听
Leitsatz (amtlich)
Eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach 搂 100 Abs. 1 Satz 4 FGO kann auch in F盲llen erhoben werden, in denen sich der streitige Verwaltungsakt schon vor Klageerhebung erledigt hat.
听
Normenkette
FGO 搂搂听41, 100 Abs. 1 S. 4
听
Tatbestand
Bei der Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin) fand im Jahre 1971 eine Betriebspr眉fung statt. Dabei traten bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) Zweifel dar眉ber auf, welche Zahlungen verschiedene Firmen in den Jahren 1966 bis 1969 an die Kl盲gerin geleistet hatten. Ohne die Kl盲gerin zu informieren, richtete das FA deshalb am 27. Januar und 11. Februar 1971 drei Auskunftsersuchen an verschiedene Firmen. Diese erteilten die erbetenen Ausk眉nfte. Danach legte die Kl盲gerin Beschwerde ein und erhob nach deren Zur眉ckweisung durch die Oberfinanzdirektion (OFD) Klage mit dem Antrag, die Auskunftsersuchen unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung f眉r rechtswidrig zu erkl盲ren. Zur Begr眉ndung f眉hrte sie u. a. aus, die Anfragen h盲tten ihr Ansehen bei den befragten Firmen gesch盲digt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begr眉ndung f眉hrte es aus: Die Klage sei nicht statthaft. Sie sei eine Feststellungsklage. Die Voraussetzungen des 搂 41 der Finanzgerichtsordnung (FGO) seien jedoch nicht gegeben. Diese Vorschrift gebe nicht die M枚glichkeit, die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes festzustellen. Auf 搂 100 Abs. 1 Satz 4 FGO k枚nne sich die Kl盲gerin nicht berufen, da sie erst nach Vollzug des Verwaltungsaktes Klage erhoben habe. Die Zul盲ssigkeit der erhobenen Feststellungsklage ergebe sich auch nicht aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG).
听
贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
Die Revision f眉hrt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zur眉ckverweisung der Sache an das FG.
Die Kl盲gerin hat in der Vorinstanz beantragt, die Auskunftsersuchen f眉r rechtswidrig zu erkl盲ren. Das FG hat darin zu Recht den Antrag gesehen festzustellen, da脽 diese rechtswidrig gewesen seien. Es hat jedoch zu Unrecht diese Feststellungsklage f眉r nicht statthaft gehalten.
Die Voraussetzungen einer Feststellungsklage nach 搂 41 Abs. 1 FGO sind im vorliegenden Fall zwar nicht gegeben, wie das FG zutreffend entschieden hat. Die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverh盲ltnisses steht nicht in Frage. Weder die Auskunftsersuchen selbst - die Verwaltungsakte sind (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20. Februar 1979 VII R 16/78, BFHE 127, 104, BStBl II 1979, 268) - noch die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit, noch die Berechtigung der Beh枚rde, sie zu erlassen, sind ein Rechtsverh盲ltnis in diesem Sinn. Auch hat die Kl盲gerin entgegen ihrer Darlegung in der m眉ndlichen Verhandlung vor dem FG, sie st眉tze sich auf 搂 41 Abs. 1 zweite Alternative FGO, nicht die Feststellung der Nichtigkeit der Auskunftsersuchen beantragt, sondern, wie sich aus ihrem auch in der m眉ndlichen Verhandlung nicht ge盲nderten Klageantrag und dessen Begr眉ndung ergibt, die schlichte Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit begehrt.
Entgegen der Auffassung des FG ergibt sich jedoch die Zul盲ssigkeit des Festellungsbegehrens der Kl盲gerin aus 搂 100 Abs. 1 Satz 4 FGO. Danach spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, da脽 der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn er sich vorher erledigt hat. Aus der systematischen Stellung dieser Vorschrift in der Finanzgerichtsordnung und dem Wort "vorher" k枚nnte geschlossen werden, da脽 diese sich nur auf den Fall des nach Klageerhebung erledigten Verwaltungsakts bezieht. Diese Auslegung ist jedoch nicht zwingend. Der Wortlaut der Vorschrift schlie脽t es nicht aus, da脽 die sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage des 搂 100 Abs. 1 Satz 4 FGO auch dann f眉r zul盲ssig erachtet wird, wenn sich der Verwaltungsakt bereits vor Erhebung der Anfechtungsklage erledigt hat. Diese Auslegung entspricht dem allgemeinen Grundsatz der Finanzgerichtsordnung, einen m枚glichst umfassenden Rechtsschutz zu gew盲hren. W盲re diese Klage gegen einen Verwaltungsakt, der schon vor der Klageerhebung seine Erledigung gefunden hat, nicht zul盲ssig, so w盲re es, insbesondere bei befristeten oder ihrer Natur nach kurzlebigen Akten, vom Zufall oder auch von der mehr oder weniger schnellen Verwirklichung des Verwaltungsakts durch die Verwaltungsbeh枚rde abh盲ngig, ob dem Betroffenen Rechtsschutz durch die FG gew盲hrt werden kann. So hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in st盲ndiger Rechtsprechung zu der gleichlautenden Vorschrift des 搂 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entschieden, da脽 es hinsichtlich der Zul盲ssigkeit des Feststellungsantrages keinen Unterschied macht, ob sich der streitige Verwaltungsakt vor oder nach der Klageerhebung erledigt hat (vgl. BVerwG-Urteil vom 1. Juli 1975 I C 35.70, BVerwGE 49, 36, 39, mit weiteren Nachweisen). Diese Auffassung stimmt 眉berein mit der fast einhelligen Auffassung im Schrifttum zur Verwaltungsgerichtsordnung (vgl. Eyermann-Fr枚hler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., 搂 42 Anm. 103, 搂 113 Anm. 51, mit weiteren Nachweisen; Urteil des Oberverwaltungsgerichts - OVG - Hamburg vom 22. April 1966 I 20/65, Deutsches Verwaltungsblatt 1967 S. 422, 423, ebenfalls mit weiteren Nachweisen auf das Schrifttum).
Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung (vgl. Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 搂 100 Anm. 70; anderer Auffassung v. Wallis-List in H眉bschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., 搂 100 FGO Anm. 54; Tipke-Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., 搂 100 FGO Anm. 11; Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., Bd. III, 搂 100 FGO Anm. 7 Abs. 6; Gr盲ber, Finanzgerichtsordnung, 搂 100 Anm. 14). Er sieht um so mehr Anla脽 dazu, als die zitierte Rechtsprechung des BVerwG und einiger OVG zur Bedeutung des 搂 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und der Vorschriften, die ihm zeitlich vorausgingen und fast den gleichen Wortlaut hatten, bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Finanzgerichtsordnung im Jahre 1965 bestand (vgl. z. B. Urteile des BVerwG vom 8. November 1957 VII C 9.57, Neue Juristische Wochenschrift 1958 S. 312, 314, und vom 28. Februar 1961 I C 54.57, BVerwGE 12, 87, 90). Da der Gesetzgeber der Finanzgerichtsordnung diese Vorschrift dennoch unver盲ndert in 搂 100 Abs. 1 Satz 4 FGO 眉bernahm, ist davon auszugehen, da脽 dies in der Auspr盲gung geschah, die diese aufgrund der feststehenden Rechtsprechung des BVerwG erhalten hatte. Andernfalls h盲tte der Gesetzgeber seine andere Auffassung durch eine entsprechend anders lautende Formulierung deutlich gemacht.
Im vorliegenden Fall sind die Ausk眉nfte aufgrund der Auskunftsersuchen bereits vor Klageerhebung erteilt worden. Damit ist der eigentliche, der Vollziehung f盲hige Inhalt der Auskunftsersuchen gegenstandslos geworden. Ihre Aufhebung kommt daher nicht mehr in Betracht. Die Verwaltungsakte sind folglich als im Sinne des 搂 100 Abs. 1 Nr. 4 FGO erledigt anzusehen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Feststellungsklage nach 搂 100 Abs. 1 Nr. 4 FGO zwingend eines au脽ergerichtlichen Vorverfahrens bedarf (verneinend BVerwG-Entscheidung vom 9. Februar 1967 I C 49.64, BVerwGE 26, 161, 165; anderer Auffassung Eyermann-Fr枚hler, a. a. O., 搂 113 Anm. 51). Denn jedenfalls ist hier das Vorverfahren durchgef眉hrt worden.
Nach allem hat das FG die Feststellungsklage der Kl盲gerin zu Unrecht f眉r nicht statthaft gehalten. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben.
Der Senat kann jedoch nicht in der Sache selbst entscheiden. Voraussetzung f眉r die Zul盲ssigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne des 搂 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist, da脽 die Kl盲gerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Zu dieser Frage fehlen ausreichende Feststellungen des FG. Die Sache ist daher an das FG zur眉ckzuverweisen (搂 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
听
Fundstellen
亿兆体育-Index 73244 |
BStBl II 1979, 708 |
BFHE 1979, 346 |