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Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der unbeschr盲nkten Steuerpflicht eines Gastarbeiters, der vor Ablauf des Jahres in sein Heimatland ausreist, im folgenden Jahr aber zur Wiederaufnahme seiner T盲tigkeit in die Bundesrepublik zur眉ckkehrt.
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Normenkette
EStG 搂 1 Abs. 1 S. 1; StAnpG 搂 14; JAV 搂 1
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Tatbestand
Streitig ist, ob der Kl盲ger und Revisionsbeklagte (Kl盲ger), ein jugoslawischer Staatsangeh枚riger, im Streitjahr 1971 unbeschr盲nkt steuerpflichtig war, mit der Folge, da脽 der Beklagte und Revisionskl盲ger (FA) einen Lohnsteuer-Jahresausgleich durchzuf眉hren hat.
Der Kl盲ger lebte erstmals in der Zeit vom 1. Juni bis 3. November 1971 in der Bundesrepublik Deutschland und war vom 2. Juni bis 28. Oktober 1971 als Gastarbeiter bei einem Automobilunternehmen besch盲ftigt. Vom 1. Januar bis 1. Juni 1971 und von Anfang November 1971 bis Ende Februar 1972 lebte er in seiner Heimat Jugoslawien, wo seine Ehefrau und seine zwei Kinder ihren Wohnsitz hatten. Ende Februar 1972 kehrte er in die Bundesrepublik Deutschland zur眉ck und war vom 1. M盲rz 1972 bis 9. Februar 1973 bei einem Bauunternehmen t盲tig. Anschlie脽end stand er - mit Unterbrechungen - bis 31. Oktober 1973 in Arbeitsverh盲ltnissen zu verschiedenen Arbeitgebern in der Bundesrepublik Deutschland.
Das FA lehnte es ab, einen Lohnsteuer-Jahresausgleich f眉r das Streitjahr 1971 durchzuf眉hren, da der Kl盲ger in der Bundesrepublik Deutschland weder einen Wohnsitz noch einen gew枚hnlichen Aufenthalt gehabt habe.
Der Einspruch des Kl盲gers hatte keinen Erfolg. Dagegen gab das FG seiner Klage statt, hob den die Durchf眉hrung eines Lohnsteuer-Jahresausgleichs ablehnenden Bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung auf und verpflichtete das FA, den "Antrag des Kl. auf LStJA unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats durchzuf眉hren". Das FG f眉hrte zur Begr眉ndung seiner Entscheidung aus:
Der Kl盲ger habe bereits im Streitjahr seinen gew枚hnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Da sich der Kl盲ger vom 2. Juni bis Anfang November 1971 sowie vom 1. M盲rz 1972 bis in das Jahr 1973 hinein in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe, habe er hier seinen gew枚hnlichen Aufenthalt besessen und sei unbeschr盲nkt steuerpflichtig gewesen. Dem stehe die Unterbrechung des Aufenthalts nicht entgegen. Die Sechsmonatsfrist des 搂 14 Abs. 1 Satz 2 StAnpG setze keine ununterbrochene k枚rperliche Anwesenheit von sechs Monaten im Inland voraus. Das gelte insbesondere dann, wenn eine sechsmonatige ununterbrochene k枚rperliche Anwesenheit im Inland deshalb nicht gegeben sei, weil - wie hier - ein Gastarbeiter seinen Inlandsaufenthalt durch einen Heimaturlaub unterbreche. Eine k眉rzere, von vornherein als vor眉bergehend gedachte Abwesenheit im Ausland sei nicht sch盲dlich (Urteil des RFH vom 30. Oktober 1935 VI A 757/35, RStBl 1935, 1445). Allerdings k枚nne hier von einem 眉blichen Heimaturlaub wegen der L盲nge des nahezu viermonatigen Aufenthalts in der Heimat und dem Wechsel des Arbeitgebers und des Wohnorts in der Bundesrepublik Deutschland nicht ohne weiteres gesprochen werden. Dem Kl盲ger k枚nne jedoch nicht widerlegt werden, da脽 er bei Antritt seiner Reise in die Heimat und auch w盲hrend seines Heimataufenthalts die Absicht gehabt habe, in die Bundesrepublik Deutschland zur眉ckzukehren und hier seine T盲tigkeit wieder aufzunehmen. Es erscheine nicht unglaubhaft, da脽 der Kl盲ger sein Arbeitsverh盲ltnis bei dem inl盲ndischen Automobilunternehmen Ende Oktober 1971 nur deshalb gek眉ndigt habe, um im Jahre 1972 mit seinem in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Bruder an demselben Ort wohnen und bei derselben Firma arbeiten zu k枚nnen. Es sei auch glaubhaft, da脽 der Kl盲ger - wie er vortrage - wegen Schwierigkeiten bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz in den Wintermonaten seinen Aufenthalt in der Heimat bis Ende Februar 1972 verl盲ngert habe. F眉r die von vornherein bestehende Absicht des Kl盲gers, in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur vor眉bergehend zu verweilen, spreche insbesondere, da脽 er sich nach seiner R眉ckkehr in die Bundesrepublik Deutschland am 1. M盲rz 1972 l盲nger als ein Jahr ununterbrochen hier aufgehalten habe. Diese Entwicklung lege den Schlu脽 nahe, da脽 die im November 1971 angetretene Heimreise nur als k眉rzerer Heimaturlaub gedacht gewesen sei. Daher l盲gen die Voraussetzungen sowohl der Sechsmonatsfrist (搂 14 Abs. 1 Satz 2 StAnpG) als auch derjenigen des 搂 14 Abs. 1 Satz 1 StAnpG vor (wird n盲her ausgef眉hrt).
Mit seiner Revision macht das FA geltend, im Gegensatz zum FG m眉sse nach dem RFH-Urteil VI A 757/35 bei Gastarbeitern im Regelfall eine Abwesenheit von drei bis vier Monaten als vor眉bergehend angesehen werden, im 眉brigen liege eine f眉r die Bemessung der Sechsmonatsfrist sch盲dliche Unterbrechung des Aufenthalts vor. Es k枚nne bei der Beurteilung des inneren Zusammenhangs der Zeitabst盲nde nicht darauf ankommen, da脽 die vom Kl盲ger behauptete Absicht zur R眉ckkehr und Wiederaufnahme seiner T盲tigkeit nicht zu widerlegen sei, vielmehr m眉sse auf die 盲u脽eren Umst盲nde abgestellt werden, die sich aus dem tats盲chlichen Verhalten des Kl盲gers erg盲ben und seine Absicht erkennen lie脽en. Danach habe der Kl盲ger nach knapp f眉nf Monaten sein sicheres Arbeitsverh盲ltnis zu einem ungew枚hnlichen Zeitpunkt gel枚st, habe seine Unterkunft aufgegeben und sei nach Erledigung aller seiner Obliegenheiten einschlie脽lich der polizeilichen Abmeldung an seinen Familienwohnsitz im Heimatland abgereist, wo er sich bis zu seiner R眉ckkehr aufgehalten haben d眉rfte. Die vom FG unterstellte Absicht zur R眉ckkehr sei aus den 盲u脽eren Umst盲nden nicht zu erkennen. Das FG habe damit nicht nur 搂 14 Abs. 1 Satz 2, sondern auch 搂 14 Abs. 1 Satz 1 StAnpG verletzt. Der Kl盲ger habe nicht dargetan, da脽 er f眉r dauernd in die Bundesrepublik Deutschland habe einreisen wollen. - Nach 搂 4 Abs. 3 der Verordnung 眉ber den Lohnsteuer-Jahresausgleich (JAV) sei ein Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht durchzuf眉hren, wenn der Arbeitnehmer f眉r das Ausgleichsjahr zur Einkommensteuer zu veranlagen sei. Auf diese Frage sei das FG, entgegen dem Antrag des FA, in der m眉ndlichen Verhandlung nicht eingegangen. Da der Kl盲ger jedoch im Streitjahr im Ausland gewesen sei, sei es nicht auszuschlie脽en, da脽 er in dieser Zeit Eink眉nfte erzielt habe, die bei unbeschr盲nkter Steuerpflicht durch eine Veranlagung zu erfassen w盲ren.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kl盲ger beantragt, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
Er bezieht sich in vollem Umfang auf das Urteil des FG und f眉hrt erg盲nzend aus, er habe keine Eink眉nfte bezogen, die eine Einkommensteuerveranlagung f眉r das Jahr 1971 rechtfertigen k枚nnten. Das FA sei auf diesen Gesichtspunkt erstmalig im Revisionsverfahren eingegangen.
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Die Revision ist unbegr眉ndet.
Das FG ist in rechtlicher Hinsicht zutreffend und aufgrund einer m枚glichen tats盲chlichen W眉rdigung zu dem Ergebnis gelangt, der Kl盲ger sei im Streitjahr 1971 aufgrund eines gew枚hnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland unbeschr盲nkt steuerpflichtig gewesen (搂 1 JAV, 搂 1 Abs. 1 Satz 1 EStG, 搂 14 StAnpG).
a) Der erkennende Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob im Streitfall ein gew枚hnlicher Aufenthalt des Kl盲gers in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Sechsmonatsfrist des 搂 14 Abs. 1 Satz 2 StAnpG begr眉ndet worden ist. Jedenfalls ist die Entscheidung des FG nach 搂 14 Abs. 1 Satz 1 StAnpG nicht zu beanstanden. Danach hat den gew枚hnlichen Aufenthalt i. S. der Steuergesetze jemand dort, wo er sich unter Umst盲nden aufh盲lt, die erkennen lassen, da脽 er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vor眉bergehend verweilt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist - bei zutreffender Auslegung des Gesetzes - wesentlich eine Frage der tats盲chlichen W眉rdigung. Das FG entscheidet dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen 脺berzeugung (搂 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Revisionsgericht ist an die Feststellungen des FG, sofern diese keinen Rechtsversto脽 erkennen lassen, nach 搂 118 Abs. 2 FGO gebunden.
b) Das FG hat das Gesetz zutreffend ausgelegt. Die angefochtene Entscheidung gibt auch in tats盲chlicher Hinsicht keinen Anla脽 zur Beanstandung.
Das FG durfte daraus, da脽 der Kl盲ger im Streitjahr 1971 immerhin f眉nf Monate lang in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet und sich hier aufgehalten hat und da脽 er nach Unterbrechung seines Aufenthalts im November 1971 Ende Februar 1972 wieder in die Bundesrepublik Deutschland zur眉ckgekehrt ist und sich hier bis zum 31. Oktober 1973 aufgehalten hat, den Schlu脽 ziehen, da脽 der Kl盲ger von vornherein beabsichtigt hat, nicht nur vor眉bergehend in der Bundesrepublik Deutschland zu verweilen. Dieser Schlu脽 ist in tats盲chlicher Hinsicht m枚glich. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn das FG in diesem Zusammenhang die "Absicht" des Kl盲gers mitber眉cksichtigt hat. Der Wortlaut des 搂 14 Abs. 1 Satz 1 StAnpG stellt zwar auf den 盲u脽eren Sachverhalt ab. Das schlie脽t aber nicht aus, da脽 bei der Ermittlung dieses Sachverhalts auch die Pl盲ne und Absichten mitherangezogen werden, da "Aufenthalt" und "Verweilen" Willensbet盲tigungen des Steuerpflichtigen darstellen (Spanner in H眉bschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 搂 14 StAnpG, Anm. 4 b; Becker-Riewald-Koch, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 搂 14 StAnpG, Anm. 2 Abs. 3). Da脽 sich die Tatsachenw眉rdigung des FG als zwingend erweist, ist f眉r die revisionsrechtliche Pr眉fung des angefochtenen Urteils nicht entscheidend. Das FA hat lediglich seine eigene tats盲chliche W眉rdigung der Verh盲ltnisse derjenigen des FG entgegengesetzt. Es hat den Umstand, da脽 der Kl盲ger im Oktober 1971 sein Arbeitsverh盲ltnis gek眉ndigt, seine Unterkunft aufgegeben und in seine Heimat zur眉ckgekehrt ist, entscheidend in den Vordergrund gestellt. Das FG war indessen nicht daran gehindert, sowohl dem immerhin mehrmonatigen Aufenthalt des Kl盲gers im Inland und seiner sp盲teren R眉ckkehr in die Bundesrepublik Deutschland das entscheidende Gewicht beizumessen.
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Fundstellen
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BStBl II 1978, 118 |
BFHE 1978, 441 |