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Leitsatz (amtlich)
Stellt das FG nach Anfechtung eines Gewerbesteuerme脽bescheids fest, da脽 der Bescheid von einem 枚rtlich unzust盲ndigen FA erlassen wurde, so ist das FG verpflichtet, den Bescheid ersatzlos aufzuheben (Erg盲nzung der BFH-Urteile vom 2. Juli 1980 I R 74/77, BFHE 131, 180, BStBl II 1980, 684 , und vom 22. September 1983 IV R 109/83, BFHE 140, 132, BStBl II 1984, 342 ).
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Normenkette
AO 1977 搂搂听125, 127, 184; GewStG 搂 4
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Der Kl盲ger und Revisionsbeklagte (Kl盲ger) ist aufgrund von Honorarvertr盲gen als EDV-Fachmann ausschlie脽lich f眉r das ...amt t盲tig. Seine Arbeiten mu脽te er im ...amt ausf眉hren, soweit eine Benutzung der EDV-Anlagen notwendig war.
Der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt - FA - N) erlie脽 gegen den Kl盲ger f眉r 1974 einen einheitlichen Gewerbesteuerme脽bescheid. Im Gegensatz zur Auffassung des Kl盲gers verneinte er das Vorliegen einer freiberuflichen T盲tigkeit und bejahte das Vorliegen eines Gewerbebetriebs. Die Betriebsst盲tte des Kl盲gers befinde sich in seiner Wohnung in V, im Bezirk des FA N (Bundesland X). Es k枚nne davon ausgegangen werden, da脽 dort der f眉r die Gesch盲ftsf眉hrung ma脽gebliche Wille gebildet werde, d. h. die f眉r die Gesch盲ftsf眉hrung n枚tigen Ma脽nahmen von einiger Wichtigkeit getroffen w眉rden. Der Kl盲ger unterhalte in V ein komplett eingerichtetes B眉ro, in dem er wesentliche Bereiche seines Berufs aus眉be.
Die Klage hatte Erfolg und f眉hrte zur ersatzlosen Aufhebung des Gewerbesteuerme脽bescheids. Das Finanzgericht (FG) hielt das FA N f眉r 枚rtlich unzust盲ndig. Es f眉hrte aus, das FG sei nicht durch 搂 127 der Abgabenordnung (AO 1977) gehindert, den Steuerbescheid wegen der 枚rtlichen Unzust盲ndigkeit des FA N aufzuheben. Wenn es das Gericht f眉r zweckm盲脽ig erachte, k枚nne es auch einen - m枚glicherweise sachlich richtigen - Verwaltungsakt wegen 枚rtlicher Unzust盲ndigkeit aufheben. Das FG halte dies hier f眉r geboten, weil der Kl盲ger unter Vorlage einer Auskunft des FA B vorgebracht habe, dieses w眉rde keinen Gewerbesteuerme脽bescheid erlassen. Aufgrund der tats盲chlichen T盲tigkeitsmerkmale f眉r das Streitjahr sei eine abweichende Beurteilung des Streitfalles durch das zust盲ndige FA nicht ausgeschlossen.
Mit seiner (vom Senat zugelassenen) Revision r眉gt das FA, das FG habe 搂 127 AO 1977 verletzt. Nach dieser Vorschrift k枚nne ein Verwaltungsakt nicht allein mit der Begr眉ndung angefochten werden, da脽 er von einer 枚rtlich nicht zust盲ndigen Beh枚rde erlassen worden sei, wenn er in der Sache zutreffend sei. An diese Vorschrift sei auch das Gericht gebunden.
Das FA beantragt, das Urteil des FG Rheinland-Pfalz aufzuheben und die Klage gegen den Gewerbesteuerme脽bescheid 1974 abzuweisen.
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Die Revision ist nicht begr眉ndet. Das FG hat den angefochtenen Gewerbesteuerme脽bescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben (搂 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach 搂 125 AO 1977 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften 眉ber das Verfahren, die Form oder die 枚rtliche Zust盲ndigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache h盲tte ergehen k枚nnen (搂 127 AO 1977). Weder 搂 125 noch 搂 127 AO 1977 stehen der Entscheidung des FG entgegen.
I.
Der erkennende Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der (hier) von einem FA des Landes X erlassene Gewerbesteuerme脽bescheid etwa deshalb nichtig (搂 125 AO 1977) ist, weil der Kl盲ger jedenfalls in diesem Bundesland keine Betriebsst盲tte hatte, sondern allenfalls eine solche im Bundesland Y gehabt haben k枚nnte. Die AO 1977 enth盲lt keine besonderen Regeln 眉ber die sog. Verbandszust盲ndigkeit. Der Gesetzgeber hat dies absichtlich unterlassen, "weil es bei Anwendung von Bundesrecht durch Landesfinanzbeh枚rden neben der sachlichen und der 枚rtlichen nicht noch eine besondere verbandsm盲脽ige Zust盲ndigkeit gibt" (BT-Drucks. VI/1982 S. 106). Dagegen werden zum Teil verfassungsrechtliche Bedenken ge盲u脽ert (vgl. die 脺bersicht 眉ber das Schrifttum bei H眉bschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., 搂 125 AO 1977 Rdnrn. 35 ff.). Auch wenn der angefochtene Gewerbesteuerme脽bescheid nichtig w盲re, so h盲tte dies - wie hier geschehen - zur Aufhebung des angefochtenen Gewerbesteuerme脽bescheids f眉hren m眉ssen.
II.
Allerdings berechtigt die Anwendung der Vorschrift des 搂 127 AO 1977 das FG nicht zur Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts, wenn keine andere Entscheidung in der Sache h盲tte getroffen werden k枚nnen.
1. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 2. Juli 1980 I R 74/77 (BFHE 131, 180, BStBl II 1980, 684 ) im einzelnen dargelegt hat, d眉rfen auch die FG einen Verwaltungsakt nicht allein deshalb aufheben, weil er von einem 枚rtlich unzust盲ndigen FA erlassen wurde. Dieser Rechtsauffassung ist inzwischen auch der IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 22. September 1983 IV R 109/83 (BFHE 140, 132, BStBl II 1984, 342 ) gefolgt. Der erkennende Senat h盲lt an dieser Rechtsauffassung fest.
2. Im Streitfall ist der Gewerbesteuerme脽bescheid bei verst盲ndiger W眉rdigung des Klagebegehrens nicht nur wegen der 枚rtlichen Unzust盲ndigkeit des FA beanstandet worden, sondern auch wegen der dar眉ber hinausgehenden materiellen Rechtsfolgen.
Der Wortlaut des 搂 127 AO 1977 ("nicht allein deshalb beansprucht werden") schlie脽t es nicht aus, da脽 ein von einer 枚rtlich unzust盲ndigen Beh枚rde erlassener Verwaltungsakt dann kassiert wird, wenn die 枚rtliche Unzust盲ndigkeit die materielle Entscheidung 眉ber Steuerpflicht und Gewerbesteuerme脽betrag nicht beeinflu脽t hat. Das Rechtsschutzbegehren richtet sich auch gegen die Folgen, die sich aus der Best盲tigung des von der 枚rtlich unzust盲ndigen Beh枚rde erlassenen Gewerbesteuerme脽bescheids aus sachlichen Gr眉nden ergeben w眉rden. Der Gewerbesteuerme脽bescheid ist f眉r den Erla脽 des Gewerbesteuerbescheids der Gemeinde bindend (搂 184 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. 搂 182 Abs. 1 AO 1977). Um diese Wirkung sicherzustellen, verpflichtet 搂 184 Abs. 3 AO 1977 die Finanzbeh枚rde, die den einheitlichen Gewerbesteuerme脽betrag festgesetzt hat, die festgesetzten Steuerme脽betr盲ge den Gemeinden mitzuteilen, denen die Steuerfestsetzung (der Erla脽 des Realsteuerbescheids) obliegt. Durch die Mitteilung wird zugleich die Gemeinde, an die die Mitteilung ergeht, zum Erla脽 des Gewerbesteuerbescheids erm盲chtigt (vgl. zur sachlich 眉bereinstimmenden Rechtslage nach 搂 212 a der Reichsabgabenordnung Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 1965, 搂 212 a Anm. 2). W眉rde das FG trotz Annahme der 枚rtlichen Unzust盲ndigkeit des FA den Gewerbesteuerme脽bescheid best盲tigen, weil die Steuerpflicht zu Recht bejaht wurde und sich der Gewerbesteuerme脽betrag als zutreffend erweist, so w盲re der (von dem 枚rtlich unzust盲ndigen FA erlassene) Gewerbesteuerme脽bescheid bestandskr盲ftig. Die Bestandskraft w眉rde die Beteiligten, im Streitfall also den Kl盲ger und das (枚rtlich unzust盲ndige) FA, binden (搂 110 Abs. 1 Satz 1 FGO). Damit bliebe auch die Mitteilung an diejenige Gemeinde bestehen, in der zu Unrecht eine Betriebsst盲tte des Kl盲gers angenommen wurde. Die Gewerbesteuer k枚nnte demnach von einer Gemeinde erhoben werden, der die Erhebung materiell-rechtlich nicht zusteht, weil sie gem盲脽 搂 4 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) Gewerbesteuer nicht beanspruchen d眉rfte. Nach 搂 4 GewStG unterliegen die stehenden Gewerbebetriebe der Gewerbesteuer in der Gemeinde, in der eine Betriebsst盲tte zur Aus眉bung des stehenden Gewerbes unterhalten wird. Diese Gemeinde erhielte aber keine Mitteilung des Gewerbesteuerme脽betrags, wenn der von der unzust盲ndigen Beh枚rde erlassene, wenn auch materiell richtige Gewerbesteuerme脽bescheid in Bestandskraft erwachsen w眉rde. Die Mitteilung, die das 枚rtlich unzust盲ndige FA an die Gemeinde gerichtet hat, kann selbst盲ndig vom Steuerpflichtigen nicht angefochten werden. Wegen der Bindungswirkung des Gewerbesteuerme脽bescheids k枚nnte der Steuerpflichtige mit einem Rechtsbehelf gegen den Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde nicht einwenden, die den Gewerbesteuerbescheid erlassende Beh枚rde sei nicht hebeberechtigt.
Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn des 搂 127 AO 1977, der mit 搂 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes inhaltlich 眉bereinstimmt. Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, da脽 Verfahrensfehler im Verwaltungsverfahren ein geringeres Gewicht haben als sachlich rechtliche M盲ngel und da脽 eine unn枚tige Wiederholung des Verwaltungsverfahrens vermieden werden soll (vgl. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl., 搂 46 Anm. 2; derselbe, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl., 搂 113 Anm. 31, jeweils m.w.N.). Der m枚gliche Erla脽 eines neuen Gewerbesteuerbescheids durch das 枚rtlich zust盲ndige FA w盲re keine unn枚tige Wiederholung des in diesem Verfahren angefochtenen Gewerbesteuerme脽bescheids, weil der neue Bescheid unterschiedliche Rechtsfolgen ausl枚sen w眉rde. Nur er k枚nnte das Besteuerungsrecht der nach den gesetzlichen Vorschriften besteuerungsberechtigten Gemeinde sicherstellen; denn nur er g盲be die Gew盲hr, da脽 die Mitteilung 眉ber den Gewerbesteuerme脽betrag bei der materiell hebeberechtigten Gemeinde ankommt.
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Fundstellen
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BStBl II 1985, 607 |
BFHE 1985, 544 |