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Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung der Entfernungspauschale f眉r Familienheimfl眉ge im Rahmen einer doppelten Haushaltsf眉hrung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden
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Leitsatz (amtlich)
1. Der Umstand, dass der Gesetzgeber Flugstrecken nicht in die Entfernungspauschale einbezogen hat, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Mit dem Abzug der tats盲chlichen Flugkosten wahrt der Gesetzgeber das objektive Nettoprinzip in besonderer Weise und tr盲gt folgerichtig dem Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsf盲higkeit Rechnung.
3. Soweit die Entfernungspauschale als entfernungsabh盲ngige Subvention und damit als Lenkungsnorm wirkt, ist es gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber aus verkehrs- und umweltpolitischen Motiven Flugstrecken nicht in die Entfernungspauschale einbezogen hat.
4. Mit dem Abzug der tats盲chlichen Flugkosten gem盲脽 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 i.V.m. 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG verst枚脽t der Gesetzgeber nicht wegen eines normativen Vollzugsdefizits gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
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Normenkette
EStG 搂 9 Abs. 1 S. 3 Nr.听5 S. 5, Nr.听4 S. 3; GG Art. 3 Abs. 1
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Streitig ist, ob Aufwendungen der Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin) f眉r Heimfl眉ge im Rahmen einer doppelten Haushaltsf眉hrung in H枚he der Entfernungspauschale angesetzt werden k枚nnen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hat im Einkommensteuerbescheid 2002 die tats盲chlichen Flugkosten zum Werbungskostenabzug zugelassen. Einspruchs- und Klageverfahren, in denen die Kl盲gerin den Ansatz der Entfernungspauschale auch f眉r die mit dem Flugzeug zur眉ckgelegte Wegstrecke begehrte, blieben ohne Erfolg.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision r眉gen die Kl盲ger die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere einen Versto脽 gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie, wegen eines normativen Vollzugsdefizits, gegen das Willk眉rverbot.
Die Kl盲ger beantragen,
zun盲chst das Verfahren vorab nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und wegen Verletzung des Gleichheitssatzes gem盲脽 Art. 3 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen,
sodann das Urteil des Finanzgerichts (FG) N眉rnberg vom 18. Juli 2006 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 27. Januar 2004 --in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Januar 2005-- dahingehend abzu盲ndern, dass zur Abgeltung von 44 Familienheimfahrten Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsf眉hrung in H枚he von 11 246,40 鈧 --unter Abzug der bisher f眉r diese Fahrten ber眉cksichtigten Aufwendungen-- angesetzt werden.
Das FA beantragt,
die Revision zur眉ckzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegr眉ndet und daher zur眉ckzuweisen (搂 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat Werbungskosten der Kl盲gerin f眉r Heimfl眉ge im Rahmen einer doppelten Haushaltsf眉hrung zu Recht nicht nach der Entfernungspauschale bemessen.
1. Werbungskosten sind auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begr眉ndeten doppelten Haushaltsf眉hrung entstehen, und zwar unabh盲ngig davon, aus welchen Gr眉nden die doppelte Haushaltsf眉hrung beibehalten wird (搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Art. 1 Nr. 7 des Steuer盲nderungsgesetzes 2003 --St脛ndG 2003-- vom 15. Dezember 2003, BGBl I 2003, 2645 --EStG--, die nach 搂 52 Abs. 23b EStG in allen noch nicht formell bestandskr盲ftigen F盲llen anzuwenden ist). Aufwendungen f眉r die Wege vom Besch盲ftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zur眉ck (Familienheimfahrten) k枚nnen jeweils nur f眉r eine Familienheimfahrt w枚chentlich abgezogen werden (搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG bzw. 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG 2002). Zur Abgeltung der Aufwendungen f眉r eine Familienheimfahrt ist eine Entfernungspauschale von 0,40 鈧 f眉r jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstands und dem Besch盲ftigungsort anzusetzen (搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG bzw. 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 EStG 2002). Dies gilt nicht f眉r eine Flugstrecke (搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 i.V.m. Nr. 4 Satz 3 EStG bzw. 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 6 i.V.m. Nr. 4 Satz 3 EStG 2002).
Das FG hat die Vorschriften 眉ber die steuerrechtliche Ber眉cksichtigung von Familienheimfahrten zutreffend angewendet. Auf der Grundlage der einfachgesetzlichen Rechtslage sind Aufwendungen f眉r Fl眉ge zwischen Besch盲ftigungs- und Wohnort im Rahmen einer doppelten Haushaltsf眉hrung auch dann nur in H枚he der tats盲chlichen Kosten dem Werbungskostenabzug zug盲nglich, wenn sich bei Anwendung der Entfernungspauschale ein h枚herer Abzugsbetrag erg盲be.
2. Der Umstand, dass der Gesetzgeber Flugstrecken nicht in die Entfernungspauschale einbezogen hat, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierauf hat schon die Vorinstanz zutreffend hingewiesen. Insbesondere verst枚脽t die Regelung des 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 i.V.m. 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG kommt im Streitfall daher nicht in Betracht.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt f眉r ungleiche Belastungen wie auch f眉r ungleiche Beg眉nstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen f眉r den Gesetzgeber, die vom blo脽en Willk眉rverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verh盲ltnism盲脽igkeitserfordernisse reichen. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grunds盲tzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen kn眉pft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsf盲higkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Die f眉r die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht ma脽gebliche finanzielle Leistungsf盲higkeit bemisst der einfache Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip. Danach unterliegt der Einkommensteuer grunds盲tzlich nur das Nettoeinkommen, n盲mlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den (betrieblichen/beruflichen) Erwerbsaufwendungen sowie den (privaten) existenzsichernden Aufwendungen andererseits (BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008听 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BFH/NV 2009, 338, m.w.N.).
Diesen verfassungs- wie einfachrechtlichen Ma脽st盲ben wird die Regelung des 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 i.V.m. 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG gerecht. Schlie脽lich l盲sst der Gesetzgeber Aufwendungen f眉r Fl眉ge zwischen Besch盲ftigungs- und Wohnort im Rahmen einer doppelten Haushaltsf眉hrung in H枚he der tats盲chlichen Kosten und nicht nur beschr盲nkt durch die Entfernungspauschale zum Werbungskostenabzug zu. Damit wahrt der Gesetzgeber das objektive Nettoprinzip in besonderer Weise und tr盲gt folgerichtig dem Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsf盲higkeit Rechnung.
b) Aber auch soweit die Entfernungspauschale als entfernungsabh盲ngige Subvention und damit als Lenkungsnorm wirkt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Mai 2005 VI R 70/03, BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785), kommt eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG wegen ihrer Versagung im Streitfall nicht in Betracht.
Der Steuergesetzgeber ist grunds盲tzlich nicht gehindert, au脽erfiskalische F枚rderungs- und Lenkungsziele aus Gr眉nden des Gemeinwohls zu verfolgen. Er darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Der B眉rger wird dann nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, erh盲lt aber durch Sonderbelastung eines unerw眉nschten Verhaltens oder durch steuerliche Verschonung eines erw眉nschten Verhaltens ein Motiv, sich f眉r ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden. Nur dann jedoch, wenn solche F枚rderungs- und Lenkungsziele von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen werden, sind sie auch geeignet, rechtfertigende Gr眉nde f眉r steuerliche Belastungen oder Entlastungen zu liefern. Weiterhin muss der F枚rderungs- und Lenkungszweck gleichheitsgerecht ausgestaltet sein, und auch Verg眉nstigungstatbest盲nde m眉ssen jedenfalls ein Mindestma脽 an zweckgerechter Ausgestaltung aufweisen (BVerfG-Urteil in BFH/NV 2009, 338, m.w.N.).
Nach diesen Ma脽st盲ben begegnet der Umstand, dass der Gesetzgeber Flugstrecken nicht in die Entfernungspauschale einbezogen hat, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Lenkungswirkung entfaltet die Entfernungspauschale, wenn die tats盲chlichen Wegekosten niedriger sind als der nach der Pauschale bemessene Aufwand (vgl. BFH-Urteil in BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785). Dies ist in erster Linie bei der Benutzung 枚ffentlicher Verkehrsmittel, bei der Sammelbef枚rderung durch den Arbeitgeber und bei Fahrgemeinschaften der Fall.
Die Entscheidung des Gesetzgebers, in diesen F盲llen eine Steuerverg眉nstigung zu gew盲hren, ist erkennbar von umwelt- und verkehrspolitischen Zielen getragen. Die Entfernungspauschale soll insbesondere die Chancengleichheit zwischen den Verkehrstr盲gern erh枚hen und die Bildung von Fahrgemeinschaften honorieren (BTDrucks 14/4242, 5). Es ist deshalb gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Entfernungspauschale in F盲llen, die --wie das Flugzeug-- Fahrgemeinschaften nicht zug盲nglich sind, f眉r entbehrlich h盲lt. Ebenfalls mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist es, wenn bei der Benutzung eines Flugzeugs die tats盲chlichen Kosten und bei der Benutzung der Bahn Aufwendungen in H枚he der Entfernungspauschale steuermindernd ber眉cksichtigt werden. Der Umstand, dass die Bahn gegen眉ber dem Flugzeug in Bezug auf den Prim盲renergieverbrauch und den Aussto脽 von Treibhausgasen das umweltfreundlichere Verkehrsmittel ist, erlaubt eine unterschiedliche Behandlung der beiden Verkehrsmittel im Rahmen der umwelt- und verkehrspolitisch motivierten (BTDrucks 14/4242, 5) Entfernungspauschale. Insbesondere ist darin keine willk眉rliche Differenzierung n盲mlicher Sachverhalte zu erblicken.
Im 脺brigen sucht der Gesetzgeber mit 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 i.V.m. 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG unerw眉nschte Mitnahmeeffekte, insbesondere bei Familienheimfahrten, zu verhindern (BTDrucks 14/4242, 6). Er konnte typisierend davon ausgehen, dass mit dem Flugzeug in der Regel gr枚脽ere Entfernungen zur眉ckgelegt werden und deshalb steuerliche Entlastung bei Anwendung der Entfernungspauschale und tats盲chliche Wegekosten in besonderem Ma脽e gegenl盲ufig w盲ren. Die Versagung der Entfernungspauschale f眉r Flugstrecken ist damit auch insoweit sachlich gerechtfertigt.
c) Schlie脽lich verst枚脽t 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 i.V.m. 搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG nicht wegen eines normativen Vollzugsdefizits gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Insoweit verkennen die Kl盲ger, dass es im Fall der Werbungskosten f眉r Familienheimfahrten nicht ausschlie脽lich auf die Erkl盲rung des Steuerpflichtigen ankommt, ob er wahrheitsgem盲脽 die tats盲chlichen Flugkosten oder die Entfernungspauschale geltend macht. Insbesondere hat der Gesetzgeber insoweit nicht auf die M枚glichkeit der Verifikation verzichtet. Schlie脽lich muss im Veranlagungsverfahren der Steuerpflichtige steuermindernde Abzugstatbest盲nde nachweisen und damit gegebenenfalls auch belegen, mit welchem Verkehrsmittel er im Rahmen der doppelten Haushaltsf眉hrung Familienheimfahrten durchgef眉hrt hat. Dies ist insbesondere auch dann erforderlich, wenn der Steuerpflichtige die Wegekosten nach der Entfernungspauschale berechnet und eine hohe Fahrleistung behauptet oder in Frage steht, ob der Steuerpflichtige Familienheimfahrten mit einem im Rahmen einer Einkunftsart 眉berlassenen Kraftfahrzeug zur眉ckgelegt hat (搂 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 6 EStG).
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Fundstellen
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BFH/NV 2009, 1181 |
BFH/PR 2009, 287 |
BStBl II 2009, 724 |
BFHE 2009, 448 |
BFHE 224, 448 |
BB 2009, 1443 |
DB 2009, 1387 |
DStRE 2009, 776 |
DStZ 2009, 499 |
HFR 2009, 768 |