Humanotop – die grüne Modellstadt der Zukunft

Die Ingenieure hätten noch nicht erkannt, was sie für die Welt tun könnten, kritisiert Achim Kampker. Er wünscht sich einen weltanschaulichen Überbau für die Ingenieurwissenschaften: „So wie Mediziner den ethischen Konsens formulieren, das Leben eines Menschen zu retten, brauchen wir auch für Ingenieure eine übergeordnete Philosophie - nämlich die Erhaltung der Erde. Darauf sollten wir bei allem, was wir tun, hinarbeiten“, sagt Kampker. Er selbst sieht sich als Macher, der sich für die Versöhnung von Mensch und Natur einsetzt.
Achim Kampker hat die E-Mobilität neu gedacht und marktfähig gemacht. Seine Idee: E-Mobile zunächst nach den Bedürfnissen bestimmter Branchen zu bauen, die nicht auf lange Reichweiten angewiesen waren. Daraus entstand 2009 die Streetscooter GmbH, die Kampker gemeinsam mit Günther Schuh, ebenfalls Professor an der RWTH Aachen, gründete. Streetscooter baute elektrische Zustellfahrzeuge vor allem für die Deutsche Post, an die sie das Unternehmen 2014 verkauften. Kampker leitete bis Ende 2013 den Lehrstuhl für Produktionsmanagement an der Fakultät für Maschinenwesen der RWTH. Seit 2014 leitet er dort den von ihm gegründeten Lehrstuhl Production Engineering of E-Mobility Components (PEM).
Humanotop als Stadt der Zukunft
Kampker möchte die Diskussion über Lebensformen der Zukunft auf eine möglichst breite und wissenschaftliche Basis stellen. 2019 gründete er den Verein „Ingenieure retten die Erde“ mit dem Ziel, das vorhandene technische Wissen dafür zu nutzen, um die Umwelt zu verbessern – ohne den erreichten Wohlstand der Menschen zu gefährden.
Um dem Ziel näher zu kommen, wurde die grüne Modellstadt der Zukunft bei Aachen, das Humanotop gegründet. Humanotope sind Städte oder Stadtteile mit etwa 25.000 Einwohnern, innerhalb derer alles, was Menschen zum Leben brauchen, vorhanden ist und produziert wird. Alle benötigten Ressourcen befinden sich auf dem gleichen geographischen Gebiet. Zugleich steht es symbolisch für alles, was es jetzt braucht, um Wege für die Zukunft zu ebnen. Dazu gehören: eine positive Ansprache aller Generationen und Bereiche, Aufbruchstimmung und Tatendrang, ein ganzheitlicher Blick auf allumfassende Probleme, nachhaltige Lösungen mit Blick auf Themen wie Energie, Verkehr und Ernährung, regionale Masterpläne und pragmatische Lösungen, Schaffung von Räumen, in denen neues Denken gefördert und die Fantasie angeregt wird, um dann neue Dinge auszuprobieren, systematische Kombination vorhandener Technologien, zuverlässig funktionierende Wertschöpfungsketten und ein offener Wettbewerb der Technologien, um schnell zur bestmöglichen Lösung zu kommen.
Es kommt auf uns, auf jedes Individuum an, wenn es darum geht, wie unsere Zukunft aussieht. Die gesellschaftliche Zukunft zu bestimmen ist eine Gemeinschaftsaufgabe.
Prof. Dr. Achim Kampker
Intelligente Verknüpfung als größter Hebel im Humanotop
In einem Humanotop wird nachhaltig und CO2-neutral hergestellt - auch die Energie und die Mobilität. Dabei liegt das größte Potenzial nicht in den einzelnen Technologien, sondern in deren „intelligenter Verknüpfung“. In der Vergangenheit wurde der öffentliche Personenverkehr, der Schienenverkehr, das Auto oder das Fahrrad meist für sich betrachtet. Da die Vernetzung noch sehr rudimentär ist, ist es meist zu kompliziert, einen Mobilitätsmix zu nutzen. Kindergärten und Schulen sind innerhalb eines Humanotops fußläufig oder mit dem Fahrrad zu erreichen, ebenso der Arbeitsplatz, der Supermarkt, der Arzt, der Sportverein. Soziale Unterschiede werden aufgeweicht (der Sozialhilfeempfänger wohnt neben dem Millionär, alle leben in Mehrfamilienhäusern).
Auch das Essen der Zukunft spielt hier eine große Rolle. Gezüchtet wird alles in einem Container (Mini-Gewächshaus). Felder werden nicht benötigt. Neben Meeresspargel gibt es Meeresbananen, Radieschen und Brokkoli. Abnehmer des gesunden Wildgemüses ist unter anderem die gehobene Gastronomie. Ziel der innovativen Projekte ist es, Ideen in den Markt zu stellen. Diese sollen kommerziell aufgenommen werden. Ebenfalls elementar ist für Kampker die Einführung einer Kreislaufwirtschaft entlang der Wertschöpfungskette. Ein zirkuläres Wirtschaftssystem, verbunden mit zirkulären Geschäftsmodellen, ist eine dringliche Alternative, denn Produkte, Ressourcen, Materialen und Energie sollen möglichst lange im Kreislauf verbleiben. Allerdings werden derzeit „weniger als zehn Prozent unseres globalen Wirtschaftens im Kreislauf abgewickelt“, so Kampker.
„Zukunftslust“ und die Rolle der Automobilindustrie
In seinem kürzlich erschienenen Buch „Zukunftslust“ beschäftigt er sich auch mit der steigenden Elektrifizierung und der zunehmenden Batterieproduktion für E-Autos, die den Recycling-Markt in Europa vorantreiben werden: In den nächsten Jahren würden vor allem Abfälle aus den wachsenden Gigafactorys wiederverwertet, in den Recycling-Anlagen werde es noch Überkapazitäten geben. Ab 2030 dürfte sich der Markt allerdings ändern, weil dann die erste größere Menge von E-Autos ausgemustert werde. Die Kombination aus hohem Materialaufkommen und niedrigen Recycling-Kosten werde nach seiner Ansicht ein ideales Marktumfeld für die Batterieindustrie schaffen.
Benötigt werden Lösungskonzepte, die nicht nur dem Wohl der nächsten Generation zugutekommen, „sondern auch im Hier und Jetzt schon spürbare Vorteile mit sich bringen.“ Andere Nationen würden viel mehr Gas geben, nachhaltige Lösungen zu entwickeln und auf dem Markt platzieren. Als Vorreiterland in der Automobiltechnik sollte Deutschland anderen nicht hinterherlaufen, sondern sich einen Vorsprung erarbeiten.
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