Kollision mit Linksabbieger: Überhöhte Geschwindigkeit

Wer links abbiegt, hat bei einem Unfall haftungstechnisch in der Regel schlechte Karten. War der Unfallgegner aber zu schnell unterwegs, droht ihm ein erhebliches Mitverschulden. 

Ein Motorradfahrer fuhr im Dunklen auf einer regennassen Landstraße und kollidierte mit einem Pkw-Fahrer, der links zu einer Tankstelle abbiegen wollte. Der Motorradfahrer war nachweislich zu schnell unterwegs – laut Sachverständigem mit mindestens 85 km/h bei zugelassenen 50 km/h.

Zudem fehlte ihm für sein Motorrad die notwendige Fahrerlaubnis – er war nur im Besitz der Erlaubnis für die Klassen A1 und A2. Das schwere Motorrad, mit dem er unterwegs war, hätte aber eine Erlaubnis für die Klasse A bedurft.

Unfallgeschehen nicht ganz klar, aber Motorradfahrer mindestens 35 km/h zu schnell unterwegs 

Vor Gericht musste die Haftungsfrage geklärt werden. Der klagende Motorradfahrer behauptete, der Pkw-Fahrer sei unmittelbar vor ihm abgebogen, der Unfall auf seiner Fahrbahn erfolgt. Sein vorangegangener Überholvorgang eines Lasters habe in großer Entfernung von der Unfallstelle stattgefunden und in keinem Bezug zu der Kollision gestanden. 

Der beklagte Autofahrer argumentierte dagegen, er habe sich bereits im Abbiegevorgang befunden, als er mit dem Motorradfahrer zusammengestoßen sei. Dieser habe sich noch im Bereich der Mittellinie befunden. 

Zu hohe Geschwindigkeit des Motorradfahrers „auch unfallursächlich“ 

Das OLG Saarbrücken entschied, dass der Geschwindigkeitsverstoß des Motorradfahrers auch unfallursächlich war. Zwar sah es bei dem beklagten Autofahrer einen schuldhaften Verstoß gegen die Wartepflicht eines Linksabbiegers nach § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO: Wer links abbiegen will muss entgegenkommende Fahrzeuge durchlassen und entsprechend warten. Genügt der Linksabbieger dieser Pflicht nicht und kommt es deshalb zu einem Unfall, spreche regelmäßig der Anscheinsbeweis für das Verschulden des Abbiegenden (BGH, Urteil v. 13.02.2007, VI ZR 58/06). 

Nach Rechtsprechung des BGH sei der rechtliche Ursachenzusammenhang zwischen einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und einem Verkehrsunfall aber zu bejahen, wenn bei der Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation der Unfall vermeidbar gewesen wäre. Dabei ist allgemein anerkannt, dass ein Geschwindigkeitsverstoß sich auch dann unfallursächlich ausgewirkt hat, wenn es bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zumindest zu einer deutlichen Abmilderung des Unfallverlaufs und der erlittenen Verletzungen gekommen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2005 - VI ZR 228/03, Rn. 22).  

Der technische Sachverständige hat hierzu für das Gericht nachvollziehbar ausgeführt, dass bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h die Kollisionsgeschwindigkeit nur 20 bis 25% der tatsächlichen Kollisionsgeschwindigkeit gewesen wäre.  

Fehlen der erforderlichen Fahrerlaubnis für das Motorrad spielt keine Rolle 

Das Fehlen der erforderlichen Fahrerlaubnis habe keine Auswirkung auf die Haftungsverteilung. Sie müsse nur dann bei der Haftungsabwägung berücksichtigt werden, wenn feststehe, dass sich dieser Umstand in dem Unfall tatsächlich ausgewirkt habe (BGH, Urteil v. 21.11.2006, VI ZR 115/05). Im vorliegenden Fall sei kein unfallursächlicher Fahrfehler jenseits der Geschwindigkeitsüberschreitung des Motorradfahrers erkennbar. 

Das Gericht sah ein Mitverschulden des klagenden Motorradfahrers in Höhe von 40 Prozent. Das Landgericht hatte in der Vorinstanz nur ein Mitverschulden in Höhe von 20 Prozent gesehen. 

(OLG Saarbrücken, Urteil v. 13.12.2024, 3 U 36/23)


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