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Leitsatz (amtlich)
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, da脽 das FA bei Gro脽betrieben eine Betriebspr眉fung anordnen kann, die sich auf mehr als drei Veranlagungszeitr盲ume erstrecken soll, um den gesamten Zeitraum bis zur vorhergehenden ordentlichen Betriebspr眉fung nachpr眉fen zu k枚nnen.
2. In der sofortigen Durchf眉hrung der Betriebspr眉fung zur眉ck bis zur letzten ordentlichen Betriebspr眉fung liegt keine unbillige H盲rte.
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Normenkette
FGO 搂 69 Abs.听3, 2; AO 搂 162 Abs.听10-11
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Tatbestand
Bei der Antragstellerin und Beschwerdef眉hrerin (Antragstellerin) hatte zuletzt - mit Unterbrechungen - eine ordentliche Betriebspr眉fung in der Zeit vom 12. Dezember 1966 bis 27. November 1967 stattgefunden, die sich auf die Veranlagungszeitr盲ume 1960 bis 1965 erstreckte. Mit Verf眉gung vom 19. Juni 1973 ordnete der Antragsgegner und Beschwerdegegner (FA) - gest眉tzt auf 搂 201 Abs. 1 und 搂 162 Abs. 11 AO - eine Betriebspr眉fung bei der Antragstellerin an und setzte deren Beginn auf den 17. September 1973 fest. Die Pr眉fung sollte sich auf die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung, die Gewerbesteuer, die Umsatzsteuer und den Einheitswert des gewerblichen Betriebs f眉r den Zeitraum von 1966 bis 1972 erstrecken.
Nach erfolgloser Beschwerde, in welcher die Antragstellerin beantragt hatte, den Pr眉fungszeitraum auf l盲ngstens f眉nf Jahre zu begrenzen, erhob sie gegen die Betriebspr眉fungsanordnung Klage und stellte zugleich den Antrag, die Vollziehung der angefochtenen Betriebspr眉fungsanordnung f眉r die Jahre 1966 und 1967 bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen. Sie trug vor, es bedeute einen Mi脽brauch des dem FA einger盲umten Ermessens, wenn es den Pr眉fungszeitraum auf sieben Jahre, also mehr als die doppelte Zeit ausdehne, die 搂 162 Abs. 11 AO als regelm盲脽igen Pr眉fungszeitraum vorsehe.
Das FG wies den Antrag als unbegr眉ndet zur眉ck.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde, zu deren Begr眉ndung sie vortr盲gt, eine Koppelung der Vorschriften 眉ber die Aufbewahrung von Unterlagen (搂 162 Abs. 8 AO) mit den Vorschriften 眉ber die Betriebspr眉fung bei Gro脽betrieben (搂 162 Abs. 11 AO) gebe es nicht. Die 脛nderung der Aufbewahrungsfristen f眉r Handelsb眉cher, Handelsbriefe usw. trage lediglich einer Entwicklung Rechnung, die es unm枚glich mache, die anfallenden gro脽en Mengen von Rechnungs- und sonstigen Belegen aus Platzmangel l盲nger als sieben Jahre aufzubewahren. Diese - abgek眉rzte - Frist k枚nne nicht als Indiz daf眉r herangezogen werden, da脽 sich eine von drei auf sieben Jahre erweiterte Frist f眉r Betriebspr眉fungen noch in den Grenzen des Ermessens halte. Eine Betriebspr眉fung stelle erhebliche Anforderungen an das Erinnerungsverm枚gen des Gepr眉ften und an dessen F盲higkeit, lange zur眉ckliegende Sachverhalte zutreffend darzustellen. Eher seien die Gedanken heranzuziehen, die zur Einf眉hrung der f眉nfj盲hrigen Verj盲hrungsfrist bei den allgemeinen Steuern gef眉hrt haben. Die Verj盲hrung solle dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit dienen, weil nach geraumer Zeit die Tatsachen nicht mehr genau im Ged盲chtnis der Beteiligten hafteten und Nachweisschwierigkeiten eintr盲ten.
Das FA beantragt die Zur眉ckweisung der Beschwerde.
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Die Beschwerde ist unbegr眉ndet.
Die Rechtm盲脽igkeit der Betriebspr眉fungsanordnung des FA vom 19. Juni 1973 ist, soweit sie sich auf die Veranlagungszeitr盲ume 1966 und 1967 erstreckt, bei summarischer Pr眉fung der Rechtslage nicht ernstlich zweifelhaft im Sinne des 搂 69 Abs. 2 und 3 FGO. Der Antrag, den Vollzug einer Betriebspr眉fungsanordnung ganz oder zum Teil auszusetzen, ist nicht als Antrag auf einstweilige Anordnung gem盲脽 搂 114 FGO, sondern als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gem盲脽 搂 69 FGO zu behandeln, da die Betriebspr眉fungsanordnung einen der Vollziehung f盲higen Verwaltungsakt darstellt, gegen welche die Anfechtungsklage gegeben ist (Urteil des BFH vom 24. Oktober 1972 VIII R 108/72, BFHE 109, 1, BStBl II 1973, 542).
Das FA ist nach 搂 162 Abs. 10 AO berechtigt, die B眉cher und Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen zu pr眉fen. Die Durchf眉hrung der Betriebspr眉fung steht im Ermessen des FA. Die Verf眉gung, mit der eine Betriebspr眉fung angeordnet wird, ist nach billigem Ermessen zu erlassen. Ihre gerichtliche Nachpr眉fung beschr盲nkt sich nach 搂 102 FGO darauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens 眉berschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Erm盲chtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (BFH-Beschlu脽 vom 13. Februar 1968 GrS 5/67, BFHE 91, 351, BStBl II 1968, 365; BFH-Urteile vom 29. April 1970 IV R 259/69, BFHE 99, 365, BStBl II 1970, 714; vom 13. Oktober 1972 I R 236/70, BFHE 107, 179, BStBl II 1973, 74; VIII R 108/72).
Bei Gro脽betrieben, zu denen der Betrieb der Antragstellerin unstreitig geh枚rt, soll nach 搂 162 Abs. 11 Satz 1 AO "mindestens alle drei Jahre" eine ordentliche Betriebspr眉fung stattfinden. In Satz 2 dieser Vorschrift ist sodann bestimmt, da脽 die Pr眉fung jeweils den Zeitraum bis zu der zuletzt erfolgten Pr眉fung umfassen soll (Anschlu脽pr眉fung). Diese Vorschriften richten sich, wie das FG zu Recht ausf眉hrt, in erster Linie an die Verwaltung. Sie stellen gewisserma脽en Richtlinien 眉ber den zeitlichen Turnus und 眉ber den Umfang der Betriebspr眉fungen bei Gro脽betrieben auf. Sie lassen aber der Verwaltung einen sehr weiten Spielraum in der Gestaltung jeder einzelnen Pr眉fung, wie schon aus der Verwendung der Worte "soll" und "mindestens" hervorgeht, und tragen gerade hier den Belangen der Verwaltung besonders Rechnung.
Das FG hat auf die Entwicklung dieser Vorschrift hingewiesen. Der im Jahre 1925 eingef眉gte 搂 162 Abs. 10 (jetzt Abs. 11) erg盲nzte zun盲chst den Abs. 9 (jetzt Abs. 10) dahin, da脽 Gro脽betriebe mindestens alle drei Jahre zu pr眉fen "sind". Da der dreij盲hrige Betriebspr眉fungsturnus trotz erheblicher Verst盲rkung des Betriebspr眉fungsdienstes nicht immer eingehalten werden konnte, ist die Mu脽vorschrift im Jahre 1959 durch Gesetz vom 2. M盲rz 1959 (BGBl I, 77) in eine Sollvorschrift umgewandelt worden. Aus dem Gesetzeswortlaut und der Entwicklungsgeschichte der Vorschrift geht somit hervor, da脽 eine Betriebspr眉fung bzw. ihre Anordnung nicht deshalb rechtswidrig sein kann, weil der Betriebspr眉fungsturnus von mindestens drei Jahren nicht eingehalten worden ist.
Die Vorschrift des 搂 162 Abs. 11 Satz 1 AO 眉ber den regelm盲脽igen Betriebspr眉fungsturnus sagt auch nichts dar眉ber aus, da脽 selbst dann, wenn der dem Gesetz vorschwebende Turnus von drei Jahren eingehalten wird, niemals mehr als nur drei Veranlagungszeitr盲ume gepr眉ft werden k枚nnten. Auch bei strenger Einhaltung des dreij盲hrigen Betriebspr眉fungsturnus wird es h盲ufig vorkommen, da脽 bei einzelnen dieser Betriebspr眉fungen mehr als drei Veranlagungszeitr盲ume, bei anderen weniger gepr眉ft werden k枚nnen. Das h盲ngt jeweils davon ab, ob bei Beginn der Betriebspr眉fung die Jahresabschl眉sse oder die Steuererkl盲rungen f眉r das der Betriebspr眉fung vorausgehende Jahr schon vorliegen und gepr眉ft werden k枚nnen.
Das FG leitet nun einen gewissen Vorrang des 搂 162 Abs. 11 Satz 2 AO - der Bestimmung 眉ber den Anschlu脽 an die vorhergehende Betriebspr眉fung - gegen眉ber der Bestimmung 眉ber die Einhaltung des dreij盲hrigen Betriebspr眉fungsturnus (Satz 1) aus dem erw盲hnten Gesetz vom 2. M盲rz 1959 her, das den jetzigen Absatz 11 in eine Sollvorschrift verwandelte und zugleich die handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen abk眉rzte. In der Aufbewahrungspflicht von sieben Jahren f眉r Gesch盲ftspapiere und Aufzeichnungen (搂 162 Abs. 8 Nr. 2 AO) sieht es die 盲u脽erste Grenze, bis zu der eine Betriebspr眉fung bei Gro脽betrieben im Sinne des 搂 162 Abs. 11 AO ausgedehnt werden kann. Hinsichtlich der Beurteilung der Frage, wie weit eine Betriebspr眉fung bei Gro脽betrieben ausgedehnt werden darf, erscheinen dem Senat andere Gesichtspunkte noch wesentlicher.
Aus den 搂搂 94, 222, 223 AO ergibt sich, da脽 unter n盲her bezeichneten Voraussetzungen die Nachforderung von Steuern bis zum Ablauf der Verj盲hrungsfrist zul盲ssig ist. Innerhalb dieses zeitlichen Rahmens ist das FA nach 搂 204 Abs. 1 AO verpflichtet, die steuerpflichtigen F盲lle zu erforschen und von Amts wegen die tats盲chlichen und rechtlichen Verh盲ltnisse zu ermitteln, die f眉r die Steuerpflicht und die Bemessung der Steuer wesentlich sind. Die steuerliche Betriebspr眉fung ist ein zus盲tzliches Mittel zur Erf眉llung der Aufgabe nach 搂 204 Abs. 1 AO. Auch sie soll dazu dienen, die steuerpflichtigen F盲lle zu erforschen und die f眉r die Steuerpflicht und die H枚he der Steuer wesentlichen tats盲chlichen und rechtlichen Verh盲ltnisse festzustellen. Bei einer Betriebspr眉fung sind ebenfalls, wie 搂 204 Abs. 1 Satz 2 AO vorschreibt, die Angaben des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten zu pr眉fen. Die Betriebspr眉fung ist bei den heutigen komplizierten wirtschaftlichen Verh盲ltnissen in der Regel das einzige geeignete und erforderliche Mittel, die tats盲chlichen und rechtlichen Verh盲ltnisse in steuerlicher Hinsicht einigerma脽en zufriedenstellend aufzukl盲ren. Demzufolge geht die Reichsabgabenordnung in vielen auf die Betriebspr眉fung bezugsnehmenden Vorschriften offenbar davon aus, da脽 die Steuererkl盲rungen insbesondere 眉ber die gewinnabh盲ngigen Steuern durch die Veranlagungsstelle nicht hinreichend wirksam gepr眉ft werden k枚nnen und da脽 die Betriebspr眉fung als Mittel zur Erforschung steuerlicher Sachverhalte unbedingt notwendig ist.
Unter Ber眉cksichtigung dieser Gesichtspunkte ist - im Rahmen der nach 搂 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 FGO vorzunehmenden summarischen Pr眉fung - kein Ermessensfehler darin zu sehen, da脽 das FA die Betriebspr眉fung bis zum Anschlu脽 an die in der vorhergehenden Pr眉fung gepr眉ften Veranlagungszeitr盲ume angeordnet hat. Der Senat verkennt nicht, da脽 eine sich auf insgesamt sieben Veranlagungszeitr盲ume erstreckende Buch- und Betriebspr眉fung f眉r den Steuerpflichtigen eine erhebliche Belastung mit sich bringt und nach so langer Zeit das Erinnerungsverm枚gen an n盲here Umst盲nde einzelner Gesch盲ftsvorf盲lle nachl盲脽t. Demgegen眉ber ist jedoch zu ber眉cksichtigen, da脽 diesen Umst盲nden auch bei einer Betriebspr眉fung Rechnung zu tragen ist und da脽 Nachweisschwierigkeiten, die sich trotz zumutbarer Mitwirkung des Steuerpflichtigen nach so langer Zeit ergeben k枚nnen, nicht unbedingt zu seinen Lasten gehen m眉ssen. Dem Erfordernis, die steuerlich erheblichen Tatbest盲nde so gut wie m枚glich aufzukl盲ren, geb眉hrt gegen眉ber dem Verlangen des Steuerpflichtigen, durch eine Betriebspr眉fung m枚glichst wenig bel盲stigt zu werden, der Vorrang. Es bestehen somit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtm盲脽igkeit der von der Antragstellerin angefochtenen Betriebspr眉fungsanordnung.
Der Vollzug der Betriebspr眉fungsanordnung, also im Falle der Antragstellerin die sofortige Durchf眉hrung der Betriebspr眉fung hinsichtlich der Veranlagungszeitr盲ume 1966 und 1967, bedeutet auch keine unbillige H盲rte, die zu einer Aussetzung der Vollziehung f眉hren m眉脽te. Eine Betriebspr眉fung begr眉ndet f眉r sich noch keine Steuernachforderung. Sie soll der Veranlagungsstelle erst die tats盲chlichen Grundlagen f眉r ihre Steuerfestsetzungen liefern. Zwar kann eine Betriebspr眉fung als solche nicht mehr r眉ckg盲ngig gemacht werden. Etwas anderes ist es jedoch, ob aus einer Betriebspr眉fung die steuerlichen Folgerungen gezogen werden d眉rfen, wenn sich sp盲ter herausstellt, da脽 eine angeordnete Betriebspr眉fung ganz oder teilweise rechtswidrig ist. Die Antragstellerin hat die Betriebspr眉fungsanordnung, soweit sie sich auf die Veranlagungszeitr盲ume 1966 und 1967 erstreckt, mit der Klage angefochten. Von der Entscheidung in der Hauptsache h盲ngt es ab, ob das FA die f眉r diese Veranlagungszeitr盲ume ermittelten neuen Tatsachen bei Berichtigungsveranlagungen nach 搂 222 Abs. 1 Nr. 1 AO verwerten darf. Nach dem BFH-Urteil vom 7. Juni 1973 V R 64/72 (BFHE 109, 500, BStBl II 1973, 716) darf n盲mlich das FA bei einer Berichtigung keine Tatsachen verwerten, die es aufgrund einer rechtskr盲ftig f眉r rechtswidrig erkl盲rten Betriebspr眉fungsanordnung festgestellt hat. Die Antragstellerin hat es in der Hand, das Klageverfahren gegen die Betriebspr眉fungsanordnung weiter zu betreiben und bei zwischenzeitlichem Ergehen von Berichtigungsbescheiden f眉r die Veranlagungszeitr盲ume 1966 und 1967 ein Rechtsbehelfsverfahren gegen diese Berichtigungsveranlagungen einzuleiten und in einem gleichzeitigen Verfahren der Aussetzung der Vollziehung dieser Berichtigungsbescheide auf den noch nicht abgeschlossenen Rechtsstreit 眉ber die Rechtm盲脽igkeit der Betriebspr眉fungsanordnung hinzuweisen. Es besteht somit kein Grund, die Vollziehung der angegriffenen Betriebspr眉fungsanordnung in dem begehrten Umfang wegen unbilliger H盲rte auszusetzen.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus 搂 135 Abs. 2 FGO 锄耻谤眉肠办锄耻飞别颈蝉别苍.
Bei der Streitwertfestsetzung war zu ber眉cksichtigen, da脽 die Antragstellerin im vorliegenden Fall eine vorl盲ufige Regelung hinsichtlich eines Verwaltungsaktes erreichen wollte, dessen Verwirklichung noch nicht zu einer Festsetzung von Mehrsteuern f眉hrt, sondern diese erst bef眉rchten l盲脽t. Der erkennende Senat hat in Streitf盲llen 眉ber die Rechtm盲脽igkeit einer Betriebspr眉fungsanordnung den Streitwert auf 50 v. H. der mutma脽lich zu erwartenden Mehrsteuern bestimmt, die im Einzelfall gesch盲tzt werden m眉ssen. Im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung einer Betriebspr眉fungsanordnung ist der Streitwert auf 10 v. H. des auf diese Weise f眉r ein Hauptverfahren ermittelten Betrages anzusetzen.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 71078 |
BStBl II 1975, 197 |
BFHE 1975, 411 |