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Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis des Zugangs von Verwaltungsakten bei Organisationsm盲ngeln des steuerlichen Beraters
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Leitsatz (amtlich)
Bestreitet ein Steuerberater, den Steuerbescheid eines Mandanten erhalten zu haben, ist die Zugangsvermutung des 搂 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 auch dann widerlegt, wenn er kein Fristenkontrollbuch f眉hrt, sofern nicht weitere Indizien f眉r den Zugang des Bescheides sprechen.
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Normenkette
AO 1977 搂 122 Abs. 2 Nr. 1; FGO 搂听96 Abs. 1, 搂听56
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Verfahrensgang
FG D眉sseldorf (Entscheidung vom 18.05.2004; Aktenzeichen 6 K 2695/02; EFG 2005, 85) |
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Tatbestand
I. Die Kl盲gerin und Revisionsbeklagte (Kl盲gerin), eine GmbH, gab f眉r das Streitjahr 1998 keine Steuererkl盲rungen ab. Daraufhin sch盲tzte der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt 鈥旻A鈥) die Besteuerungsgrundlagen. Den Einspruch gegen den K枚rperschaftsteuerbescheid wies das FA am 6. Februar 2001 als unbegr眉ndet zur眉ck. Die Einspruchsentscheidung wurde am 6. Februar 2001 mit einfachem an die Gesch盲ftsanschrift des Prozessbevollm盲chtigten adressierten Brief zur Post gegeben.
Mit Bescheid vom 6. Juni 2001 wies das FA auch den Einspruch gegen den Bescheid 眉ber das verwendbare Eigenkapital (vEK) zum 31. Dezember 1998 als unbegr眉ndet zur眉ck. Am 7. Juni 2001 gingen beim FA die Steuererkl盲rungen f眉r 1998 ein. Der Prozessbevollm盲chtigte erkl盲rte, die Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2001 nicht erhalten zu haben. Den Eingang der K枚rperschaftsteuererkl盲rung 1998 wertete das FA als Antrag auf 脛nderung der Steuerfestsetzung. Nachdem es den Prozessbevollm盲chtigten vergeblich aufgefordert hatte, das Posteingangsbuch und das Fristenkontrollbuch im Original vorzulegen, lehnte das FA den Antrag mit Bescheid vom 1. M盲rz 2002 unter Hinweis auf die seiner Auffassung nach bestandskr盲ftige Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2001 ab.
Mit dem gegen diese Ablehnung gerichteten Einspruch machte der Prozessbevollm盲chtigte erneut geltend, die Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2001 sei bei ihm nicht eingegangen. Anstelle eines Fristenkontrollbuchs werde in seiner Praxis eine Fristenmappe gef眉hrt, wodurch die 脺berwachung von Terminen gew盲hrleistet werde, allerdings auch nur dann, wenn die Schriftst眉cke ihm tats盲chlich zugegangen seien.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18. April 2002 wies das FA den Einspruch als unbegr眉ndet zur眉ck. Die dagegen erhobene Klage war erfolgreich. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 85 ver枚ffentlicht.
Mit seiner Revision macht das FA eine Verletzung materiellen Rechts geltend (搂 122 Abs. 2 der Abgabenordnung 鈥AO 1977鈥 i.V.m. 搂 444 der Zivilprozessordnung 鈥昛PO鈥, 搂 155 der Finanzgerichtsordnung 鈥旻GO鈥).
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kl盲gerin hat keinen Antrag gestellt.
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II. Die Revision ist unbegr眉ndet und war daher zur眉ckzuweisen (搂 126 Abs. 2 FGO).
A. Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass die Kl盲gerin m枚glicherweise bereits im Handelsregister gel枚scht ist, denn die Kl盲gerin ist durch einen Prozessbevollm盲chtigten vertreten, dem sie vor ihrer L枚schung Vollmacht erteilt hat (搂 155 FGO i.V.m. 搂搂 86, 241, 246 ZPO; Urteil des Bundesfinanzhofs 鈥旴FH鈥 vom 11. April 1990 I R 119/85, BFH/NV 1991, 415). Die vom Prozessvertreter mit Schreiben vom 10. Januar 2005 angezeigte Mandatsniederlegung wirkt erst, wenn die Bestellung eines anderen vertretungsbefugten Bevollm盲chtigten angezeigt wird (搂 155 FGO i.V.m. 搂 87 ZPO; BFH-Beschluss vom 25. Januar 1999 III B 59/98, BFH/NV 1999, 953; Spindler in H眉bschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 搂 62a FGO Rz. 35).
B. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene K枚rperschaftsteuerbescheid 1998 aufgrund des noch laufenden Einspruchsverfahrens ge盲ndert werden konnte.
Das Einspruchsverfahren wegen K枚rperschaftsteuer 1998 ist nicht abgeschlossen. Dem FA ist es nicht gelungen nachzuweisen, dass die Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2001 dem Prozessbevollm盲chtigten zugegangen ist.
1. Nach 搂 122 Abs. 2 AO 1977 gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post 眉bermittelt wird, als am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Beh枚rde den Zugang des Verwaltungsaktes nachzuweisen.
a) Nach der st盲ndigen Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 14. M盲rz 1989 VII R 75/85, BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534; vom 15. September 1994 XI R 31/94, BFHE 175, 327, BStBl II 1995, 41; vom 12. M盲rz 2003 X R 17/99, BFH/NV 2003, 1031) kann der Beweis 眉ber den Zugang des Steuerbescheides auf Indizien gest眉tzt werden. Danach k枚nnen bestimmte Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen innerhalb eines l盲ngeren Zeitraums nach Absendung des Steuerbescheides im Zusammenhang mit dem Nachweis der Absendung vom FG im Wege der freien Beweisw眉rdigung nach 搂 96 Abs. 1 FGO dahin gehend gew眉rdigt werden, dass 鈥昬ntgegen der Behauptung des Steuerpflichtigen鈥 ihm der Steuerbescheid tats盲chlich zugegangen ist. F眉r Einspruchsentscheidungen gilt das Gleiche. Auf den sog. Anscheinsbeweis, der auf einen typischen, nicht aber auf den tats盲chlichen Geschehensablauf abstellt, kann der Zugangsnachweis nach 搂 122 Abs. 2 AO 1977 hingegen nicht gest眉tzt werden (st盲ndige Rechtsprechung seit BFH-Urteil in BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534).
b) Ausgehend von diesen allgemeinen Beweisregeln ist die Entscheidung des FG, dem FA sei es nicht gelungen, den Nachweis der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2001 durch Indizien zu erbringen, nicht zu beanstanden.
Zutreffend hat das FG den Umstand, dass der Prozessbevollm盲chtigte der Kl盲gerin kein Posteingangsbuch bzw. Fristenkontrollbuch gef眉hrt hat, nicht als allein ausreichendes Indiz f眉r den Zugang der Einspruchsentscheidung gewertet.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluss vom 7. August 1970 VI R 24/67, BFHE 100, 71, BStBl II 1970, 814) ein Fristenkontrollbuch oder eine vergleichbare Einrichtung die unerl盲ssliche Voraussetzung einer ordnungsm盲脽igen B眉roorganisation zur Wahrung von Ausschlussfristen. Es gen眉gt nicht, Schriftst眉cke, die zur Wahrung einer Rechtsmittelfrist eine termingebundene Erledigung erfordern, in sog. Terminmappen abzulegen (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. Mai 1977 V R 139/73, BFHE 122, 251, BStBl II 1977, 643). Die Folge dieses Organisationsmangels ersch枚pft sich jedoch darin, dass ein Berater sich bei einer Fristvers盲umung nicht zu entschuldigen vermag und eine Wiedereinsetzung nach 搂 56 FGO nicht gew盲hrt werden kann (Senatsurteil vom 5. November 1998 I R 90/97, BFH/NV 1999, 512; BFH-Beschluss vom 17. Februar 1993 VIII R 61/91, BFH/NV 1993, 614). Dieser Organisationsmangel ersetzt aber nicht den Nachweis des Zugangs eines Verwaltungsaktes i.S. des 搂 122 Abs. 2 AO 1977. Er kann allenfalls 鈥晈ie vom FG zutreffend ausgef眉hrt鈥 die Indizien f眉r einen Zugang verst盲rken (ebenso FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 30. April 1997 4 K 67/97 F, EFG 1997, 1284; anders Hessisches FG, Beschluss vom 4. Mai 2004 6 V 3793/03, 6 V 4633/03, EFG 2004, 1276 鈥昳nsoweit nicht abgedruckt鈥). Solche weiteren Indizien hat das FA jedoch nach den Feststellungen des FG, gegen die das FA keine durchgreifenden Verfahrensr眉gen erhoben hat und an die der Senat daher gebunden ist (搂 118 Abs. 2 FGO), weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 1396105 |
BFH/NV 2005, 1663 |
BStBl II 2005, 623 |
BFHE 2005, 416 |
BFHE 209, 416 |
BB 2005, 1838 |
DB 2005, 1777 |
DStR 2005, 1408 |
DStRE 2005, 1048 |
DStZ 2005, 584 |
DStZ 2005, 605 |
HFR 2005, 929 |