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Leitsatz (amtlich)
Eine Gemeinde 眉bt im Wege der Amtshilfe 枚ffentliche Gewalt aus, wenn sie auf Grund von Vertr盲gen mit anderen Gemeinden Abw盲sser in ihre Kanalisation 眉bernimmt und beseitigt.
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Normenkette
UStG 1951 搂 2 Abs. 3; UStDB 1951 搂 19
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Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob eine Gemeinde durch die 脺bernahme von Abw盲ssern aus anderen Gemeinden in ihre Kanalisation 枚ffentliche Gewalt aus眉bt oder als Unternehmer t盲tig wird.
Die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin, eine Stadtgemeinde (Steuerpflichtige), gestattete Nachbargemeinden und privaten Grundst眉ckseigent眉mern in Vertr盲gen angrenzende Gemeindegebiete an die st盲dtische Kanalisation anzuschlie脽en. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) zog nach einer Betriebspr眉fung die Steuerpflichtige mit den bisher nicht versteuerten, f眉r die 脺bernahme der Abw盲sser vereinnahmten Geb眉hren zur Umsatzsteuer heran. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das FG stellte auf die Berufung der Steuerpflichtigen einen Teil der Ums盲tze von der Umsatzsteuer frei und begr眉ndete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
Nach 搂 19 Abs. 2 Satz 1 UStDB 1951 geh枚re die Abf眉hrung von Sp眉lwasser und Abf盲llen (im folgenden als Abw盲sserbeseitigung bezeichnet) zur Aus眉bung der 枚ffentlichen Gewalt, die nach 搂 2 Abs. 3 UStG 1951 keine gewerbliche oder berufliche T盲tigkeit sei. Gemeinden d眉rften die ihnen hinsichtlich der Abw盲sserbeseitigung zustehende 枚ffentliche Gewalt aber nur gegen眉ber Eigent眉mern von Grundst眉cken in ihrem Gemeindegebiet aus眉ben. Eine Ausnahme k枚nne nur gelten, wenn einer Gemeinde die Wahrnehmung der Aufgaben einer anderen Gemeinde durch das in den Streitjahren 1955 bis 1957 geltende Zweckverbandsgesetz vom 7. Juni 1939 (BGBl I 1939, 979) ausdr眉cklich 眉bertragen worden sei. Das treffe f眉r einen Teil der Ums盲tze (in den Streitjahren rund ... DM) zu, weil die Steuerpflichtige mit Nachbargemeinden Vertr盲ge im Sinne des 搂 13 Abs. 1 des Zweckverbandsgesetzes abgeschlossen habe. Diese Vorschrift gebe den Gemeinden die M枚glichkeit, ihre betrieblichen Einrichtungen anderen Gemeinden zur Mitbenutzung zur Verf眉gung zu stellen. Die Vereinbarungen bed眉rften nach 搂 13 Abs. 2 des Zweckverbandsgesetzes der Genehmigung durch die Aufsichtsbeh枚rde. An diesen Genehmigungen fehle es im Streitfall. Dieser Umstand k枚nne jedoch in analoger Anwendung des 搂 5 Abs. 3 StAnpG steuerlich als unerheblich angesehen werden. Die Beteiligten h盲tten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgesch盲fts eintreten und bestehen lassen. Im Umsatzsteuer-Recht seien die tats盲chlichen Vorg盲nge zu erfassen. Hinzu komme, da脽 nach einer Auskunft des zust盲ndigen Regierungspr盲sidenten vom ... die Abw盲sserbeseitigung den Gemeinden eigent眉mlich sei und die Gemeindebeh枚rden untereinander die Pflicht zur Amtshilfe h盲tten. - Soweit die Abw盲sserbeseitigung aufgrund von Vertr盲gen mit den Nachbargemeinden erfolgte, nahm deshalb das FG Aus眉bung 枚ffentlicher Gewalt an und stellte die Ums盲tze im Werte von insgesamt rd. ... DM von der Umsatzsteuer frei. Soweit die Steuerpflichtige dagegen Abw盲sser aufgrund von Vertr盲gen mit einzelnen Grundst眉ckseigent眉mern aus Nachbargemeinden in ihr Kanalisationsnetz 眉bernommen hatte, verneinte das FG die Aus眉bung 枚ffentlicher Gewalt. Es beurteilte die Abw盲sserbeseitigung f眉r diese Grundst眉cke als unternehmerische T盲tigkeit der Steuerpflichtigen und setzte f眉r Ums盲tze in H枚he von rd.... DM die Steuer fest.
Mit der Rechtsbeschwerde r眉gt das FA die unrichtige Anwendung des 搂 19 UStDB 1951 und des 搂 5 StAnpG mit folgender Begr眉ndung: Das FG 眉bersehe, da脽 die Vereinbarungen der beteiligten Gemeinden nicht notwendig solche nach dem Zweckverbandsgesetz sein m眉脽ten und tats盲chlich nicht auf dem Boden dieses Gesetzes st眉nden. Deshalb bleibe f眉r die entsprechende Anwendung des 搂 5 Abs. 3 StAnpG kein Raum. Die Vertr盲ge seien ebenso wie die Vertr盲ge mit den einzelnen Grundst眉ckseigent眉mern der Nachbargemeinden privatrechtlich gemeint gewesen. Auch wenn man mit dem FG ungeachtet der nichtgewahrten Formvorschriften des Zweckverbandsgesetzes 枚ffentlich-rechtliche Vereinbarungen im Sinne des 搂 13 des Zweckverbandsgesetzes annehmen wolle, seien im Streitfall die Voraussetzungen f眉r die Aus眉bung 枚ffentlicher Gewalt nicht gegeben. Eine 枚ffentlich-rechtliche Vereinbarung m眉sse nicht notwendig die Aus眉bung hoheitlicher Gewalt zum Gegenstand haben. Die Aus眉bung 枚ffentlicher Gewalt komme im T盲tigwerden durch Verwaltungsakte zum Ausdruck. Es erscheine ausgeschlossen, da脽 durch eine schlichte Vereinbarung ohne Zust盲ndigkeitswechsel Aufgaben einer Gemeinde - und damit die Befugnis zum Erla脽 von Verwaltungsakten - auf eine andere Gemeinde 眉bergingen. Im Streitfall sei durch die Vereinbarung die Befugnis zur Aus眉bung 枚ffentlicher Gewalt nicht 眉bergegangen, weil die Nachbargemeinden das Recht behalten h盲tten, den Anschlu脽 der einzelnen Grundst眉cke an die Kanalisation durch Zwang zu erwirken. Auch gehe das FG fehl, wenn es seine Entscheidung mit der Verpflichtung der Gemeinden begr眉nde, untereinander Amtshilfe zu leisten. Mit dem Hinweis auf das Urteil des BFH V 131/62 U vom 1. April 1965 (BFH 82, 263, BStBl III 1965, 339) werde - zumindest f眉r den Streitfall - der Begriff der Amtshilfe zu weit ausgedehnt. Von einem beh枚rdlichen Beistandleisten k枚nne nicht mehr gesprochen werden, wenn die in Anspruch genommene Beh枚rde von vorneherein anstelle der ersuchenden Beh枚rde t盲tig werde.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit die Steuerpflichtige von der Umsatzsteuer freigestellt werde, weil sie die Abw盲sserbeseitigung aufgrund von Vertr盲gen mit den Nachbargemeinden vorgenommen habe.
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Aus den Gr眉nden:
Die nach Einf眉hrung der FGO (1. Januar 1966) als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde des FA ist im Ergebnis unbegr眉ndet.
FG und FA gehen 眉bereinstimmend und zutreffend davon aus, da脽 eine Gemeinde die Abw盲sserbeseitigung als hoheitliche T盲tigkeit grunds盲tzlich nur gegen眉ber Personen aus眉bt, die Eigent眉mer von Grundst眉cken im Gemeindegebiet sind. Die Hoheitsgewalt einer Gemeinde beschr盲nkt sich auf das Gemeindegebiet. Au脽erhalb ihres Gemeindegebiets d眉rfen Gemeinden nur in Ausnahmef盲llen hoheitlich t盲tig werden. Die rechtlichen Grundlagen f眉r die T盲tigkeit einer Gemeinde oder einer anderen Gebietsk枚rperschaft au脽erhalb ihres Gebietes k枚nnen im Einzelfall verschieden sein. Es kommt die 脺bertragung hoheitlicher Befugnisse durch ein Gesetz, einen Vertrag zwischen Gebietsk枚rperschaften und Amtshilfe (auch Beistand genannt) in Betracht. Es kann f眉r die Entscheidung des Streitfalles dahingestellt bleiben, ob die 脺bertragung des Rechts, im Zusammenhang mit der Abw盲sserbeseitigung 枚ffentliche Gewalt auszu眉ben, zwischen Gemeinden nur durch Abschlu脽 eines Vertrages im Sinne des 搂 13 Abs. 1 des Zweckverbandsgesetzes und dessen Genehmigung durch die Aufsichtsbeh枚rde (搂 13 Abs. 2 des Zweckverbandsgesetzes) m枚glich ist. Die Steuerpflichtige konnte in Aus眉bung der grunds盲tzlich den Nachbargemeinden zustehenden 枚ffentlichen Gewalt auch dann t盲tig werden, wenn sie in Amtshilfe (Beistand) f眉r die Nachbargemeinden gehandelt hat. Eine Amtshilfe kann sogar dann vorliegen, wenn die K枚rperschaften des 枚ffentlichen Rechts (hier Gemeinden) die zur Erf眉llung ihrer Aufgaben erforderlichen Vereinbarungen untereinander in den Formen des privaten Rechts treffen (BFH-Urteil V 76/64 vom 6. Juli 1967, BFH 89, 164, BStBl III 1967, 582).
Eine Beistandsleistung liegt vor, wenn durch die Handlung die F枚rderung 枚ffentlich-rechtlicher Ziele (Gegensatz: wirtschaftliche Ziele) verfolgt wird und sie sich nicht als Ausflu脽 eines organisatorischen Unterordnungsverh盲ltnisses darstellt. Es liegt im Rahmen des f眉r alle Beh枚rden im Bundesgebiet verbindlichen, in Art. 35 GG ausgesprochenen verfassungsrechtlichen Grundsatzes der gegenseitigen Hilfeleistung, da脽 eine Beh枚rde die Aufgaben einer anderen Beh枚rde 眉bernimmt, wenn sie ohne Beeintr盲chtigung ihres eigenen Aufgabenkreises dazu in der Lage ist und damit die Aufgaben der anderen Beh枚rde auf deren Ersuchen zu erleichtern trachtet (BFH-Urteil V 131/62 U, a. a. O., betreffend die 脺bertragung b眉rotechnischer Arbeiten an die Hollerith-Abteilung eines anderen Sozialversicherungstr盲gers). Die 枚ffentlich-rechtliche Natur der im Beistandswege erbrachten Leistungen wird nicht dadurch ausgeschlossen, da脽 die Beistand leistende K枚rperschaft von der ersuchenden einen angemessenen Auslagenersatz erh盲lt (BFH-Urteil V 76/64, a. a. O., betreffend die 脺bertragung von Aufgaben zwischen Rundfunkanstalten, die K枚rperschaften des 枚ffentlichen Rechts sind).
Nach den Feststellungen des FG sind bei den Abw盲sserbeseitigungen aufgrund von Vertr盲gen mit den Nachbargemeinden alle Voraussetzungen erf眉llt, um Beistandsleistungen der Steuerpflichtigen annehmen zu k枚nnen. Die Abw盲sserbeseitigung geh枚rt nach 搂 19 Abs. 2 UStDB 1951 zur Aus眉bung 枚ffentlicher Gewalt. Die Steuerpflichtige tritt durch die Beseitigung des aus Nachbargemeinden 眉bernommenen Abwassers nicht in Wettbewerb mit privaten Unternehmern, was gebieten w眉rde, den 搂 2 Abs. 3 UStG "mit geb眉hrender Vorsicht" anzuwenden (BFH-Urteil V 21/64 vom 18. August 1966, BFH 87, 228, BStBl III 1967, 100). Der zust盲ndige Regierungspr盲sident hat dem FG auf Anfrage die Auskunft erteilt, da脽 nach seinen Erfahrungen Abw盲sserbeseitigungsunternehmen nicht von privaten Unternehmern betrieben w眉rden. Ferner besteht zwischen verschiedenen Gemeinden kein organisatorisches Unterordnungsverh盲ltnis. Schlie脽lich kann die Steuerpflichtige die Abw盲sserbeseitigung f眉r eine beschr盲nkte Anzahl von Grundst眉cken, die jenseits ihrer Stadtgrenze liegen, ohne Beeintr盲chtigung ihrer eigenen Aufgaben 眉bernehmen. Es ist f眉r ein entsprechend ausgebautes Kanalisationsnetz einer Stadt unerheblich, ob aus einer begrenzten Anzahl von Grundst眉cken die Abw盲sser in ihr Kanalsystem eingeleitet werden oder nicht. Die 脺bernahme der Abw盲sser durch die Steuerpflichtige erleichtert den Nachbargemeinden die ihnen obliegende 枚ffentlich-rechtliche Aufgabe, f眉r die Abw盲sserbeseitigung zu sorgen. Diese k枚nnen darauf verzichten, f眉r das 眉brige Gemeindegebiet eine eigene Kanalisation anzulegen oder, wenn eine Kanalisation vorhanden ist, ung眉nstig gelegene Grundst眉cke unter erheblichem Kostenaufwand an das 枚rtliche Kanalnetz anzuschlie脽en.
Zu Unrecht meint das FA in seiner Rechtsbeschwerde-Begr眉ndung, die im BFH-Urteil V 131/62 U (a. a. O.) entwickelten Grunds盲tze k枚nnten zwar bei der 脺bernahme mechanischer B眉roarbeiten zur Annahme von Amtshilfe f眉hren, sie rechtfertigten aber nicht die Annahme einer Amtshilfe in jedem noch so weit gespannten Falle beh枚rdlicher Unterst眉tzung. Die im BFH-Urteil V 131/62 U (a. a. O.) entwickelten Grunds盲tze lassen sich auf den Streitfall 眉bertragen: Mit der 脺bernahme von Abw盲ssern werden aus Zweckm盲脽igkeitsgr眉nden mechanische Leistungen f眉r eine andere K枚rperschaft ebenso erbracht wie durch die 脺bernahme mechanischer B眉roarbeiten auf Hollerithanlagen. Auch kann sich der Senat nicht der in der Rechtsbeschwerde-Begr眉ndung wiedergegebenen Ansicht von v. Mangoldt-Klein (Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., 1964, Art. 35 GG, Anm. V 2b) anschlie脽en, wonach keine beh枚rdliche Beistandsleistung vorliegen soll, wenn die Hilfeleistung der in Anspruch genommenen Beh枚rde so verst盲rkt ist, da脽 diese nicht f眉r den Einzelfall, sondern von vorneherein an die Stelle der ersuchenden Beh枚rde tritt. v. Mangoldt-Klein f眉hren in Abschn. V, 5 ihrer Erl盲uterungen zu Art. 35 GG selbst aus, da脽 sich hinsichtlich des Begriffs der beh枚rdlichen Beistandsleistungen noch kein allgemeiner Sprachgebrauch und keine einheitlichen Rechtsgrunds盲tze herausgebildet h盲tten. Der Senat hat in F盲llen st盲ndiger 脺bernahme von Arbeiten durch K枚rperschaften f眉r andere K枚rperschaften in den Urteilen V 131/62 U und V 76/64 (a. a. O.) Beistandsleistungen angenommen. Die fortschreitende technische Entwicklung zwingt dazu, zur Erf眉llung der 枚ffentlich-rechtlichen Aufgaben f眉r bestimmte Zwecke gr枚脽ere technische Anlagen einzusetzen. Wenn sich mehrere K枚rperschaften der im Eigentum einer K枚rperschaft stehenden gr枚脽eren technischen Anlage bedienen, 盲ndert sich dadurch der 枚ffentlich-rechtliche Charakter der Aufgabenerf眉llung nicht. Ob eine Beistandsleistung auch dann vorliegt, wenn sich die abgebende K枚rperschaft ihrer hoheitlichen Aufgaben v枚llig ent盲u脽ert, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Den Nachbargemeinden ist die Aus眉bung ihrer hoheitlichen Gewalt im Zusammenhang mit der Abw盲sserbeseitigung auf ihrem Gemeindegebiet verblieben. Es obliegt ihnen, die Grundst眉ckseigent眉mer gegebenenfalls zum Anschlu脽 an die Kanalisation zu zwingen. Die Steuerpflichtige hat nur einen - allerdings erheblichen - Teil der mit der Abw盲sserbeseitigung zusammenh盲ngenden Aufgaben den Nachbargemeinden abgenommen.
Soweit die Steuerpflichtige aufgrund von Vertr盲gen mit anderen Gemeinden - nicht jedoch Privatvertr盲gen mit einzelnen Grundst眉ckseigent眉mern - Abw盲sser aus Nachbargemeinden 眉bernimmt, liegt daher eine Aus眉bung 枚ffentlicher Gewalt vor.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 68466 |
BStBl II 1969, 280 |
BFHE 1969, 558 |