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Entscheidungsstichwort (Thema)
(Teilweise inhaltsgleich mit Beschluss des BFH vom 28.10.2022 VI B 15/22AdV). AdV-Verfahren: Keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsm盲脽igkeit der H枚he der S盲umniszuschl盲ge
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Leitsatz (NV)
Bei summarischer Pr眉fung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsm盲脽igkeit der gesetzlich festgelegten H枚he der S盲umniszuschl盲ge (entgegen BFH-Beschl眉sse vom 31.08.2021 - VII B 69/21 (AdV), und vom 23.05.2022 - V B 4/22 (AdV)).
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Normenkette
AO 搂搂听240, 238, 233a, 227, 218 Abs. 2; FGO 搂 69; EStG 搂 38 Abs. 2; GG Art.听3 Abs. 1, Art.听100 Abs. 1
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Verfahrensgang
FG M眉nster (Beschluss vom 28.04.2022; Aktenzeichen 12 V 3018/21) |
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Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Finanzgerichts M眉nster vom 28.04.2022 - 12 V 3018/21 aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung des Abrechnungsbescheids 眉ber S盲umniszuschl盲ge zur Lohnsteuer und zum Solidarit盲tszuschlag 4. Kalendervierteljahr 2020 vom 08.07.2021 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, sp盲testens bis zur anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens in voller H枚he aufzuheben, wird abgelehnt.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Die Beteiligten streiten im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu 搂听233a der Abgabenordnung (AO) i.V.m. 搂听238 AO vom 08.07.2021 in den Verfahren 1听BvR听2237/14 und 1听BvR听2422/17 betreffend die Vollverzinsung in fixer H枚he von 0,5听% pro Monat (BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303) 眉ber die Verfassungsm盲脽igkeit von S盲umniszuschl盲gen.
Rz. 2
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) --eine GmbH-- entrichtete die Lohnsteuer und den Solidarit盲tszuschlag f眉r das 4.听Kalendervierteljahr 2020 nicht zur F盲lligkeit. Hierdurch entstanden nach 搂听240 AO S盲umniszuschl盲ge in H枚he von 34,50听鈧 zur Lohnsteuer und 1,50听鈧 zum Solidarit盲tszuschlag, die von der Antragstellerin beglichen wurden.
Rz. 3
Auf Antrag der Antragstellerin erlie脽 der Antragsgegner und Beschwerdef眉hrer (Finanzamt --FA--) am 08.07.2021 einen Abrechnungsbescheid nach 搂听218 Abs.听2 AO, der die vorgenannten S盲umniszuschl盲ge zulasten der Antragstellerin auswies.
Rz. 4
Gegen den Abrechnungsbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aufhebung der Vollziehung (AdV). Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu 搂听233a AO best眉nden ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel an der gesetzlich festgelegten H枚he der S盲umniszuschl盲ge.
Rz. 5
Das FA stellte das Einspruchsverfahren im Hinblick auf das beim BFH anh盲ngige Verfahren VII听R听55/20 ruhend. Den Antrag auf AdV lehnte es ab.
Rz. 6
Hierauf beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) gem盲脽 搂听69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) AdV des angefochtenen Abrechnungsbescheids. Zur Begr眉ndung verwies sie u.a. auf den nicht ver枚ffentlichten BFH-Beschluss vom 31.08.2021听- VII听B听69/21听(AdV) betreffend die AdV von S盲umniszuschl盲gen zur Einkommensteuer und zum Solidarit盲tszuschlag f眉r 2015, 2017 und 2018 sowie zur Einkommensteuervorauszahlung f眉r das 1.听Kalendervierteljahr 2020. Auch danach best眉nden ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel an der H枚he der S盲umniszuschl盲ge.
Rz. 7
Mit Beschluss vom 28.04.2022听- 12听V听3018/21 hat das FG die Vollziehung des Abrechnungsbescheids vom 08.07.2021 betreffend die S盲umniszuschl盲ge zur Lohnsteuer und zum Solidarit盲tszuschlag f眉r das 4.听Kalendervierteljahr 2020 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung, sp盲testens bis zu einer anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens in voller H枚he aufgehoben. Im Hinblick auf den BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303 und die teilweise darauf gr眉ndende Rechtsprechung des VII.听Senats des BFH betreffend ernstlicher verfassungsrechtlicher Zweifel an 搂听240 Abs.听1 Satz听1 AO (BFH-Urteil vom 30.06.2020听- VII听R听63/18, BFHE 270, 7, BStBl II 2021, 191, sowie BFH-Beschl眉sse vom 14.04.2020听- VII听B听53/19, und vom 31.08.2021听- VII听B听69/21听(AdV)) erscheine die Verfassungsm盲脽igkeit der gesetzlich festgelegten H枚he der S盲umniszuschl盲ge wegen des darin enthaltenen Zinsanteils, soweit sie --wie hier-- nach dem 31.12.2018 entstanden seien, ernstlich zweifelhaft. Im Streitfall sei AdV in vollem Umfang zu gew盲hren, da die einheitliche Regelung in 搂听240 AO zur unteilbar gesetzlich festgelegten H枚he der S盲umniszuschl盲ge nur insgesamt verfassungsgem盲脽 oder --wie vorliegend-- verfassungswidrig sein k枚nne. Eine nur h盲lftige Aussetzung in H枚he eines gedachten Zinsanteils komme daher nicht in Betracht.
Rz. 8
脺ber den Einspruch der Antragstellerin hat das FA bislang noch nicht entschieden.
Rz. 9
Gegen die AdV des Abrechnungsbescheids wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat.
Rz. 10
Es beantragt sinngem盲脽, den Beschluss des FG M眉nster vom 28.04.2022听- 12听V听3018/21 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung des Abrechnungsbescheids 眉ber S盲umniszuschl盲ge zur Lohnsteuer und zum Solidarit盲tszuschlag f眉r das 4.听Kalendervierteljahr 2020 vom 08.07.2021 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, sp盲testens bis zur anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens in voller H枚he aufzuheben, abzulehnen.
Rz. 11
Die Antragstellerin ist der Beschwerde unter Verweis auf den BFH-Beschluss vom 23.05.2022听- V听B听4/22听(AdV) entgegengetreten.
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Rz. 12
II. Die nach 搂听128 Abs.听3 Satz听1 FGO zul盲ssige Beschwerde ist begr眉ndet. Der Beschluss des FG vom 28.04.2022听- 12听V听3018/21 ist aufzuheben und der Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung des Abrechnungsbescheids 眉ber S盲umniszuschl盲ge zur Lohnsteuer und zum Solidarit盲tszuschlag f眉r das 4.听Kalendervierteljahr 2020 vom 08.07.2021 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung, sp盲testens bis zur anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens in voller H枚he aufzuheben, abzulehnen. Zum einen hat der beschlie脽ende Senat keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsm盲脽igkeit der nach dem 31.12.2018 verwirkten S盲umniszuschl盲ge und folglich auch nicht an den streitbefangenen S盲umniszuschl盲gen zur Lohnsteuer und zum Solidarit盲tszuschlag f眉r das 4.听Kalendervierteljahr 2020. Zum anderen fehlt es der Antragstellerin auch an dem jedenfalls im Streitfall erforderlichen (besonderen) Aufhebungsinteresse.
Rz. 13
1. Nach 搂听128 Abs.听3 i.V.m. 搂听69 Abs.听3 Satz听1, Abs.听2 Satz听2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtm盲脽igkeit bestehen oder wenn die Vollziehung f眉r den Betroffenen eine unbillige H盲rte zur Folge h盲tte. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die AdV, auch gegen Sicherheit, anordnen (搂听128 Abs.听3 i.V.m. 搂听69 Abs.听3 Satz听3 FGO).
Rz. 14
Ernstliche Zweifel i.S. von 搂听69 Abs.听2 Satz听2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Pr眉fung des angefochtenen Bescheids neben f眉r seine Rechtm盲脽igkeit sprechenden Umst盲nden gewichtige Gr眉nde zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (st盲ndige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschl眉sse vom 30.03.2021听- V听B听63/20听(AdV), und vom 08.04.2009听- I听B听223/08, BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hier眉ber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Pr眉fung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss vom 07.09.2011听- I听B听157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz听12, m.w.N.). Zur Gew盲hrung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die f眉r die Rechtswidrigkeit sprechenden Gr眉nde im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit 眉berwiegen (BFH-Beschluss in BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz听12). Ernstliche Zweifel k枚nnen auch verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm sein (s. BFH-Beschluss vom 04.07.2019听- VIII听B听128/18, Rz听12) oder sich aus einem m枚glichen Versto脽 des Steuergesetzes gegen eine unionsrechtliche Bestimmung ergeben (vgl. BFH-Beschluss vom 12.12.2013听- XI听B听88/13, Rz听15).
Rz. 15
2. Nach 搂听240 Abs.听1 Satz听1 AO ist, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des F盲lligkeitstages entrichtet wird, f眉r jeden angefangenen Monat der S盲umnis ein S盲umniszuschlag von 1听% des abgerundeten r眉ckst盲ndigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den n盲chsten durch 50听鈧 teilbaren Betrag.
Rz. 16
3. Der beschlie脽ende Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsm盲脽igkeit der gesetzlich festgelegten H枚he der S盲umniszuschl盲ge.
Rz. 17
a) Solche Zweifel ergeben sich insbesondere nicht aus dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303.
Rz. 18
aa) Ausgangspunkt der in der Entscheidung des BVerfG vom 08.07.2021 als verfassungswidrig angesehenen Ungleichbehandlung war die in 搂听233a Abs.听2 Satz听1 AO geregelte f眉nfzehnmonatige Karenzzeit, welche nach Ansicht des BVerfG zu einer verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Steuerpflichtigen f眉hrt (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303, Rz听103); n盲mlich derjenigen Steuerschuldner, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit (zutreffend) festgesetzt wurde, gegen眉ber denjenigen, deren Steuer bereits innerhalb der Karenzzeit endg眉ltig festgesetzt wurde, mithin eine Ungleichbehandlung zinszahlungspflichtiger gegen眉ber nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303, Rz听104). Dabei spielte die Frage, ob ein Zinssatz von monatlich 0,5听% den durch eine Vollverzinsung zulasten der Steuerpflichtigen auszugleichenden Vorteil der H枚he nach realit盲tsgerecht abbildet, erst in der anschlie脽enden Rechtfertigungspr眉fung nach strengen Verh盲ltnism盲脽igkeitsanforderungen eine Rolle (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303, Rz听109听ff.).
Rz. 19
bb) Die nach 搂听233a AO geregelte Vollverzinsung soll stark typisierend objektive Zins- und Liquidit盲tsvorteile erfassen, die dadurch entstehen, dass zwischen Entstehung des Steueranspruchs und seiner F盲lligkeit nach Festsetzung ein Zeitraum von mehreren Jahren liegen kann (vgl. BeckOK AO/Oosterkamp, 21.听Ed. [01.07.2022], AO 搂听233a Rz听1). Nachzahlungszinsen sind dementsprechend --anders als etwa ein Versp盲tungszuschlag-- weder Sanktion noch Druckmittel (vgl. insoweit BTDrucks 8/1410, S.听4; BTDrucks 19/20836, S.听5), sondern ein Ausgleich f眉r die Kapitalnutzung (vgl. BTDrucks 8/1410, S.听4; BRDrucks 324/18, S.听2). Die Vollverzinsung hat keine zus盲tzliche Lenkungsfunktion dahingehend, die Steuerpflichtigen dazu anzuhalten, ihre Steuererkl盲rungen fr眉hzeitig abzugeben oder etwaige Vorauszahlungen angemessen anzusetzen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303, Rz听126). Die Regelung wirkt sowohl zugunsten (im Fall der Steuererstattung) wie zuungunsten (im Fall der Steuernachforderung) der Steuerpflichtigen. Darauf, ob sie tats盲chlich einen Zinsvorteil oder -nachteil durch die sp盲te Steuerfestsetzung erzielt haben, kommt es nicht an. Auch die Gr眉nde f眉r die sp盲te Steuerfestsetzung und insbesondere, ob die Steuerpflichtigen oder die Beh枚rde hieran ein Verschulden trifft, sind f眉r die Anwendung des 搂听233a AO unerheblich (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303, Rz听7).
Rz. 20
cc) S盲umniszuschl盲ge sind demgegen眉ber ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll. Dar眉ber hinaus verfolgt 搂听240 AO den Zweck, vom Steuerpflichtigen eine Gegenleistung f眉r das Hinausschieben der Zahlung f盲lliger Steuern zu erhalten. Durch S盲umniszuschl盲ge werden schlie脽lich auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die bei den verwaltenden K枚rperschaften dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige eine f盲llige Steuer nicht oder nicht fristgerecht zahlen (z.B. BFH-Beschluss vom 02.03.2017听- II听B听33/16, BFHE 257, 27, BStBl II 2017, 646, Rz听32, sowie BFH-Urteile vom 19.12.2000听- VII听R听63/99, BFHE 193, 524, BStBl II 2001, 217, unter II., und vom 30.03.2006听- V听R听2/04, BFHE 212, 23, BStBl II 2006, 612, unter II.2., jeweils m.w.N.).
Rz. 21
dd) Neben der den S盲umniszuschl盲gen zukommenden Lenkungsfunktion unterscheiden sich diese von Nachzahlungszinsen insbesondere dadurch, dass der Steuerpflichtige --anders als bei der Vollverzinsung-- grunds盲tzlich die Wahl hat, ob er den Tatbestand der S盲umnis verwirklicht und deshalb die S盲umniszuschl盲ge nach 搂听240 AO entstehen oder ob er die Steuerschuld bei F盲lligkeit tilgt und sich im Bedarfsfall die erforderlichen Geldmittel zur Begleichung der Steuerschuld anderweitig zu g眉nstigeren Konditionen beschafft (vgl. BVerfG-Beschl眉sse in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303, Rz听243, und vom 04.05.2022听- 2听BvL听1/22). Dem steht nicht entgegen, dass S盲umniszuschl盲ge kraft Gesetz entstehen, ohne dass es auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen ankommt (z.B. BFH-Beschluss in BFHE 257, 27, BStBl II 2017, 646, Rz听32, m.w.N.).
Rz. 22
b) 搂听233a AO und 搂听240 AO regeln folglich unterschiedliche Sachverhalte. Aufgrund der wesentlichen Unterschiede von Nachzahlungszinsen und S盲umniszuschl盲gen kann die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 158, 282, BGBl I 2021, 4303 zur Vollverzinsung auf 搂听240 AO auch nicht allein wegen eines gedachten Zinsanteils der S盲umniszuschl盲ge 眉bertragen werden. Ebenso wenig werden unter Ber眉cksichtigung dieser Entscheidung --etwa im Wege eines "Erst-Recht-Schlusses"-- ernstliche Zweifel an der Verfassungsm盲脽igkeit der gesetzlich festgelegten H枚he der S盲umniszuschl盲ge begr眉ndet (vgl. BVerfG-Beschluss vom 04.05.2022听- 2听BvL听1/22, Rz听26).
Rz. 23
c) Vielmehr vermag der Senat angesichts der aufgezeigten Unterschiede zwischen S盲umniszuschl盲gen gem盲脽 搂听240 AO und Zinsen nach 搂听233a AO keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von s盲umigen und nicht s盲umigen Steuerschuldnern durch die gesetzlich festgelegte H枚he der S盲umniszuschl盲ge zu erkennen. Die in 搂听240 AO angelegte unterschiedliche Behandlung der beiden Vergleichsgruppen ist bereits durch die vom Steuerschuldner veranlasste S盲umnis gerechtfertigt. Ein Versto脽 gegen Art.听3 Abs.听1 des Grundgesetzes (GG) ist daher insoweit nicht zu beklagen.
Rz. 24
d) Gleiches gilt im Hinblick auf die gesetzlich festgelegte H枚he der S盲umniszuschl盲ge. Die dahingehende Typisierung obliegt der grunds盲tzlichen Einsch盲tzungspr盲rogative des Gesetzgebers. Sie ist erst dann nicht mehr zu rechtfertigen, wenn die H枚he der S盲umniszuschl盲ge unter ver盲nderten tats盲chlichen Bedingungen oder angesichts einer ver盲nderten Erkenntnislage weder durch die ma脽stabsbildend zugrunde gelegten noch durch sonstige geeignete Kriterien getragen ist. Einen solchen Rechtfertigungsmangel sieht der beschlie脽ende Senat --auch unter Ber眉cksichtigung des seit 2014 w盲hrenden strukturellen Niedrigzinsniveaus-- nicht.
Rz. 25
aa) Zum einen l盲sst sich 搂听240 AO nicht entnehmen, in welchem quantitativen Verh盲ltnis die vom Gesetz verfolgten Zwecke (Druckmittel, zins盲hnliche Funktion, Verwaltungsaufwand) zueinander stehen. Aus der Rechtsprechung des BFH zum (Teil-)Erlass von S盲umniszuschl盲gen aus Billigkeitsgr眉nden folgt nichts anderes. Danach sind zwar S盲umniszuschl盲ge typisierend (nur) zur H盲lfte wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, wenn sie wegen Zahlungsunf盲higkeit des Steuerschuldners ihren Sinn als Druckmittel verloren haben (z.B. BFH-Urteil vom 24.04.2014听- V听R听52/13, BFHE 245, 105, BStBl II 2015, 106, Rz听14, m.w.N.). Ein Zinsanteil von 0,5听% l盲sst sich hieraus jedoch nicht ableiten. Denn der verbleibende h盲lftige Anteil dient nicht nur dem Vorteilsausgleich f眉r das Hinausschieben der Zahlung f盲lliger Steuern, sondern gilt daneben den durch die S盲umnis entstehenden Verwaltungsmehraufwand ab. In welchem Verh盲ltnis Zinsanteil und "Verwaltungsentgelt" zueinander stehen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist die H枚he des im S盲umniszuschlag enthaltenen Zinses ungekl盲rt (BVerfG-Beschluss vom 04.05.2022听- 2听BvL听1/22, Rz听24).
Rz. 26
Dementsprechend kann der beschlie脽ende Senat den Zinsanteil wegen der multifunktionalen Zielsetzung der S盲umniszuschl盲ge nicht belastbar beziffern. Ein lediglich gedachter, nicht zu quantifizierender Zinsanteil vermag ernstliche Zweifel an deren gesetzlich festgelegter H枚he von 1听% je angefangenem Monat nicht zu begr眉nden (ebenso Oberverwaltungsgericht f眉r das Land Nordrhein-Westfalen --OVG NRW--, Beschluss vom 29.04.2022听- 14听B听403/22, Rz听8). Da S盲umniszuschl盲ge im Hinblick auf ihre H枚he nur insgesamt als verfassungsgem盲脽 oder -widrig beurteilt werden k枚nnen --eine Teilverfassungswidrigkeit in Bezug auf einen bestimmten Zweck einer Norm gibt es nicht (BFH-Beschluss vom 04.07.2019听- VIII听B听128/18, Rz听16, zu ernstlichen Zweifeln bei Aussetzungszinsen)--, kommt auch eine teilweise AdV des angefochtenen Abrechnungsbescheids nicht in Betracht.
Rz. 27
bb) Zum anderen k枚nnte selbst ein gedachter Zinsanteil an den S盲umniszuschl盲gen von 0,5听% pro angefangenem Monat nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsm盲脽igkeit des 搂听240 Abs.听1 Satz听1 AO f眉hren. Denn ein S盲umniszuschlag von 1听% f眉r jeden angefangenen Monat der S盲umnis w盲re nach Auffassung des Senats jedenfalls im Hinblick auf die im vorliegenden Streitfall versp盲tet entrichteten Steuern auch allein zur Erzwingung deren rechtzeitiger Zahlung und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands verh盲ltnism盲脽ig und daher verfassungsrechtlich auch unter Ber眉cksichtigung des seit 2014 w盲hrenden strukturellen Niedrigzinsniveaus unbedenklich (ebenso OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2022听- 14听B听403/22, Rz听8).
Rz. 28
(1) F眉r die nicht rechtzeitig abgef眉hrte Lohnsteuer folgt dies aus dem Umstand, dass diese ein bei der Lohnzahlung zur眉ckbehaltener Teil des Lohnes der Arbeitnehmer ist. Der Arbeitnehmer ist Schuldner der Lohnsteuer (搂听38 Abs.听2 des Einkommensteuergesetzes). Der Arbeitgeber --hier die Antragstellerin-- zieht die Lohnsteuer gewisserma脽en nur treuh盲nderisch f眉r den Arbeitnehmer und den Steuerfiskus ein. F眉r den Arbeitgeber ist die Lohnsteuer Fremdgeld, welches er daher nicht sach- und zweckwidrig selbst verwenden darf. Durch die versp盲tete Abf眉hrung der Lohnsteuer verletzt der Arbeitgeber schuldhaft die ihm obliegende Verpflichtung, die Steuer aus den von ihm verwalteten Mitteln bis zum Ablauf des F盲lligkeitstages zu entrichten (so bereits BFH-Urteil vom 20.04.1982听- VII听R听96/79, BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521, m.w.N.).
Rz. 29
(2) Entsprechendes gilt f眉r den von der Antragstellerin nicht rechtzeitig abgef眉hrten Solidarit盲tszuschlag als auf die Lohnsteuer entfallende Annexforderung (zur AdV von Annexforderungen s. BFH-Beschluss vom 23.05.2012听- III听B听129/11, Rz听11, m.w.N.).
Rz. 30
Angesichts dessen teilt der Senat die Zweifel des VII. und V.听Senats des BFH an der gesetzlich festgelegten H枚he der S盲umniszuschl盲ge nicht.
Rz. 31
4. Unbilligen H盲rten im Einzelfall im Hinblick auf die gesetzliche H枚he der S盲umniszuschl盲ge, z.B. bei Zahlungsunf盲higkeit des Steuerschuldners, die die Funktion von S盲umniszuschl盲gen als Druckmittel entfallen lassen k枚nnte, kann durch (Teil-)Erlass nach 搂听227 AO begegnet werden. Auch dieser Umstand streitet gegen die Verfassungswidrigkeit von 搂听240 AO (ebenso OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2022听- 14听B听403/22, Rz听8). F眉r Letzteres bestehen im Streitfall jedoch keine Anhaltspunkte. Die Antragstellerin tr盲gt nicht vor, 眉ber kein Verm枚gen zu verf眉gen, aus dem sie die geschuldeten Steuern entrichten k枚nnte.
Rz. 32
5. Schlie脽lich w盲re der Antragstellerin die begehrte AdV auch bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsm盲脽igkeit der gesetzlich festgelegten H枚he der S盲umniszuschl盲ge nicht zu gew盲hren. Denn hierf眉r fehlt es an dem im Streitfall erforderlichen besonderen Aufhebungsinteresse.
Rz. 33
a) Nach der Rechtsprechung des BFH (z.B. Beschl眉sse vom 10.02.1984听- III听B听40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454; vom 01.04.2010听- II听B听168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558; vom 09.03.2012听- VII听B听171/11, BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418; vom 15.04.2014听- II听B听71/13, sowie vom 20.09.2022听- II听B听3/22听(AdV)) ist bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsm盲脽igkeit eines formell ordnungsgem盲脽 zustande gekommenen Gesetzes grunds盲tzlich ein besonderes berechtigtes Interesse an der AdV erforderlich.
Rz. 34
b) Ob an dieser Rechtsprechung weiter festzuhalten ist, haben der beschlie脽ende Senat (Senatsbeschluss vom 25.08.2009听- VI听B听69/09, BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826) wie auch andere Senate des BFH (z.B. BFH-Beschl眉sse vom 02.08.2007听- IX听B听92/07, BFH/NV 2007, 2270, und vom 09.05.2012听- I听B听18/12) zuletzt dahinstehen lassen. Auch das BVerfG hat es in neuerer Zeit offengelassen, ob das Erfordernis eines besonderen Aussetzungsinteresses mit dem Grundsatz der Gew盲hrung effektiven Rechtsschutzes vereinbar ist (vgl. BVerfG-Beschl眉sse vom 24.10.2011听- 1听BvR听1848/11, 1听BvR听2162/11, Neue Juristische Wochenschrift 2012, 372, Rz听4, und vom 06.05.2013听- 1听BvR听821/13, H枚chstrichterliche Finanzrechtsprechung 2013, 639, Rz听7).
Rz. 35
c) Dies bedarf im Streitfall aber keiner Entscheidung.
Rz. 36
aa) Denn jedenfalls in dem vorliegenden Bagatellfall, in dem die ernstlichen Zweifel an der Rechtm盲脽igkeit des Verwaltungsakts ausschlie脽lich auf verfassungsrechtlichen Einwendungen gegen die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Gesetzesvorschrift beruhen, kommt AdV nach Auffassung des Senats (weiterhin) nur in Betracht, wenn ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gew盲hrung vorl盲ufigen Rechtsschutzes vorliegt. Dies ist dem Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgem盲脽 zustande gekommenen Gesetzes geschuldet.
Rz. 37
bb) Das danach f眉r eine Gew盲hrung einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche besondere berechtigte Aussetzungsinteresse hat der BFH in verschiedenen Fallgruppen regelm盲脽ig als erf眉llt angesehen, insbesondere wenn der BFH die vom Antragsteller als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem BVerfG gem盲脽 Art.听100 Abs.听1 GG zur Pr眉fung der Verfassungsm盲脽igkeit vorgelegt hat oder ein beim BFH anh盲ngiges Verfahren, das f眉r die Beantwortung von Rechtsfragen vorgreiflich ist, im Hinblick auf mehrere beim BVerfG anh盲ngige Verfahren der konkreten Normenkontrolle ruht. Das berechtigte Aussetzungsinteresse hat der BFH auch in den F盲llen bejaht, in denen der sofortige Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts zu einem steuerlichen Eingriff mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen f眉hrt, etwa weil dem Antragsteller irreparable Nachteile drohen oder sein zu versteuerndes Einkommen abz眉glich der darauf zu entrichtenden Einkommensteuer das sozialhilferechtlich garantierte Existenzminimum unterschreitet (z.B. BFH-Beschluss vom 17.12.2018听- VIII听B听91/18, Rz听21, m.w.N.).
Rz. 38
d) Auf dieser Grundlage kommt im Streitfall eine AdV des angefochtenen Abrechnungsbescheids nicht in Betracht. Insbesondere kann im Streitfall nicht angenommen werden, dass die Entrichtung der S盲umniszuschl盲ge zur Lohnsteuer und zum Solidarit盲tszuschlag f眉r das 4.听Kalendervierteljahr 2020 in H枚he von insgesamt 36听鈧 f眉r die Antragstellerin zu einer derart schwerwiegenden Belastung f眉hrt, dass ihr bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens irreparable Nachteile drohen, zumal die Antragstellerin ihrer (vorl盲ufigen) Verpflichtung zur Begleichung der hier streitigen S盲umniszuschl盲ge bereits nachgekommen ist. Anderes ist von der Antragstellerin weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich.
Rz. 39
6. Die Kostenentscheidung beruht auf 搂听135 Abs.听1 FGO.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 15453208 |
BFH/NV 2023, 14 |