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Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage der Familienkasse gegen den Sozialleistungstr盲ger auf R眉ckerstattung von Kindergeld als allgemeine Leistungsklage
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Leitsatz (amtlich)
Die Klage, mit der die Familienkasse einen Anspruch gegen den Sozialleistungstr盲ger auf R眉ckerstattung von Kindergeld gem盲脽 搂 112 SGB X geltend macht, ist als allgemeine Leistungsklage i.S. des 搂 40 Abs. 1 FGO 锄耻濒盲蝉蝉颈驳.
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Normenkette
AO 1977 搂 218; EStG 1996 搂 74 Abs. 5; SGB X 搂 112
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Familienkasse) setzte f眉r Frau S mit Bescheid vom 16. Dezember 1997 r眉ckwirkend ab August 1997 Kindergeld in H枚he von monatlich 740 DM fest. Das nach dem Abrechnungsteil des Bescheids auf ihre Tochter Y entfallende Kindergeld von monatlich 300 DM erstattete die Familienkasse in H枚he von insgesamt 1 200 DM f眉r die Monate September bis Dezember 1997 an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Beklagter). Der Beklagte hatte im Oktober 1997 einen entsprechenden Erstattungsanspruch nach 搂搂 102 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) bei der Familienkasse geltend gemacht, da das Sozialamt des Beklagten Y ab 1. September 1997 Hilfe zum Lebensunterhalt gew盲hrt hatte.
Mit Bescheid vom 7. Juli 1998 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung vom 16. Dezember 1997 auf und forderte vom Beklagten mit Schreiben vom gleichen Tag das an ihn erstattete Kindergeld zur眉ck. Der Beklagte zahlte nicht. Mit Bescheid vom 18. Januar 2000 setzte die Familienkasse r眉ckwirkend ab August 1997 bis Februar 1998 wieder Kindergeld fest. Sie ber眉cksichtigte auch den Erstattungsanspruch des Beklagten, vertrat aber nunmehr die Auffassung, der Anspruch bestehe f眉r die Monate September bis Dezember 1997 nicht in H枚he von monatlich 300 DM, sondern entsprechend 搂 76 Satz 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der f眉r das Streitjahr 1997 geltenden Fassung nur in H枚he von einem Drittel der monatlichen Kindergeldsumme, mithin in H枚he von 247 DM monatlich. Die Familienkasse forderte von dem Beklagten den danach zuviel erstatteten Betrag in H枚he von insgesamt (300 DM x 4 Monate 鈥 247 DM x 4 Monate =) 212 DM zur眉ck. Der Beklagte verweigert die R眉ckzahlung.
Die Leistungsklage der Familienkasse hat das Finanzgericht (FG) als unzul盲ssig abgewiesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 276 ver枚ffentlicht. Das FG hat im Wesentlichen ausgef眉hrt, der Klage fehle das Rechtsschutzinteresse. Die Familienkasse m眉sse zun盲chst versuchen, ihren Anspruch durch Erlass eines Abrechnungsbescheides nach 搂 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) durchzusetzen, gegen den der Einspruch und die Anfechtungsklage gegeben seien. Ob die Aufforderung an den Beklagten vom 7. Juli 1998, den Betrag zur眉ck zu 眉berweisen, einen Abrechnungsbescheid darstelle, k枚nne offen bleiben. Eine Anfechtungsklage dagegen w盲re ebenfalls unzul盲ssig, da es an der Durchf眉hrung des nach 搂 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlichen Vorverfahrens fehle.
Mit der Revision r眉gt die Familienkasse die Verletzung des 搂 218 Abs. 2 AO 1977.
Die Familienkasse beantragt sinngem盲脽, die Vorentscheidung aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, 212 DM an die Familienkasse zur眉ckzuzahlen.
Der Beklagte beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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II. Die Revision ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zur眉ckverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (搂 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Entgegen der Auffassung des FG ist die Klage 锄耻濒盲蝉蝉颈驳.
1. Das FG hat das Klagebegehren der Familienkasse auf R眉ckerstattung der 212 DM zutreffend als allgemeine Leistungsklage aufgefasst. Entgegen der Auffassung des FG ist die Klage jedoch nicht mangels Rechtsschutzbed眉rfnisses un锄耻濒盲蝉蝉颈驳. Das Rechtsschutzbed眉rfnis fehlt, wenn der Kl盲ger das mit der Klage verfolgte Ziel auf wesentlich einfacherem Weg erreichen kann (Urteil des Bundesfinanzhofs 鈥旴FH鈥 vom 13. M盲rz 1986 IV R 304/84, BFHE 146, 215, BStBl II 1986, 509; Schenke in Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Vorbem. 搂 40 Rdnr. 48). Im Streitfall ist der Erlass eines R眉ckforderungsbescheids nach 搂 218 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 f眉r die Familienkasse kein einfacherer Weg, um die begehrte R眉ckerstattung des Kindergeldes zu erreichen. Denn 搂 218 Abs. 2 AO 1977 ist im Streitfall nicht anwendbar, da ein Anspruch der Familienkasse auf R眉ckerstattung von zu Unrecht erstattetem Kindergeld aus 搂 112 SGB X i.V.m. 搂 74 Abs. 5 EStG kein Anspruch aus dem Steuerschuldverh盲ltnis i.S. der 搂搂 218 Abs. 1 Satz 1, 37 AO 1977 ist.
Der Anspruch auf R眉ckerstattung von zu Unrecht erstattetem Kindergeld nach 搂 112 SGB X i.V.m. 搂 74 Abs. 5 EStG entsteht, wenn die Familienkasse auf einen tats盲chlich nicht bestehenden Erstattungsanspruch nach 搂搂 102 bis 105 SGB X leistet. Der R眉ckerstattungsanspruch der Familienkasse ist demzufolge der umgekehrte Erstattungsanspruch des Sozialleistungstr盲gers, da er durch die Verneinung eines Erstattungsanspruchs nach 搂搂 102 bis 105 SGB X entsteht. F眉r den R眉ckerstattungsanspruch nach 搂 112 SGB X gelten deshalb die gleichen Grunds盲tze wie f眉r die Erstattungsanspr眉che der Tr盲ger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse nach 搂搂 102 bis 105 SGB X.
a) Die Erstattungsanspr眉che nach den 搂搂 102 bis 105 SGB X sind als eigenst盲ndige Anspr眉che normiert. Sie entstehen selbst盲ndig neben einem Anspruch des Berechtigten gegen den zur Erstattung herangezogenen Leistungstr盲ger und sind (nur) von der Erf眉llung der in 搂搂 102 ff. SGB X geregelten Tatbestandsvoraussetzungen abh盲ngig. Insbesondere besteht keine Bindungswirkung zwischen der Kindergeldfestsetzung und dem Erstattungsanspruch. Die Leistungspflicht der auf Erstattung in Anspruch genommenen Familienkasse ist zwar grunds盲tzlich durch die gegen眉ber dem Kindergeldberechtigten ergangenen Bescheide begrenzt. Rechtsgrund f眉r das "Akzeptierenm眉ssen" dieser Bescheide ist allerdings das im geltenden Recht vorgesehene gegliederte und auf dem Prinzip der Aufgabenteilung beruhende Sozialleistungssystem und letztlich die auf diesem System beruhende Verpflichtung der Sozialleistungstr盲ger zur engen Zusammenarbeit nach 搂 86 SGB X. Dementsprechend sind Erstattungsanspr眉che nach 搂搂 102 bis 105 SGB X mit der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen, da zwischen den Leistungstr盲gern kein 脺ber- und Unterordnungsverh盲ltnis besteht, das zu einer Entscheidung durch Verwaltungsakt berechtigen w眉rde (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 2002 VIII R 88/01, BFH/NV 2002, 1156, m.w.N.).
b) Nach diesen Grunds盲tzen ist auch der R眉ckerstattungsanspruch als umgekehrter Erstattungsanspruch ein eigenst盲ndiger Anspruch, der unabh盲ngig von den Anspr眉chen aus dem Steuerschuldverh盲ltnis zwischen dem Kindergeldberechtigten und der Familienkasse entsteht. Aus der Rechtsnatur des R眉ckerstattungsanspruchs als umgekehrtem Erstattungsanspruch ergibt sich zugleich, dass die Familienkasse 眉ber sein Bestehen ebenso wenig durch Verwaltungsakt entscheiden kann wie 眉ber das Bestehen des Erstattungsanspruchs selbst. Denn in einer positiven Entscheidung, dass ein R眉ckerstattungsanspruch besteht, liegt zugleich die negative Entscheidung, dass ein Erstattungsanspruch nicht besteht. Demzufolge ist der (vermeintliche) R眉ckerstattungsanspruch von der Familienkasse mit der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen.
2. Da das FG zu einer anderen Rechtsauffassung gelangt ist und durch Prozessurteil ohne Pr眉fung der Sache entschieden hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zur眉ckzuverweisen (BFH-Urteil vom 1. Februar 2000 VII R 49/99, BFHE 191, 202, BStBl II 2000, 334; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 搂 126 FGO Tz. 29).
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Fundstellen
亿兆体育-Index 1494617 |
BFH/NV 2006, 1016 |
BStBl II 2006, 544 |
BFHE 2007, 1 |
BFHE 212, 1 |
BB 2006, 930 |
DStRE 2006, 763 |
HFR 2006, 584 |