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Entscheidungsstichwort (Thema)
脛nderung eines Steuerbescheids wegen neuer Tatsachen zu Lasten des Steuerpflichtigen; Ermittlungspflicht des Finanzamts
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Leitsatz (NV)
L盲脽t das Finanzamt Schuldzinsen f眉r einen Kontokorrentkredit entsprechend der Einkommensteuererkl盲rung des Steuerpflichtigen in vollem Umfang zum Abzug als Werbungskosten bei den Eink眉nften aus Vermietung und Verpachtung zu, so reicht die sp盲tere Feststellung, da脽 die Schuldzinsen zum Teil unter das Abzugsverbot beim eigengenutzten Einfamilienhaus fallen k枚nnten, nicht zur 脛nderung des bestandskr盲ftigen Einkommensteuerbescheids aus, wenn das Finanzamt diese Feststellung bereits im Veranlagungsverfahren h盲tte treffen k枚nnen und m眉ssen und der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht nicht verletzt hat. Allein durch die unzutreffende Wertung der gesamten Schuldzinsen als Werbungskosten verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht nicht.
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Normenkette
AO 搂 222 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 搂 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG 搂 21 Abs. 1 Nr. 1; EStG 1965/1967/1969 搂 10 Abs. 1 Nr. 1; EinfHausVO 搂 2
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Der Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) wird mit seiner Ehefrau (Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin - Kl盲gerin -) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Die Kl盲gerin erzielte 1965 bis 1969 als Eigent眉merin eines Einfamilienhauses Eink眉nfte aus Vermietung und Verpachtung gem盲脽 搂 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Das Einfamilienhaus hatten die Kl盲gerin und ihre Mutter geerbt. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung erwarb die Kl盲gerin das Geb盲ude zum Alleineigentum und die Mutter erhielt den lebensl盲nglichen Nie脽brauch daran. Bis Juli 1965 wohnten die Familie der Kl盲gerin und deren Mutter in diesem Haus. Ab August 1965 - zuvor war der Nie脽brauch der Mutter gel枚scht worden - vermietete die Kl盲gerin das Geb盲ude.
Im Juni 1965 hatten der Kl盲ger und die Kl盲gerin jeweils eine Eigentumswohnung in A zum Alleineigentum erworben. Eine Eigentumswohnung diente der Familie der Kl盲ger, die andere der Mutter der Kl盲gerin als Wohnung. In den Einkommensteuererkl盲rungen f眉r die Jahre 1965 bis 1969 erkl盲rten die Kl盲ger f眉r die beiden Wohnungen Eink眉nfte aus Vermietung und Verpachtung in H枚he des Nutzungswerts nach der EinfHausV.
In zeitlichem Zusammenhang mit dem Kauf der Eigentumswohnungen gew盲hrte die B-Bank den Kl盲gern einen Kontokorrentkredit in H枚he von rund 256 000 DM, zu dessen Sicherung das Einfamilienhausgrundst眉ck mit einer Grundschuld belastet wurde. Die Kontokorrentzinsen machten die Kl盲ger in den Einkommensteuererkl盲rungen f眉r die Jahre 1965 bis 1969 insgesamt als Werbungskosten bei den Eink眉nften aus Vermietung und Verpachtung des Einfamilienhauses geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte die Kl盲ger antragsgem盲脽.
Bei einer Betriebspr眉fung stellte der Pr眉fer fest, da脽 der Kontokorrentkredit wie folgt verwendet worden war: rd. 52 000 DM (20,5 v. H.) f眉r das Einfamilienhaus, rd. 15 400 DM (6 v. H.) f眉r private Anschaffungen und rd. 188 000 DM (73,5 v. H.) f眉r die Finanzierung des Kaufpreises der Eigentumswohnung.
Die Einkommensteuerbescheide 1965 bis 1969 berichtigte das FA aufgrund der Feststellungen des Betriebspr眉fers zur Verwendung des Kontokorrentkredits gem盲脽 搂 222 Abs. 1 Nr. 1 AO. Die das Einfamilienhaus betreffenden Zinsen ber眉cksichtigte das FA weiterhin in vollem Umfang als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung und die private Anschaffungen betreffenden Zinsen als Sonderausgaben gem盲脽 搂 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1965 (搂 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1967, 搂 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1969); dagegen lie脽 es die mit der Finanzierung der Eigentumswohnungen zusammenh盲ngenden Zinsen nur noch im Rahmen des 搂 2 Abs. 2 EinfHausV als Werbungskosten zum Abzug zu.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
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Der erkennende Senat hat mit Beschlu脽 vom 28. Januar 1986 IX R 42/80 das Verfahren betreffend das Jahr 1966 von dem vorliegenden Verfahren abgetrennt.
Die Revision ist begr眉ndet. Das FG hat zu Unrecht die Rechtm盲脽igkeit der angefochtenen Bescheide bejaht.
Die Zul盲ssigkeit der 脛nderung bestandskr盲ftiger Bescheide wegen neuer Tatsachen richtet sich im Streitfall gem盲脽 Art. 97 搂 9 des Einf眉hrungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Denn der angefochtene 脛nderungsbescheid war zwar vor dem 1. Januar 1977 erlassen; 眉ber den hiergegen erhobenen Einspruch hat das FA aber erst nach dem 31. Dezember 1976 entschieden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1982 I R 190/78, BFHE 135, 396, BStBl II 1982, 682).
Die 脛nderung von Sammelbescheiden nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 setzt voraus, da脽 Tatsachen oder Beweismittel nachtr盲glich bekannt werden, die zu einer h枚heren Steuer f眉hren. Nach der st盲ndigen Rechtsprechung des BFH sind Tatsachen nachtr盲glich bekannt geworden, wenn sie der Finanzbeh枚rde bei der urspr眉nglichen Steuerfestsetzung unbekannt waren (vgl. Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492). Trotz nachtr盲glichen Bekanntwerdens in diesem Sinne ist eine 脛nderung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben dann ausgeschlossen, wenn die Finanzbeh枚rde die steuererh枚henden Tatsachen als bekannt gegen sich gelten lassen mu脽, weil sie bei geh枚riger Wahrnehmung ihrer Aufkl盲rungspflicht (搂 88 AO 1977) diese bereits anl盲脽lich der urspr眉nglichen Veranlagung h盲tte feststellen k枚nnen (vgl. BFH-Urteile vom 23. August 1963 III 56/62 U, BFHE 77, 542, BStBl III 1963, 518, und vom 15. November 1974 VI R 58/72, BFHE 114, 318, BStBl II 1975, 369). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Finanzbeh枚rde trotz ersichtlicher Unklarheiten auf jede weitere Aufkl盲rung verzichtet (vgl. BFH-Urteile vom 10. Juli 1958 IV 143/56 U, BFHE 67, 239, BStBl III 1958, 365; vom 5. Dezember 1958 VI 296/57 S, BFHE 68, 223, BStBl III 1959, 86, und vom 17. April 1964 VI 140/63 U, BFHE 79, 436, BStBl III 1964, 390) und Zweifelsfragen nicht nachgeht, die sich ihr bei Pr眉fung der Steuererkl盲rung ohne weiteres aufdr盲ngen mu脽ten (BFH-Urteil vom 16. Januar 1964 V 94/61 U, BFHE 78, 389, BStBl III 1964, 149). Diese bisher zu 搂 222 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgestellten Rechtsgrunds盲tze gelten auch f眉r 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 (BFH-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, Ziff. 1, BFHE 145, 487, BStBl II 1986, 241).
Ob und inwieweit die teilweise Verwendung des Kontokorrentkredits zur Finanzierung des Kaufpreises der Eigentumswohnungen im vorliegenden Fall eine Tatsache darstellt, die zu einer h枚heren Steuer in den Streitjahren f眉hrt, kann vom Senat offengelassen werden, weil diese Tatsache nach den oben dargelegten Rechtsgrunds盲tzen nicht neu i. S. des 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ist. Das FA h盲tte bei pflichtgem盲脽er Sachaufkl盲rung den vom Betriebspr眉fer ermittelten Sachverhalt 眉ber die Verwendung des Kontokorrentkredits schon bei den urspr眉nglichen Veranlagungen feststellen k枚nnen.
Den Angaben zu den Eink眉nften aus Vermietung und Verpachtung des Einfamilienhauses f眉r die Zeit vom 16. Juli bis 31. Dezember 1965 in der Anlage V zur Einkommensteuererkl盲rung 1965 lie脽 sich entnehmen, da脽 1965 ein Kredit in H枚he von rund 256 000 DM aufgenommen worden war, f眉r den Zinsen von rund 9 100 DM entrichtet worden waren. Die Kl盲ger erkl盲rten Aufwendungen f眉r gr枚脽ere Instandsetzungsarbeiten am Einfamilienhaus von rund 12 800 DM. In der Einkommensteuererkl盲rung 1965 setzten sie bei den Eink眉nften aus Vermietung und Verpachtung unter Nutzungswert des eigengenutzten Einfamilienhauses zwei Einheitswerte und zwei Grundbetr盲ge an, wobei sie zum ersten Einheitswert und Grundbetrag erl盲uterten: ,,v. 1. 1.- 15. 7. 1965 = 6 1/2 Mo.", und zum zweiten Einheitswert und Grundbetrag: ,,A bezugsfertig 15. 7. 1965 = 5 1/2 Mo.". Au脽erdem machten sie ,,Geldbeschaff.-Kosten f. d. Einfamilienhaus in A" in H枚he des Grundbetrages geltend. Bei dieser Sachlage h盲tte das FA bei geh枚riger Erf眉llung der ihm obliegenden Ermittlungspflicht die Verwendung des Kontokorrentkredits aufkl盲ren m眉ssen. Denn im Hinblick auf die geringen Aufwendungen f眉r das Einfamilienhaus lag es nahe, da脽 der Kontokorrentkredit teilweise f眉r den Erwerb des Objekts in A verwendet worden war. Zwar enthielt die Zusammenstellung der abgezogenen Schuldzinsen in der Anlage A der Steuererkl盲rung 1965 Kredite von rund 170 000 DM, die mit der Finanzierung des Objekts in A zusammenhingen. Da dessen Einheitswert jedoch 54 400 DM betrug, mu脽te sich dem FA unter Ber眉cksichtigung der weiteren Umst盲nde des Streitfalls eine 脺berpr眉fung der Finanzierung des Kaufpreises aufdr盲ngen.
Ein Steuerpflichtiger kann sich allerdings nicht auf die Verletzung der Aufkl盲rungspflicht der Finanzbeh枚rde berufen, wenn er seiner Mitwirkungspflicht im Rahmen des Zumutbaren nicht nachgekommen ist (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1983 II R 56/81, BFHE 139, 432, BStBl II 1984, 140, Ziff. 4). Insbesondere im Falle einer bewu脽ten T盲uschung oder eines sonst arglistigen Verhaltens kann ein Steuerpflichtiger nicht damit geh枚rt werden, da脽 die Finanzbeh枚rde die Irref眉hrung bei geh枚riger Erf眉llung ihrer Aufkl盲rungspflicht h盲tte erkennen k枚nnen (vgl. BFH-Urteile vom 16. November 1961 IV 88/60, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, 搂 222, Rechtsspruch 87, und vom 29. November 1962 III 220/61, StRK, Reichsabgabenordnung, 搂 222, Rechtsspruch 152). Den Kl盲gern kann im Streitfall ein solcher Vorwurf nicht gemacht werden. Es trifft zwar zu, da脽 sie die Kontokorrentzinsen in den Einkommensteuererkl盲rungen der Streitjahre unzutreffend als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung des Einfamilienhausgrundst眉cks geltend gemacht haben (vgl. BFH-Urteile vom 25. November 1954 IV 523/53 U, BFHE 60, 107, BStBl III 1955, 42; vom 15. Januar 1980 VIII R 70/78, BFHE 130, 147, BStBl II 1980, 348, und vom 18. November 1980 VIII R 194/78, BFHE 132, 522, BStBl II 1981, 510, Ziff. 2 b und c). Da die Kontokorrentschuld durch eine Grundschuld am Einfamilienhausgrundst眉ck dinglich gesichert war und die Fremdvermietung dieses Grundst眉cks erst durch den Kauf der Eigentumswohnungen erm枚glicht wurde, kann eine bewu脽te Irref眉hrung nicht angenommen werden.
Da die Verletzung der Aufkl盲rungspflicht durch das FA im Streitjahr 1965 urs盲chlich daf眉r war, da脽 ihm die teilweise Verwendung des Kontokorrentkredits f眉r den Erwerb der Eigentumswohnungen erst aufgrund der Betriebspr眉fung nachtr盲glich bekannt wurde, liegen auch f眉r die Streitjahre 1967 bis 1969 die Voraussetzungen f眉r eine 脛nderung nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nicht vor.
Die Sache ist spruchreif. Das angefochtene Urteil, der Sammelbescheid vom 22. April 1975 betreffend die Veranlagungszeitr盲ume 1965 und 1967 bis 1969 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. November 1977 werden aufgehoben (搂 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
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Fundstellen
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BFH/NV 1987, 78 |