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Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrat. Minderheitengeschlecht. Mindestsitzzahl f眉r das Minderheitengeschlecht im Betriebsrat. Fehlerhaftes Wahlausschreiben. Anfechtung einer Betriebsratswahl
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Orientierungssatz
1.听Nach 搂听3 Abs.听2 Nr.听5 WO muss das Wahlausschreiben ua. die Angabe der 鈥渁uf das Geschlecht in der Minderheit entfallenden Mindestsitze im Betriebsrat (搂听15 Abs.听2 des Gesetzes)鈥 enthalten. Eine insoweit unzutreffende Angabe ist geeignet, die Anfechtung der Wahl zu rechtfertigen.
2.听Nach 搂听15 Abs.听2 BetrVG muss das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenm盲脽igen Verh盲ltnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn dieser aus drei oder mehr Mitgliedern besteht. Mit der Regelung sch眉tzt das Gesetz die Minderheit im Betriebsrat, ohne dessen 脺berrepr盲sentanz auszuschlie脽en.
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Normenkette
BetrVG 搂听15 Abs. 2, 搂听19 Abs.听1-2; Erste Verordnung zur Durchf眉hrung des Betriebsverfassungsgesetzes (WO) 搂 3 Abs. 2 Nr. 5
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Verfahrensgang
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Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts D眉sseldorf vom 16.听Juni 2011 鈥撎4 TaBV 86/10听鈥 aufgehoben.
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 15.听Oktober 2010 鈥撎3 BV 37/10听鈥 wird zur眉ckgewiesen.
Von Rechts wegen!
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Tatbestand
Rz. 1
听A.听Die Beteiligten streiten 眉ber die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl. Antragstellerin ist eine im Betrieb der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft.
Rz. 2
听Die Arbeitgeberin besch盲ftigt 643 Arbeitnehmer. Mit Wahlausschreiben vom 24.听M盲rz 2010 leitete der Wahlvorstand das Verfahren zur Wahl des Betriebsrats ein. In dem 鈥撎齮eils handschriftlich vervollst盲ndigten听鈥 Wahlausschreiben hei脽t es auszugsweise:
鈥淒er Wahlvorstand hat beschlossen, dass die Betriebsratswahl stattfindet am: 17.05.2010 in der Zeit von: 7.00 Uhr bis 12.00 Uhr im Wahllokal O鈥.
Der k眉nftige Betriebsrat besteht aus 11 Mitgliedern.
Im Betrieb sind 515 Frauen und 124 M盲nner als Arbeitnehmer einschlie脽lich der Auszubildenden besch盲ftigt. Leitende Mitarbeiter wurden nicht ber眉cksichtigt. Gem盲脽 搂听15 Abs.听2 BetrVG muss das Geschlecht, das im Betrieb in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenm盲脽igen Verh盲ltnis in der Belegschaft vertreten sein. In der Minderheit sind听鈻√鼺rauen听鈯犔齅盲nner (nicht Zutreffendes streichen). Danach m眉ssen mindestens 9 Frauen听/2 M盲nner (nicht Zutreffendes streichen) dem Betriebsrat angeh枚ren.
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Rz. 3
听Der Wahlvorstand lie脽 zwei Vorschlagslisten zur Wahl zu. An der Wahl nahmen 329 Arbeitnehmer teil. Das Wahlergebnis wurde am 17.听Mai 2010 鈥撎齞em Tag der Betriebsratswahl听鈥 bekannt gemacht. Aus der Wahl ging der zu 3. beteiligte elfk枚pfige Betriebsrat hervor.
Rz. 4
听Mit am 31.听Mai 2010 bei Gericht eingegangener Antragsschrift hat die Gewerkschaft die Wahl aus mehreren Gr眉nden angefochten. Sie hat unter anderem die Auffassung vertreten, das Wahlausschreiben sei fehlerhaft, weil die Anzahl der auf das Geschlecht in der Minderheit entfallenden Mindestsitze im Betriebsrat fehlerhaft angegeben worden sei. Es seien nicht mindestens neun Frauen, sondern mindestens zwei M盲nner zu w盲hlen gewesen. Das fehlerhafte angegebene Mindestquorum von neun Frauen habe m枚glicherweise dazu gef眉hrt, dass weitere geeignete Wahlvorschl盲ge nicht eingebracht worden seien.
Rz. 5
听Die Antragstellerin hat beantragt,
die Betriebsratswahl vom 17.听Mai 2010 f眉r unwirksam zu erkl盲ren.
Rz. 6
听Arbeitgeberin und Betriebsrat haben beantragt, den Antrag abzuweisen. Ihrer Ansicht nach sind die behaupteten Verst枚脽e jedenfalls nicht geeignet, um das Wahlergebnis zu beeinflussen.
Rz. 7
听Das Arbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen und die Wahl f眉r unwirksam erkl盲rt. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht den Beschluss abge盲ndert und den Antrag abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gewerkschaft ihren Anfechtungsantrag weiter, w盲hrend die Arbeitgeberin die Zur眉ckweisung der Rechtsbeschwerde begehrt.
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Rz. 8
听B.听Die Rechtsbeschwerde ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Wahlanfechtungsantrag der Gewerkschaft Erfolg.
Rz. 9
听I.听Der Wahlanfechtungsantrag ist zul盲ssig. Die Antragstellerin ist als eine im Betrieb der Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft nach 搂听19 Abs.听2 Satz听1 Alt.听2 BetrVG anfechtungsberechtigt. Die Betriebsratswahl wurde rechtzeitig binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses am 17.听Mai 2010 angefochten. Unsch盲dlich ist, dass die am 31.听Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Antragsschrift den weiteren Beteiligten erst am 4.听Juni 2010 und damit nach Ablauf von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses f枚rmlich zugestellt wurde. Es gen眉gt, dass die Antragsschrift innerhalb der Zweiwochenfrist des 搂听19 Abs.听2 Satz听2 BetrVG beim Arbeitsgericht eingeht, wenn die Zustellung 鈥撎齱ie hier听鈥 demn盲chst iSd. 搂听167听ZPO erfolgt (vgl. BAG 25.听Juni 1974 鈥撎1 ABR 68/73听鈥 zu II听3听b der Gr眉nde mwN).
Rz. 10
听II.听Der Wahlanfechtungsantrag ist begr眉ndet. Die Betriebsratswahl vom 17.听Mai 2010 ist unwirksam. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, dass die 鈥淰erteilung鈥 der Mindestsitze auf Frauen und M盲nner im Wahlausschreiben zutreffend erfolgt ist, h盲lt einer rechtsbeschwerderechtlichen Pr眉fung nicht stand. Das Wahlausschreiben verst枚脽t gegen 搂听3 Abs.听2 Nr.听5 Erste Verordnung zur Durchf眉hrung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung听鈥撎齏O) vom 11.听Dezember 2001 (BGBl. I S.听3494). Hierbei handelt es sich um eine wesentliche Vorschrift 眉ber das Wahlverfahren. Der Versto脽 war geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen.
Rz. 11
听1.听Nach 搂听19 Abs.听1 BetrVG kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften 眉ber das Wahlrecht, die W盲hlbarkeit oder das Wahlverfahren versto脽en wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Versto脽 das Wahlergebnis nicht ge盲ndert oder beeinflusst werden konnte.
Rz. 12
听a)听Eine wesentliche Vorschrift 眉ber das Wahlverfahren enth盲lt 搂听3 Abs.听2 Nr.听5 WO. Danach muss das Wahlausschreiben ua. die Angabe der 鈥渁uf das Geschlecht in der Minderheit entfallenden Mindestsitze im Betriebsrat (搂听15 Abs.听2 des Gesetzes)鈥 enthalten. Eine insoweit unzutreffende Angabe ist geeignet, die Anfechtung der Wahl zu rechtfertigen (vgl. BAG 10.听M盲rz 2004 鈥撎7 ABR 49/03听鈥 zu B听I听3 der Gr眉nde, BAGE 110, 27; Fitting 26.听Aufl. 搂听3 WO 2001 Rn.听11). Nach 搂听15 Abs.听2 BetrVG muss das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenm盲脽igen Verh盲ltnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn dieser aus drei oder mehr Mitgliedern besteht. Mit der Regelung sch眉tzt das Gesetz die Minderheit im Betriebsrat, ohne dessen 脺berrepr盲sentanz auszuschlie脽en (vgl. BAG 16.听M盲rz 2005 鈥撎7 ABR 40/04听鈥 zu B听III听3听a听cc (2) der Gr眉nde, BAGE 114, 119; Fitting 搂听15 Rn.听11 mwN). Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23.听Juli 2001 (BGBl. I S.听1852, 2518听ff.) in das BetrVG eingef眉gt. 搂听15 Abs.听2 BetrVG-RegE war zun盲chst dahingehend gefasst, dass die Geschlechter entsprechend ihres zahlenm盲脽igen Verh盲ltnisses im Betriebsrat vertreten sein m眉ssen (BT-Drucks. 14/5741 S.听9 und S.听37). Die anf盲nglich vorgesehene 鈥渟tarre Geschlechterquote鈥 wurde im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auf Empfehlung des Ausschusses f眉r Arbeit und Sozialordnung zugunsten der nunmehr in 搂听15 Abs.听2 BetrVG normierten sog. 鈥淢indest-Klausel鈥 aufgegeben (vgl. BT-Drucks. 14/6352 S.听10 und S.听54). Die Mindestsitzzahl f眉r das Minderheitengeschlecht wird gem盲脽 搂听5 Abs.听1 S盲tze 2 bis 4, Abs.听2 WO nach dem Grundsatz der Verh盲ltniswahl auf der Grundlage des d'Hondtschen H枚chstzahlverfahrens ermittelt.
Rz. 13
听b)听Danach mussten vorliegend nach 搂听15 Abs.听2 BetrVG, 搂听5 WO bei einer Belegschaft von 515 Frauen und 124 M盲nnern die M盲nner mit mindestens zwei Sitzen im Betriebsrat vertreten sein. Hierauf 鈥撎齛ber auch nur hierauf听鈥 h盲tte das Wahlausschreiben gem盲脽 搂听3 Abs.听2 Nr.听5 WO hinweisen m眉ssen. Es durfte insoweit nur die Angabe enthalten, dass mindestens zwei Sitze im Betriebsrat auf M盲nner entfallen. Im vorliegenden Wahlausschreiben hei脽t es dagegen, 鈥渄anach m眉ssen mindestens 9 Frauen/2 M盲nner (nicht Zutreffendes streichen) dem Betriebsrat angeh枚ren鈥. Zu w盲hlen waren aber nicht 鈥渕indestens 9 Frauen鈥. Richtigerweise h盲tte der Wahlvorstand in dem formularm盲脽igen Wahlausschreiben bei Frauen, die im zahlenm盲脽igen Verh盲ltnis in der Belegschaft st盲rker vertreten sind, nicht die Zahl neun einf眉gen d眉rfen, sondern statt dessen den Passus 鈥渕indestens 鈥 Frauen鈥 streichen m眉ssen. Der Hinweis, es m眉ssten 鈥渕indestens 9 Frauen/2 M盲nner鈥 dem Betriebsrat angeh枚ren, konnte aus Sicht der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Betriebes auch im Zusammenhang mit dem vorstehenden Satz nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit dahin verstanden werden, dass sich der Minderheitenschutz nicht auf die zu w盲hlenden Frauen, sondern nur auf die zu w盲hlenden M盲nner beziehen soll. Das Wort 鈥渕indestens鈥 kann auch nicht so verstanden werden, dass es sich sowohl auf 鈥淔rauen鈥 als auch auf 鈥淢盲nner鈥 bezieht, denn dann w盲re es sinnentleert. Im 脺brigen verstie脽e ein solches Verst盲ndnis gegen 搂听15 Abs.听2 BetrVG, der die Gruppe des Geschlechts in der Minderheit sch眉tzt, ohne dessen verh盲ltnism盲脽ige 脺berrepr盲sentation auszuschlie脽en.
Rz. 14
听2.听Der Versto脽 gegen 搂听3 Abs.听2 Nr.听5 WO war geeignet, das Wahlverhalten der Arbeitnehmer und damit das Ergebnis der Betriebsratswahl zu beeinflussen.
Rz. 15
听a)听Nach 搂听19 Abs.听1 letzter Halbsatz BetrVG berechtigen Verst枚脽e gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn sie das Wahlergebnis objektiv weder 盲ndern noch beeinflussen konnten. Daf眉r ist entscheidend, ob eine Wahl ohne den Versto脽 unter Ber眉cksichtigung der konkreten Umst盲nde bei einer hypothetischen Betrachtung zwingend zu demselben Ergebnis gef眉hrt h盲tte. Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen l盲sst, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden w盲re. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (st. Rspr., vgl. etwa BAG 21.听Januar 2009 鈥撎7 ABR 65/07听鈥 Rn.听29).
Rz. 16
听b)听Vorliegend kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Vorschlagslisten eingebracht worden w盲ren, wenn das Wahlausschreiben nicht den fehlerhaften Hinweis enthalten h盲tte, dass mindestens neun Frauen in den Betriebsrat zu w盲hlen sind. Es ist insbesondere keineswegs fernliegend, dass durch den unzutreffenden Hinweis m盲nnliche Bewerber von einer 鈥撎齛ls wenig aussichtsreich erscheinenden听鈥 Kandidatur abgehalten wurden.
Rz. 17
听3.听Auf m枚gliche weitere Anfechtungsgr眉nde kam es nicht an.
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Unterschriften
Linsenmaier, Schmidt, Kiel, Bea, Strippelmann
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Fundstellen
亿兆体育-Index 4799991 |
BB 2013, 1780 |
DB 2013, 1794 |
AiB 2013, 720 |
FA 2013, 271 |
FA 2013, 279 |
ZTR 2013, 586 |
AP 2014 |
EzA-SD 2013, 22 |
NZA-RR 2013, 575 |
AUR 2013, 371 |
ArbRB 2013, 305 |
RdW 2013, 742 |
AP-Newsletter 2013, 191 |
SPA 2013, 139 |