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Leitsatz (amtlich)
Nach 搂 174 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 darf ein Steuerbescheid nicht ge盲ndert werden, wenn der Steuerpflichtige vor Erla脽 des fehlerhaften Steuerbescheids den f眉r die Besteuerung erheblichen Sachverhalt vollst盲ndig und richtig dargestellt hat. Unerheblich ist es, ob die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts durch den Steuerpflichtigen falsch war.
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Normenkette
AO 1977 搂 174 Abs. 2 S. 2
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Die Kl盲ger und Revisionsbeklagten (Kl盲ger) sind zusammenveranlagte Eheleute. 1972 ver盲u脽erte die Kl盲gerin - Ehefrau - (Ver盲u脽erin) an die Eheleute K (Erwerber) ein Grundst眉ck f眉r 250 000 DM. Vom Kaufpreis waren 80 000 DM bei Eintragung einer Auflassungsvormerkung f盲llig. Der Restbetrag von 170 000 DM war ab 1. Juli 1972 in monatlichen Raten von 1 000 DM zu zahlen. Eine Verzinsung des Restbetrags war nicht vereinbart. Die Erwerber durften 眉ber die Ratenzahlungen hinaus gr枚脽ere Teilbetr盲ge entrichten. F眉r die monatlichen Ratenzahlungen war eine Wertsicherungsklausel vereinbart, wobei die Wertsteigerungsbetr盲ge auf die Tilgung des urspr眉nglichen Restkaufpreises nicht anzurechnen waren.
Mit Schreiben vom 5. Juli 1973 teilten die Kl盲ger dem Beklagten und Revisionskl盲ger (Finanzamt - FA -) mit, da脽 die Kl盲gerin Mitte 1972 ihr Grundst眉ck zum Gesamtkaufpreis von 250 000 DM ver盲u脽ert habe, wobei 80 000 DM beim Verkaufsabschlu脽 f盲llig gewesen seien und der Restbetrag von 170 000 DM in monatlichen Raten von 1 000 DM beglichen werde. Au脽erdem erkl盲rten sie, da脽 wesentliche Zinseink眉nfte aus der Kaufpreissumme nicht zu erwarten seien, da die bisher gezahlten Kaufpreisteile im wesentlichen zur Finanzierung eines Neubauvorhabens verwendet w眉rden.
Die Kl盲ger gaben in ihren Einkommensteuererkl盲rungen f眉r 1972 bis 1974 keine Eink眉nfte aus Kapitalverm枚gen an. Das FA erlie脽 am 29. M盲rz 1974 einen Einkommensteuerbescheid f眉r 1972 am 5. Dezember 1975 einen Einkommensteuerbescheid f眉r 1973 und am 3. August 1976 einen Einkommensteuerbescheid f眉r 1974. Alle Steuerfestsetzungen f眉hrten zu Steuererstattungen. Alle Bescheide waren endg眉ltig und wurden bestandskr盲ftig.
Die Erwerber behandelten bei Ihren Einkommensteuererkl盲rungen f眉r 1972 bis 1974 den Grundst眉ckskaufpreis von 250 000 DM als Anschaffungskosten. Dem folgte das FA und erlie脽 gegen die Erwerber vorl盲ufige Einkommensteuerbescheide f眉r 1972 bis 1974 - 25. Oktober 1974, 14. November 1975, 3. Januar 1977 -.
Nach einer Betriebspr眉fung bei dem Erwerbern kam das FA aufgrund des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Oktober 1974 VIII R 131/70 (BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173) zu der Auffassung, da脽 die Kaufpreisratenschuld wegen der Zinslosigkeit nach der Rentenformel abzuzinsen, der ermittelte Barwert Anschaffungskosten des Grundst眉cks und die aus den Kaufpreisraten herausgerechneten Zinsanteile bei den Erwerbern Werbungskosten im Rahmen von Eink眉nften aus Vermietung und Verpachtung und bei der Ver盲u脽erin Eink眉nfte aus Kapitalverm枚gen seien. Dementsprechend erlie脽 das FA ge盲nderte und teilweise vorl盲ufige Einkommensteuerbescheide f眉r 1972 bis 1974 gegen die Erwerber. An die Kl盲ger richtete das FA einen ge盲nderten Einkommensteuerbescheid f眉r 1972 und "nv"-Bescheide f眉r 1973 und 1974 mit der Erl盲uterung, da脽 Veranlagungen zur Einkommensteuer f眉r 1973 und 1974 nicht durchgef眉hrt w眉rden, weil das Einkommen ganz oder teilweise aus Eink眉nften aus nichtselbst盲ndiger Arbeit bestehe, die Voraussetzungen des 搂 46 Abs. 1 und 2 Nrn. 1 bis 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) f眉r eine Veranlagung von Amts wegen nicht gegeben seien und die Nebeneink眉nfte den Betrag von 800 DM nicht 眉berstiegen; zugleich wurden die Erstattungsbetr盲ge f眉r 1973 und 1974 zur眉ckgefordert.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren - bei dem die Kl盲ger erstmalig den Grund f眉r die 脛nderung der Bescheide erfuhren - gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 64 (EFG 1979, 46) ver枚ffentlichten Entscheidung statt und f眉hrte aus:
F眉r eine 脛nderung der erstmaligen Steuerbescheide fehle die Rechtsgrundlage.
搂 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) sei nicht anwendbar, weil dem FA durch das Schreiben der Kl盲ger vom 5. Juli 1973 vor Erla脽 der erstmaligen Bescheide f眉r 1972 bis 1974 der Grundst眉cksver盲u脽erungsvorgang mit allen f眉r die Einkommensbesteuerung erheblichen Tatsachen bekannt gewesen sei.
搂 174 Abs. 2 AO 1977 sei ebenfalls nicht anwendbar. Es k枚nne offenbleiben, ob nach 脛nderung der Einkommensteuerbescheide bei den Erwerbern ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger ber眉cksichtigt worden sei. Nach 搂 174 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 d眉rfe ein fehlerhafter Steuerbescheid nur ge盲ndert werden, wenn die Ber眉cksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erkl盲rung des Steuerpflichtigen zur眉ckzuf眉hren sei. Danach habe der Steuerpflichtige nur dann keinen Anspruch auf Rechtssicherheit und Vertrauensschutz bei einem bestandskr盲ftigen Steuerbescheid, wenn er selbst durch eine Antragstellung oder eine Erkl盲rung zu dem der materiellen Steuergerechtigkeit widersprechenden Zustand beigetragen habe. Das sei hier nicht der Fall. Unterstelle man, da脽 in einem in Jahresraten zu zahlenden Restkaufpreis f眉r ein Grundst眉ck Zinsen enthalten seien, dann h盲tten die Kl盲ger i. S. des 搂 174 Abs. 2 AO 1977 nicht dazu beigetragen, da脽 die Zinsanteile bei ihnen nicht als Eink眉nfte aus Kapitalverm枚gen erfa脽t worden seien. Sie h盲tten den steuerrechtlich relevanten Sachverhalt dem FA vor der erstmaligen Veranlagung bekanntgegeben. Unerheblich sei eine rechtlich falsche Beurteilung auf ihrer Seite, weil das FA die steuerrechtliche Einordnung unabh盲ngig von einer vorgetragenen Rechtsmeinung vorzunehmen habe.
搂 174 Abs. 2 AO 1977 sei dar眉ber hinaus auch dann nicht anwendbar, wenn ein mehrere Steuerpflichtige betreffender Sachverhalt rechtlich zun盲chst so beurteilt worden sei, da脽 bei keinem der Steuerpflichtigen ein materiell nicht gerechtfertigter Steuervorteil entstanden sei. Werde bei einem der betroffenen Steuerpflichtigen sp盲ter die urspr眉ngliche Einordnung des Sachverhalts ge盲ndert und komme es deshalb zu widerstreitenden Steuerfestsetzungen, so seien diese entweder auf ein Verhalten desjenigen Steuerpflichtigen zur眉ckzuf眉hren, bei dem die 脛nderung vorgenommen worden sei, oder auf eine Entscheidung der Finanzverwaltungsbeh枚rde, die der neuen steuerrechtlichen Sachbehandlung zugestimmt habe. So liege es auch im Streitfall, wo die widerstreitenden Steuerfestsetzungen erst nach einer Betriebspr眉fung bei den Erwerbern zustande gekommen seien, ohne da脽 die Kl盲ger einen Beitrag dazu geleistet h盲tten.
Auf 搂 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 k枚nne die 脛nderung schon deshalb nicht gest眉tzt werden, weil danach Voraussetzung f眉r eine 脛nderung die Beteiligung des Dritten bereits an dem 脛nderungsverfahren des anderen Steuerpflichtigen sei, was hier nicht geschehen sei.
Anfechtbar seien auch die "nv"-Bescheide gewesen, weil sie erst nach Erteilung eines Einkommensteuerbescheids ergangen und mit ihnen Erstattungsbetr盲ge zur眉ckgefordert worden seien. Sie h盲tten durch Aufhebung des vorher erteilten Einkommensteuerbescheids einen Sachverhalt geregelt und seien damit Verwaltungsakte.
Mit der - vom FG zugelassenen - Revision r眉gt das FA unrichtige Anwendung des 搂 174 Abs. 2 AO 1977 und macht geltend:
F眉r eine 脛nderung nach 搂 174 Abs. 2 AO 1977 komme es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige den Sachverhalt richtig dargestellt habe. Es gen眉ge, da脽 die fehlerhafte W眉rdigung durch das FA auf einen Antrag oder eine Erkl盲rung des Steuerpflichtigen zur眉ckzuf眉hren sei. Ein "Antrag" i. S. der Vorschrift sei auch, da脽 die Kl盲ger keine Kapitaleink眉nfte erkl盲rt h盲tten.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Kl盲ger beantragen Zur眉ckweisung der Revision.
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Die Revision ist unbegr眉ndet.
Zu Recht hat das FG eine 脛nderung oder Aufhebung der urspr眉nglichen Einkommensteuerbescheide f眉r 1972 bis 1974 auch insoweit f眉r unzul盲ssig gehalten, als es um die Anwendbarkeit des 搂 174 Abs. 2 AO 1977 geht.
Es kann schon zweifelhaft sein, ob ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten mehrerer Steuerpflichtiger - n盲mlich der Kl盲gerin und der Erwerber - ber眉cksichtigt worden ist (搂 174 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Diese Frage braucht indessen nicht abschlie脽end er枚rtert zu werden.
Bei widerstreitenden Steuerfestsetzungen zugunsten eines Steuerpflichtigen darf nach 搂 174 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 der fehlerhafte Steuerbescheid nur ge盲ndert oder - unausgesprochen - aufgehoben werden, wenn die Ber眉cksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erkl盲rung des Steuerpflichtigen zur眉ckzuf眉hren ist. Dem FG ist darin zuzustimmen, da脽 diese Voraussetzung f眉r eine 脛nderung oder Aufhebung fehlt, wenn der Steuerpflichtige vor Erla脽 des fehlerhaften Steuerbescheids den f眉r die Besteuerung erheblichen Sachverhalt vollst盲ndig und richtig dargestellt hat. Die gegenteilige Meinung des FA, es gen眉ge die blo脽e Mitwirkung des Steuerpflichtigen durch eine 脛u脽erung, ist weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift vereinbar.
Ber眉cksichtigung des Sachverhalts und Zur眉ckf眉hrung auf einen Antrag oder Erkl盲rung des Steuerpflichtigen in 搂 174 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 bedeutet, da脽 die fehlerhafte Beurteilung des Sachverhalts ihre Ursache in der 脛u脽erung des Steuerpflichtigen haben mu脽. Dies ist nur dann der Fall, wenn die zugunsten des Steuerpf1ichtigen gezogene falsche Rechtsfolge durch eine Darstellung des Sachverhalts durch den Steuerpflichtigen veranla脽t ist. War die rechtliche Beurteilung fehlerhaft, obwohl ein richtiger Sachverhalt erkl盲rt wurde, dann hat die falsche Rechtsfolge nicht ihre Ursache in der Erkl盲rung des Sachverhalts, sondern ist allein auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zur眉ckzuf眉hren.
Sinn und Zweck der in 搂 174 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 enthaltenen Beschr盲nkung der 脛nderungs- oder Aufhebungsm枚glichkeit ist es, dem infolge der widerstreitenden Steuerfestsetzungen beg眉nstigten Steuerpflichtigen den Steuervorteil nur dann zu nehmen, wenn er ihn durch seine objektiv falsche Darstellung des Sachverhalts veranla脽t hat, weil er dann im Hinblick auf die Bestandskraft des Steuerbescheids keinen Vertrauensschutz verdient. Soweit der Steuerpflichtige eine unzutreffende Rechtsauffassung ge盲u脽ert hat, ist dies ohne Belang, wenn die Sachverhaltsdarstellung vollst盲ndig und richtig war. Denn es ist allein Sache des FA, 眉ber die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts zu entscheiden.
In Anwendung dieser Grunds盲tze war im Streitfall die Anwendbarkeit des 搂 174 Abs. 2 AO 1977 zu verneinen, weil nach den insoweit unangefochtenen Feststellungen des FG die Kl盲ger dem FA vor der erstmaligen Veranlagung den Ver盲u脽erungsvorgang mit seinen f眉r die Besteuerung bedeutsamen Umst盲nden mitgeteilt hatten. Da脽 die Kl盲ger in der Einkommensteuererkl盲rung keine Eink眉nfte aus Kapitalverm枚gen angaben, ist - entgegen der Meinung des FA - nicht als "Antrag" i. S. von 搂 174 Abs. 2 Satz 2 AO 1977, sondern als Folge einer rechtlichen Beurteilung durch die Kl盲ger zu werten.
Rechtlich zutreffend sind die Ausf眉hrungen des FG zur Unanwendbarkeit der 搂搂 173 Abs. 1 Nr. 1 und 174 Abs. 4 und 5 AO 1977.
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Fundstellen
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BStBl II 1981, 388 |
BFHE 1981, 182 |