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Entscheidungsstichwort (Thema)
Pauschallandwirte in der Umsatzsteuer
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Leitsatz (NV)
Zur normalen Ausstattung eines landwirtschaftlichen Betriebs geh枚rt der einzige M盲hdrescher eines Landwirts auch dann, wenn er --bei nicht unerheblichem Eigennutzungsanteil (hier: 20 %)-- 眉ber die Anforderungen des eigenen Betriebs hinausgeht und vom Landwirt bei Erntearbeiten f眉r andere Landwirte eingesetzt wird.
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Normenkette
UStG 2005 搂 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; EGRL 112/2006 Art. 295 Abs. 1 Nr. 5
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Verfahrensgang
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Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-W眉rttemberg, Au脽ensenate Freiburg, vom 21. Dezember 2016听听14 K 3821/14 wird als unbegr眉ndet zur眉ckgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Der Kl盲ger und Revisionsbeklagte (Kl盲ger) betrieb in den Streitjahren 2007 bis 2010 mit dem Anbau von Mais und Getreide ein landwirtschaftliches Unternehmen. Zus盲tzlich erbrachte er Dienstleistungen an andere Landwirte, f眉r die er Getreide und Mais erntete. Daf眉r verwendete er einen auch im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzten M盲hdrescher. Am 29.听September 2009 erwarb er einen neuen M盲hdrescher und gab am gleichen Tag seinen bis dahin verwendeten M盲hdrescher in Zahlung. Weitere Erntemaschinen besa脽 er nicht. Er besch盲ftigte keine Arbeitnehmer. Das Verh盲ltnis der eigenen gedroschenen Fl盲che zu der f眉r die Kunden gedroschenen Fl盲che lag bei ca.听20 zu 80.
Rz. 2
Der Kl盲ger unterwarf die Ums盲tze aus seiner landwirtschaftlichen Urproduktion ebenso wie die Ums盲tze aus den Dienstleistungen an andere Landwirte der Durchschnittssatzbesteuerung nach 搂听24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
Rz. 3
Im Anschluss an eine Au脽enpr眉fung ging der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass der Kl盲ger aufgrund des Umfangs der Lohndrescharbeiten ab dem 1.听Juli 2007 ertragsteuerlich einen eigenst盲ndigen gewerblichen Lohnbetrieb neben seinem landwirtschaftlichen Unternehmen gef眉hrt habe. Die Dienstleistungen f眉r andere Landwirte fielen nicht in den Anwendungsbereich des 搂听24 UStG, da der Kl盲ger den M盲hdrescher nicht weit 眉berwiegend f眉r die eigene Produktion verwendet habe und er damit die Dienstleistungen nicht mit der "normalen Ausr眉stung" des Betriebs erbracht habe. Die landwirtschaftlichen Dienstleistungen seien daher der Regelbesteuerung zu unterwerfen. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Rz. 4
Demgegen眉ber gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Nach seinem Urteil unterliegen Ums盲tze eines Land- und Forstwirts aus M盲hdrescharbeiten mit einem M盲hdrescher, der zur normalen Ausr眉stung seines landwirtschaftlichen Betriebs geh枚rt, gegen眉ber anderen Land- und Forstwirten der Durchschnittssatzbesteuerung. Der Kl盲ger habe den f眉r die Dienstleistungen eingesetzten M盲hdrescher auch im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb verwendet. F眉r seine eigene Fl盲che von ca.听170听ha habe er eine Erntemaschine ben枚tigt. Der Kl盲ger habe nur einen einzigen M盲hdrescher besessen. Daher sei dieser nicht ausschlie脽lich zur Erbringung von sonstigen Leistungen an Dritte vorgehalten worden. Es handele sich auch nicht um einen betriebsuntypischen 脺berbestand. Der M盲hdrescher habe zur normalen Ausr眉stung seines landwirtschaftlichen Betriebs geh枚rt. Das Verh盲ltnis der f眉r andere Landwirte gedroschenen Fl盲che zu der eigenen Fl盲che 盲ndere nichts am Bedarf des M盲hdreschers f眉r seinen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb. Eine Beschr盲nkung derart, dass die normale Ausr眉stung 眉berwiegend zur eigenen landwirtschaftlichen Erzeugung verwendet werden m眉sse, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Dies ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europ盲ischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.听November 2006 眉ber das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.听Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten 眉ber die Umsatzsteuern 鈥 Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage.
Rz. 5
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Das FG sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Kl盲ger seine landwirtschaftlichen Dienstleistungen mit Hilfe der normalen Ausr眉stung seines landwirtschaftlichen Betriebs erbracht habe. Der konkret erworbene M盲hdrescher sei f眉r den eigenen Betrieb zu gro脽 gewesen. Aufgrund der Verwendung des Adjektivs normal m眉sse der Ausr眉stungsgegenstand 眉blicherweise f眉r die eigene landwirtschaftliche Produktion verwendet werden. Ein eigenbetrieblicher Einsatz von 20听% gen眉ge nicht. Durch die Anwendung der Pauschalregelung komme es zu erheblichen Vorteilen gegen眉ber den Unternehmen, die der Regelbesteuerung unterliegen. Der Kl盲ger k枚nne seine Leistungen billiger anbieten. Die Anwendung der Pauschalregelung sei f眉r den Kl盲ger auch nicht belastend.
Rz. 6
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Rz. 7
Der Kl盲ger beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
Rz. 8
Das FG habe zutreffend entschieden.
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Rz. 9
II. Die Revision des FA ist unbegr眉ndet und daher zur眉ckzuweisen (搂听126 Abs.听2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Dienstleistungen des Kl盲gers bei den Erntearbeiten f眉r andere Landwirte als landwirtschaftliche Dienstleistungen der Durchschnittssatzbesteuerung nach 搂听24 Abs.听1 Satz 1 Nr.听3 UStG unterliegen.
Rz. 10
1. Nach 搂听24 Abs.听1 Satz 1 Nr.听3 UStG wird die Steuer f眉r die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgef眉hrten Lieferungen und sonstigen Leistungen, bei denen es sich nicht um die in Satz听1 dieser Vorschrift n盲her bezeichnete Lieferung von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen oder andere Leistungen mit Getr盲nken handelt, auf 10,7听% festgesetzt.
Rz. 11
搂听24 UStG ist nach st盲ndiger Rechtsprechung des BFH richtlinienkonform entsprechend Art.听295听ff. MwStSystRL auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24.听Januar 2013 V听R听34/11, BFHE 239, 552, BStBl II 2013, 460, unter II.1.b, und vom 21.听Januar 2015 XI听R听13/13, BFHE 248, 462, BStBl II 2015, 730, unter II.1.b). Danach finden die sog. Pauschalausgleich-Prozents盲tze gem盲脽 Art.听300听f. MwStSystRL auf landwirtschaftliche Erzeugnisse und landwirtschaftliche Dienstleistungen Anwendung.
Rz. 12
Landwirtschaftliche Dienstleistungen sind nach Art.听295 Abs.听1 Nr.听5 MwStSystRL Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mithilfe seiner Arbeitskr盲fte oder der normalen Ausr眉stung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs erbracht werden und die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Hierzu z盲hlen insbesondere die in Anhang听VIII der MwStSystRL aufgef眉hrten Dienstleistungen wie z.B. "Arbeiten des Anbaus, der Ernte, des Dreschens, des Pressens, des Lesens und Einsammelns, einschlie脽lich des S盲ens und Pflanzens". 搂听24 Abs.听1 Satz听1 Nr.听3 UStG ist bei richtlinienkonformer Auslegung auf landwirtschaftlichen Dienstleistungen i.S. von Art.听295 Abs.听1 Nr.听5 MwStSystRL, nicht aber auch auf andersartige sonstige Leistungen anzuwenden (BFH-Urteil vom 8.听Februar 2018 V听R听55/16, BFHE 261, 181, unter II.1.c).
Rz. 13
2. Zwischen den Beteiligten ist das Erbringen landwirtschaftlicher Dienstleistungen, die der Durchschnittssatzbesteuerung nach 搂听24 Abs.听1 Satz听1 Nr.听3 UStG unterliegen, nur im Hinblick auf die Frage streitig, ob der Kl盲ger seine landwirtschaftlichen Dienstleistungen mit der normalen Ausr眉stung seines landwirtschaftlichen Betriebs erbracht hat. Dies hat das FG entgegen der Auffassung des FA zu Recht bejaht.
Rz. 14
a) F眉r die Streitjahre 2007, 2008 und die Besteuerungszeitr盲ume bis einschlie脽lich September 2009 folgt dies bereits daraus, dass die grunds盲tzliche Berechtigung des Kl盲gers zur Besteuerung nach Durchschnittss盲tzen im Revisionsverfahren dem Grunde nach unstreitig ist, da das FA diese nur in Bezug auf eine nach seiner Auffassung 眉berdimensionierte Ger盲tschaft bezweifelt. Dies st眉tzt das FA auf den Erwerb eines Ende September 2009 erworbenen M盲hdreschers, den das FA als f眉r den eigenen Betrieb des Kl盲gers zu gro脽 ansieht, so dass er mit dem Einsatz dieses M盲hdreschers keine landwirtschaftlichen Dienstleistungen erbringe. Damit ist die Revision f眉r die Besteuerungszeitr盲ume vor diesem Erwerb von vornherein unbegr眉ndet.
Rz. 15
b) Der Kl盲ger erbrachte auch in den restlichen Zeitr盲umen des Jahres 2009 sowie im Streitjahr 2010 mit dem Einsatz des neuen M盲hdreschers landwirtschaftliche Dienstleistungen.
Rz. 16
aa) Mit dem Begriff der normalen Ausr眉stung eines landwirtschaftlichen Betriebs stellt die Richtlinie auf die gew枚hnliche Ausr眉stung derartiger Betriebe ab. Im Hinblick auf die auf landwirtschaftliche Dienstleistungen anzuwendenden Regelungen in 搂听24 Abs.听1 Satz听1 Nr.听1 und Satz听2 UStG, nach denen die Mehrwertsteuer-Vorbelastung der Steuer auf die Ausgangsleistung des Pauschallandwirts exakt entspricht, kommt es nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats darauf an, dass es sich bei der landwirtschaftlichen Dienstleistung um eine Leistung handelt, bei der jedenfalls typisierend davon auszugehen ist, dass ihre Erbringung zu einer (entsprechenden) Mehrwertsteuer-Vorbelastung f眉hrt oder zumindest f眉hren kann (BFH-Urteil vom 24.听August 2017 V听R听8/17, BFH/NV 2018, 65, unter II.2.). Dies trifft auf den Erwerb eines M盲hdreschers anders als beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft des Betriebsinhabers (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFH/NV 2018, 65) oder seines Personals zu.
Rz. 17
bb) Weitergehende Wirtschaftlichkeitsberechnungen oder Angemessenheitsbetrachtungen in Bezug auf die eigenbetriebliche Verwendung sind nicht anzustellen. Insbesondere besteht nach dem EuGH-Urteil Shields & Sons Partnership vom 12.听Oktober 2017 C-262/16 (EU:C:2017:756) keine Befugnis, landwirtschaftliche Erzeuger von der Pauschalbesteuerung auszuschlie脽en, nur weil sie als Teilnehmer an der Pauschalregelung erheblich mehr erstattet erhalten, als sie bei Anwendung der normalen oder vereinfachten Steuerregelung erstattet bek盲men.
Rz. 18
cc) Der erkennende Senat ber眉cksichtigt dabei auch, dass der Kl盲ger 眉ber nur einen, nicht aber 眉ber mehrere M盲hdrescher im Fremdeinsatz verf眉gte und dass ein Eigennutzungsanteil von 20听% nicht unerheblich ist. Im Rahmen einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, der auch das unionsrechtlich harmonisierte Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt, kann dem Landwirt bei der Inanspruchnahme der Durchschnittss盲tze nach 搂听24 Abs.听1 UStG entgegen der Auffassung des FA nicht vorgehalten werden, er k枚nne im Hinblick auf seine eigene Betriebsgr枚脽e vom Erwerb eines eigenen M盲hdreschers und der Erbringung von Dienstleistungen an Fremdbetriebe absehen, um stattdessen selbst Fremdleistungen bei der Ernte zu beziehen. Sich hieraus m枚glicherweise ergebende Wettbewerbsnachteile zu Lasten gewerblicher Konkurrenten sind im Hinblick auf den Einsatz nur einer Ger盲tschaft hinzunehmen.
Rz. 19
Der erkennende Senat geht somit davon aus, dass "ein Maschinen- und Ausr眉stungsbestand, der 眉ber die Anforderungen des eigenen Betriebs hinausgeht" (Abschn.听24.3 Abs.听3 Satz听6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses i.d.F. vom 27.听Oktober 2010), der zur Annahme einer T盲tigkeit au脽erhalb der Land- und Forstwirtschaft f眉hren soll, bei Erstmaschinen im Allgemeinen nicht vorliegt.
Rz. 20
3. Die Kostenentscheidung beruht auf 搂听135 Abs.听2 FGO.
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Fundstellen
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BFH/NV 2019, 125 |
HFR 2019, 215 |
UR 2019, 196 |