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Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreie Einnahmen aus der Aufnahme von Pflegepersonen in den eigenen Haushalt
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Leitsatz (NV)
1. Leistungen, die aus 枚ffentlichen Mitteln der Jugendhilfe f眉r die Aufnahme von Pflegepersonen in einen Haushalt 眉ber Tag und Nacht als Vollzeitpflege nach 搂 33 SGB VIII gew盲hrt werden, sind auch dann eine steuerfreie Beihilfe zur Erziehung i.S. des 搂 3 Nr. 11 EStG, wenn die Betreuung 眉ber privatrechtliche Institutionen durch Vertr盲ge mit den Erziehungsstellen abgewickelt und im Rahmen dieser Vertragsbeziehungen die 枚ffentlichen Mittel von den Institutionen an die Erzieher 鈥 wie im Streitfall f眉r die Aufnahme eines Pflegekindes 鈥 ausgezahlt werden.
2. Die Auffassung, bei einer Betreuung von bis zu f眉nf Kindern sei die Pflege regelm盲脽ig nicht als erwerbsm盲脽ig anzusehen und diene deshalb unmittelbar der F枚rderung der Erziehung i.S. des 搂 3 Nr. 11 EStG (BMF-Schreiben vom 7. Februar 1990 IV B 1 鈥 S 2121- 5/90 (BStBl I 1990, 109 zur Vollzeitpflege nach 搂 33 SGB VIII)), ist nicht zu beanstanden.
3. Privathaushalte der Erzieher sind keine Einrichtungen i.S. des 搂 34 SGB VIII, f眉r die keine steuerfreien Beihilfen i.S. des 搂 3 Nr. 11 EStG in Betracht kommen.
4. Sonstige betreute Wohnformen i.S. des 搂 34 SGB VIII sind nur gegeben, wenn sie als Einrichtung einen institutionalisierten Rahmen f眉r die Betreuung bieten; dazu geh枚ren nicht lediglich angemietete Wohnungen oder die blo脽e 脺berlassung von Wohnraum wie z.B. eines Zimmers im Haushalt der betreuenden Person.
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Normenkette
EStG 搂听3 Nr. 11, 搂听18 Abs. 1 Nr. 3; SGB VIII 搂搂听33-34
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Verfahrensgang
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Tenor
Auf die Revision der Kl盲gerin werden das Urteil des Finanzgerichts K枚ln vom 22. September 2010 4 K 478/07 sowie die Einkommensteuer盲nderungsbescheide f眉r 2001 bis 2003 vom 29. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Januar 2007 aufgehoben und die Einkommensteuer f眉r 2004 unter 脛nderung des Einkommensteuerbescheides f眉r 2004 vom 6. Januar 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Januar 2007 ohne Ansatz der Einnahmen der Kl盲gerin aus ihrer selbst盲ndigen T盲tigkeit als Erzieherin festgesetzt.
Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten 眉bertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin) wird mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Rz. 2
In den Streitjahren 2001 bis 2004 betreute sie einen Jugendlichen aufgrund eines (Betreuungs-)Vertrages mit einem Jugendhilfeprojekte organisierenden privaten Verein. Nach dem Vertrag sollte die Kl盲gerin ohne Geltung arbeitsrechtlicher Vorschriften ab dem 24. April 2001 eigenverantwortlich und in Gesamtverantwortung gegen眉ber dem Verein und dem Jugendamt in einem Umfang von 24 Wochenstunden als Erzieherin f眉r den Verein teils in ihrer Wohnung, teils in der Wohnung des Jugendlichen t盲tig sein. Auf Anforderung war die Kl盲gerin verpflichtet, am Vereinsort f眉r Schulungen, Beratungen usw. zur Verf眉gung zu stehen. F眉r die Betreuungsleistung sollte die Kl盲gerin ein monatliches Erziehungsgeld von 3.200 DM sowie die notwendigen Sachkosten zur Sicherung der Lebensgrundlage des betreuten Jugendlichen (Lebensmittel, Miete, Taschengeld etc.; rd. 800 EUR monatlich) erhalten. Das monatliche Erziehungsgeld wurde ab dem 1. Januar 2002 auf 1.790 EUR und ab dem 1. Oktober 2003 auf 2.000 EUR erh枚ht.
Rz. 3
Aufgrund einer Au脽enpr眉fung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt 鈥揊A鈥) fest, dass die Kl盲gerin die Einnahmen aufgrund des Betreuungsvertrages nicht in ihren Einkommensteuererkl盲rungen f眉r die Jahre 2001 bis 2003 erkl盲rt hatte. Das FA vertrat die Auffassung, die Betr盲ge seien nicht nach 搂 3 Nr. 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei.
Rz. 4
Dementsprechend 盲nderte das FA die Einkommensteuerfestsetzungen f眉r die Streitjahre 2001 bis 2003 gem盲脽 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung mit 脛nderungsbescheiden vom 29. November 2005 und setzte die Einkommensteuer f眉r das Streitjahr 2004 mit Bescheid vom 6. Januar 2006 unter Ansatz von Eink眉nften der Kl盲gerin aus selbst盲ndiger Arbeit in H枚he von 24.000 EUR fest.
Rz. 5
Die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 311 ver枚ffentlichten Urteil vom 22. Oktober 2010 4 K 478/07 als unbegr眉ndet ab.
Rz. 6
Mit der Revision r眉gt die Kl盲gerin die Verletzung des 搂 3 Nr. 11 EStG.
Rz. 7
Die Kl盲gerin beantragt, das angefochtene Urteil der Vorinstanz sowie die Einkommensteuer盲nderungsbescheide f眉r die Jahre 2001 bis 2003 vom 29. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Januar 2007 aufzuheben sowie die Einkommensteuer f眉r 2004 unter 脛nderung des Einkommensteuerbescheides f眉r 2004 vom 6. Januar 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Januar 2007 ohne Ansatz der Einnahmen der Kl盲gerin aus ihrer T盲tigkeit als Erzieherin festzusetzen.
Rz. 8
Das FA beantragt, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
Rz. 9
Zu Recht habe das FG eine Steuerfreiheit nach 搂 3 Nr. 11 EStG verneint, da hier Betreuungsentgelte nach den Pfleges盲tzen f眉r Heimerziehung nach 搂 34 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) und nicht nach denen f眉r Vollzeitpflege nach 搂 33 SGB VIII gezahlt worden seien.
Rz. 10
Die hier gew盲hrte Hilfe zur Erziehung nach 搂 34 SGB VIII habe eine starke 脛hnlichkeit mit den Einnahmen solcher Tagesm眉tter, die eine Verg眉tung unmittelbar von den Eltern der betreuten Kinder erhielten, sowie eine 脛hnlichkeit mit den Lohneink眉nften angestellter Erzieher, die der Einkommensteuer unterworfen seien.
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Rz. 11
II. Die Revision ist begr眉ndet.
Rz. 12
Das angefochtene Urteil sowie die Einkommensteuer盲nderungsbescheide f眉r die Jahre 2001 bis 2003 vom 29. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Januar 2007 werden aufgehoben; die Einkommensteuer f眉r 2004 ist unter 脛nderung des Einkommensteuerbescheides f眉r 2004 vom 6. Januar 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Januar 2007 ohne Ansatz der Einnahmen der Kl盲gerin aus erzieherischer T盲tigkeit festzusetzen (搂 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung 鈥揊骋翱鈥).
Rz. 13
Zu Unrecht hat das FG die Steuerfreiheit der Einnahmen verneint, die die Kl盲gerin aus ihrer 鈥揹em Grunde nach den Eink眉nften aus sonstiger selbst盲ndiger Arbeit zurechenbaren鈥 Erziehert盲tigkeit erzielt hat.
Rz. 14
1. Nach 搂 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind u.a. Bez眉ge aus 枚ffentlichen Mitteln steuerfrei, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmittelbar zu f枚rdern.
Rz. 15
a) 脰ffentliche Mittel sind solche, die aus einem 枚ffentlichen Haushalt stammen, d.h. haushaltsm盲脽ig als Ausgaben festgelegt und verausgabt werden (Urteile des Bundesfinanzhofs 鈥BFH鈥 vom 19. Juli 1972 I R 109/70, BFHE 106, 438, BStBl II 1972, 839; vom 9. April 1975 I R 251/72, BFHE 115, 374, BStBl II 1975, 577).
Rz. 16
Diese Voraussetzung ist auch gewahrt, wenn die derart in einem Haushaltsplan ausgewiesenen Mittel nicht unmittelbar aus einer 枚ffentlichen Kasse, sondern mittelbar 眉ber Dritte gezahlt werden, sofern 眉ber die Mittel nur nach Ma脽gabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften verf眉gt werden kann und ihre Verwendung im Einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt (vgl. BFH-Urteile vom 15. November 1983 VI R 20/80, BFHE 139, 536, BStBl II 1984, 113; vom 18. Mai 2004 VI R 128/99, BFH/NV 2005, 22).
Rz. 17
Die Pflege- und Erziehungsgelder werden im Rahmen der 枚ffentlichen Jugendhilfe von den Jugend盲mtern gezahlt. Der Annahme, dass die Pflege- und Erziehungsgelder 鈥瀉us 枚ffentlichen Mitteln鈥 gezahlt werden, steht nach der Rechtsprechung nicht entgegen, dass zur Begr眉ndung von Pflegeverh盲ltnissen u.a. der Abschluss zivilrechtlicher Pflegevertr盲ge 鈥搝.B. zwischen Jugendamt und Pflegeeltern鈥 f眉r erforderlich gehalten wird. Die mit dem Abschluss solcher Vertr盲ge verbundenen Zahlungen an Pflege- und Erziehungsgeldern stellen trotz der in zivilrechtliche Form gekleideten 脺bertragung des Erziehungsrechts eine haushaltsplanm盲脽ige Verausgabung 鈥灻秄fentlicher Mittel鈥 dar (BFH-Urteil vom 28. Juni 1984 IV R 49/83, BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571).
Rz. 18
b) Eine unmittelbare F枚rderung der Erziehung i.S. der Vorschrift liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn die Zuwendungen 枚ffentlicher Mittel die Erziehung ohne ein Dazwischentreten weiterer Ereignisse beeinflussen.
Rz. 19
aa) Dies ist insbesondere f眉r Zahlungen zu bejahen, mit denen die Zahlungsempf盲nger der Notwendigkeit des Gelderwerbs zum Lebensunterhalt enthoben und dadurch zeitlich in die Lage versetzt werden, sich der Erziehung zu widmen (BFH-Urteil vom 27. April 2006 IV R 41/04, BFHE 214, 69, BStBl II 2006, 755, unter Bezugnahme auf die BFH-Urteile vom 4. Mai 1972 IV 133/64, BFHE 105, 374, BStBl II 1972, 566, und in BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571; vgl. von Beckerath, in: Kirchhof/ S枚hn/Mellinghoff, EStG, 搂 3 Nr. 11 Rz B 11/49).
Rz. 20
Die Erziehung im Sinne der Vorschrift als 鈥瀙lanm盲脽ige T盲tigkeit zur k枚rperlichen, geistigen und sittlichen Formung junger Menschen鈥 erfasst alle Bestrebungen, Vorg盲nge und T盲tigkeiten, die den Entwicklungsvorgang beeinflussen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Juni 1997 IV R 26/96, BFHE 183, 488, BStBl II 1997, 652; vom 23. September 1998 XI R 9/98, BFH/NV 1999, 600; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach 鈥揌HR鈥, 搂 3 Nr. 11 EStG Rz 7 鈥濫rziehung鈥).
Rz. 21
bb) Ihrer unmittelbaren F枚rderung dienen 枚ffentliche Beihilfen selbst dann, wenn sie auch den Unterhalt des zu Erziehenden mit abdecken (HHR/Bergkemper, 搂 3 Nr. 11 EStG Rz 7 鈥濽nmittelbare F枚rderung鈥, m.w.N.).
Rz. 22
F眉r die Frage, ob die an die Pflegeeltern gezahlten Erziehungsgelder die 鈥濫rziehung f枚rdern鈥 oder ob sie auch noch anderen Zwecken dienen, kommt es nach der BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571) entscheidend auf Inhalt und Durchf眉hrung des Pflegeverh盲ltnisses an.
Rz. 23
Nach dieser Rechtsprechung kann regelm盲脽ig kein Zweifel daran bestehen, dass an Pflegeeltern geleistete Erziehungsgelder dazu bestimmt sind, zu Gunsten der in den Haushalt der Pflegeeltern dauerhaft aufgenommenen und wie leibliche Kinder betreuten Kinder und Jugendlichen 鈥瀌ie Erziehung zu f枚rdern鈥.
Rz. 24
Solche Zweifel hat der BFH lediglich f眉r Leistungen zu Gunsten sog. Kostkinder gesehen. Denn insoweit ist zu ber眉cksichtigen, ob die Zusch眉sse nicht vor allem die Unterbringung und Verk枚stigung abgelten sollen (vgl. zur steuerlichen W眉rdigung der Unterbringung, Verk枚stigung und der allgemeinen Betreuung von Kindern in Kinderheimen: BFH-Urteil vom 27. Juni 1974 IV R 204/70, BFHE 114, 95, BStBl II 1975, 147).
Rz. 25
c) 脰ffentlich-rechtliche Beihilfen i.S. des 搂 3 Nr. 11 EStG sind allerdings nur uneigenn眉tzig gew盲hrte Unterst眉tzungsleistungen (BFH-Urteil vom 23. September 1998 XI R 11/98, BFHE 187, 39, BStBl II 1999, 133; vgl. von Beckerath, in: Kirchhof/ S枚hn/Mellinghoff, a.a.O., 搂 3 Nr. 11 Rz B 11/53; HHR/ Bergkemper, 搂 3 Nr. 11 EStG Rz 7). Leistungen, die im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgesch盲fts erbracht werden, k枚nnen danach nicht als Beihilfe qualifiziert werden (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 600).
Rz. 26
aa) Demgem盲脽 hat der BFH die von den Jugend盲mtern an Pflegeeltern geleisteten Erziehungsgelder als nach 搂 3 Nr. 11 EStG steuerfrei beurteilt; mit der Zahlung der Pflegegelder sei keine vollst盲ndige Ersetzung des sachlichen und zeitlichen Aufwands der Pflegeeltern beabsichtigt (BFH-Urteil in BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571). Zuwendungen an Pflegeeltern 盲hnelten in vielerlei Hinsicht Zahlungen, die die leiblichen Eltern f眉r die Erziehung ihrer Kinder ebenfalls steuerfrei erhielten (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1990 IV R 14/87, BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018).
Rz. 27
bb) Diesen Leistungen gegen眉bergestellt hat der BFH als steuerpflichtige Einnahmen Zahlungen an Personen, die Kinder nur des Erwerbs wegen in ihren Haushalt aufgenommen haben (BFH-Urteil in BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018).
Rz. 28
Danach sind 枚ffentliche Zuwendungen f眉r die 脺bernahme der Heimerziehung keine Beihilfen i.S. des 搂 3 Nr. 11 EStG, wenn die daf眉r gezahlten Betr盲ge 鈥損auschal鈥 die tats盲chlichen Kosten in angemessenem Umfang nach Ma脽gabe der zugrunde gelegten Pfleges盲tze hinsichtlich der Personal- und Sachkosten umfassen (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 600, m.w.N. mit dem Hinweis, dass die unterschiedliche Behandlung von Pflegegeldern und Pflegesatzzahlungen 鈥搗or allem im Hinblick auf ihre Unterschiede in der Organisation und Finanzierung鈥 mit Art. 3 des Grundgesetzes vereinbar ist; ebenso BFH-Urteil in BFHE 187, 39, BStBl II 1999, 133).
Rz. 29
Dementsprechend hat der BFH auch die von den Jugend盲mtern an die Betreuer von sog. Tagesgro脽pflegestellen gezahlten Erziehungsgelder nicht als nach 搂 3 Nr. 11 EStG steuerfrei angesehen (BFH-Urteil in BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018); sie dienten nicht ausschlie脽lich und nicht pr盲gend der Erziehung, sondern auch der Unterbringung, Verpflegung und allgemeinen Betreuung.
Rz. 30
cc) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit f眉r die Veranlagungszeitr盲ume bis 2007 einschlie脽lich ma脽geblichem Schreiben vom 7. Februar 1990 IV B 1 -S 2121- 5/90 (BStBl I 1990, 109) bestimmt:
鈥濸ersonen, die ein fremdes Kind versorgen und erziehen, erhalten in bestimmten F盲llen wegen der Kosten, die dadurch typischerweise entstehen, finanzielle Leistungen aus 枚ffentlichen Mitteln (Pflegegeld im weiteren Sinne). Diese Leistungen werden entweder in einem einheitlichen Betrag gezahlt oder sie setzen sich zusammen aus einem Betrag, der unmittelbar der Sicherung des Lebensbedarfs des Kindes dient (Pflegegeld im engeren Sinne), und aus einem Erziehungsbeitrag (Erziehungsgeld).
Nach dem Ergebnis der Er枚rterungen mit den obersten Finanzbeh枚rden der L盲nder in der Sitzung ESt I/90 鈥 au脽erhalb der Tagesordnung 鈥 stellen sowohl das Pflegegeld im engeren Sinne als auch das Erziehungsgeld steuerfreie Einnahmen nach 搂 3 Nr. 11 EStG dar. Dies gilt auch bei Tages- oder Kurzzeitpflege. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um eine auf Dauer angelegte Pflege handelt und die Pflege nicht erwerbsm盲脽ig betrieben wird. Erwerbsm盲脽ig wird die Pflege betrieben, wenn das Pflegekind die wesentliche Erwerbsgrundlage darstellt. Bei einer Betreuung von bis zu f眉nf Kindern kann ohne n盲here Pr眉fung unterstellt werden, dass die Pflege nicht erwerbsm盲脽ig betrieben wird.鈥
Rz. 31
F眉r Veranlagungszeitr盲ume ab 2008 gilt nach dem bis zum 20. April 2011 geltenden BMF-Schreiben vom 20. November 2007 IV C 3 -S 2342/07/0001 (BStBl I 2007, 824) f眉r die Vollzeitpflege nach 搂 33 SGB VIII:
鈥濻owohl das Pflegegeld als auch die anlassbezogenen Beihilfen und Zusch眉sse aus 枚ffentlichen Mitteln sind Beihilfen im Sinne des 搂 3 Nr. 11 EStG, die die Erziehung unmittelbar f枚rdern, sofern eine Erwerbst盲tigkeit nicht vorliegt. Werden mehr als sechs Kinder im Haushalt aufgenommen, wird eine Erwerbst盲tigkeit vermutet. Bei einer Betreuung von bis zu sechs Kindern ist ohne weitere Pr眉fung davon auszugehen, dass die Pflege nicht erwerbsm盲脽ig betrieben wird.鈥
Rz. 32
2. Nach diesen Grunds盲tzen ist abweichend von der Auffassung der Vorinstanz die Steuerfreiheit der im Streitfall bezogenen Einnahmen aus erzieherischer T盲tigkeit gem盲脽 搂 3 Nr. 11 EStG gegeben.
Rz. 33
a) Die Einnahmen der Kl盲gerin sind 枚ffentliche Mittel, weil sie unstreitig konkret bezogen auf das von der Kl盲gerin betreute Kind von dem zust盲ndigen Jugendamt auf der Grundlage der durch Haushaltsplan der Gebietsk枚rperschaft bereitgestellten Haushaltsmittel bewilligt wurden.
Rz. 34
Der Umstand, dass diese bewilligten Zahlungen 眉ber einen zwischengeschalteten Tr盲ger an die Kl盲gerin als Erziehende auf der Grundlage eines Vertrages zwischen ihr und dem Tr盲ger geleistet wurden, steht der Annahme 鈥灻秄fentlicher Mittel鈥 i.S. des 搂 3 Nr. 11 EStG nicht entgegen.
Rz. 35
aa) Allerdings hat die Finanzverwaltung zur Vollzeitpflege im Wege der Abwicklung 眉ber einen zwischengeschalteten Tr盲ger durch BMF-Schreiben vom 21. April 2011 IV C 3 -S 342/07/0001: 126 (BStBl I 2011, 487) mit Wirkung von diesem Tag an die Steuerfreiheit geleisteter Zahlungen nach 搂 3 Nr. 11 EStG an die Voraussetzung gekn眉pft, dass
- der Pflegeperson das ihr zustehende Pflegegeld direkt vom 枚rtlichen Jugendamt bewilligt worden ist, so dass das Geld bei dem zwischengeschalteten freien Tr盲ger nur einen so genannten durchlaufenden Posten darstellt; |
- zur Annahme eines durchlaufenden Postens eindeutige und unmissverst盲ndliche vertragliche Regelungen zwischen Jugendamt, freiem Tr盲ger und der Pflegeperson/Erziehungs- stelle i.S. des 搂 33 SGB VIII bestehen (vertragliche Vereinbarung zwischen allen Parteien, dass das vom Jugendamt zweckgebunden an den freien Tr盲ger ausgezahlte Pflegegeld unver盲ndert an die Pflegeperson weitergeleitet wird und sich durch diese formale, organisatorische Abwicklung dem Grunde und der H枚he nach am Pflegegeldanspruch der Pflegeperson nichts 盲ndert) und |
- Vollmacht und Erkl盲rung der Pflegeperson vorliegen, mit der Weiterleitung des Pflegegeldes des 枚rtlichen Jugendamts 眉ber den freien Tr盲ger einverstanden zu sein. |
Rz. 36
bb) Diese Rechtsauffassung der Finanzverwaltung steht der Annahme 鈥灻秄fentlicher Mittel鈥 i.S. von in einem 枚ffentlichen Haushalt als Ausgaben festgelegten und entsprechend verausgabten Betr盲gen (BFH-Urteil in BFHE 106, 438, BStBl II 1972, 839) nicht entgegen.
Rz. 37
Diese Voraussetzung ist nach st盲ndiger Rechtsprechung schon dann gewahrt, wenn die in einem Haushaltsplan ausgewiesenen Mittel nicht unmittelbar aus einer 枚ffentlichen Kasse, sondern mittelbar 眉ber Dritte gezahlt werden, sofern 眉ber die Mittel nur nach Ma脽gabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften verf眉gt werden kann und ihre Verwendung im Einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 139, 536, BStBl II 1984, 113; in BFH/NV 2005, 22).
Rz. 38
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erf眉llt.
Rz. 39
(1) Die Verwendung der Mittel durch Zahlung an den Tr盲ger 鈥搘ie im Streitfall鈥 unterliegt unstreitig der Rechnungskontrolle durch die Jugendhilfebeh枚rde.
Rz. 40
Deren Kontrolle umfasst auch die vom Tr盲ger abgeschlossenen 鈥搒tandardisierten鈥 Vertr盲ge mit den jeweiligen Pflegepersonen zu jeder der von diesen betreuten Personen, so dass es einer weitergehenden Kontrolle bei den Pflegepersonen f眉r eine hinreichende Mittelverwendungskontrolle nicht bedarf. Denn der Tr盲ger unterliegt 枚ffentlicher Rechnungskontrolle hinsichtlich der Frage, ob er die f眉r ein bestimmtes Kind bewilligten Jugendhilfemittel tats盲chlich zu dessen Betreuung an die von ihm vertraglich zur Betreuung verpflichtete Person eingesetzt hat.
Rz. 41
(2) Die danach durch die Rechnungskontrolle der 枚ffentlichen Hand m枚gliche Feststellung, dass die zur F枚rderung der Erziehung einer bestimmten Person bereitgestellten Mittel an die nach den ggf. vorzulegenden Unterlagen verpflichtete Pflegeperson tats盲chlich abgeflossen sind, gen眉gt f眉r die haushalterisch erforderliche Kontrolle der zweckgerichteten Mittelverausgabung. Der gew盲hlte Zahlungsweg 眉ber einen freien Tr盲ger zieht danach den Charakter der gezahlten Betr盲ge als 鈥灻秄fentliche Mittel鈥 i.S. des 搂 3 Nr. 11 EStG nicht in Zweifel (vgl. BFH-Urteile in BFHE 139, 536, BStBl II 1984, 113; in BFH/NV 2005, 22).
Rz. 42
(3) Der Annahme 鈥灻秄fentlicher Mittel鈥 i.S. des 搂 3 Nr. 11 EStG steht auch nicht das BFH-Urteil in BFHE 183, 488, BStBl II 1997, 652 entgegen. Soweit danach Empf盲nger einer steuerbefreiten Beihilfe nur die Personen sein k枚nnen, denen sie im Hinblick auf den Zweck der Leistung bewilligt worden ist, will die Entscheidung die Steuerfreiheit nach 搂 3 Nr. 11 EStG hinsichtlich einer Beihilfe lediglich auf diejenigen Personen beschr盲nken, denen sie materiell-rechtlich nach dem Zweck der Beihilfe zukommen soll.
Rz. 43
Da die im Streitfall vom Jugendamt bewilligten Zahlungen den Pflegepersonen 鈥搘ie hier der Kl盲gerin鈥 zukommen sollten, entspricht die Anwendung des 搂 3 Nr. 11 EStG im Streitfall den Anforderungen dieser Entscheidung.
Rz. 44
b) Die streitigen Zahlungen sind des Weiteren i.S. des 搂 3 Nr. 11 Satz 1 EStG Beihilfen zur unmittelbaren F枚rderung der Erziehung.
Rz. 45
aa) Zu Recht gehen die Beteiligten wie auch das FG in 脺bereinstimmung mit der Auffassung der Finanzverwaltung in den BMF-Schreiben in BStBl I 1990, 109 鈥搝u den Veranlagungszeitr盲umen bis 2007 einschlie脽lich鈥 sowie in BStBl I 2007, 824 鈥搝u den Veranlagungszeitr盲umen von 2008 bis zum 20. April 2011鈥 f眉r die Vollzeitpflege nach 搂 33 SGB VIII, d.h. f眉r die regelm盲脽ig in den Familienhaushalten der Pflegeperson 眉ber Tag und Nacht vorgenommene Betreuung von Kindern und Jugendlichen, davon aus, dass diese der Erziehung dient und daf眉r geleistete Zahlungen der Jugendhilfetr盲ger damit 鈥揹em Grunde nach鈥 Beihilfen zur F枚rderung der Erziehung i.S. des 搂 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind.
Rz. 46
Denn nach der BFH-Rechtsprechung wird mit der Zahlung der in diesem Zusammenhang bewilligten Pflegegelder keine vollst盲ndige Ersetzung des sachlichen und zeitlichen Aufwands der Pflegeeltern beabsichtigt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571; in BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018).
Rz. 47
(1) Zu Unrecht haben aber FA und FG das Vorliegen einer Vollzeitpflege i.S. des 搂 33 SGB VIII mit der Begr眉ndung verneint, die von der Kl盲gerin in ihrem Familienhaushalt erbrachte Erziehungsleistung gegen眉ber dem Pflegekind sei 鈥搘eil sie nach den abgeschlossenen Vertr盲gen 鈥瀉ls Erziehungsstelle鈥 t盲tig geworden sei鈥 als 鈥瀒n einer (anderen) Einrichtung betreuten Wohnens鈥 i.S. des 搂 34 SGB VIII erbracht anzusehen, f眉r die die Steuerfreiheit nach 搂 3 Nr. 11 EStG nicht gelte.
Rz. 48
Sonstige betreute Wohnformen i.S. des 搂 34 SGB VIII sind nur gegeben, wenn sie als Einrichtung einen institutionalisierten Rahmen f眉r die Betreuung bieten (Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 28. Mai 2014 12 ZB 14.154, Zeitschrift f眉r Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 2014, 341, m.w.N.). Eine nur angemietete Wohnung 鈥搖nd folglich die blo脽e 脺berlassung von Wohnraum wie z.B. ein Zimmer im Haushalt der betreuenden Person entsprechend den Verh盲ltnissen im Streitfall鈥 gen眉gt nicht. Denn unter 鈥濫inrichtung鈥 ist eine auf eine gewisse Dauer angelegte 鈥揾ier fehlende鈥 Verbindung von s盲chlichen und pers枚nlichen Mitteln zu einem bestimmten Zweck unter der Verantwortung eines Tr盲gers zu verstehen (Verwaltungsgericht K枚ln, Urteil vom 6. Mai 2010 26 K 6023/09, juris).
Rz. 49
Nach dieser Rechtsprechung bestimmt sich die Beurteilung der Frage, ob es sich um eine Betreuung in einer Vollzeitpflegestelle nach 搂 33 SGB VIII oder in einem Heim oder in einer anderen Einrichtung betreuten Wohnens nach 搂 34 SGB VIII handelt, allein nach den tats盲chlichen Verh盲ltnissen der konkreten Unterbringung.
Rz. 50
(2) Dies gilt gleicherma脽en auch f眉r den Anwendungsbereich des 搂 3 Nr. 11 Satz 1 EStG, weil die Auslegung des Merkmals 鈥瀠nmittelbare F枚rderung der Erziehung鈥 nach der BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571; in BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018) wie auch nach der daran ankn眉pfenden Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1990, 109 sowie in BStBl I 2007, 824: Steuerfreiheit nach 搂 3 Nr. 11 EStG nur bei Vollzeitpflege gem盲脽 搂 33 SGB VIII) im Wesentlichen an der tats盲chlichen Ausgestaltung der Pflegesituation orientiert ist.
Rz. 51
Diese Orientierung der Anwendung des 搂 3 Nr. 11 EStG an den tats盲chlichen Verh盲ltnissen unterscheidet sich von den Voraussetzungen f眉r den Kindergeldanspruch der Pflegekinder gem盲脽 den 搂搂 32, 63 EStG, f眉r den die sozialrechtliche Einordnung ihrer Wohnung als sonstige betreute Wohnform nach Ma脽gabe des 搂 34 SGB VIII nach der Rechtsprechung des BFH steuerrechtliche Tatbestandswirkung hat (vgl. BFH-Urteil vom 2. April 2009 III R 92/06, BFHE 224, 542, BStBl II 2010, 345).
Rz. 52
(3) Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob Zahlungen f眉r die Betreuung in Einrichtungen nach 搂 34 SGB VIII stets 鈥搈angels ausdr眉cklicher Ausrichtung auf die Erziehung鈥 aus dem Anwendungsbereich des 搂 3 Nr. 11 EStG ausscheiden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018 zu sog. Tagesgro脽pflegestellen; in BFHE 187, 39, BStBl II 1999, 133 zu einem Kinderhaus) oder bei bestimmten Mischformen eine solche Anwendung in Betracht zu ziehen sein k枚nnte (vgl. zu den Mischformen und den nach der Rechtsprechung flie脽enden Grenzen zwischen den Anwendungsbereichen der 搂搂 33, 34 SGB VIII Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Oktober 2008 7 A 10444/08, Das Jugendamt 2009, 92).
Rz. 53
bb) Die F枚rderung dient auch 鈥瀠nmittelbar鈥 der F枚rderung der Erziehung.
Rz. 54
(1) Unmittelbare F枚rderung der Erziehung im Sinne der Vorschrift liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn die Zuwendungen 枚ffentlicher Mittel die Erziehung ohne ein Dazwischentreten weiterer Ereignisse beeinflussen (BFH-Urteil in BFHE 214, 69, BStBl II 2006, 755, unter Bezugnahme auf die BFH-Urteile in BFHE 105, 374, BStBl II 1972, 566, und in BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571; vgl. von Beckerath, in: Kirchhof/S枚hn/ Mellinghoff, a.a.O., 搂 3 Nr. 11 Rz B 11/49).
Rz. 55
Dabei kann von einer 鈥瀠nmittelbaren鈥 F枚rderung der Erziehung nach der Rechtsprechung allerdings dann nicht gesprochen werden, wenn die Aufnahme des Kindes in den Haushalt der Pflegeperson 鈥搘ie sog. Kostkinder鈥 auf Seiten der Pflegepersonen als Erwerbst盲tigkeit anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571).
Rz. 56
(2) Auf der Grundlage der Verwaltungsauffassung (s. BMF-Schreiben in BStBl I 1990, 109) kann indessen bei einer dauerhaften Vollzeitpflege nach 搂 33 SGB VIII 鈥搘ie im Streitfall鈥 mit einer Betreuung von bis zu f眉nf Kindern aufgrund eines Anscheinsbeweises ohne n盲here Pr眉fung unterstellt werden, dass die Pflege nicht erwerbsm盲脽ig betrieben wird.
Rz. 57
Zu Recht enth盲lt das BMF-Schreiben keine Einschr盲nkungen dieser durch die erkennbare Absicht der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigten pauschalierenden Regelung. Denn das Gesetz bietet in 搂 3 Nr. 11 Satz 1 EStG ebenfalls keine Anhaltspunkte f眉r eine weitere Einschr盲nkung. Es sieht nur in Satz 3 der Vorschrift Beschr盲nkungen dann vor, wenn die Zahlung 鈥揳nders als im Streitfall鈥 eine Gegenleistung f眉r eine bestimmte wissenschaftliche oder k眉nstlerische Leistung sowie f眉r eine Arbeitnehmert盲tigkeit darstellt (zur Steuerfreiheit von Aufwandsersatz nach 搂 3 Nr. 50 EStG insoweit vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 2003 IV R 4/02, BFHE 203, 459, BStBl II 2004, 129).
Rz. 58
3. Die 脺bertragung der Steuerberechnung auf das FA beruht auf 搂 100 Abs. 2 Satz 2 FGO, die Kostenentscheidung auf 搂 135 Abs. 1 FGO.
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Fundstellen
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BFH/NV 2015, 967 |