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Entscheidungsstichwort (Thema)
Behinderungsbedingte Umbauma脽nahmen als au脽ergew枚hnliche Belastungen
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Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen f眉r den behindertengerechten Umbau eines Hauses k枚nnen als au脽ergew枚hnliche Belastungen abziehbar sein, wenn sie so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsl盲ufigkeit stehen, dass die etwaige Erlangung eines Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumst盲nde des Einzelfalles in den Hintergrund tritt.
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Normenkette
EStG 搂 33
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Verfahrensgang
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Tatbestand
I. Die Kl盲ger und Revisionskl盲ger zu 1. bis 3. (Kl盲ger) sind die Erben des verstorbenen A, der mit der Kl盲gerin zu 1. im Streitjahr (2000) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurde. A erlitt im Jahre 1999 einen schweren Schlaganfall, der l盲ngere Rehabilitations- und Kurma脽nahmen zur Folge hatte und zum Ausweis eines Grads der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G (gehbehindert), aG (au脽ergew枚hnlich gehbehindert), H (hilflos) und RF (Rundfunkgeb眉hrenbefreiung) f眉hrte.
Um A trotz seiner gesundheitlichen Einschr盲nkungen weiterhin ein Leben in seiner gewohnten Umgebung zu erm枚glichen und ihm den Aufenthalt in einem Pflegeheim zu ersparen, nahmen die Ehegatten im Streitjahr verschiedene Umbauma脽nahmen an ihrem Einfamilienhaus in B vor. Dabei handelte es sich um den Bau einer Rollstuhlrampe, die Einrichtung eines behindertengerechten Bades in einem Teil der bisherigen K眉che, die Errichtung einer neuen K眉che im verbliebenen Teil des fr眉heren K眉chenraumes sowie im Hauswirtschaftsraum und Umwandlung des Arbeitszimmers in einen Schlafraum.
Die von der Krankenkasse nicht bezuschussten Umbaukosten machten A und die Kl盲gerin zu 1. in H枚he von 139.715,34 DM in ihrer Einkommensteuererkl盲rung f眉r das Streitjahr als au脽ergew枚hnliche Belastung geltend.
Dies lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit dem Einkommensteuerbescheid f眉r das Streitjahr ab, gew盲hrte jedoch den Behinderten-Pauschbetrag in H枚he von 7.200 DM und den Pflege-Pauschbetrag von 1.800 DM.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) st眉tzte sein klageabweisendes Urteil auf die sog. Gegenwertlehre und f眉hrte im Wesentlichen aus, der Bau der Rollstuhlrampe habe ebenso wie die Errichtung des behindertengerechten Bades den Wert des Grundst眉cks erh枚ht, weil die entsprechenden Einrichtungen auch von jedem anderen Bewohner des Geb盲udes genutzt werden k枚nnten. Die Umgestaltung der K眉che sei lediglich eine Folge der Vergr枚脽erung des Bades gewesen und daher wie diese Ma脽nahme zu beurteilen. Dies m眉sse auch f眉r die das Arbeitszimmer betreffenden Umbauma脽nahmen gelten, wenn diese durch den behindertengerechten Umbau des Bades ausgel枚st worden seien. Alle Umbauma脽nahmen seien A und der Kl盲gerin zu 1. auch nicht zwangsl盲ufig erwachsen, denn sie h盲tten auch eine behindertengerechte Mietwohnung beziehen k枚nnen.
Mit ihrer dagegen gerichteten Revision r眉gen die Kl盲ger die Verletzung materiellen Rechts und tragen vor: Die Rampe repr盲sentiere keinen Gegenwert, sie sei vielmehr eine den Vorgarten verunstaltende wertmindernde Bauma脽nahme, die f眉r nichtbehinderte Besucher des Hauses nur einen Umweg bedeute. Auch die rollstuhlgerechten T眉rverbreiterungen vermittelten keinen Gegenwert, sie seien vielmehr nachteilig, weil sie zu einer Verringerung des nutzbaren Wohnraums gef眉hrt h盲tten. Schlie脽lich sei es erforderlich geworden, das Schlafzimmer im Erdgeschoss einzurichten.
Die Kl盲ger beantragen,
das Urteil des FG vom 24. Mai 2007听 9 K 1043/03 und die Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2003 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 18. Mai 2007 dahingehend zu 盲ndern, dass weitere 139.716 DM als au脽ergew枚hnliche Belastungen abgezogen werden.
Das FA beantragt,
die Revision zur眉ckzuweisen.
Es ist der Auffassung, dem Abzug au脽ergew枚hnlicher Belastungen stehe der Gegenwert der Umbauma脽nahmen und die fehlende Zwangsl盲ufigkeit der Aufwendungen entgegen. Durch die Bauma脽nahmen am Bad h盲tten A und die Kl盲gerin zu 1. einen Gegenwert erhalten, weil im Streitfall keine neuen Ausstattungsgegenst盲nde eines vorhandenen Badezimmers durch eine behindertengerechte Einrichtung ersetzt, sondern etwas v枚llig Neues geschaffen worden sei. Auch der Umstand, dass das Bad objektiv von nichtbehinderten Personen genutzt werden k枚nne, begr眉nde einen Gegenwert. Die Rollstuhlrampe verk枚rpere ebenfalls einen Gegenwert, weil sich nicht ausschlie脽en lasse, dass ein k眉nftiger Erwerber bereit sei, f眉r den behindertengerechten Zugang zum Haus einen h枚heren Preis f眉r das gesamte Anwesen zu zahlen. Die Rollstuhlrampe schr盲nke auch nicht den Zugang f眉r nichtbehinderte Besucher des Hauses ein. Im 脺brigen lasse die fehlende Abgrenzbarkeit krankheitsbedingter von nicht krankheitsbedingten Gestaltungsentscheidungen bei den vorliegenden Bauma脽nahmen die Zwangsl盲ufigkeit der Aufwendungen entfallen.
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II. Die Revision der Kl盲ger ist begr眉ndet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zur眉ckverwiesen (搂 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Aufwendungen f眉r die behinderungsbedingten Umbauma脽nahmen zu Unrecht vom Abzug als au脽ergew枚hnliche Belastungen ausgeschlossen.
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsl盲ufig gr枚脽ere Aufwendungen als der 眉berwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverh盲ltnisse, gleicher Verm枚gensverh盲ltnisse und gleichen Familienstandes (au脽ergew枚hnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang erm盲脽igt (搂 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
a) Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass es sich bei den ausschlie脽lich behinderungsbedingten Umbaukosten um au脽ergew枚hnliche Aufwendungen i.S. des 搂 33 Abs. 1 EStG handelt, denn es sind gr枚脽ere Aufwendungen, als sie der 眉berwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Verm枚gensverh盲ltnisse sowie gleichen Familienstandes erwachsen. Diese Aufwendungen sind auch nicht durch den A gew盲hrten Behinderten- und Pflege-Pauschbetrag abgegolten. Der Behinderten-Pauschbetrag nach 搂 33b Abs. 1 bis 3 EStG gilt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur laufende und typische Mehraufwendungen des Behinderten ab, so dass "zus盲tzliche Krankheitskosten" nicht von der Abgeltungswirkung des Pauschbetrags erfasst werden (Senatsurteil vom 17. Dezember 1965 VI 297/65 U, BFHE 84, 574, BStBl III 1966, 208, und BFH-Urteil vom 11. Dezember 1987 III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275, m.w.N.). Dies gilt erst recht f眉r den Pauschbetrag nach 搂 33b Abs. 6 EStG, der nur die durch die Pflege einer Person veranlassten Aufwendungen erfasst.
b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind die reinen Umbaukosten im Streitfall aber auch zwangsl盲ufig erwachsen (搂 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Aufwendungen infolge K枚rperbehinderung waren ebenso wie Krankheitskosten von jeher ein Anwendungsfall der Zwangsl盲ufigkeit aus tats盲chlichen Gr眉nden. Nach Auffassung des erkennenden Senats gilt dies insbesondere auch f眉r die streitbefangenen Umbaukosten, die nicht anders zu behandeln sind, als die Aufwendungen f眉r den Treppenlift eines Querschnittsgel盲hmten (BFH-Urteil vom 30. Oktober 2008 III R 97/06, BFH/NV 2009, 728). Durch den f眉r die Kl盲gerin zu 1. und A nicht vorhersehbaren Schlaganfall und die dadurch eingetretene schwerwiegende Behinderung war eine Zwangslage entstanden, die die behinderungsgerechten Umbauma脽nahmen unausweichlich machte. Dass FA und FG den Steuerpflichtigen in dieser Situation auf die m枚glicherweise langwierige Suche nach einer geeigneten Mietwohnung verweisen, erscheint dem Senat eher fernliegend. Eine tats盲chliche Zwangslage ist dadurch gekennzeichnet, dass sie schnelle Reaktion erfordert. Unter diesen Umst盲nden aber hatten die Ehegatten keine die Zwangsl盲ufigkeit aus tats盲chlichen Gr眉nden ausschlie脽ende Entscheidungsfreiheit. Insofern unterscheidet sich der Streitfall auch von dem Urteil des BFH, das die Vorinstanz herangezogen hat und das den Bau eines behindertengerechten Einfamilienhauses betraf (BFH-Urteil vom 10. Oktober 1996 III R 209/94, BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491). Der erkennende Senat folgt nicht der Rechtsprechung des III. Senats des BFH, der seine zum behindertengerechten Neubau eines Hauses ergangene Entscheidung auch auf den Fall des Umbaus eines vom Steuerpflichtigen und seiner Familie schon vor der Erkrankung genutzten Hauses angewendet hat (BFH-Urteil vom 6. Februar 1997 III R 72/96, BFHE 182, 551, BStBl II 1997, 607, und BFH-Beschluss vom 15. April 2004 III B 84/03, BFH/NV 2004, 1252).
Die Zwangsl盲ufigkeit der Umbauma脽nahmen wird im Streitfall schlie脽lich auch nicht durch steuerrechtlich irrelevante private Motive in Frage gestellt, die bei der Umgestaltung des Familienwohnheims mitgewirkt haben k枚nnten. Die durch die eingetretene Behinderung des A veranlassten Umbauten standen so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsl盲ufigkeit, dass eine nicht auf der Behinderung beruhende Motivation des A und der Kl盲gerin zu 1. ohne weiteres auszuschlie脽en ist.
c) Im Streitfall wird der Abzug der zwangsl盲ufigen Aufwendungen aber auch nicht durch einen Gegenwert gehindert. Dabei kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob er der im Schrifttum ge盲u脽erten Fundamentalkritik an der sog. Gegenwertlehre folgen k枚nnte (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, 搂 33 EStG Rz 37, m.w.N.; s. auch Arndt, in Kirchhof/S枚hn/ Mellinghoff, EStG, 搂 33 Rz B 34 ff.).
Unter den Umst盲nden des Streitfalls kann es auch nicht darauf ankommen, dass die behinderungsbedingten Umbauma脽nahmen weder zu einem realen Gegenwert gef眉hrt noch einen marktg盲ngigen Vorteil begr眉ndet haben. Zu Unrecht hat das FG allerdings angenommen, dass es nicht auf eine von einem Sachverst盲ndigen feststellbare Werterh枚hung ankommt. Der Senat vermag der im Beschluss des BFH in BFH/NV 2004, 1252 (m.w.N.) vertretenen Auffassung nicht zu folgen, wonach der Beweis, ob der Steuerpflichtige einen Gegenwert f眉r seine behinderungsbedingten Aufwendungen erh盲lt oder ob es sich dabei um verlorenen Aufwand handelt, grunds盲tzlich nicht durch ein Sachverst盲ndigengutachten gef眉hrt werden kann. Denn H盲user und Grundst眉cke werden auch zu anderen Zwecken von Sachverst盲ndigen begutachtet, die Werterh枚hungen und Wertminderungen ohne weiteres festzustellen in der Lage sind. Ein Gegenwert, der allein auf der m枚glichen Nutzung der Umbauten durch nichtbehinderte Familienangeh枚rige beruhen soll, ist indessen kein realer Gegenwert und mithin ungeeignet, ein Abzugsverbot f眉r zwangsl盲ufig erwachsene und die wirtschaftliche Leistungsf盲higkeit des Steuerpflichtigen mindernde Aufwendungen zu begr眉nden.
Im Streitfall jedenfalls stehen die behinderungsbedingten Aufwendungen so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsl盲ufigkeit, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumst盲nde in den Hintergrund tritt (Senatsurteil vom 27. November 1959 VI 62/59, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, 搂 33, Rechtsspruch 109). Aus diesem Grunde bedarf es auch keiner Feststellungen zu der von den Kl盲gern aufgeworfenen Frage, ob die behinderungsbedingten Umbauma脽nahmen den Wert des Grundst眉cks gemindert haben.
d) Sind die durch die Behinderung veranlassten reinen Umbaukosten danach als au脽ergew枚hnliche Belastungen anzuerkennen, so folgt daraus nach dem Gesetzeswortlaut der Sofortabzug der Aufwendungen. Der Auffassung der Finanzverwaltung (z.B. Oberfinanzdirektion Frankfurt, Verf眉gung vom 13. November 2008 S 2284 A-46-St 216; Bayerisches Landesamt f眉r Steuern, Verf眉gung vom 23. Oktober 2009 S 2284.1.1-2/2 St32/St33), wonach die Aufwendungen f眉r die behindertengerechte Umr眉stung eines PKW auf die Nutzungsdauer des Fahrzeugs zu verteilen sind, ein Sofortabzug aber ausgeschlossen wird, vermag der Senat nicht zu folgen. 搂 33 EStG enth盲lt weder eine Verweisung auf die Vorschriften 眉ber die Absetzungen f眉r Abnutzung noch eine Gesetzesl眉cke, die eine analoge Anwendung des 搂 7 EStG nahe legen w眉rde (a.A. Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 1993, 691, 696, und FR 2002, 1139, 1140). Der Senat h盲lt es jedoch f眉r denkbar, dem Steuerpflichtigen im Wege der abweichenden Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgr眉nden (搂 163 der Abgabenordnung) ein Wahlrecht auf Verteilung der Aufwendungen einzur盲umen, wenn --anders als im Streitfall-- ein zu geringer Gesamtbetrag der Eink眉nfte dem vollen Abzug der Aufwendungen entgegensteht.
2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem Umfang einzelne Aufwendungen nicht durch die eingetretene Behinderung des A veranlasst waren. Das FG hat insoweit zwar festgestellt, dass Heizungsarbeiten durchgef眉hrt, mehrere Fenster ausgetauscht und verschiedene Elektroinstallationen am Haus der Ehegatten ausgef眉hrt worden sind, die entsprechenden, in Rechnung gestellten Betr盲ge aber nicht beziffert.
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Fundstellen
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BFH/NV 2010, 304 |
BFH/PR 2010, 92 |
BStBl II 2010, 280 |
BFHE 2009, 536 |
BFHE 226, 536 |
DStR 2010, 47 |
DStRE 2010, 191 |
DStZ 2010, 58 |