Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsansprüche eines Arbeitnehmers für tatsächlich geleistete Arbeit in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist in einem Parallelverfahren eine Verfassungsbeschwerde anhängig, kann in entsprechender Anwendung des § 148 Absatz 1 ZPO eine Aussetzung der Verhandlung erfolgen, wenn dies in Abwägung zwischen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen und dem Beschleunigungsgebot des § 9 Absatz 1 ArbGG sowie zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Verfahrens der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Absatz 1 Nr. 4a GG unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und der Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint. Die Aussetzung kann zeitlich befristet werden. Dabei sind insbesondere die bisherige Verfahrensdauer und der jetzige Verfahrensstand sowie die bei einer Aussetzung zu prognostizierende Verlängerung der Verfahrensdauer zu berücksichtigen, welche einer Einschätzung durch das Gericht bedarf.
2. Verlangt der Arbeitnehmer gemäß § 611a BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt. Da die konkret zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist, genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Seiner Darlegungslast genügt er, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat.
Normenkette
MiLoG §§1, 22; EFZG § 3; BUrlG § 11; ZPO §§563, 253, 148; MiLoG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Entscheidung vom 15.10.2021; Aktenzeichen 3 Ca 696-20) |
Tenor
1. Der Aussetzungsantrag des Beklagten wird abgelehnt.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des ArbG Detmold vom 15.10.2021, Az. 3 Ca 696/20 teilweise - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte (ursprünglich Beklagter zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 41.192,45 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.09.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 89% und der Beklagte (ursprünglich Beklagter zu 1) zu 11 %. Die erstattungsfähigen außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten der ursprünglichen Beklagten zu 2) (A GmbH) trägt die Klägerin. Die erstattungsfähigen außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten des Beklagten (ursprünglich Beklagter zu 1) trägt die Klägerin zu 79%. Die erstattungsfähigen außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte (ursprünglich Beklagter zu 1) zu 10,5%. Im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen erstinstanzlichen Kosten selbst zu tragen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter und dritter Instanz tragen die Klägerin zu 2 % und der Beklagte zu 98%.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 15.06.2020, wobei Ansprüche der Klägerin ab dem 15.03.2020 mit Ausnahme eines Urlaubsentgeltdifferenzanspruchs für 6 Tage im Mai 2020 bereits rechtskräftig abgewiesen worden sind.
Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in B, der unter anderem C-Kurse verschiedener Richtungen des C sowie Meditations- und D-Seminare anbietet, C lehrer ausbildet, ca. 80-100 Stadtcenter betreibt und vier E (in B, im F, an der G und im H) unterhält. Er nimmt für sich in Anspruch, eine Religionsgemeinschaft im Sinne von Art. 4 und 140 des Grundgesetzes zu sein, was zwischen den Parteien streitig ist.
Der Beklagte ist Alleingesellschafter der A GmbH, die über einen Internet-shop verschiedene Produkte vertreibt und ihre Gewinne an den Beklagten abführt. Für die bei der A GmbH anfallenden Tätigkeiten werden auch I des Beklagten eingesetzt. Die A GmbH war erstinstanzlich Beklagte zu 2), bis die Klage gegen sie zurückgenommen wurde.
Die Satzung des Beklagten lautete im streitgegenständlichen Zeitraum auszugsweise wie folgt:
"ʰä
"A", die "Wissenschaft des A", hat sich in Indien in vielen Jahrhunderten entwickelt.
Die Weisheit, Übungen und Techniken des C können gerade im Leben des modernen westlichen Menschen sehr wertvoll sein. Die Wissenschaft des C in ihrem gesamten Spektrum umfasst Techniken auf den Gebieten der Gesundheitsvorsorge, Heilung, Körper- und Energie-Arbeit, Psychologie, Selbstfindung, Selbstverwirklichung und der spirituellen und religiösen Entwicklung für ein Leben in Harmonie mit den kosmischen Gesetzen.
Der A e.V. steht in der Tradition des indischen Arztes und C Meisters J und bezieht in seiner Arbeit C in seinem ganzen Spektrum sowohl klassischer wie auch moderner Entwicklungen...