Nichtanwendungserlass zu dieser Entscheidung
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Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anwendung des sog. Sanierungserlasses auf Altf盲lle
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Leitsatz (amtlich)
1. Der sog. Sanierungserlass des BMF vom 27. M盲rz 2003 (BStBl I 2003, 240; erg盲nzt durch das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009, BStBl I 2010, 18) verst枚脽t gegen den Grundsatz der Gesetzm盲脽igkeit der Verwaltung (Anschluss an den Beschluss des Gro脽en Senats des BFH vom 28. November 2016 GrS 1/15, BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393).
2. Die im BMF-Schreiben vom 27. April 2017 (BStBl I 2017, 741) vorgesehene Anwendung des sog. Sanierungserlasses auf alle F盲lle, in denen der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gl盲ubiger bis zum 8. Februar 2017 endg眉ltig vollzogen worden ist (Altf盲lle), ist ebenfalls nicht mit dem Grundsatz der Gesetzm盲脽igkeit der Verwaltung vereinbar.
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Normenkette
AO 搂搂听163, 227; GG Art. 80; EStG 搂搂听3a, 52 Abs. 4a
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Verfahrensgang
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Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts M眉nster vom 22. Mai 2013听听10 K 2866/12 K aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen, soweit das Finanzgericht M眉nster ihr nicht mit Urteil vom 14. September 2011听听10 K 3755/08 K stattgegeben hat.
Die Kosten des Rechtsstreits bis zum 14. September 2011 haben die Kl盲gerin zu 37 % und der Beklagte zu 63 % zu tragen. Die weiteren Kosten ab dem 15. September 2011 fallen allein der Kl盲gerin zur Last.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Rz. 2
Die Gesch盲ftsanteile der Kl盲gerin und Revisionsbeklagten (Kl盲gerin), einer GmbH, wurden urspr眉nglich zu 99听% von der T-S.A. gehalten. Diese ver盲u脽erte ihre Beteiligung im Oktober 2003 f眉r 1听鈧 an die M-S.A., bei der es sich nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil um die Muttergesellschaft der T-S.A. handelt.
Rz. 3
Am 14.听Dezember 2004 erwarben zwei Mitarbeiter der Kl盲gerin s盲mtliche Gesch盲ftsanteile f眉r je 1听鈧.
Rz. 4
Die Kl盲gerin hatte in der Zeit bis 2004 (Streitjahr) erhebliche Verbindlichkeiten gegen眉ber den beiden S.A. Mit Aufsichtsratsbeschluss vom 19.听Oktober 2004 erlie脽 die T-S.A. der Kl盲gerin Verbindlichkeiten in H枚he von 442.276听鈧. Die M-S.A., die der Kl盲gerin im Streitjahr bis zur Anteilsver盲u脽erung am 14.听Dezember Liquidit盲tszusch眉sse in H枚he von insgesamt 160.000听鈧 jeweils mit dem Verwendungszweck "avance en compte courant" gezahlt hatte, verzichtete im Rahmen des Ver盲u脽erungsvertrags vom 14.听Dezember 2004 auf alle ihr gegen die Kl盲gerin zustehenden Forderungen. Am 23.听Dezember 2004 leistete die M-S.A. eine weitere Zahlung von 95.000听鈧 an die Kl盲gerin mit dem Verwendungszweck "avance en compte courant". Mit Schreiben vom 15.听April und 24.听Juni 2005 erlie脽 die M-S.A. der Kl盲gerin ihre Forderungen aus den im Streitjahr gew盲hrten Liquidit盲tszusch眉ssen von insgesamt 235.000听鈧 sowie eine weitere Forderung von 20.000听鈧.
Rz. 5
In ihrem der Steuererkl盲rung f眉r das Streitjahr zugrundeliegenden Jahresabschluss zum 31.听Dezember 2004 erfasste die Kl盲gerin die Forderungsverzichte in H枚he von 442.276听鈧, 235.000听鈧 und 20.000听鈧 (insgesamt 697.276听鈧) als au脽erordentliche Ertr盲ge. Die Kl盲gerin beantragte beim Beklagten und Revisionskl盲ger (Finanzamt --FA--) am 8.听November 2005 unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 27.听M盲rz 2003 (sog. Sanierungserlass, BStBl I 2003, 240, sp盲ter erg盲nzt durch BMF-Schreiben vom 22.听Dezember 2009, BStBl I 2010, 18) den Erlass der auf den Verzichten beruhenden K枚rperschaftsteuer f眉r das Streitjahr aus sachlichen Billigkeitsgr眉nden (搂听227 der Abgabenordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung --AO--).
Rz. 6
Das FA setzte die K枚rperschaftsteuer mit bestandskr盲ftig gewordenem Bescheid erkl盲rungsgem盲脽 fest. Den Antrag auf Steuererlass lehnte das FA ab, weil es an der nach dem sog. Sanierungserlass erforderlichen Sanierungsabsicht gefehlt habe. Die Verzichte seien in erster Linie durch das Gesellschaftsverh盲ltnis veranlasst gewesen.
Rz. 7
Die dagegen erhobene Klage hatte im ersten Rechtsgang teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) M眉nster hat den Ablehnungsbescheid des FA mit Urteil vom 14.听September 2011听听10听K听3755/08听K aufgehoben, soweit der Erlassantrag sich auf den Forderungsverzicht der T-S.A. 眉ber 442.276听鈧 bezogen hatte; das FA wurde verpflichtet, den Erlassantrag insoweit unter Beachtung der 贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别 des FG-Urteils neu zu bescheiden. Im 脺brigen (Forderungsverzichte der M-S.A.) hatte das FG die Klage im ersten Rechtsgang abgewiesen, weil diese Verzichte erst mit den Schreiben vom 15.听April und vom 24.听Juni 2005 erkl盲rt worden und deshalb nicht im Streitjahr, sondern erst im Folgejahr 2005 wirksam geworden seien.
Rz. 8
Der erkennende Senat hat jenes FG-Urteil auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kl盲gerin mit Beschluss vom 17.听Juli 2012 I听B听155/11 aufgrund Verfahrensmangels im Umfang der Klageabweisung aufgehoben und die Sache insoweit an das FG zur眉ckverwiesen.
Rz. 9
Im zweiten Rechtsgang hat das FG der Klage auch im Hinblick auf die Forderungsverzichte der M-S.A. stattgegeben und das FA verpflichtet, den Erlassantrag unter Beachtung der 贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别 des FG-Urteils neu zu bescheiden (Urteil des FG M眉nster vom 22.听Mai 2013听听10听K听2866/12听K, juris).
Rz. 10
Gegen das FG-Urteil richtet sich die --vom Senat zugelassene-- Revision des FA. Das FA ist nach wie vor der Auffassung, die Forderungsverzichte erf眉llten nicht die Voraussetzungen des sog. Sanierungserlasses, weil sie prim盲r durch das Gesellschaftsverh盲ltnis veranlasst seien. Im 脺brigen m眉sse der erst nach Verkauf der Gesch盲ftsanteile geleistete Liquidit盲tszuschuss der M-S.A. 眉ber 95.000听鈧 vom 23.听Dezember 2004 als echter Zuschuss angesehen werden, sodass ein R眉ckforderungsrecht, auf das die M-S.A. h盲tte verzichten k枚nnen, nie bestanden habe. Ferner k枚nne sich der im Anteilskaufvertrag vom 14.听Dezember 2004 erkl盲rte Forderungsverzicht der M-S.A. zeitlich nicht auf jenen --erst sp盲ter ausgereichten-- Liquidit盲tszuschuss beziehen.
Rz. 11
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Rz. 12
Die Kl盲gerin beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
Rz. 13
Mit Beschluss vom 13.听Juli 2016 hat der erkennende Senat auf Antrag der Beteiligten gem盲脽 搂听155 Satz听1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. 搂听251 der Zivilprozessordnung das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Gro脽en Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) 眉ber den Vorlagebeschluss des X. Senats des BFH vom 25.听M盲rz 2015 X听R听23/13 (BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696) angeordnet. Der Gro脽e Senat des BFH hat mit Beschluss vom 28.听November 2016 GrS听1/15 (BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393) entschieden, dass das BMF mit dem im sog. Sanierungserlass vorgesehenen Billigkeitserlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer gegen den Grundsatz der Gesetzm盲脽igkeit der Verwaltung verst枚脽t.
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贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
Rz. 14
II. Die Revision erweist sich als im Ergebnis begr眉ndet und f眉hrt gem盲脽 搂听126 Abs.听3 Satz听1 Nr.听1 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage, soweit das FG dieser nicht bereits rechtskr盲ftig (mit Urteil vom 14.听September 2011听听10听K听3755/08听K) stattgegeben hat. Der sog. Sanierungserlass, auf den die Kl盲gerin ihren Antrag ausschlie脽lich st眉tzt, verst枚脽t gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzm盲脽igkeit der Verwaltung und ist keine geeignete Grundlage f眉r einen Steuererlass aus Billigkeitsgr眉nden.
Rz. 15
1. Nach 搂听163 Satz听1 AO k枚nnen Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig w盲re. Unter denselben Voraussetzungen k枚nnen gem盲脽 搂听227 AO Anspr眉che aus dem Steuerschuldverh盲ltnis ganz oder teilweise erlassen werden. Die Entscheidung 眉ber die abweichende Steuerfestsetzung oder den Erlass von Steuern ist eine Ermessensentscheidung. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um ein voraussetzungsloses Ermessen. Vielmehr setzen die abweichende Steuerfestsetzung gem盲脽 搂听163 AO und der Erlass von Steuern gem盲脽 搂听227 AO voraus, dass die Erhebung bzw. Einziehung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig w盲re; der Begriff der Unbilligkeit bestimmt Inhalt und Grenzen des Ermessens. Die Voraussetzungen der Unbilligkeit, die sich aus pers枚nlichen oder sachlichen Gr眉nden ergeben k枚nnen, sind im Rahmen der gerichtlichen 脺berpr眉fung der beh枚rdlichen Entscheidung uneingeschr盲nkt zu pr眉fen (st盲ndige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gro脽en Senats des BFH in BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393, Rz听98听ff., m.w.N.).
Rz. 16
2. Soweit das BMF mit dem sog. Sanierungserlass die Auffassung vertreten hat, unter den dort beschriebenen Voraussetzungen sei die Erhebung der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer sachlich unbillig i.S. des 搂听163 Satz听1 und des 搂听227 AO, handelt es sich folglich um eine norminterpretierende --n盲mlich das Merkmal sachlicher Unbilligkeit konkretisierende-- Verwaltungsvorschrift, welche die gleichm盲脽ige Auslegung und Anwendung des Rechts sichern soll. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften haben nach st盲ndiger BFH-Rechtsprechung keine Bindungswirkung im gerichtlichen Verfahren. Sie stehen unter dem Vorbehalt einer abweichenden Auslegung der Norm durch die Rechtsprechung, der allein es obliegt zu entscheiden, ob die Auslegung der Rechtsnorm durch die Finanzverwaltung im Einzelfall Bestand hat. Sonach l盲sst sich der Steuererlass in F盲llen, in denen die Unbilligkeit der Besteuerung i.S. der 搂搂听163 und 227 AO nicht gegeben ist, auch nicht mit einer durch Verwaltungsvorschrift geschaffenen Selbstbindung der Finanzverwaltung und einem darauf gest眉tzten Anspruch des Steuerpflichtigen auf Gleichbehandlung begr眉nden (vgl. wiederum den Beschluss des Gro脽en Senats des BFH in BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393, Rz听107听f.).
Rz. 17
3. Nach dem Beschluss des Gro脽en Senats des BFH in BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393 (Rz听109听ff.) beschreiben die im sog. Sanierungserlass aufgestellten Voraussetzungen f眉r einen Steuererlass aus Billigkeitsgr眉nden keinen Fall sachlicher Unbilligkeit i.S. der 搂搂听163, 227 AO. Soweit der sog. Sanierungserlass gleichwohl den Erlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer vorsieht, liegt darin ein Versto脽 gegen den Grundsatz der Gesetzm盲脽igkeit der Verwaltung. Der erkennende Senat schlie脽t sich dem an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begr眉ndung des vorgenannten BFH-Beschlusses.
Rz. 18
4. In Reaktion auf den am 8.听Februar 2017 ver枚ffentlichten Beschluss des Gro脽en Senats des BFH in BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393 hat das BMF mit Schreiben vom 27.听April 2017 (BStBl I 2017, 741, Ziff.听1) "aus Gr眉nden des Vertrauensschutzes" u.a. angeordnet, dass in den F盲llen, in denen --wie im Streitfall-- der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gl盲ubiger bis zum 8.听Februar 2017 endg眉ltig vollzogen worden ist, der sog. Sanierungserlass "weiterhin uneingeschr盲nkt anzuwenden" sei. Auch auf dieses BMF-Schreiben l盲sst sich indessen die Gew盲hrung eines Steuererlasses gem盲脽 搂听227 AO nicht st眉tzen. Es verst枚脽t ebenfalls gegen den Grundsatz der Gesetzm盲脽igkeit der Verwaltung.
Rz. 19
a) Wenn sich die bisherige Rechtsprechung versch盲rft oder eine h枚chstrichterliche Entscheidung von einer bisher allgemein ge眉bten Verwaltungsauffassung abweicht, kann die Finanzverwaltung allerdings gehalten sein, allgemeine 脺bergangsregelungen bzw. Anpassungsregelungen zu erlassen oder entsprechende Einzelma脽nahmen zu treffen, um den Steuerpflichtigen im Hinblick auf seine im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage getroffenen Dispositionen nicht zu entt盲uschen (vgl. Senatsurteil vom 31.听Oktober 1990 I听R听3/86, BFHE 163, 478, BStBl II 1991, 610; BFH-Urteil vom 12.听Januar 1989 IV听R听87/87, BFHE 155, 487, BStBl II 1990, 261; BFH-Beschluss vom 26.听September 2007 V听B听8/06, BFHE 219, 245, BStBl II 2008, 405; Klein/R眉sken, AO, 13.听Aufl., 搂听163 Rz听80听ff.; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, 搂听163 AO Rz听8; Oellerich in Beermann/Gosch, AO 搂听163 Rz听145, 149; L眉dicke in L眉dicke/ Mellinghoff/R枚dder [Hrsg.], Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, Festschrift f眉r Dietmar Gosch, 2016, S.听261, 274).
Rz. 20
b) Ein sch眉tzenswertes Vertrauen des Steuerpflichtigen im vorstehend beschriebenen Sinne ist indessen nur dann gegeben, wenn als Vertrauensgrundlage eine gesicherte, f眉r die Meinung des Steuerpflichtigen sprechende Rechtsauffassung bestanden hat und die Rechtslage nicht als zweifelhaft erschien (BFH-Urteil vom 15.听Januar 1986 II听R听141/83, BFHE 145, 453, BStBl II 1986, 418; BFH-Beschluss in BFHE 219, 245, BStBl II 2008, 405). Im Fall des sog. Sanierungserlasses bestand eine solche zweifelfreie Rechtsauffassung nicht. Dessen Legalit盲t ist vielmehr von Teilen des Schrifttums (vgl. z.B. Schmidt/ Heinicke, EStG, 36.听Aufl., 搂听4 Rz听460 "Sanierungsgewinne"; Kanzler, Finanz-Rundschau 2003, 480; Bareis/Kaiser, Der Betrieb --DB-- 2004, 1841) und der finanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil des FG M眉nchen vom 12.听Dezember 2007听听1听K听4487/06, Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 515) schon fr眉hzeitig infrage gestellt worden (vgl. auch Beschluss des Gro脽en Senats des BFH in BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393, Rz听67听ff., m.w.N. zur kontroversen Rezeption des sog. Sanierungserlasses in Rechtsprechung und Schrifttum).
Rz. 21
Entgegen der in der m眉ndlichen Verhandlung vom Prozessbevollm盲chtigten der Kl盲gerin vertretenen Auffassung ist auch das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13.听M盲rz 2014 IX听ZR听23/10 (DB 2014, 945) zur haftungsrechtlichen Inanspruchnahme eines Steuerberaters, der es unterlassen hat, seinen Mandanten auf die M枚glichkeit der steuerlichen Sonderbehandlung nach dem sog. Sanierungserlass hinzuweisen, nicht geeignet, einen Vertrauenstatbestand im Hinblick auf die Rechtm盲脽igkeit des sog. Sanierungserlasses zu begr眉nden. Vielmehr hat der BGH dort die Frage der Gesetzm盲脽igkeit des sog. Sanierungserlasses ausdr眉cklich offen gelassen, weil der Berater auch dann hafte, wenn sich der sog. Sanierungserlass nachtr盲glich als gesetzeswidrig herausstelle (BGH-Urteil in DB 2014, 945, Rz听31).
Rz. 22
c) In der vorliegenden Konstellation ist eine allgemeine verwaltungsseitige "脺bergangsregelung" in Form der Anordnung der schlichten Fortgeltung des Sanierungserlasses f眉r alle Altf盲lle ausgeschlossen, weil eine solche Ma脽nahme dem Gesetzgeber vorbehalten ist.
Rz. 23
aa) Der Gro脽e Senat des BFH hat in dem Beschluss in BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393 (Rz听112听f.) ausgef眉hrt: "Eine sachliche Billigkeitsma脽nahme stellt immer auf den Einzelfall ab und ist atypischen Ausnahmef盲llen vorbehalten. Das bedeutet zwar nicht, dass sie allein f眉r singul盲r auftretende F盲lle vorgesehen ist; sie kann vielmehr auch in durch besondere Ausnahmevoraussetzungen gekennzeichneten Fallgruppen gew盲hrt werden. Die Voraussetzungen einer Billigkeitsma脽nahme sind aber im Fall einer solchen Gruppenregelung dieselben wie bei einer Einzelfallentscheidung der Finanzbeh枚rde: Die Erhebung oder Einziehung muss gem盲脽 搂听163 Satz听1 und 搂听227 AO 鈥歯ach Lage des einzelnen Falls鈥 unbillig sein. Eine Gruppe gleichgelagerter Einzelf盲lle kann daher mit dem Ziel einer einheitlichen Behandlung zusammenfassend beurteilt werden, doch m眉ssen hinsichtlich all dieser Einzelf盲lle die Voraussetzungen der sachlichen Unbilligkeit vorliegen (BFH-Urteile vom 9.听Juli 1970 IV听R听34/69, BFHE 99, 448, BStBl II 1970, 696, und vom 25.听November 1980 VII听R听17/78, BFHE 132, 159, BStBl II 1981, 204). Typisierende Billigkeitsregelungen in Gestalt subsumierbarer Tatbest盲nde kommen deshalb nicht in Betracht; sie k枚nnen allein Bestandteil einer gesetzlichen Regelung sein (...)."
Rz. 24
bb) Unter Zugrundelegung dieser Ma脽st盲be handelt es sich bei der unterschiedslosen Anwendung des sog. Sanierungserlasses auf s盲mtliche noch offene "Altf盲lle" gem盲脽 Ziffer听1 des BMF-Schreibens in BStBl I 2017, 741 um eine dem Gesetzgeber vorbehaltene typisierende Vertrauensschutzregelung, die nicht auf eine Unbilligkeit "nach Lage des Einzelfalls" abstellt. Denn es besteht kein Anhalt daf眉r, dass in jedem der Altf盲lle das Vertrauen auf die steuerliche Beg眉nstigung des Sanierungsgewinns durch den sog. Sanierungserlass urs盲chlich f眉r die jeweiligen Forderungsverzichte der Gl盲ubiger gewesen ist und dass alle Gl盲ubiger bei Kenntnis des Fehlens einer Steuerbeg眉nstigung von ihren Forderungserlassen abgesehen und anderweitig disponiert h盲tten. So hat der Gro脽e Senat des BFH die Regelungen des sog. Sanierungserlasses u.a. auch deshalb nicht als vornehmlich auf die Beseitigung sachlicher Unbilligkeit ausgerichtet angesehen, weil er keine Einzelfallpr眉fung vorsieht, sondern typisierende Regelungen enth盲lt, welche die sachliche Unbilligkeit unter den dort beschriebenen Voraussetzungen ohne R眉cksicht auf die H枚he des Sanierungsgewinns und der darauf entfallenden Steuer sowie ungeachtet einer zu bef眉rchtenden Gef盲hrdung der Unternehmenssanierung als gegeben unterstellen. Gerade bei der vom sog. Sanierungserlass geforderten vorrangigen Verlustverrechnung kann der nach Verrechnung verbleibende Sanierungsgewinn so gering sein, dass seine Besteuerung eine Gef盲hrdung der Unternehmenssanierung nicht bef眉rchten l盲sst; gleichwohl gew盲hrt der sog. Sanierungserlass in jedem Fall eines verbleibenden Sanierungsgewinns den Steuererlass (Beschluss des Gro脽en Senats des BFH in BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393, Rz听120听f.).
Rz. 25
cc) Der Versto脽 der Ziffer听1 des BMF-Schreibens in BStBl I 2017, 741 gegen das Legalit盲tsprinzip ergibt sich des Weiteren daraus, dass das BMF-Schreiben parallel zu dem Gesetzgebungsverfahren ergangen ist, in dem die ertragsteuerliche Beg眉nstigung von Sanierungsgewinnen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt worden ist.
Rz. 26
aaa) Zeitgleich mit der Abfassung des BMF-Schreibens in BStBl I 2017, 741 am 27.听April 2017 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz gegen sch盲dliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechte眉berlassungen (vom 27.听Juni 2017, BGBl I 2017, 2074, BStBl I 2017, 1202) beschlossen, durch dessen Art.听2 und 4 u.a. die Vorschriften des 搂听3a des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des 搂听7b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) geschaffen worden sind. Diese enthalten nunmehr antragsgebundene Steuerbefreiungstatbest盲nde f眉r Betriebsverm枚gensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung. Die Steuerbefreiungen sind gem盲脽 搂听52 Abs.听4a EStG und 搂听36 Abs.听2c GewStG i.d.F. des vorgenannten Gesetzes erstmals in den F盲llen anzuwenden, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8.听Februar 2017 --dem Zeitpunkt der Ver枚ffentlichung des Beschlusses des Gro脽en Senats des BFH in BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393-- erlassen wurden. F眉r "Altf盲lle", d.h. f眉r jene Sanierungsgewinne, die auf einem Erlass von Schulden beruhen, der zeitlich bis zum 8.听Februar 2017 vereinbart wurde, enthalten die Gesetze keine 脺bergangsregelungen.
Rz. 27
Urspr眉nglich hatte der Bundesrat zwar noch vorgeschlagen, dass die Befreiung von der Einkommensteuer "in allen offenen F盲llen" und die Befreiung von der Gewerbesteuer "auch f眉r Erhebungszeitr盲ume vor 2017" anzuwenden sein sollten (BTDrucks 18/11531, S.听9 und 11). Auf eine solche R眉ckwirkung ist aber in der endg眉ltigen Gesetzesfassung auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestags verzichtet worden. In der Begr眉ndung der Entwurfsfassung des Finanzausschusses hei脽t es dazu: "F眉r Steuerf盲lle, in denen der Schuldenerlass bis zum 8.听Februar 2017 ausgesprochen wurde oder in denen bis zum Stichtag eine verbindliche Auskunft erteilt wurde, ist nach dem zur Ver枚ffentlichung im Bundessteuerblatt Teil I vorgesehenen BMF-Schreiben vom 27.听April 2017... der Sanierungserlass aus Vertrauensschutzgr眉nden weiterhin anwendbar" (BTDrucks 18/12128, S.听33).
Rz. 28
bbb) F眉hrt der Gesetzgeber eine steuerliche Beg眉nstigungsregelung ein, nachdem sich durch eine Gerichtsentscheidung herausgestellt hat, dass eine bislang im Billigkeitsweg durchgef眉hrte Verwaltungspraxis gegen das Legalit盲tsprinzip verst枚脽t, obliegt ihm auch die Entscheidung dar眉ber, ob und auf welche Weise die gesetzliche Beg眉nstigung auf Altf盲lle anzuwenden ist. Bezieht der Gesetzgeber die Altf盲lle nicht durch eine 脺bergangsregelung mit in die Neuregelung ein, steht es der Finanzverwaltung nicht zu, die bisherige Verwaltungspraxis unter Berufung auf Vertrauensschutzgesichtspunkte im Billigkeitsweg fortzusetzen. Verwaltungsanweisungen, mit denen zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse generelle Unzul盲nglichkeiten des Gesetzes --hier: das Fehlen einer 脺bergangsregelung f眉r Altf盲lle-- korrigiert werden sollen, sind unzul盲ssig (vgl. L眉dicke, a.a.O., S.听274; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., 搂听163 AO Rz听8, 搂听227 AO Rz听54a; Oellerich in Beermann/Gosch, AO 搂听163 Rz听7).
Rz. 29
Dass der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags sich in der Begr眉ndung seines Regelungsvorschlags explizit auf das BMF-Schreiben in BStBl I 2017, 741 bezogen hat, f眉hrt vorliegend zu keiner anderen Beurteilung. Eine derartige 脛u脽erung eines am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organs im Rahmen der Begr眉ndung eines Gesetzentwurfs ist kein geeigneter Ersatz f眉r eine gesetzliche Erm盲chtigungsgrundlage f眉r das entsprechende Verwaltungshandeln (a.A. Uhl盲nder, DB 2017, 1224: "abgestimmtes Vorgehen zwischen parlamentarischer Verantwortung einerseits und dem BMF bzw. den obersten Steuerbeh枚rden in den Bundesl盲ndern andererseits"). Hierf眉r w盲re vielmehr die Schaffung einer gesetzlichen Erm盲chtigungsgrundlage (Verordnungserm盲chtigung gem盲脽 Art.听80 des Grundgesetzes --GG--) erforderlich gewesen.
Rz. 30
Ebenso wenig 盲ndert es an dieser Erkenntnis etwas, dass sich die gesetzlichen Neuregelungen (Steuerbefreiungstatbest盲nde) auf der Ebene der Steuerfestsetzung auswirken, w盲hrend 眉ber die Beg眉nstigungen nach dem sog. Sanierungserlass im Billigkeitsverfahren zu entscheiden war. Insbesondere h盲tte nichts dagegen gesprochen, auch jene Altf盲lle in eine gesetzliche 脺bergangsregelung einzubeziehen, in denen --wie im Streitfall-- die Billigkeitsverfahren noch offen, die Steuern (unter Einbeziehung der Sanierungsgewinne) aber bereits bestandskr盲ftig festgesetzt worden sind.
Rz. 31
5. Nach alldem muss der Revision des FA stattgegeben werden, ohne dass es f眉r die Entscheidung auf die zwischen den Beteiligten streitigen Fragen zur Sanierungsabsicht und zum Umfang der verzichtsbedingten Verm枚gensmehrungen ankommt. Da die Kl盲gerin ihren Antrag nicht mit pers枚nlichen oder einzelfallbezogenen sachlichen Unbilligkeitsgr眉nden begr眉ndet hat, ist die Klage in dem noch anh盲ngigen Umfang abzuweisen.
Rz. 32
6. Die Kostenentscheidung beruht auf 搂听136 Abs.听1 Satz听1 FGO.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 11283880 |
BFH/NV 2017, 1644 |
BFH/PR 2018, 10 |
BStBl II 2018, 232 |
BFHE 2018, 20 |
BB 2017, 2581 |
BB 2017, 2850 |
DB 2017, 18 |
DB 2017, 2519 |
DStR 2017, 2322 |
DStRE 2017, 1404 |
DStZ 2017, 857 |