Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Krankheitsbedingte Fehlzeiten und die dadurch entstehenden Kosten stellen nur eine Seite des Geschehens dar. Aber auch Besch盲ftigte, die trotz Krankheit oder Unwohlsein zur Arbeit erscheinen, verursachen Sch盲den und Kosten! Gerade Menschen mit Depressionen oder Angstst枚rungen gehen h盲ufig trotz ihrer Beschwerden weiter arbeiten und suchen erst sp盲t professionelle Hilfe. Durch dieses "Pr盲sentismus" genannte Ph盲nomen kommt es in den Betrieben zu deutlichen Produktivit盲tseinbu脽en, da die Betroffenen weniger leistungsf盲hig und oft fehleranf盲lliger sind. Daher ist ein Sinken der Fehlzeiten m枚glicherweise nicht immer nur eine gute Botschaft, wenn dies bedeutet, dass Mitarbeiter krank zur Arbeit gehen.
脺ber 70聽% der Befragten einer repr盲sentativen Studie zum Thema Pr盲sentismus gaben an, im Vorjahr zur Arbeit gegangen zu sein, obwohl sie sich krank f眉hlten. Ein Drittel erschien sogar am Arbeitsplatz gegen den Rat des Arztes.
Verschiedene Studien (z.聽B. die TK-Studie "Pr盲sentismus in einer zunehmend mobilen Arbeitswelt", 2022) zeigen, dass 30鈥90聽% der Besch盲ftigten auch krank zur Arbeit gehen. Gut ein Viertel der Befragten geht sogar h盲ufig oder sehr h盲ufig krank zur Arbeit und arbeitet zudem den vollen Arbeitstag.
Wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass die Kosten durch Pr盲sentismus sogar h枚her liegen als die f眉r den Absentismus (Fernbleiben von der Arbeit, obwohl keine Erkrankung vorliegt). Die Kosten f眉r Arbeitgeber bestehen z.聽B. aus verlorenen Arbeitsstunden. So k枚nnen bei Depressionen h枚here Produktivit盲tsverluste durch Pr盲sentismus (ca. 15聽%) als durch Fehlzeiten (ca. 10聽%) entstehen.
Eine Studie der Unternehmensberatung Booz & Company f眉r die Felix-Burda-Stiftung geht noch weit 眉ber diese Kostensch盲tzungen hinaus: Die nur durch Fehlzeiten entstandenen Kosten (Absentismus) von 1.199聽EUR pro Mitarbeiter und Jahr erfassen nur rund ein Drittel der Kosten, die tats盲chlich in deutschen Unternehmen durch Krankheit anfallen. Der gr枚脽ere Teil entsteht jedoch dadurch, dass Arbeitnehmer trotz Krankheit am Arbeitsplatz erscheinen. Durch ihre eingeschr盲nkte Einsatzf盲higkeit vermindert sich ihre Arbeitsqualit盲t, erh枚ht sich ihre Fehleranf盲lligkeit und die Anzahl der Unf盲lle. Durch eine Verz枚gerung der Genesung kann es auch zu chronischer Erkrankung und Burnout kommen.
Die Kosten f眉r diesen sog. Pr盲sentismus werden auf j盲hrlich 2.399聽EUR pro Mitarbeiter gesch盲tzt. F眉r den Arbeitgeber steigen damit die krankheitsbedingten Kosten auf 3.598聽EUR j盲hrlich pro Arbeitnehmer. Nach dieser Studie verliert die deutsche Volkswirtschaft rund 10聽% des Bruttoinlandsproduktes durch Arbeitnehmer, die krank zur Arbeit gehen.
Abb.聽11: Kosten von Pr盲sentismus und Absentismus
Der Forschungsbericht der Bundesanstalt f眉r Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kommt zu dem Ergebnis, dass durch Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen 9,47聽Arbeitsstunden in der Woche verloren gehen, durch Pr盲sentismus bei psychischer Erkrankung 3,72聽Arbeitsstunden pro Woche. Es wird berichtet, dass psychisch kranke Mitarbeiter nur 67聽% ihrer Arbeitszeit effektiv arbeiten. Pro Mitarbeiter verlieren Unternehmen so 27聽Tage im Jahr an Arbeitsleistung. Es geht doppelt so viel Arbeitsproduktivit盲t durch Pr盲sentismus verloren wie durch Absentismus.
Diese Produktionsausf盲lle und Kosten werden oft nicht gesehen und ber眉cksichtigt, weil die betroffenen Arbeitnehmer ja am Arbeitsplatz erscheinen. Wie produktiv sie dann tats盲chlich im gesundheitlich angeschlagenen Zustand sein k枚nnen, wird h盲ufig nicht gesehen.
Ursachen f眉r die Bereitschaft, auch krank zur Arbeit zu gehen, werden besonders in der zu hohen Arbeitsmenge und -verdichtung gesehen. Auch Menschen, die besonders viel Sinn in ihrer Arbeit sehen und sich besonders solidarisch mit ihren Kollegen f眉hlen, gehen eher angeschlagen in die Firma. Hier spielt also die intrinsische Motivation eine gro脽e Rolle. Daneben kann die Angst um den Arbeitsplatz zu erh枚htem Pr盲sentismus f眉hren.
Gerade Besch盲ftigte, die viel im Homeoffice arbeiten, neigen besonders stark zu Pr盲sentismus. So arbeitet fast die H盲lfte der Besch盲ftigten im Homeoffice trotz 盲rztlicher Krankschreibung. Der Hauptgrund hierf眉r scheint ein schlechtes Gewissen zu sein, wenn man nicht arbeitet, obwohl der Rechner in der N盲he ist. Es wird hier auch von Selbstgef盲hrdung gesprochen.
In der TK-Studie zu Pr盲sentismus wurden diese 10 Gr眉nde f眉r das Arbeiten trotz Krankheit am h盲ufigsten genannt:
- Es gab keine Vertretung f眉r mich.
- Ich konnte arbeiten, weil meine Krankheit nicht ansteckend war.
- Ich wollte meinen Kollegen/Kolleginnen nicht zur Last fallen.
- Es gab dringende Arbeiten und Termine.
- Weil ich gerne zur Arbeit gehe.
- Ich hatte das Gef眉hl, gesund genug zum Arbeiten zu sein.
- Die Arbeit h盲tte sich aufgeh盲uft.
- Ich m枚chte selbst entscheiden, wann ich arbeite und wann nicht.
- Ich m枚chte Vereinbarungen (wie Termine und Meetings) einhalten.
- Ich m枚chte ein schlechtes Gewissen und Schuldgef眉hle vermeiden.
Arbeitgeber sollten also insbesondere auf die Besch盲ftigten im Ho...