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Entscheidungsstichwort (Thema)
Korrektur unzutreffender Rechtsanwendung beim Bautr盲ger
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Leitsatz (amtlich)
Hat ein Bautr盲ger aufgrund der rechtsirrigen Annahme seiner Steuerschuld als Leistungsempf盲nger von ihm bezogene Bauleistungen nach 搂 13b UStG versteuert, kann er das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung geltend machen, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erf眉llt oder die M枚glichkeit f眉r eine Aufrechnung durch das FA besteht (entgegen BMF-Schreiben vom 26. Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a).
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Normenkette
UStG 2005 搂搂听13b, 27 Abs. 19
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Verfahrensgang
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Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts M眉nchen vom 10. Oktober 2017听听14 K 344/16 wird als unbegr眉ndet zur眉ckgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Die Kl盲gerin und Revisionsbeklagte (Kl盲gerin) errichtete in den Streitjahren 2011 bis 2013 Geb盲ude. Ganz 眉berwiegend ver盲u脽erte sie diese anschlie脽end an Dritte. Diese Ums盲tze unterfielen der Steuerbefreiung gem盲脽 搂听4 Nr.听9 Buchst.听a des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (UStG). Im geringen Umfang behielt sie Geb盲udeteile f眉r sich und vermietete sie steuerfrei.
Rz. 2
F眉r die Errichtung der Geb盲ude bezog sie Bauleistungen von im Inland ans盲ssigen Dritten, welche mit der Kl盲gerin 眉bereinstimmend davon ausgingen, dass die Kl盲gerin als Leistungsempf盲ngerin Steuerschuldnerin sei, und ihr Nettorechnungen stellten.
Rz. 3
In ihren Steuererkl盲rungen f眉r die Streitjahre erkl盲rte sie dementsprechend Steuer nach 搂听13b UStG in H枚he von 31.688,06听鈧 in 2011, in H枚he von 201.677,65听鈧 in 2012 sowie in H枚he von 318.956,24听鈧 in 2013. Die Jahressteuer errechnete sie in H枚he von 31.688,06听鈧 f眉r 2011, in H枚he von 203.096听鈧 f眉r 2012 und in H枚he von 318.956,24听鈧 f眉r 2013. Diese Erkl盲rungen f眉hrten zu Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachpr眉fung.
Rz. 4
Mit Bescheiden vom 25.听Juni 2016 hob der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt --FA--) jeweils den Vorbehalt der Nachpr眉fung auf.
Rz. 5
Hiergegen legte die Kl盲gerin mit der Begr眉ndung Einspruch ein, nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.听August 2013 V听R听37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) sei sie nicht Steuerschuldnerin. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13.听Januar 2016 als unbegr眉ndet zur眉ck.
Rz. 6
Demgegen眉ber hatte die Klage zum Finanzgericht (FG) Erfolg. Das FG gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1842 ver枚ffentlichten Urteil statt.
Rz. 7
Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Nach Auffassung des FA habe das FG zwar zutreffend entschieden, dass die Kl盲gerin nicht Steuerschuldnerin nach 搂听13b UStG sei. Der Durchsetzbarkeit des mit der Klage verfolgten Erstattungsanspruchs stehe aber 搂听17 UStG in entsprechender Anwendung, der Grundsatz von Treu und Glauben und das Unionsrecht entgegen. Festzuhalten sei an einer vom BFH in einem summarischen Verfahren vertretenen Auffassung. Treu und Glauben komme eine rechtsbegrenzende Wirkung zu. Es sei rechtsmissbr盲uchlich und eine unzul盲ssige Rechtsaus眉bung, wenn ein Anspruchsinhaber an einer formalen Rechtsposition festhalte, ohne ein schutzw眉rdiges Eigeninteresse zu haben. Das Erstattungsverlangen begr眉nde die Verpflichtung, an den Leistenden zu zahlen. Ein steuerrechtlicher Zufallsgewinn f眉hre nicht zu einem berechtigten Eigeninteresse. Gleiches gelte im Hinblick auf die Verzinsung. Die Kl盲gerin verhalte sich zudem treuwidrig, wenn sie Erstattung begehre, ohne an den Leistenden zu zahlen. Dies ergebe sich auch aus dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 26.听Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz听15a. Nach dem Neutralit盲tsprinzip sei eine ungerechtfertigte Bereicherung zu vermeiden. Zu beachten sei auch die BFH-Rechtsprechung, nach der es bei 搂听14c Abs.听1 Satz听2 UStG f眉r das Entfallen der Steuerschuld zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung auf eine R眉ckzahlung 眉berh枚ht ausgewiesener Steuerbetr盲ge ankomme.
Rz. 8
W盲hrend des Revisionsverfahrens ergingen Teilabhilfebescheide vom 29.听Juni 2018, die gem盲脽 搂搂听68, 121 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Revisionsverfahrens wurden. Das FA setzte die Umsatzsteuer 2011 auf...听鈧, die Umsatzsteuer 2012 auf...听鈧 und die Umsatzsteuer 2013 auf...听鈧 fest. Hieraus ergaben sich Erstattungsanspr眉che in H枚he von...听鈧 (2011),...听鈧 (2012) und...听鈧 (2013), gegen die das FA mit Ausnahme eines Restbetrages von...听鈧 die Aufrechnung erkl盲rte.
Rz. 9
Im Hinblick hierauf beantragt das FA nunmehr, das Urteil des FG dahingehend abzu盲ndern, dass die Umsatzsteuer 2011 auf...听鈧, die Umsatzsteuer 2012 auf...听鈧 und die Umsatzsteuer 2013 auf...听鈧 festgesetzt wird.
Rz. 10
Die Kl盲gerin beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
Rz. 11
Festsetzungs- und Erhebungsverfahren seien zu trennen. Sie sei nicht Steuerschuldner gewesen. Den Steuerbescheiden stehe kein aufschiebend bedingtes Durchsetzungshindernis entgegen. Dies k枚nne nur f眉r das hier unerhebliche Erhebungsverfahren von Bedeutung sein. Das FA beziehe sich f眉r das streitige Verfahren zu Unrecht auf das Erhebungsverfahren. Der Gesetzgeber gehe von einem Erstattungsanspruch des Leistungsempf盲ngers aus. Auf einen Zufallsgewinn komme es nicht an. 搂听17 UStG sei nicht analog anzuwenden. Sie versto脽e nicht gegen Treu und Glauben und verhalte sich auch nicht widerspr眉chlich. Die Finanzverwaltung habe die Bautr盲gerproblematik selbst verursacht.
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Rz. 12
II. Die Revision des FA ist unbegr眉ndet und daher zur眉ckzuweisen (搂听126 Abs.听2 FGO). Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, war die Kl盲gerin nicht Steuerschuldnerin nach 搂听13b UStG. Hat ein Bautr盲ger aufgrund der rechtsirrigen Annahme seiner Steuerschuld als Leistungsempf盲nger f眉r von ihm bezogene Bauleistungen nach 搂听13b UStG versteuert, kann er das Entfallen dieser rechtswidrigen Besteuerung geltend machen, ohne dass es darauf ankommt, dass er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erf眉llt oder die M枚glichkeit f眉r eine Aufrechnung durch das FA besteht.
Rz. 13
1. Eine rechtswidrig nach 搂听13b UStG als Leistungsempf盲nger vorgenommene Versteuerung ist unter den Voraussetzungen einer verfahrensrechtlichen Korrekturm枚glichkeit --hier: Einspruch gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachpr眉fung gem盲脽 搂听164 Abs.听3 Satz听2 der Abgabenordnung (AO)-- r眉ckg盲ngig zu machen (vgl. hierzu z.B. Senatsurteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128).
Rz. 14
2. Das materielle Recht macht das Entfallen einer rechtswidrigen Besteuerung nach 搂听13b UStG nicht von weiteren Bedingungen abh盲ngig.
Rz. 15
a) Der Anspruch auf 脛nderung der rechtswidrigen Steuerfestsetzung h盲ngt nicht von einer f眉r das FA bestehenden Aufrechnungsm枚glichkeit ab. Denn im Verh盲ltnis zwischen Festsetzungs- und Erhebungsverfahren ist die Steuerfestsetzung f眉r das Erhebungsverfahren vorgreiflich. Grundlage f眉r die Verwirklichung von Anspr眉chen aus dem Steuerschuldverh盲ltnis sind gem盲脽 搂听218 Abs.听1 Satz听1 AO Steuerbescheide und Steuerverg眉tungsbescheide (BFH-Urteil vom 8.听M盲rz 2012 V听R听24/11, BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466, Rz听42). Sind Festsetzungs- und Erhebungsverfahren danach voneinander zu trennen, ist die das Erhebungsverfahren betreffende Aufrechnung (vgl. 搂听226 AO) f眉r die Beurteilung der Rechtswidrigkeit einer Steuerfestsetzung ohne Bedeutung.
Rz. 16
b) Auf der Grundlage des f眉r das Umsatzsteuerrecht ma脽geblichen Sollprinzips (vgl. zur Steuerentstehung 搂听13 Abs.听1 Nr.听1 Buchst.听a UStG und beim Vorsteuerabzug 搂听15 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 UStG) kann dem materiellen Recht kein allgemeiner Grundsatz entnommen werden, dass der Leistungsempf盲nger eine bei ihm rechtswidrig nach 搂听13b UStG vorgenommene Besteuerung erst aufgrund einer einen Steueranteil umfassenden Zahlung an den Leistenden r眉ckg盲ngig machen kann. Soweit dies dem Senatsbeschluss vom 27.听Januar 2016 V听B听87/15 (BFHE 252, 187) und der dort f眉r m枚glich gehaltenen Auslegung von 搂听17 UStG zu entnehmen sein sollte, hat der erkennende Senat hieran in seinem Urteil vom 23.听Februar 2017 V听R听16,听24/16 (BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz听62) nicht festgehalten.
Rz. 17
c) Best盲tigt wird dies durch 搂听27 Abs.听19 UStG.
Rz. 18
aa) Sind Unternehmer und Leistungsempf盲nger davon ausgegangen, dass der Leistungsempf盲nger die Steuer nach 搂听13b UStG auf eine vor dem 15.听Februar 2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist gem盲脽 搂听27 Abs.听19 Satz听1 UStG die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu 盲ndern, soweit der Leistungsempf盲nger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein. Nach 搂听27 Abs.听19 Satz听2 UStG steht 搂听176 AO der 脛nderung nicht entgegen. 搂听27 Abs.听19 Satz听3 UStG enth盲lt eine Abtretungsregelung, wobei 搂听27 Abs.听19 Satz听4 UStG die Erf眉llungswirkung dieser Abtretung regelt.
Rz. 19
搂听27 Abs.听19 UStG bezweckt, den Vertrauensschutz nach 搂听176 AO auszuschalten und durchbricht dabei die grunds盲tzliche Trennung zwischen Festsetzungs- und Erhebungsverfahren (BFH-Urteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, Rz听29 und 47). F眉r die Aus眉bung der 脛nderungsbefugnis gegen眉ber dem Leistenden muss diesem hier ein abtretbarer Nachforderungsanspruch gegen den Leistungsempf盲nger zustehen (BFH-Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Leitsatz听1 und unter II.2.d), der sich entsprechend der Senatsrechtsprechung aus 搂听313 des B眉rgerlichen Gesetzbuchs oder aus erg盲nzender Vertragsauslegung (so Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.听Mai 2018 VII听ZR听157/17, Neue Juristische Wochenschrift 2018, 2469) ergeben kann.
Rz. 20
bb) Eine vergleichbare Regelung zu Lasten des Leistungsempf盲ngers, der sich unzutreffend als Steuerschuldner nach 搂听13b UStG angesehen hat, gibt es nicht. Damit besteht hier die Trennung von Festsetzungs- und Erhebungsverfahren unver盲ndert fort. F眉r das 脛nderungsbegehren des Leistungsempf盲ngers kommt es daher nicht auf eine f眉r das FA bestehende Aufrechnungsm枚glichkeit an.
Rz. 21
d) Das Verlangen nach einer gesetzeskonformen Besteuerung ohne rechtsfehlerhafte Anwendung von 搂听13b UStG ist entgegen der Auffassung des FA weder treuwidrig noch eine unzul盲ssige Rechtsaus眉bung.
Rz. 22
Die Grunds盲tze von Treu und Glauben haben lediglich rechtsbegrenzende Wirkung innerhalb bestehender Schuldverh盲ltnisse und bewirken nicht, dass Steueranspr眉che oder -schulden 眉berhaupt erst zum Entstehen oder Erl枚schen gebracht werden (BFH-Urteil vom 12.听Februar 2015 V听R听28/14, BFHE 248, 512, BStBl II 2017, 10, Rz听31听f.).
Rz. 23
Im Streitfall war es die Finanzverwaltung, die aufgrund einer unzutreffenden Beurteilung den Anwendungsbereich auf Leistungsempf盲nger ohne Recht auf Vorsteuerabzug erweitert und aus den im Senatsurteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 dargelegten Gr眉nden die Kl盲gerin als Bautr盲gerin rechtswidrig besteuert hat. Das Verlangen nach Korrektur dieser rechtswidrigen Besteuerung, ohne zuvor einen Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erf眉llt zu haben, ist im Verh盲ltnis zum FA (entgegen der Auffassung im BMF-Schreiben vom 26.听Juli 2017, BStBl I 2017, 1001, Rz听15a) nicht treuwidrig.
Rz. 24
e) Es besteht auch kein Widerspruch zum Neutralit盲tsgrundsatz. Hierzu hat der Gerichtshof der Europ盲ischen Union (EuGH) bereits entschieden, dass dem Antrag auf Erstattung zu viel entrichteter Mehrwertsteuer der Anspruch auf R眉ckzahlung rechtsgrundlos gezahlter Betr盲ge zugrunde liegt, mit dem die mit der Abgabe zu Unrecht auferlegte wirtschaftliche Belastung des Wirtschaftsteilnehmers zu neutralisieren ist (EuGH-Urteil Compass Contract Services vom 14.听Juni 2017 C-38/16, EU:C:2017:454, Rz听29听f.).
Rz. 25
f) Abweichendes ergibt sich entgegen der Auffassung des FA auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 16.听Mai 2018 XI听R听28/16 (BFH/NV 2018, 1048). Der XI.听Senat des BFH hat hier entschieden, dass die wirksame Berichtigung eines Steuerbetrags nach 搂听14c Abs.听1 Satz听2, 搂听17 Abs.听1 UStG grunds盲tzlich erfordert, dass der Unternehmer die vereinnahmte Umsatzsteuer an den Leistungsempf盲nger zur眉ckgezahlt hat. Dies wurde insbesondere damit begr眉ndet, dass "eine Erstattung durch das FA allein aufgrund der Rechnungsberichtigung ohne R眉ckzahlung der Steuer den Leistenden ungerechtfertigt bereichern" w眉rde.
Rz. 26
Denn das BFH-Urteil in BFH/NV 2018, 1048 betrifft die Auslegung von 搂听14c Abs.听1 Satz听2 UStG, der anders als 搂听13b UStG auf 搂听17 UStG verweist. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz听62 entschieden hat, kommt eine Ber眉cksichtigung von 搂听17 UStG bei einer rechtsfehlerhaften Anwendung von 搂听13b UStG nicht in Betracht.
Rz. 27
3. Die Kostenentscheidung beruht auf 搂听135 Abs.听2 FGO.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 12316129 |
BFH/NV 2019, 87 |
BFH/PR 2019, 33 |
BStBl II 2019, 109 |
BFHE 2019, 571 |
BB 2018, 2773 |
BB 2019, 987 |
DB 2018, 15 |
DB 2018, 2799 |
DStR 2018, 2423 |
DStRE 2018, 1464 |
HFR 2019, 302 |
UR 2018, 959 |