BGH: Kein Hausabriss – aber auch kein Eigentum am ҰܲԻü

Die gutgläubigen Besitzer eines ҰܲԻüs müssen das darauf neugebaute Haus nicht abreißen, so der Bundesgerichtshof (BGH). Der rechtmäßige Eigentümer kann aber die Räumung verlangen – wenn er die Baukosten zahlt. Über die Höhe der Erstattung soll jetzt die Vorinstanz entscheiden.

Der Rechtsstreit um Haus und ҰܲԻü muss noch einmal vor dem Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg verhandelt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob ein früheres Urteil auf und verwies die Sache insgesamt zurück zur neuen Verhandlung und Entscheidung – unter anderem habe das OLG die beklagte Familie zu Unrecht zum Abriss des Einfamilienhauses verurteilt, so der BGH.

Der Kläger habe zwar als rechtmäßiger Eigentümer – wie vom OLG angenommen – Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs und auf Räumung und Herausgabe des ҰܲԻüs, entschied der Karlsruher Senat. Das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten für den Hausbau habe die Vorinstanz aber zu Unrecht verneint. Die Eheleute müssten das ҰܲԻü nur räumen, wenn der klagende Eigentümer ihnen für das Haus sogenannten Verwendungsersatz zahlt.

(BGH, Urteil v. 14.3.2025 – V ZR 153/23)

Aufhebung Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren

Die betroffenen Eheleute W. hatten das ҰܲԻü im brandenburgischen Rangsdorf südlich von Berlin bei einer Zwangsversteigerung erworben. Nachdem sie darauf ein Haus gebaut und mit zwei Kindern eingezogen waren, meldete sich der ursprüngliche Eigentümer des ҰܲԻüs – er hatte erst nach dem Zuschlag von der Zwangsversteigerung erfahren – und forderte das ҰܲԻü zurück.

Der Kläger war seit 1993 als Eigentümer des ҰܲԻüs im Grundbuch eingetragen. Ab 2008 wurde die Zwangsversteigerung betrieben. Im Jahr 2010 erhielt die Beklagte zu 1) den Zuschlag für das ҰܲԻü und wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Mit dem Beklagten zu 2), dem Ehemann, ließ sie ein Wochenendhaus auf dem ҰܲԻü abreißen und ein neues Wohnhaus bauen, das die Beklagten seit 2012 bewohnen. Zur Sicherung der für den Hausbau aufgenommenen Kredite wurde das ҰܲԻü mit einer Grundschuld über 280.000 Euro neben Zinsen belastet.

OLG Brandenburg: Familie zu Hausabriss verurteilt

Der Eigentümer zog gegen die Familie vor Gericht. Die Versteigerung sei nicht rechtens gewesen, entschied im Jahr 2014 das Landgericht (LG) Potsdam: Das Amtsgericht (AG) Luckenwalde habe vorher nicht ausreichend nach dem ursprünglichen Eigentümer gesucht. Der Zuschlagsbeschluss wurde wieder aufgehoben.Das OLG Brandenburg verurteilte die Beklagten daraufhin im Juni 2023 dazu, innerhalb eines Jahres ihr Haus abzureißen und das ҰܲԻü zu räumen. Zudem sollte sie die Grundschuld für die Baukosten löschen und dem Eigentümer rund 6.000 Euro für die Nutzung des ҰܲԻüs zahlen. Die Eheleute legten Revision beim BGH ein – mit einem Teilerfolg.

BGH: Zurückbehaltungsrecht der Beklagten

Der Bundesgerichtshof hat der Revision der Beklagten stattgegeben und die Sache insgesamt zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die Begründung:

Im Ausgangspunkt trifft laut BGH die Annahme des OLG zu, dass dem Kläger ein Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs (§ 894 BGB) sowie auf Räumung (§ 1004 Abs. 1 BGB) und Herausgabe des ҰܲԻüs (§ 985 BGB) zusteht. Er hat sein Eigentum durch den im Zwangsversteigerungsverfahren erteilten Zuschlag nicht verloren.

Zwar führt der Zuschlag gemäß § 90 Abs. 1 ZVG zu einem originären Eigentumserwerb des Erstehers, hier der Beklagten zu 1). Wird der Zuschlagsbeschluss aber im Beschwerdewege rechtskräftig aufgehoben, verliert der Ersteher das Eigentum rückwirkend zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Zuschlagsbeschlusses wieder an den Schuldner, hier den Kläger; dessen Eigentum lebt wieder auf.

Da ein Beschluss, mit dem ein Zuschlag aufgehoben wird, ebenso wie ein Urteil der materiellen Rechtskraft fähig ist, kommt es auf dessen Rechtmäßigkeit nicht an. Entsprechende Einwendungen können nur im Zusammenhang mit insoweit eröffneten Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen gegen den Aufhebungsbeschluss geltend gemacht werden, nicht aber in einem späteren Verfahren, in dem – wie hier – die rechtskräftige Entscheidung Vorfrage ist.

Beanstandet hat der BGH aber, dass ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen der behaupteten Verwendungen für den Hausbau verneint worden ist; ein solches Zurückbehaltungsrecht hat zur Folge, dass die Grundbuchberichtigung sowie die Räumung und Herausgabe des ҰܲԻüs nur Zug um Zug gegen Zahlung von Verwendungsersatz erfolgen müssen. Als rechtsfehlerhaft wurde auch die Verurteilung der Beklagten zum Abriss des Hauses und zur Löschung der Grundschuld angesehen.

Vorinstanzen

(LG Potsdam, Urteil v. 5.6.2020 – 1 O 330/14)
OLG Brandenburg, Urteil v. 29.6.2023 – 5 U 81/20)


Die maßgeblichen Vorschriften:

§ 816 BGB Verfügung eines Nichtberechtigten

(1) Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. […]

(2) […]

§ 894 BGB Berichtigung des Grundbuchs

Steht der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem ҰܲԻü, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung der in § 892 Abs. 1 bezeichneten Art mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang, so kann derjenige, dessen Recht nicht oder nicht richtig eingetragen oder durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, die Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen wird.

§ 985 BGB Herausgabeanspruch

Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.

§ 989 BGB Schadensersatz nach Rechtshängigkeit

Der Besitzer ist von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an dem Eigentümer für den Schaden verantwortlich, der dadurch entsteht, dass infolge seines Verschuldens die Sache verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde von ihm nicht herausgegeben werden kann.

§ 990 BGB Haftung des Besitzers bei Kenntnis

(1) War der Besitzer bei dem Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben, so haftet er dem Eigentümer von der Zeit des Erwerbs an nach den §§ 987, 989. Erfährt der Besitzer später, dass er zum Besitz nicht berechtigt ist, so haftet er in gleicher Weise von der Erlangung der Kenntnis an.

(2) […]

§ 993 BGB Haftung des redlichen Besitzers

(1) Liegen die in den §§ 987 bis 992 bezeichneten Voraussetzungen nicht vor, so hat der Besitzer die gezogenen Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft nicht als Ertrag der Sache anzusehen sind, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben; im Übrigen ist er weder zur Herausgabe von Nutzungen noch zum Schadensersatz verpflichtet.

(2) […]

§ 996 BGB Nützliche Verwendungen

Für andere als notwendige Verwendungen kann der Besitzer Ersatz nur insoweit verlangen, als sie vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit und vor dem Beginn der in § 990 bestimmten Haftung gemacht werden und der Wert der Sache durch sie noch zu der Zeit erhöht ist, zu welcher der Eigentümer die Sache wiedererlangt.

§ 997 BGB Wegnahmerecht

(1) Hat der Besitzer mit der Sache eine andere Sache als wesentlichen Bestandteil verbunden, so kann er sie abtrennen und sich aneignen. Die Vorschrift des § 258 findet Anwendung.

(2) Das Recht zur Abtrennung ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer nach § 994 Abs. 1 Satz 2 für die Verwendung Ersatz nicht verlangen kann oder die Abtrennung für ihn keinen Nutzen hat oder ihm mindestens der Wert ersetzt wird, den der Bestandteil nach der Abtrennung für ihn haben würde.

§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) […]

§ 90 ZVG

(1) Durch den Zuschlag wird der Ersteher Eigentümer des ҰܲԻüs, sofern nicht im Beschwerdewege der Beschluß rechtskräftig aufgehoben wird.

(2) […]

dpa