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Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anfechtungsklage kann unter Umst盲nden auch dann zul盲ssig sein (搂 44 Abs. 1 FGO), wenn die Finanzbeh枚rden einen vom Steuerpflichtigen eingelegten Rechtsbehelf unrichtig statt als Einspruch als Beschwerde behandelt haben und die OFD eine den angefochtenen Bescheid best盲tigende Beschwerdeentscheidung erlassen hat.
2. Gegenstand der Verzinsung nach 搂搂 4a und 9 Abs. 2 StS盲umG ist der hinterzogene Steuerbetrag; an ihn kn眉pft das Gesetz die Zinspflicht an. Auf den Zeitpunkt, an dem die Steuerverk眉rzung vollendet ist, kommt es nicht an, soweit dieser Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten der Vorschrift des 搂 4a StS盲umG liegt.
2. 搂 4a Abs. 1 StS盲umG ist auch anwendbar auf Steuerforderungen, die vor seinem Inkrafttreten durch pflichtwidrige Nichtabgabe von Steuererkl盲rungen, d. h. durch ein unterlassen, hinterzogen worden sind.
2. Die Tatsache, da脽 das FA zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen vor Festsetzung von Hinterziehungszinsen das Ergebnis eines schwebenden Strafverfahrens abwartet, ist kein die Verwirkung des Zinsanspruchs begr眉ndender Umstand.
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Normenkette
FGO 搂 44 Abs. 1; StS盲umG 搂听4a Abs. 1, 搂听9 Abs. 2; AO 搂听204 Abs. 1, 搂听210 Abs. 1
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Verfahrensgang
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Nachgehend
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Tatbestand
Das Amtsgericht A hat den Revisionskl盲ger (Steuerpflichtigen) wegen Hinterziehung von Einkommensteuer f眉r 1961 bis 1964 durch Strafbefehl vom 1. April 1968 rechtskr盲ftig verurteilt. Die hinterzogene Einkommensteuer hat der Revisionsbeklagte (das FA) erstmals im Sammelbescheid vom 15. Januar 1968 festgesetzt. Nach den Feststellungen im Strafverfahren war die Hinterziehung der Einkommensteuer f眉r 1961 bis 1963 vor dem 1. Januar 1966 und f眉r 1964 am 31. Juli 1966 (als dem Tage, an dem die Veranlagungsarbeiten f眉r den Veranlagungszeitraum 1964 im wesentlichen abgeschlossen gewesen seien) vollendet. Im angefochtenen Bescheid vom 2. Juli 1968 眉ber die Festsetzung von Zinsen f眉r hinterzogene Steuern gem盲脽 搂 4a StS盲umG berechnete das FA Zinsen auf die Einkommensteuer 1961, 1962 und 1963 ab 1. Januar 1966 (搂 9 Abs. 2 StS盲umG) und auf die Einkommensteuer 1964 ab 1. August 1966 (搂 4a Abs. 2 StS盲umG) jeweils bis zum F盲lligkeitstage.
Den gegen diesen Bescheid eingelegten, entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung als Beschwerde bezeichneten Rechtsbehelf hat die OFD als unbegr眉ndet zur眉ckgewiesen. Das FG hielt die auf die Beschwerdeentscheidung hin erhobene Klage f眉r zul盲ssig, hat sie aber als unbegr眉ndet abgewiesen. In seiner Begr眉ndung lehnte es u. a. die Meinung des Steuerpflichtigen ab, nach der die 搂搂 4a und 9 Abs. 2 StS盲umG deshalb gegen den Gleichheitsgrundsatz verstie脽en, weil beide Vorschriften diejenigen Steuerpflichtigen, welche Steuerhinterziehung durch Nichtabgabe von Steuererkl盲rungen begingen, gegen眉ber denjenigen Steuerpflichtigen benachteiligten, die unrichtige Steuererkl盲rungen abg盲ben; denn jenen sei die M枚glichkeit, die Zinspflicht nach 搂 9 Abs. 2 StS盲umG abzuwenden, erschwert, weil ihnen der Zeitpunkt der Vollendung unbekannt bleibe.
Mit der Revision r眉gt der Steuerpflichtige Verletzung von Bundesrecht (搂搂 4 a, 9 Abs. 2 StS盲umG, 搂 210 AO und Art. 20 Abs. 3 GG) und l盲脽t hierzu vortragen:
Der Rechtsstreit gehe in erster Linie um die rechtsstaatliche Handhabung der 搂搂 4a und 9 Abs. 2 StS盲umG. Im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG m眉sse 搂 4a Abs. 1 StS盲umG so ausgelegt werden, da脽 der Gesetzgeber dieser Vorschrift keine R眉ckbezogenheit (das FG spreche hier von R眉ckwirkung) zugemessen habe. Es k枚nne auch nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen, da脽 dieser von 搂 9 Abs. 2 StS盲umG keinen Gebrauch gemacht habe. Zur Vermeidung der Zinszahlungspflicht verlange diese Vorschrift, da脽 vollendet hinterzogene Steuern vor dem 1. Januar 1966 gezahlt seien. Ohne Kenntnis vom Zeitpunkt der Vollendung der Hinterziehung sei aber der Steuerpflichtige nicht imstande, zu beurteilen, inwieweit ihn die Bezahlung der Steuer vor dem 1. Januar 1966 von der Zinszahlungspflicht befreie. Aus dem Sinn dieser Vorschrift in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebe sich somit die zumutbare Verpflichtung der Finanzbeh枚rden, den f眉r die Vollendung der Steuerhinterziehung ma脽gebenden Zeitpunkt der Beendigung der Veranlagungsarbeiten bekanntzugeben. Andernfalls sei die 脺bergangsregelung des 搂 9 Abs. 2 StS盲umG "materiell" nicht erf眉llbar mit der Folge, da脽 搂 4a StS盲umG nicht r眉ckbezogen angewendet werden k枚nne.
Der Zinsanspruch sei aber im Streitfall auch verwirkt, weil der Zinsbescheid entgegen der zwingenden Vorschrift des 搂 210 Abs. 1 AO nicht nach Abschlu脽 der Ermittlungen am 6. Oktober 1967 bzw. sp盲testens mit dem Steuerbescheid ergangen sei. Diese Vorschrift gestatte es dem FA nicht, mit der Festsetzung zu warten, wenn ihm dies zweckm盲脽ig erscheine. Das FG habe nicht begr眉ndet, warum es "durchaus zweckm盲脽ig" gewesen sei, vor Zinsfestsetzung den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten. Da sich das FA nicht an 搂 210 Abs. 1 AO gehalten habe und in der Strafverhandlung sich nicht mit der vom Steuerpflichtigen als ausreichend betrachteten vorgeschlagenen Geldstrafe begn眉gt, sondern auf einem h枚heren Betrag beharrt und auch nicht auf die Zinspflicht nach 搂 4a StS盲umG hingewiesen habe, sei angenommen worden, da脽 in diese Erh枚hung die nicht festgesetzten Zinssen eingerechnet gewesen seien und gem盲脽 搂 131 AO nicht mehr erhoben w眉rden. Die Verwirkung trete schon vor der Verj盲hrung ein. Es gen眉ge, da脽 der Gl盲ubiger vor Geltendmachung seiner Anspr眉che eine lange Zeit habe verstreichen lassen und dar眉ber hinaus ein Umstand gegeben sei, auf Grund dessen der Schuldner vern眉nftigerweise mit einer Geltendmachung der Forderung nicht mehr habe zu rechnen brauchen.
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Aus den Gr眉nden:
Die Revision ist nicht begr眉ndet.
I. Verfahrensfragen.
Vor Klageerhebung ist - gem盲脽 der insofern unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung - ein falsches au脽ergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren (搂 44 Abs. 1 FGO) durchgef眉hrt worden. Gegen einen Zinsbescheid nach 搂 4a StS盲umG ist als au脽ergerichtlicher Rechtsbehelf der Einspruch gegeben (Urteil des FG N眉rnberg V 112/67 vom 10. Januar 1968, EFG 1968, 283). Der vom Steuerpflichtigen entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung als Beschwerde bezeichnete Rechtsbehelf w盲re danach nicht der OFD zur Entscheidung vorzulegen, sondern als Einspruch zu behandeln gewesen. Denn der Steuerpflichtige beantragte ausdr眉cklich Aufhebung bzw. 脛nderung des Zinsbescheides. Die unrichtige Bezeichnung des Rechtsbehelfs schadete nicht (搂 238 Abs. 1 Satz 4 AO).
Dieser Verfahrensfehler steht im Streitfall einer Sachentscheidung jedoch nicht entgegen. Der Steuerpflichtige hat das richtige (durch das Gesetz f眉r die Anfechtung des Zinsbescheides vorgeschriebene) au脽ergerichtliche Vorverfahren - Einspruchsverfahren - in zul盲ssiger Weise eingeleitet. Auf Grund unrichtiger Behandlung durch die Finanzbeh枚rden ist eine falsche Rechtsbehelfsentscheidung - Beschwerdeentscheidung - seitens der zur Entscheidung unzust盲ndigen OFD ergangen. Indes hat auch das FA den Zinsbescheid 眉berpr眉ft. Denn es hatte dar眉ber zu beschlie脽en, ob der "Beschwerde" abgeholfen werden sollte (搂 249 Abs. 1 S盲tze 1 und 2 AO). Da es die Einwendungen f眉r unbegr眉ndet hielt und keine Veranlassung sah, den Zinsbescheid zum Nachteil des Steuerpflichtigen zu 盲ndern, h盲tte die Einspruchsentscheidung des FA nicht anders, als die Beschwerdeentscheidung der OFD lauten k枚nnen, d. h. das au脽ergerichtliche Vorverfahren w盲re auch bei Erla脽 einer Einspruchsentscheidung erfolglos geblieben. In diesem Falle k枚nnen das falsche und das richtige au脽ergerichtliche Vorverfahren jedenfalls f眉r die Pr眉fung der Frage, ob dadurch die Zul盲ssigkeit der Klage nach 搂 44 Abs. 1 FGO er枚ffnet wird, als gleichwertig angesehen werden.
Rechtliche Interessen der Beteiligten werden durch diese Gleichbehandlung nicht beeintr盲chtigt. Der Senat h盲tte allerdings Bedenken gegen die Zul盲ssigkeit einer Klage, wenn anstelle eines gebotenen Beschwerdeverfahrens ein Einspruchsverfahren durchgef眉hrt worden w盲re. Denn wegen der nur beschr盲nkten Nachpr眉fbarkeit von Ermessensentscheidungen im finanzgerichtlichen Verfahren (搂 102 FGO) k枚nnte dem Steuerpflichtigen der gesetzlich vorgesehene au脽ergerichtliche Rechtsschutz unvollst盲ndig gew盲hrt worden sein, wenn die Verf眉gung des FA nicht durch die n盲chsth枚here Beh枚rde, welche ihr eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des FA setzen kann, nachgepr眉ft worden ist.
Die Beschwerdeentscheidung der OFD ist auch nicht rechtsunwirksam. Mag man auch eine Verf眉gung der OFD f眉r nichtig halten, in welcher diese Steuern bzw. Zinsen festsetzt (Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs - OFH - II Z 11/50 vom 24. Mai 1950, StRK, Reichsabgabenordnung, 搂 204, Rechtsspruch 1), so leidet doch jedenfalls die gegen眉ber dem Steuerpflichtigen getroffene Entscheidung, in welcher die Zinsfestsetzung des FA lediglich best盲tigt wurde, nicht an einem schweren und offensichtlichen, die Nichtigkeit begr眉ndenden (Zust盲ndigkeits-) Mangel. Dies gilt um so mehr, als im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung der OFD rechtliche Zweifel bestehen konnten, welcher Rechtsbehelf gegeben war. Da die Beschwerdeentscheidung jedoch fehlerhaft und der Steuerpflichtige durch die in ihr getroffene Kostenentscheidung beschwert war, mu脽te sie aufgehoben werden.
Mit dieser Beurteilung des falschen au脽ergerichtlichen Vorverfahrens im Streitfall befindet sich der erkennende Senat im Ergebnis in 脺bereinstimmung mit dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) 6 RKa 24/66 vom 16. M盲rz 1967 (Sozialrecht, Reichsversicherungsordnung, 搂搂 368 f., Rechtsspruch 8) und dem VII. Senat des BFH (Urteil VII R 57/67 vom 11. November 1969, BFH 97, 400). Er h盲lt sich auch im Rahmen der Rechtsprechung des BVerwG (Urteile V C 105/61 vom 27. Februar 1963, BVerwGE 15, 306 [309]; I C 24/63 vom 20. Januar 1966, BVerwGE 23, 135 [136]; VII C 69/65 vom 26. Mai 1967, BVerwGE 27, 141; VII C 18/66 vom 9. Juni 1967, BVerwGE 27, 181), welcher auch der VI. Senat des BFH in seiner Entscheidung VI R 261/67 vom 19. August 1969 (BFH 96, 458, BStBl II 1970, 11) zuneigt.
II. Rechtm盲脽igkeit des angefochtenen Zinsbescheides.
1. Die Vorschriften der 搂搂 4a und 9. Abs. 2 StS盲umG stehen nicht im Widerspruch zum GG.
a) Nach 搂 4a Abs. 2 StS盲umG beginnt der Zinslauf im Regelfall mit der Vollendung der Steuerhinterziehung, es sei denn, da脽 die verk眉rzten Betr盲ge auch ohne die Steuerhinterziehung erst sp盲ter f盲llig geworden w盲ren. Eine Steuerhinterziehung ist in dem Zeitpunkt vollendet, in dem der Steuerbescheid, in welchem die Steuer festgesetzt und das Leistungsgebot ausgesprochen worden ist, dem Steuerpflichtigen zugestellt wird oder als bekanntgegeben gilt (搂 17 Abs. 2 VwZG). Der Zinslauf f眉r die hinterzogenen Steuern beginnt jedoch gleichwohl erst sp盲ter, wenn - wie im Falle der Einkommensteuerveranlagung (搂 47 Abs. 2 EStG) - die Abschlu脽zahlung erst zu einem sp盲teren als dem genannten Zeitpunkt f盲llig wird.
b) Gleichwohl kann angesichts der ausdr眉cklichen Vorschrift des 搂 9 Abs. 2 StS盲umG der Zinslauf nicht vor dem 1. Januar 1966 beginnen. Denn ist es der Sinn der Vorschrift, den Steuerpflichtigen allgemein bis zum 31. Dezember 1965 die Zinszahlung zu ersparen, falls sie bis zu diesem Zeitpunkt Selbstanzeige erstatteten, so kann aus Gr眉nden der Gleichm盲脽igkeit der Besteuerung - auch die Hinterziehungszinsen sind als Nebenleistungen zur Steuer wie Steuern zu behandeln - eine am 22. Mai 1965 vollendete Steuerhinterziehung die Zinszahlungspflicht nicht bereits zu einem fr眉heren Zeitpunkt ausl枚sen. Wenn aber vom 1. Januar 1966 ab jede Steuerhinterziehung, auch wenn sie durch eine bis zum 31. Dezember 1965 erstattete strafbefreiende Selbstanzeige bekannt wurde, Hinterziehungszinsen ausl枚st, kann hinsichtlich der Zinszahlung eine vor dem 22. Mai 1965 vollendete Steuerhinterziehung nicht anders behandelt werden als eine erst nach dem Zeitpunkt vollendete Steuerhinterziehung, sei es, da脽 sie nun vor dem 1. Januar 1966 durch Selbstanzeige bekanntgeworden oder durch die Ermittlungen des FA aufgedeckt worden ist.
c) Die Auffassung des Steuerpflichtigen, da脽 diese Auslegung des Gesetzes seine nicht zul盲ssige r眉ckwirkende Anwendung bedeute, teilt der Senat nicht. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 22. Mai 1965 ist die Verzinsung aller derjenigen Steuerbetr盲ge eingef眉hrt worden, die auf einer zu diesem Zeitpunkt "bereits eingetretenen" oder in Zukunft noch eintretenden Steuerverk眉rzung beruhten bzw. beruhen, und zwar mit einem - regelm盲脽igen - Zinslauf vom Zeitpunkt der Vollendung der Steuerhinterziehung ab.
Gegenstand der Verzinsung ist somit der hinterzogene Steuerbetrag. An ihn kn眉pft das Gesetz die Zinspflicht an, nicht an die Steuerhinterziehung als solche (einen etwa bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossenen Tatbestand), allenfalls an ihre Fortwirkungen (als welche die Verpflichtung zur Zahlung des hinterzogenen Steuerbetrages anzusehen ist). Um aber auch den Anschein einer echten R眉ckwirkung des Gesetzes auf die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits vollendeten Steuerverk眉rzungen zu vermeiden, wurde der Beginn des Zinslaufes auf die hinterzogenen Steuerbetr盲ge einheitlich f眉r alle F盲lle der bis zum 31. Dezember 1965 durch Selbstanzeige bekanntgewordenen und der durch die Finanzbeh枚rden bis dahin aufgedeckten Steuerverk眉rzungen auf den 1. Januar 1966 als fr眉hesten Zeitpunkt festgelegt. Mit dieser Regelung sollte zugleich allen denen, die am 22. Mai 1965 "bereits" eine vollendete Steuerverk眉rzung begangen hatten, die M枚glichkeit gegeben werden, durch Zahlung der Steuerschuld vor dem 1. Januar 1966 die von diesem Zeitpunkt ab gegebene Zinszahlungspflicht abzuwenden.
Eine echte - unzul盲ssige - R眉ckwirkung (unzul盲ssig in Anbetracht des schutzw眉rdigen Vertrauens der Steuerpflichtigen in eine bisher gegebene, ihre Dispositionen ma脽geblich mitbestimmende gesetzliche Regelung) liegt in der Einf眉hrung einer Zinspflicht f眉r hinterzogene Steuerbetr盲ge vom 1. Januar 1966 ab nicht. Da脽 eine einmal getroffene Regelung, wie die Zinslosstellung hinterzogener Steuerbetr盲ge, auch in Zukunft immer und uneingeschr盲nkt aufrechterhalten werde, darf der Steuerpflichtige nicht erwarten. Eine solche Erwartung unterliegt jedenfalls nicht dem Vertrauensschutz (Beschlu脽 des BVerfG 1 BvR 228/65 vom 24. September 1965, BVerfGE 19, 119).
2. Auch das weitere Vorbringen des Steuerpflichtigen ist unbegr眉ndet.
a) Die Steuerhinterziehung ist ein unechtes Unterlassungsdelikt und kann sowohl durch ein positives Tun - z. B. Abgabe einer unrichtigen Erkl盲rung - als auch durch ein Unterlassen - z. B. pflichtwidrige Nichtabgabe einer Steuererkl盲rung - begangen werden (Franzen-Gast, Steuerstrafrecht, 搂 391, Anm. 18). Die Vollendung der Straftat tritt je nach der Begehungsform in unterschiedlicher Weise ein. Ein Versto脽 gegen den Gleichheitsgrundsatz ist darin nicht zu erblicken, da die f眉r die Vollendung bedeutsamen Ankn眉pfungspunkte, d. h. die Begehungsformen, verschieden sind.
Die Unsicherheit hinsichtlich des Zeitpunktes der Vollendung im Falle der Steuerhinterziehung durch Unterlassen verbietet es auch nicht, nachteilige Folgen an den Eintritt der Vollendung zu kn眉pfen. Die Bestrafung (als strafrechtliche Folge der Vollendung) h盲lt die st盲ndige Strafrechtsprechung auch bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen f眉r zul盲ssig (Urteil des BGH 3 StR 462/55 vom 1. M盲rz 1956, BStBl I 1956, 441; Urteil des OLG Hamburg 2b Ss 23/65 vom 16. Dezember 1965, NJW 1966, 843); dies wird vom Steuerpflichtigen auch nicht bestritten. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die au脽erstrafrechtlichen Folgen im Gegensatz zur strafrechtlichen Folge nicht oder nur nach Erf眉llung weiterer Voraussetzungen eintreten d眉rften. 搂 4a StS盲umG enth盲lt als einziges, auch f眉r das Strafrecht relevantes Tatbestandsmerkmal den Begriff der Vollendung der Steuerhinterziehung. Entsprechendes gilt f眉r die Voraussetzungen der 脺bergangsregelung in 搂 9 Abs. 2 StS盲umG. Soweit die R眉gen des Steuerpflichtigen darauf abheben, da脽 von ihm Zinsen nur verlangt werden k枚nnten, wenn bei ihm keine Unsicherheit 眉ber den Zeitpunkt der Vollendung bestanden h盲tte, sind sie unbegr眉ndet.
Im 眉brigen konnte der Steuerpflichtige bei vern眉nftiger 脺berlegung gar nicht dar眉ber im unklaren sein, f眉r welche Jahre die von ihm begangenen Steuerhinterziehungen bis zum 31. Dezember 1965 vollendet waren. Die Finanzverwaltung macht die Frist f眉r die Abgabe der von den Angeh枚rigen der steuerberatenden Berufe erstellten Steuererkl盲rungen regelm盲脽ig bekannt. Diese Frist endet aber nicht zu einer Zeit, in welcher die Steuererkl盲rungen des vorhergehenden Jahres noch bearbeitet werden, d. h. die Veranlagung dieses Jahres noch nicht im wesentlichen abgeschlossen ist. Der Steuerpflichtige konnte somit erkennen, da脽 die Steuerhinterziehung f眉r das Jahr 1963 und fr眉here Jahre sp盲testens in dem Zeitpunkt vollendet war, in dem die oben genannte Frist zur Abgabe der Steuererkl盲rungen 1964 ablief. Dies war nach dem im BStBl II 1965, 65 ver枚ffentlichten Erla脽 des Nieders盲chsischen Ministers der Finanzen S 2209-127-311 vom 17. Mai 1965 am 30. September 1965 der Fall. Es h盲tte also auch der Steuerpflichtige von der bis zum 31. Dezember 1965 laufenden 脺bergangsregelung des 搂 9 Abs. 2 StS盲umG Gebrauch machen k枚nnen.
b) Der Steuerpflichtige kann sich auch nicht auf Verwirkung des Zinsanspruches berufen. Es erscheint schon zweifelhaft, ob die erste Voraussetzung der Verwirkung - Unt盲tigkeit des Gl盲ubigers w盲hrend eines l盲ngeren Zeitraums - vorliegt, wenn das FA weniger als neun Monate wartete. Dar眉ber hinaus hat sich das FA auch nicht so verhalten, da脽 der Steuerpflichtige vern眉nftigerweise nicht mehr mit der Zinsforderung zu rechnen braute. Einen diese Annahme rechtfertigenden Umstand sieht der Steuerpflichtige zu Unrecht in einem behaupteten Versto脽 des FA gegen 搂 6 Abs. 2 StS盲umG in Verbindung mit 搂 210 Abs. 1 AO. 脛hnlich wie bei der Pr眉fung der Verj盲hrung hinterzogener Steuern ist es zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen 眉ber die Frage, ob Steuerbetr盲ge vors盲tzlich hinterzogen worden sind (Urteil des RFH I A 191/36 vom 25. Mai 1937, RFH 41, 253, RStBl 1937, 739), auch bei der Festsetzung von Hinterziehungszinsen durchaus zweckm盲脽ig, das Ergebnis eines schwebenden Strafverfahrens abzuwarten. In diesem Falle bedient sich die f眉r die Zinsfestsetzung zust盲ndige Stelle des FA in zul盲ssiger Weise der Ermittlungsergebnisse aus dem Strafverfahren (BFH-Urteil Vz 46/55 vom 13. M盲rz 1958, StRK, Reichsabgabenordnung, 搂 204, Rechtsspruch 16). Sie schlie脽t also ihre eigenen Ermittlungen (搂 204 Abs. 1 AO) zun盲chst nicht ab, sondern stellt deren Fortgang bis zum Abschlu脽 des Strafverfahrens zur眉ck. 搂 210 Abs. 1 AO ist vorher noch nicht anwendbar. Im 眉brigen ist diese Vorschrift dahin zu verstehen, da脽 sie lediglich das Legalit盲tsprinzip zum Ausdruck bringt und das FA nur dem Grunde nach zwingt, die entstandenen Steueranspr眉che festzusetzen, aber keine zwingenden Regelungen 眉ber den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung enth盲lt.
Das FA war auch nicht verpflichtet, den Steuerpflichtigen auf die Zinspflicht aufmerksam zu machen. Es besteht kein Rechtssatz, aus dem sich eine Pflicht f眉r die Verwaltungsbeh枚rden ergibt, den Vollzug zwingender gesetzlicher Vorschriften vorher anzuk眉ndigen. Die Unterlassung derartiger Hinweise ist daher kein die Verwirkung begr眉ndender besonderer Umstand. Schlie脽lich durfte der Steuerpflichtige auch nicht aus der nach seiner Auffassung 眉berh枚hten Strafe schlie脽en, das FA werde die Zinsforderung nicht mehr geltend machen. Bestrafung, Zinsfestsetzung und -erla脽 erfolgen in verschiedenen Verfahren. Auch ist f眉r die Bestrafung das Gericht, f眉r Zinsfestsetzung und -erla脽 die Finanzverwaltung zust盲ndig. Ohne 盲u脽eren Anla脽 - der Steuerpflichtige hat selbst vorgetragen, da脽 nirgends ersichtlich war, ob bei der Strafzumessung eine Absch枚pfung des Zinsvorteils erfolgt sei - durfte der Steuerpflichtige nicht davon ausgehen, da脽 diese Verfahren in irgendeiner Weise zusammengefa脽t worden seien. Das gilt um so mehr, als ihre Zusammenfassung auch nicht zul盲ssig ist. Das FG hat daher mit Recht angenommen, da脽 der Steuerpflichtige den Strafbefehl h盲tte angreifen m眉ssen, wenn er ihn f眉r fehlerhaft hielt und eine vermeintliche doppelte Absch枚pfung des Zinsvorteiles verhindern wollte. Aus diesem Grunde konnte das FG es auch dahingestellt lassen, ob bei der Strafzumessung der Zinsvorteil 眉berhaupt ber眉cksichtigt worden ist.
Die Anforderung der Hinterziehungszinsen verst枚脽t schlie脽lich auch nicht deshalb gegen Treu und Glauben, weil sie einer Zusage oder einem als solche aufzufassenden vorangegangenen Tun des FA widersprechen w眉rde. Derartige Handlungen h盲tten den eindeutigen Schlu脽 zulassen m眉ssen, da脽 das FA auf die Zinsen verzichten wollte. Aus "Unterlassungen" des FA, mit denen dieses indes nicht gegen ihm auferlegte Rechtspflichten verst枚脽t, kann ein derartiger Schlu脽 nicht gezogen werden.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 69042 |
BStBl II 1970, 556 |
BFHE 1970, 14 |