung des materiell-rechtlichen Besteuerungstatbestands ma脽geblich. Bei der Zustimmung nach 搂听14c Abs.听2 Satz听5 UStG handele es sich um einen Verwaltungsakt und dabei um einen Grundlagenbescheid. Sie sei zudem als eigenst盲ndige materiell-rechtliche Voraussetzung f眉r die Berichtigung anzusehen. Hierauf komme es auch f眉r die insolvenzrechtliche Einordnung an. Das FG habe zudem unter Versto脽 gegen 搂听76 Abs.听1 Satz听1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht ermittelt, ob ein Verwaltungsakt i.S. des 搂听14c Abs.听2 Satz听5 UStG vorliege. Dar眉ber hinaus habe das FG gegen 搂听74 FGO versto脽en, da das Verfahren im Hinblick auf das ruhende Einspruchsverfahren gegen den Umsatzsteuerbescheid f眉r 2010, das die zur Aufrechnung herangezogene Hauptforderung betrifft, h盲tte ausgesetzt werden m眉ssen.
Rz. 12
Der Kl盲ger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG vom 02.07.2019听- 2听K听938/17 den Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 2010 vom 19.12.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.07.2017 dahin zu 盲ndern, dass ein verbleibender Erstattungsanspruch des Kl盲gers f眉r 2010 (Bescheid vom 05.12.2014) in H枚he von...听鈧 festgestellt wird, hilfsweise das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zur眉ckzuverweisen.
Rz. 13
Das FA beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
Rz. 14
Die Vorschrift des 搂听14c Abs.听2 Satz听5 UStG sei verfahrensrechtlicher Natur und f眉r die Entstehung des Erstattungsanspruchs nicht erheblich. Andernfalls k枚nne der Zeitpunkt der Entstehung des Erstattungsanspruchs wegen des zuvor erforderlichen Antrags durch den Steuerpflichtigen oder seinen Insolvenzverwalter bestimmt werden. Demnach habe das FG es offen lassen k枚nnen, ob im Hinblick auf die Zustimmung ein bindender Verwaltungsakt vorgelegen habe. Auch sei eine Aussetzung des Verfahrens nicht erforderlich gewesen, weil f眉r die Aufrechnung die Erf眉llbarkeit der Hauptforderung ausreichend sei.
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Rz. 15
II. Die Entscheidung ergeht gem盲脽 搂听126a FGO. Der Senat h盲lt einstimmig die Revision f眉r unbegr眉ndet und eine m眉ndliche Verhandlung nicht f眉r erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Rz. 16
Die Revision ist im Haupt- und Hilfsantrag unbegr眉ndet und daher zur眉ckzuweisen (搂听126 Abs.听2 FGO). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen und dabei insbesondere ein Aufrechnungsverbot nach 搂听96 Abs.听1 Nr.听1 InsO zutreffend verneint. Auch die Verfahrensr眉gen des Kl盲gers greifen nicht durch. Weder hat das FG gegen 搂听76 Abs.听1 Satz听1 FGO versto脽en, indem es Ermittlungen zum Vorliegen eines Verwaltungsakts i.S. des 搂听14c Abs.听2 Satz听5 UStG unterlassen hat, noch beruht die Vorentscheidung insofern auf einem Verfahrensfehler, als das FG von einer Aussetzung gem盲脽 搂听74 FGO abgesehen hat, bis 眉ber den Einspruch gegen die Festsetzung der Umsatzsteuerverg眉tung 2010 abschlie脽end entschieden ist.
Rz. 17
1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Abrechnungsbescheid rechtm盲脽ig ist. Insbesondere hat das FG ein Aufrechnungsverbot nach 搂听96 Abs.听1 Nr.听1 InsO im Streitfall rechtsfehlerfrei verneint, weil im Fall einer Steuerberichtigung nach 搂听14c Abs.听2 UStG entscheidend ist, wann die Gef盲hrdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist; dies ist bei vorheriger Durchf眉hrung des Vorsteuerabzugs durch den Rechnungsempf盲nger der Fall, wenn die geltend gemachte Vorsteuer zur眉ckgezahlt worden ist.
Rz. 18
Das FG hat zun盲chst zu Recht darauf abgestellt, ob s盲mtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen f眉r die Entstehung des Steuerverg眉tungsanspruchs bereits vor der Er枚ffnung des Insolvenzverfahrens begr眉ndet waren (s. allgemein Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 08.11.2016听- VII听R听34/15, BFHE 256, 6, BStBl II 2017, 496, Rz听12). Dies war hier --wie das FG weiter zutreffend entschieden hat-- nach 搂听14c Abs.听2 S盲tze听3 und 4 UStG mit der Beseitigung der Gef盲hrdung des Steueraufkommens aufgrund der R眉ckzahlung der zuvor abgezogenen Vorsteuer durch die A-KG in 2010 und damit vor der Er枚ffnung des Insolvenzverfahrens 眉ber das Verm枚gen der Insolvenzschuldnerin in 2011 der Fall; zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf den Senatsbeschluss vom 27.07.2021听- V听R听43/19 (zur amtlichen Ver枚ffentlichung bestimmt).
Rz. 19
2. Ohne Erfolg macht der Kl盲ger ferner geltend, das FG habe gegen 搂听76 Abs.听1 Satz听1 FGO versto脽en, indem es Ermittlungen zum Vorliegen eines Verwaltungsakts i.S. des 搂听14c Abs.听2 Satz听5 UStG unterlassen hat. Das FA kann die Zustimmung nach 搂听14c Abs.听2 Satz听5 UStG auch stillschweigend durch den Erlass eines 脛nderungsbescheids erteilen, wie es hier der Fall war; auch insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Senatsbeschluss vom 27.07.2021听- V听R听43/19 (zur amtlichen Ver枚ffentlichung bestimmt).
Rz. 20
3. Schlie脽lich beruht die Vorentscheidung im Hinblick darauf, dass das FG davon abgesehen hat, das Verfahren gem盲脽 搂听74 FGO auszusetzen, bis 眉ber den Einspruch gegen die Festsetzung der Umsatzsteuerverg眉tung 2010 abschlie脽end entschieden ist, nicht auf einem Verfahrensfehler.
Rz. 21
a) Der Senat versteht die Vorentscheidung dahin, dass der Verg眉tungsanspruch der Insolvenzschuldnerin aus Umsatzsteuer听2010 unabh盲ngig von dessen Festsetzung entstehe (s. FG-Urteil, unter II.3.b听dd mit Verweis auf das BFH-Urteil vom 10.05.2007听- VII听R听18/05, BFHE 217, 216, BStBl II 2007, 914, Rz听17). Nach dem hier ma脽geblichen Rechtsstandpunkt des FG (Senatsbeschluss vom 26.05.2010听- V听B听70/09, BFH/NV 2010, 1837, Rz听13) h盲ngt die Wirksamkeit der Aufrechnung, die u.a. das Bestehen der Hauptforderung voraussetzt, demnach nicht von der Entscheidung 眉ber den Einspruch gegen die Festsetzung der Umsatzsteuerverg眉tung 2010 ab.
Rz. 22
b) Danach kann der Senat offen lassen, inwieweit sich die BFH-Rechtsprechung zur Vorgreiflichkeit einer Entscheidung im Anfechtungsverfahren 眉ber den materiell-rechtlichen Bestand der Gegenforderung f眉r das Verfahren 眉ber die Wirksamkeit der Aufrechnung (vgl. BFH-Urteil vom 04.05.1993听- VII听R听82/92, BFH/NV 1994, 285, unter II.1.; BFH-Beschluss vom 20.12.2002听- VII听B听67/02, BFH/NV 2003, 444, unter II.1.) auf den hier vorliegenden Fall einer Anfechtung der Hauptforderung 眉bertragen l盲sst.
Rz. 23
c) Im 脺brigen ist es mit Blick auf den durch 搂听74 FGO insbesondere verfolgten Zweck der Prozess枚konomie (vgl. BFH-Urteil vom 15.01.2019听- II听R听39/16, BFHE 263, 473, BStBl II 2019, 627, Rz听41) unter Ber眉cksichtigung der Interessen der Beteiligten nicht mehr geboten, das gerichtliche Ermessen zugunsten einer Verfahrensaussetzung auszu眉ben. Denn mit dem Senatsbeschluss vom 27.07.2021听- V听R听43/19 (zur amtlichen Ver枚ffentlichung bestimmt), der denselben Lebenssachverhalt betrifft, ist gekl盲rt, dass die Berichtigung nach 搂听14c Abs.听2 UStG in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen ist, in dem die Gef盲hrdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist, und dass daher das Finanzamt听B die Umsatzsteuerverg眉tung hier zu Recht f眉r den Besteuerungszeitraum 2010 festgesetzt hat.
Rz. 24
4. Die Kostenentscheidung beruht auf 搂听135 Abs.听2 FGO.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 14942902 |
BFH/NV 2022, 146 |
BB 2021, 2902 |
DStR 2021, 12 |