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Entscheidungsstichwort (Thema)
fehlende Beschwerdebefugnis mangels eigener Betroffenheit, soweit einer der Beschwerdef眉hrer in den angegriffenen Urteilen nicht genannt wird. i脺 Unzul盲ssigkeit teils wegen fehlender Substantiierung, teils wegen mangelnder Rechtswegersch枚pfung
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Leitsatz (redaktionell)
Die Verfassungsbeschwerde gegen die Urteile des Landgerichts Bonn vom 18. M盲rz 2020 sowie des Bundesgerichtshofs vom 28. Juli 2021, betreffend die Steuerhinterziehung mittels 鈥濩um-Ex-Aktiengesch盲ften鈥 wird mangels eigener Betroffenheit der Beschwerdef眉hrer, soweit einer der Beschwerdef眉hrer in den angegriffenen Urteilen nicht genannt wird, nicht zur Entscheidung abgenommen (umfangreiche Ausf眉hrungen zur eigenen Betroffenheit, zu den Anforderungen einer Verfassungsbeschwerde und zur notwendigen Ersch枚pfung des Rechtswegs).
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Normenkette
GG Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a; BVerfGG 搂听23 Abs. 1 S. 2, 搂听90 Abs.听1, 2 S. 1, 搂搂听92, 93d Abs. 1 S. 3; Richtlinie (EU) 2016/343 Art. 4 Abs. 1 S. 1
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Verfahrensgang
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Nachgehend
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Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (搂 40 Abs. 3 GOBVerfG).
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骋谤眉苍诲别
I.
Rz. 1
Die Beschwerdef眉hrer sind Anteilseigner einer deutschen Privatbank. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sie sich gegen Urteile des Landgerichts Bonn vom 18. M盲rz 2020 sowie des Bundesgerichtshofs vom 28. Juli 2021.
Rz. 2
Das Landgericht Bonn hatte deutschlandweit die ersten Angeklagten wegen sogenannter "Cum-Ex-Aktiengesch盲fte" verurteilt. Das Landgericht f眉hrte in den Feststellungen unter anderem aus, dass der Beschwerdef眉hrer zu 1 gemeinschaftlich mit weiteren Dritten in mehreren F盲llen vors盲tzlich und rechtswidrig den Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht h盲tte, wozu die Angeklagten im Sinne des 搂 27 Abs. 1 StGB Hilfe geleistet h盲tten. Zum Beschwerdef眉hrer zu 2 enth盲lt das Urteil keine Ausf眉hrungen. Gegen die Privatbank der Beschwerdef眉hrer, die als Einziehungsbeteiligte an dem Verfahren beteiligt war, ordnete das Landgericht die Einziehung des Wertes von Tatertr盲gen in H枚he von 眉ber 166 Millionen Euro an. Der Bundesgerichtshof verwarf ganz 眉berwiegend die gegen das Urteil gerichteten Revisionen der Angeklagten, der Einziehungsbeteiligten und der Staatsanwaltschaft.
Rz. 3
Beide angegriffenen Urteile wurden - anonymisiert - ver枚ffentlicht. Der Bundesgerichtshof gab zudem am 28. Juli 2021 eine Pressemitteilung hierzu heraus.
II.
Rz. 4
Die Beschwerdef眉hrer sind der Ansicht, die Feststellungen des Landgerichts Bonn sowie das Urteil des Bundesgerichtshofs stellten eine Verletzung der Unschuldsvermutung dar. Die angegriffenen Entscheidungen enthielten abschlie脽ende Feststellungen, insbesondere zur strafrechtlichen Schuld des Beschwerdef眉hrers zu 1, obwohl die Beschwerdef眉hrer in den Verfahren nicht angeklagte Dritte gewesen und nicht angeh枚rt worden seien. Diese vermeintlich abschlie脽enden Feststellungen in den angegriffenen Urteilen h盲tten dazu gef眉hrt, dass die Beschwerdef眉hrer medial, in gegen sie bei der Bundesanstalt f眉r Finanzdienstleistungsaufsicht gef眉hrten Verwaltungsverfahren sowie in einem Untersuchungsausschuss wie verurteilte Straft盲ter behandelt w眉rden, obwohl die gegen sie selbst gef眉hrten Strafverfahren noch nicht abgeschlossen seien. Die Ver枚ffentlichung der Urteile sowie die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 28. Juli 2021 verletzten sie zudem in ihrem allgemeinen Pers枚nlichkeitsrecht.
Rz. 5
Die Verfassungsbeschwerde verbinden die Beschwerdef眉hrer mit dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung, es der Pressestelle des Bundesgerichtshofs vorl盲ufig zu untersagen, zu verbreiten, der Beschwerdef眉hrer zu 1 habe sich wegen Steuerhinterziehung strafbar gemacht.
III.
Rz. 6
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, denn die Annahmevoraussetzungen des 搂 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erf眉llt. Grunds盲tzliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdef眉hrer angezeigt, da sie unzul盲ssig sind.
Rz. 7
1. Der Beschwerdef眉hrer zu 2 ist nicht beschwerdebefugt.
Rz. 8
a) Die Zul盲ssigkeit einer Verfassungsbeschwerde setzt nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, 搂 90 Abs. 1 BVerfGG die Behauptung des Beschwerdef眉hrers voraus, durch einen Akt der 枚ffentlichen Gewalt in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein (vgl. BVerfGE 140, 42 鈮54 Rn. 47鈮). Die Beschwerdebefugnis ist gegeben, wenn es m枚glich erscheint, dass der Beschwerdef眉hrer durch den angegriffenen Hoheitsakt in einem f眉r ihn verfassungsbeschwerdef盲higen Recht selbst, unmittelbar und gegenw盲rtig verletzt ist (vgl. BVerfGE 125, 39 鈮73鈮; stRspr). Selbstbetroffenheit liegt vor, wenn der Beschwerdef眉hrer Adressat der Norm oder des betreffenden Urteils ist (vgl. BVerfGE 140, 42 鈮57 Rn. 57鈮). Unmittelbarkeit setzt voraus, dass die Einwirkung auf die Rechtsstellung des Betroffenen nicht erst vermittels eines weiteren Akts bewirkt werden darf oder vom Ergehen eines solchen Akts abh盲ngig ist (vgl. BVerfGE 140, 42 鈮58 Rn. 60鈮; stRspr).
Rz. 9
b) Der Beschwerdef眉hrer zu 2 ist nicht selbst durch die angegriffenen Urteile betroffen, weil er dort nicht genannt wird. Eine eigene Betroffenheit l盲sst sich auch nicht daraus ableiten, dass sein Name mit der Privatbank "untrennbar verbunden" sei, denn dies 盲ndert nichts daran, dass die angegriffenen Urteile keine Feststellungen zu seiner Person enthalten oder wiedergeben. Soweit der Beschwerdef眉hrer zu 2 eine eigene Betroffenheit aus einem gegen ihn gerichteten, die angegriffenen Urteile in Bezug nehmenden Verwaltungsverfahren der Bundesanstalt f眉r Finanzdienstleistungsaufsicht abzuleiten sucht, fehlt es an der Unmittelbarkeit der Betroffenheit.
Rz. 10
Etwas Anderes folgt auch nicht aus der vom Beschwerdef眉hrer zu 2 angef眉hrten Richtlinie (EU) 2016/343. Deren Art. 4 Abs. 1 Satz 1 fordert die Mitgliedstaaten auf, Ma脽nahmen zu treffen, dass, solange die Schuld eines Verd盲chtigen oder einer beschuldigten Person nicht rechtsf枚rmlich nachgewiesen wurde, unter anderem in gerichtlichen Entscheidungen "nicht so auf die betreffende Person Bezug genommen wird, als sei sie schuldig". Dies ist in Bezug auf den Beschwerdef眉hrer zu 2 nicht der Fall, da die angegriffenen Urteile auf seine Person nicht Bezug nehmen und auch keine Feststellungen 眉ber seine strafrechtliche Schuld enthalten.
Rz. 11
2. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdef眉hrers zu 1 gen眉gt hinsichtlich der angegriffenen Urteile den Begr眉ndungs- und Substantiierungsanforderungen der 搂 23 Abs. 1 Satz 2, 搂 92 BVerfGG nicht.
Rz. 12
Nach diesen Vorschriften hat ein Beschwerdef眉hrer den Sachverhalt, aus dem sich die Grundrechtsverletzung ergeben soll, substantiiert und schl眉ssig darzulegen (vgl. BVerfGE 81, 208 鈮214鈮; 113, 29 鈮44鈮; 130, 1 鈮21鈮). Ferner muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert aufzeigen, dass eine Grundrechtsverletzung m枚glich erscheint (vgl. BVerfGE 28, 17 鈮19鈮; 89, 155 鈮171鈮; 140, 229 鈮232 Rn. 9鈮). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, erfordert die substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung die argumentative Auseinandersetzung mit den 骋谤眉苍诲别n der angegriffenen Entscheidungen (vgl. BVerfGE 140, 229 鈮232 Rn. 9鈮; BVerfGK 14, 402 鈮417鈮). Dabei muss ein Beschwerdef眉hrer detailliert darlegen, dass die Entscheidungen auf dem ger眉gten Grundrechtsversto脽 beruhen (vgl. BVerfGE 89, 48 鈮60鈮) und insofern alle die Entscheidungen tragenden 骋谤眉苍诲别 substantiiert in Zweifel ziehen (vgl. BVerfGE 105, 252 鈮264鈮). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, ist der behauptete Grundrechtsversto脽 in Auseinandersetzung mit den verfassungsgerichtlich entwickelten Ma脽st盲ben zu begr眉nden (vgl. BVerfGE 130, 1 鈮21鈮; 140, 229 鈮232 Rn. 9鈮; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 26. November 2020 - 2 BvR 1510/20 -, Rn. 14; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Mai 2021 - 2 BvR 1336/20 -, Rn. 10); die allgemein gehaltene Behauptung eines Verfassungsversto脽es reicht daf眉r nicht aus.
Rz. 13
Diesen Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Der Beschwerdef眉hrer zu 1 hat sich hinsichtlich der behaupteten Verletzung der Unschuldsvermutung nicht mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinandergesetzt, das in vergleichbarer Konstellation eine Verletzung der Unschuldsvermutung verneint hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. September 2009 - 2 BvR 2540/08 -, juris). Diese Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europ盲ischen Gerichtshofs f眉r Menschenrechte (vgl. EGMR, Urteil vom 27. Februar 2014 - 17103/10 -, juris).
Rz. 14
3. Im 脺brigen haben beide Beschwerdef眉hrer den Rechtsweg nicht im Sinne des 搂 90 Abs. 2 BVerfGG 别谤蝉肠丑枚辫蹿迟.
Rz. 15
Nach 搂 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG kann die Verfassungsbeschwerde grunds盲tzlich erst nach Ersch枚pfung des Rechtswegs erhoben werden. Der Rechtsweg ist so lange nicht ersch枚pft, wie ein Beschwerdef眉hrer die M枚glichkeit hat, im Verfahren vor den Gerichten des zust盲ndigen Gerichtszweiges die Beseitigung des Hoheitsaktes zu erreichen, dessen Grundrechtswidrigkeit er geltend macht (BVerfGE 8, 222; 16, 1 鈮2鈮; stRspr). Es ist vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich, dass f眉r die Beschwerdef眉hrer bez眉glich der Ver枚ffentlichung der angegriffenen Entscheidungen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 3. M盲rz 2014 - 1 BvR 1128/13 -, Rn. 20) und der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 28. Juli 2021 kein fachgerichtlicher Rechtsschutz zu erlangen gewesen w盲re. Dass die Voraussetzungen, unter denen gem盲脽 搂 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vom Erfordernis der Rechtswegersch枚pfung abgesehen werden kann, gegeben sind, haben die Beschwerdef眉hrer nicht dargelegt.
IV.
Rz. 16
Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (搂 40 Abs. 3 GOBVerfG).
V.
Rz. 17
Von einer weiteren Begr眉ndung wird nach 搂 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Rz. 18
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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Fundstellen
Dokument-Index HI14945683 |