听
Leitsatz (amtlich)
Hat der Kl盲ger in der Klageschrift und in der abschlie脽enden m眉ndlichen Verhandlung der Verwertung eines in einem vorangegangenen Proze脽 erstatteten Sachverst盲ndigengutachten widersprochen und seine Bedenken gegen die Verwertung n盲her substantiiert, verst枚脽t das FG gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wenn es dennoch das Gutachten seiner Entscheidung zugrunde legt.
听
Orientierungssatz
1. Ausf眉hrungen zu den in der gerichtlichen Praxis entwickelten Ausnahmen vom Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme.
2. Der Inhalt der Niederschrift 眉ber die m眉ndliche Verhandlung ist Teil der tats盲chlichen Feststellungen des FG, an die der BFH im Rahmen des 搂 118 Abs. 2 FGO gebunden ist (Lit.).
3. NV: Der Verzicht auf die m眉ndliche Verhandlung ist grunds盲tzlich nicht frei widerruflich (vgl. BFH-Urteil vom 4.4.1974 V R 161/72).
听
Normenkette
FGO 搂听81 Abs. 1 S. 1, 搂听90 Abs. 2, 搂听118 Abs. 2
听
Tatbestand
Der Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) ist seit 1965 als selbst盲ndiger Entwurfsmodelleur f眉r ..... und als Kollektionsberater t盲tig. Bis einschlie脽lich 1970 wurde er vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) als Gewerbetreibender angesehen. Eine von ihm wegen des Gewerbesteuerme脽betrags 1970 erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen. Das Urteil ist rechtskr盲ftig. Auch bei den Veranlagungen f眉r die Streitjahre 1971 und 1972 vertrat der Kl盲ger die Auffassung, er 眉be eine freiberufliche --k眉nstlerische-- T盲tigkeit aus. Das FA behandelte die aus dieser T盲tigkeit bezogenen Eink眉nfte als Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb. Es ergingen entsprechende Einkommensteuer- und Gewerbesteuerme脽bescheide. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kl盲ger Klage mit dem Begehren, bei den Einkommensteuerveranlagungen den Freibetrag f眉r freie Berufe zu gew盲hren und die Gewerbesteuerme脽bescheide aufzuheben.
Das FG wies die Klage ab. Es sah die T盲tigkeit des Kl盲gers nicht als eine k眉nstlerische T盲tigkeit an. Es st眉tzte sich auf das Gutachten des Professor X, das dieser seinerzeit in der Gewerbesteuerme脽betragssache des Kl盲gers f眉r den Erhebungszeitraum 1970 abgegeben hatte. Das FG vertrat die Auffassung, es k枚nne das in einem Vorproze脽 erstattete Gutachten trotz des Widerspruchs des Kl盲gers verwenden. Das fr眉her erstattete Gutachten des Professor X 眉ber die T盲tigkeit des Kl盲gers habe seine 脺berzeugungskraft durch das Klagevorbringen nicht verloren. Der vom Kl盲ger gestellte Gegengutachter Y --ein freischaffender Maler-- komme zwar zu einem anderen Ergebnis. Dem Gutachten des Professor X sei aber der Vorzug zu geben, weil dieser Gutachter bessere Vergleichsm枚glichkeiten habe und deshalb sachkundiger sei.
Gegen die Entscheidung des FG wendet sich der Kl盲ger mit der Revision. Er r眉gt Verletzung formellen Rechts. Das FG habe gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme versto脽en. Es habe sich auf das Gutachten des Professor X gest眉tzt, das dieser in einem anderen Verfahren abgegeben habe. Der Kl盲ger habe der Verwertung dieses Gutachtens in dem anh盲ngigen Verfahren ausdr眉cklich widersprochen. Da das FG, wie es selbst ausgef眉hrt habe, nicht in der Lage gewesen sei, die T盲tigkeit des Kl盲gers zutreffend zu beurteilen, h盲tte es, falls ihm die Begutachtung durch den Maler Y nicht ausgereicht h盲tte, einen anderen Gutachter heranziehen m眉ssen.
听
贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
Die Revision des Kl盲gers f眉hrt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zur眉ckverweisung der Sache an das FG.
Das FG hat gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, der sich aus 搂 81 Abs.1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergibt, versto脽en. Danach hat das Gericht den Beweis in der m眉ndlichen Verhandlung zu erheben. Das Gesetz steht auf dem Standpunkt, da脽 grunds盲tzlich nur eine m枚glichst unter dem pers枚nlichen Eindruck des erkennenden Gerichts vorgenommene Beweisaufnahme eine einigerma脽en gerechte W眉rdigung verb眉rgt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilproze脽ordnung, 43.Aufl., 搂 355 Anm.1).
Das Gericht kann allerdings schon vor der m眉ndlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter oder durch ein anderes Gericht die Beweise erheben lassen (搂 81 Abs.2 FGO). Weitere Ausnahmen von dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme sind in der gerichtlichen Praxis entwickelt worden. Bei einem Richterwechsel nach Unterbrechung der m眉ndlichen Verhandlung brauchen vorher erhobene Beweise nicht nochmals erhoben zu werden (vgl. die Rechtsprechungsnachweise im Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.Januar 1978 VII R 106/76, BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311, und bei Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11.Aufl., 搂 81 FGO, Tz.6 unter a). Beweisergebnisse anderer Gerichtsverfahren d眉rfen im Wege des Urkundenbeweises in den Proze脽 eingef眉hrt werden; das Gericht kann insbesondere beigezogene Akten insoweit ber眉cksichtigen, als darin Beweiserhebungen beurkundet worden sind. Damit k枚nnen z.B. Niederschriften 眉ber Zeugenvernehmungen in anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Voraussetzung f眉r diese Verwertung ist aber, da脽 die Verfahrensbeteiligten damit einverstanden sind und nicht einer von ihnen beantragt, den Beweis vom Proze脽gericht zu erheben (vgl. die Rechtsprechungsangaben in der Entscheidung in BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311, und bei Tipke/Kruse, a.a.O., unter b). Das blo脽 mittelbare Beweismittel kann zul盲ssigerweise verwendet werden, wenn die Erhebung des unmittelbaren Beweises unm枚glich, unzul盲ssig oder unzumutbar erscheint; gleiche Grunds盲tze gelten f眉r die 脺bernahme von Feststellungen in einem Strafverfahren. So kann sich ein FG die Feststellungen aus einem in das finanzgerichtliche Verfahren eingef眉hrten Strafurteil zu eigen machen, falls nicht die Verfahrensbeteiligten substantiierte Einwendungen vortragen und entsprechende Beweisantr盲ge stellen (BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311).
Im Streitfall hat das FG gegen den Widerspruch des Kl盲gers ein in einem anderen Proze脽 des Kl盲gers erstattetes Sachverst盲ndigengutachten zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Wie sich aus der Darstellung des kl盲gerischen Vorbringens im Tatbestand und in den Gr眉nden des finanzgerichtlichen Urteils ergibt, hat der Kl盲ger aus Bemerkungen in dem Gutachten 眉ber sein "Wohn- und Arbeitsumfeld" auf eine gewisse Voreingenommenheit des Gutachters Professor X geschlossen. Es kann dahinstehen, ob es vertretbar ist, ein schriftlich niedergelegtes Sachverst盲ndigengutachten nur bei besonderem Anla脽 erneut einzufordern (so Gr盲ber, Finanzgerichtsordnung, 搂 76 Rdnr.2). Jedenfalls hat der Kl盲ger seine Bedenken gegen die Verwendung des im Vorproze脽 erstatteten Sachverst盲ndigengutachtens n盲her substantiiert und durch Beibringung eines auf seine Veranlassung hin erstellten Gutachtens des Maler Y die Wertungen des fr眉heren Gutachters Professor X zu entkr盲ften versucht.
Der Kl盲ger hat nicht nur in der Klageschrift, sondern --als offenbar zu erkennen war, da脽 das FG auf das Gutachten des Professor X aus dem Vorproze脽 zur眉ckgreifen wolle-- noch in der m眉ndlichen Verhandlung vor dem FG der Verwertung dieses Gutachtens widersprochen. Die 脛u脽erungen des Kl盲gers hierzu sind in der Niederschrift 眉ber die m眉ndliche Verhandlung festgehalten. Der Inhalt der Niederschrift ist Teil der tats盲chlichen Feststellungen des FG, an die der BFH im Rahmen des 搂 118 Abs.2 FGO gebunden ist (Koehler, Verwaltungsgerichtsordnung, 搂 137 Anm.VII 2). Damit steht auch fest, da脽 der Kl盲ger in der m眉ndlichen Verhandlung auf die Einhaltung einer Verfahrensvorschrift --hier auf die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gem盲脽 搂 81 Abs.1 FGO-- nicht verzichtet hat (搂 155 FGO i.V.m. 搂 295 der Zivilproze脽ordnung --ZPO--).
Die angefochtene Entscheidung konnte keinen Bestand haben, weil das FG sich nicht in einer unmittelbaren Beweiserhebung die Grundlagen f眉r seine 脺berzeugungsbildung verschafft hat. Zur materiell-rechtlichen Streitfrage --ob die T盲tigkeit des Kl盲gers als eine k眉nstlerische einzustufen ist-- kann sich der erkennende Senat nach dem jetzigen Stand des Verfahrens nicht 盲u脽ern. Welche Kriterien ma脽gebend sind, um einer T盲tigkeit das Merkmal des K眉nstlerischen beilegen zu k枚nnen, ist insbesondere in den Entscheidungen des BFH vom 14.Dezember 1976 VIII R 76/75 (BFHE 121, 410, BStBl II 1977, 474) und vom 2.Dezember 1980 VIII R 32/75 (BFHE 132, 77, BStBl II 1981, 170) n盲her ausgef眉hrt. In der erstgenannten Entscheidung sind an deren Ende Ausf眉hrungen dar眉ber enthalten, von welcher Fragestellung, insbesondere von welchem Begriff der k眉nstlerischen T盲tigkeit, der Sachverst盲ndige auszugehen hat, damit er dem Gericht die Bildung einer sicheren 脺berzeugung erm枚glicht.
++/ Der Senat entscheidet gem盲脽 搂 121 i.V.m. 搂 90 Abs. 2 FGO ohne m眉ndliche Verhandlung durch Urteil. Beide Verfahrensbeteiligten haben auf m眉ndliche Verhandlung verzichtet. In dem Schriftsatz vom 23. Dezember 1982 hat der Kl盲ger zwar seinen Verzicht widerrufen. Der Verzicht auf die m眉ndliche Verhandlung ist grunds盲tzlich nicht frei widerruflich (BFH-Urteil vom 4. April 1974 V R 161/72, BFHE 112, 316, BStBl II 1974, 532 mit Rechtsprechungsnachweisen). /++
听
Fundstellen
亿兆体育-Index 60816 |
BStBl II 1985, 305 |
BFHE 143, 117 |
BFHE 1985, 117 |
BB 1985, 1118-1118 (L) |
DB 1985, 1168-1168 (LT) |
HFR 1985, 323-324 (ST) |