听
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zurechnung von Kenntnissen der Oberbeh枚rde im Rahmen des 搂 173 Abs. 1 AO; keine Bindungswirkung der Anrufungsauskunft f眉r das Veranlagungsverfahren
听
Leitsatz (amtlich)
1. Kenntnisse einer weisungsbefugten Oberbeh枚rde 眉ber eine dem Veranlagungsfinanzamt bei der Steuerfestsetzung nicht bekannte Tatsache muss sich dieses im Rahmen des 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht zurechnen lassen.
2. Der Inhalt einer im Lohnsteuerabzugsverfahren dem Arbeitgeber erteilten Anrufungsauskunft bindet die Wohnsitzfinanz盲mter bei der Einkommensteuerveranlagung der Arbeitnehmer nicht.
3. Die Beschr盲nkung der Arbeitnehmerhaftung im Lohnsteuerabzugsverfahren nach 搂 42d Abs. 3 Satz 4 EStG steht der Inanspruchnahme des Arbeitnehmers im Veranlagungsverfahren nicht entgegen.
听
Normenkette
AO 搂 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG 搂听42d Abs. 3 S. 4, 搂听42e
听
Verfahrensgang
听
Tatbestand
Rz. 1
I. Streitig ist, ob das Wohnsitzfinanzamt den Einkommensteuerbescheid eines Arbeitnehmers nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) 盲ndern darf, obwohl eine positive Anrufungsauskunft im Lohnsteuerabzugsverfahren die Vorgehensweise des Arbeitgebers erlaubte, und ob sich das Wohnsitzfinanzamt Kenntnisse seiner vorgesetzten Beh枚rde oder einer zentralen Au脽enpr眉fungsstelle zurechnen lassen muss.
Rz. 2
Der Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) ist Angestellter der A-GmbH. Er wurde im Streitjahr 2006 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Der Einkommensteuerbescheid f眉r 2006 wurde am 16. Juli 2007 erkl盲rungsgem盲脽 erlassen.
Rz. 3
Die A-GmbH war zun盲chst Mitglied der Zusatzversorgungskasse (ZVK) der Stadt X. Mit der Mitgliedschaft verfolgte sie den Zweck, ihren Arbeitnehmern beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverh盲ltnis einen zus盲tzlichen Versorgungsanspruch zu verschaffen. Entsprechend einer am 10. Januar 2001 abgeschlossenen Vereinbarung 眉bernahm die Zusatzversorgungskasse Y (YZVK) das Verm枚gen der ZVK. Die bisherigen Mitglieder der ZVK wurden mit Wirkung ab 1. Januar 2001 Mitglieder der YZVK. Sie hatten an die YZVK zum Ausgleich der mit der 脺bernahme f眉r die YZVK verbundenen Nachteile eine Ausgleichszahlung zu leisten. Der Nachteilsausgleich belief sich f眉r die A-GmbH auf 49 Mio. DM. Der Betrag war ab 2001 in 15 gleichen Raten zu zahlen. Die A-GmbH behandelte die Zahlungen des Nachteilsausgleichs als erh枚hte Umlage und erhob die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz gem盲脽 搂 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Soweit die Zahlungen die Pauschalierungsgrenze 眉berstiegen, unterwarf die A-GmbH die entsprechenden Betr盲ge dem Regelbesteuerungsverfahren.
Rz. 4
Im Anschluss an die Entscheidung des Senats vom 14. September 2005 VI R 148/98 (BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532) teilte die A-GmbH dem zust盲ndigen Betriebsst盲ttenfinanzamt mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 mit, dass sie eine "Stornierung der zu Unrecht versteuerten geldwerten Vorteile aus Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2002 - 2005" beabsichtige. Sie beantragte eine Auskunft gem盲脽 搂 42e EStG beim Betriebsst盲ttenfinanzamt in der Weise, dass es ihr, der A-GmbH, erlaubt sei, s盲mtliche zu Unrecht versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen im laufenden Lohnzahlungszeitraum in Form negativer Einnahmen zu korrigieren. Diesem Antrag entsprach das zust盲ndige Finanzamt im Juni 2006. Die A-GmbH machte in der Lohnabrechnung f眉r September 2006 von der Zusage Gebrauch und verrechnete die laufenden Bruttoarbeitsl枚hne ihrer Mitarbeiter mit negativen Einnahmen im Umfang der jeweils auf die Nachteilsausgleichszahlungen abgef眉hrten Lohnsteuer. Im September 2006 wurde diese Anrufungsauskunft widerrufen. Die dagegen von der A-GmbH erhobene Klage war letztlich erfolgreich (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. September 2010 VI R 3/09, BFHE 230, 500) und der Widerruf der Anrufungsauskunft wurde aufgehoben.
Rz. 5
Im November 2008 erhielt der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--), das Wohnsitzfinanzamt des Kl盲gers, eine Kontrollmitteilung der Zentralen Au脽enpr眉fungsstelle Lohnsteuer (ZALST). Die ZALST informierte das FA dar眉ber, dass die A-GmbH als Arbeitgeberin des Kl盲gers im Lohnzeitraum September 2006 den Bruttoarbeitslohn des Kl盲gers um 5.035,23 鈧 gemindert habe. Die A-GmbH sei von negativen Einnahmen aus nichtselbst盲ndiger Arbeit in dieser H枚he ausgegangen. Allerdings entspreche dieser Betrag der Summe, welche die A-GmbH f眉r den Kl盲ger in den Jahren 2001 bis 2005 zu Unrecht als Arbeitslohn erfasst habe.
Rz. 6
Das FA erlie脽 daraufhin am 2. Januar 2009 einen nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ge盲nderten Einkommensteuerbescheid f眉r 2006 und erh枚hte den Bruttoarbeitslohn des Kl盲gers um 5.035,23 鈧.
Rz. 7
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegr眉ndet ab.
Rz. 8
Mit der Revision r眉gt der Kl盲ger die Verletzung materiellen Rechts.
Rz. 9
Der Kl盲ger beantragt,1. das Urteil des FG D眉sseldorf, ergangen aufgrund m眉ndlicher Verhandlung vom 5. November 2009 unter dem Az. 11 K 832/09 E, aufzuheben,2. den Einkommensteuerbescheid f眉r das Jahr 2006 vom 2. Januar 2009 in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 5. Februar 2009, i.d.F. vom 5. November 2009, aufzuheben.
Rz. 10
Das FA beantragt,die Revision zur眉ckzuweisen.
听
贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
Rz. 11
II. Die Revision des Kl盲gers ist unbegr眉ndet und nach 搂 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur眉ckzuweisen. Zu Recht hat das FG entschieden, dass eine 脛nderung des Einkommensteuerbescheids 2006 nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtm盲脽ig war.
Rz. 12
Nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu 盲ndern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachtr盲glich bekannt werden, die zu einer h枚heren Steuer f眉hren.
Rz. 13
a) Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass die Abweichung des von der A-GmbH auf der Lohnsteuerbescheinigung des Kl盲gers ausgewiesenen Bruttoarbeitslohns zu den tats盲chlich zugeflossenen Einnahmen aus nichtselbst盲ndiger Arbeit eine Tatsache i.S. des 搂 173 Abs. 1 AO ist.
Rz. 14
b) Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Tatsache der Eintragung eines zu geringen Bruttoarbeitslohns in der Lohnsteuerbescheinigung dem FA erst nachtr盲glich bekannt geworden.
Rz. 15
aa) Eine Tatsache ist nachtr盲glich bekannt geworden, wenn sie das FA bei Erlass des zu 盲ndernden Steuerbescheids noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 13. September 2001 IV R 79/99, BFHE 196, 195, BStBl II 2002, 2, m.w.N.). Ma脽geblicher Zeitpunkt f眉r den Kenntnisstand ist die abschlie脽ende Zeichnung des f眉r die Steuerfestsetzung zust盲ndigen Beamten (BFH-Urteil vom 27. November 2001 VIII R 3/01, BFH/NV 2002, 473). Daher wird eine Tatsache der Finanzbeh枚rde bekannt, wenn diejenigen Personen, die innerhalb der zust盲ndigen Finanzbeh枚rde organisationsm盲脽ig f眉r die Bearbeitung des Steuerfalls berufen sind bzw. die den zu 盲ndernden Steuerbescheid erlassen haben, positive Kenntnis dar眉ber erlangen (BFH-Urteil vom 28. April 1998 IX R 49/96, BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458; BFH-Beschluss vom 16. Januar 2002 VIII B 96/01, BFH/NV 2002, 621, m.w.N.). Hierbei handelt es sich um den Vorsteher, den Sachgebietsleiter und den Sachbearbeiter, weil nur diese Personen die Finanzbeh枚rde gegen眉ber dem Steuerpflichtigen repr盲sentieren und den Steuerbescheid verantworten (BFH-Urteil in BFHE 185, 370, BStBl II 1998, 458). Bekannt sind der zust盲ndigen Dienststelle jedoch neben dem Inhalt der dort gef眉hrten Akten auch s盲mtliche Informationen, die dem Sachbearbeiter von vorgesetzten Dienststellen 眉ber ein elektronisches Informationssystem zur Verf眉gung gestellt werden, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492, und die dort erw盲hnte Rechtsprechung). Wissen eines Au脽enpr眉fers f眉hrt nicht zu eigenen Kenntnissen der zust盲ndigen Veranlagungsdienststelle, wenn der Au脽enpr眉fer nicht selbst die Steuern festsetzt (BFH-Urteil vom 3. Mai 1991 V R 36/90, BFH/NV 1992, 221). Kennt eine andere als die f眉r die Bearbeitung des Steuerfalls zust盲ndige Dienststelle die betreffende Tatsache, so ist sie deswegen nicht auch der zust盲ndigen Dienststelle als bekannt zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492).
Rz. 16
bb) Nach diesen Grunds盲tzen ist dem FA die Tatsache der Eintragung eines zu geringen Bruttoarbeitslohns in der Lohnsteuerbescheinigung des Kl盲gers nachtr盲glich bekannt geworden. Die f眉r die Veranlagung der Einkommensteuer des Kl盲gers zust盲ndige Dienststelle selbst hatte nach den Feststellungen des FG zum Zeitpunkt der abschlie脽enden Zeichnung der Erstveranlagung keine positive Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Lohnsteuerbescheinigung. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte daf眉r, dass sich diese Dienststelle fallbezogene elektronische Informationen als bekannt zurechnen lassen m眉sste. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass im elektronischen Informationssystem der Finanzverwaltung zum Zeitpunkt der Erstveranlagung Bearbeiterhinweise oder Anweisungen f眉r den Sachbearbeiter in Bezug auf die falschen Lohnsteuerbescheinigungen der A-GmbH abrufbar gewesen w盲ren.
Rz. 17
Zudem hat das FG zutreffend entschieden, dass m枚gliche Kenntnisse der ZALST oder der Oberfinanzdirektion (OFD) 眉ber die fehlerhafte Lohnsteuerbescheinigung des Kl盲gers am Tag der abschlie脽enden Zeichnung dem FA nicht zugerechnet werden k枚nnen. F眉r eventuelle Kenntnisse der ZALST entf盲llt eine Zurechnung schon deswegen, weil diese nicht f眉r die Veranlagung der Einkommensteuer der einzelnen Arbeitnehmer zust盲ndig ist. Unterstellte Kenntnisse der OFD sind der Veranlagungsdienststelle deshalb nicht zuzurechnen, weil die OFD organisationsm盲脽ig gerade nicht zur Bearbeitung konkreter Steuerf盲lle berufen ist. Gegen眉ber dem Steuerpflichtigen handelt auch dann nur das zust盲ndige Veranlagungsfinanzamt, wenn die OFD von ihrem Recht, sich in die Bearbeitung bestimmter Einzelf盲lle einzuschalten (搂 13 Abs. 3 i.V.m. 搂搂 7 Abs. 2, 9 Abs. 2 des Landesorganisationsgesetzes --LOG NRW--), Gebrauch macht. Die OFD hat die Inhalte eines Steuerbescheids gegen眉ber einem Steuerpflichtigen nicht zu verantworten. Rechtsmittelgegner ist und bleibt das FA, auch wenn die OFD interne Weisungen im Einzelfall erteilt hat. Dann aber ist es sachgerecht, dass sich das FA eine etwaige Kenntnis der OFD nicht zurechnen lassen muss.
Rz. 18
Nach alledem kann das Vorbringen der Revision, dass sich das FA nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht auf die nachtr盲gliche Kenntnis von Tatsachen berufen k枚nne, weil die Unkenntnis nur auf ein pflichtwidriges Verhalten der OFD zur眉ckzuf眉hren sei, nicht durchgreifen. Wenn sich das FA positive Kenntnisse der OFD nicht zurechnen lassen muss, kann eine auf pflichtwidrigem Unterlassen beruhende Unkenntnis der OFD nicht 眉ber den Grundsatz von Treu und Glauben zu einer Kenntniszurechnung beim FA f眉hren. Selbst wenn daher die OFD verpflichtet gewesen w盲re, den Sachverhalt zeitnah aufzukl盲ren und die Wohnsitzfinanz盲mter vor den ersten Veranlagungen zu informieren, k枚nnte dies nicht dazu f眉hren, dass dem FA eine Berufung auf die nachtr盲glich bekannt gewordene Tatsache verwehrt w盲re.
Rz. 19
c) Die nachtr盲glich bekannt gewordene Tatsache war rechtserheblich f眉r die fehlerhafte Erstveranlagung. Rechtserheblich ist eine Tatsache dann, wenn das FA bei Kenntnis zum Zeitpunkt der urspr眉nglichen Festsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine h枚here Steuer festgesetzt h盲tte (Beschluss des Gro脽en Senats vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180). Grunds盲tzlich ist davon auszugehen, dass das FA bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache zutreffend entschieden h盲tte (Senatsurteil vom 11. Februar 2010 VI R 65/08, BFHE 228, 421, BStBl II 2010, 628).
Rz. 20
In Anwendung dieser Grunds盲tze ist das FG zu Recht von der Rechtserheblichkeit der nachtr盲glich bekannt gewordenen Tatsache der fehlerhaften Lohnsteuerbescheinigung des Kl盲gers ausgegangen. Das FA h盲tte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die von der A-GmbH verrechneten negativen Einnahmen den Einnahmen aus nichtselbst盲ndiger T盲tigkeit hinzugerechnet und damit eine h枚here Steuer festgesetzt. Die von der A-GmbH vorgenommene Verrechnung des Bruttoarbeitslohns mit negativen Einnahmen war rechtswidrig.
Rz. 21
d) Weder die der A-GmbH erteilte Anrufungsauskunft noch die Vorschrift des 搂 42d Abs. 3 Satz 4 EStG standen einer 脛nderung nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO entgegen.
Rz. 22
aa) Der Kl盲ger hatte im Veranlagungsjahr 2006 weder negative Einnahmen aus nichtselbst盲ndiger Arbeit noch Werbungskosten. Beide Tatbest盲nde setzen voraus, dass beim Arbeitnehmer G眉ter abflie脽en oder Aufwendungen entstehen (Senatsurteile vom 12. November 2009 VI R 20/07, BFHE 227, 435, BStBl II 2010, 845; vom 17. September 2009 VI R 17/08, BFHE 226, 317, BStBl II 2010, 299; Senatsbeschluss vom 10. August 2010 VI R 1/08, BFHE 230, 173, BStBl II 2010, 1074). Beim Kl盲ger war dies nach den Feststellungen des FG im Jahr 2006 nicht der Fall.
Rz. 23
Entgegen der Auffassung der Revision ist der tats盲chliche Abfluss von G眉tern auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Besteuerung der Zusatzbeitr盲ge in den Vorjahren auf fiktiven Einnahmen beruht habe. Die Auffassung des Kl盲gers beruht auf der Annahme, dass zu Unrecht versteuerte Einnahmen bei sp盲terer (besserer) Erkenntnis zu Ausgaben oder negativen Einnahmen desselben Steuerpflichtigen f眉hren m眉ssen. Dies w眉rde ein allgemeines Korrespondenzprinzip voraussetzen, welches eine von Zu- und Abfluss losgel枚ste Gesamtbetrachtung eines Vorganges erm枚glichen m眉sste. Indes ist ein solches generelles Korrespondenzprinzip dem Einkommensteuergesetz im Allgemeinen (BFH-Urteil vom 26. Februar 2002 IX R 20/98, BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796) und zur Beurteilung von Arbeitslohn im Besonderen fremd (Senatsbeschluss vom 19. Februar 2004 VI B 146/02, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2004, 560). Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung erfordert eine Jahresbetrachtung. Enthalten Bescheide aus vorangegangenen Veranlagungszeitr盲umen materielle Fehler, k枚nnen diese keinesfalls dadurch korrigiert werden, dass in dem n盲chsten noch offenen Jahr ein weiterer materieller Fehler --als Ausgleich-- bewusst eingearbeitet wird (BFH-Urteil in BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796). Die Abgabenordnung regelt mit ihren 脛nderungsvorschriften, wann der materiellen Gerechtigkeit Vorrang vor dem Rechtsfrieden einzur盲umen ist. Kann eine 脛nderung bestandskr盲ftiger Bescheide nicht mehr erfolgen, so mag dies unbillig erscheinen. Jedoch rechtfertigt dies keinen neuen materiellen Fehler.
Rz. 24
bb) Auch die Anrufungsauskunft nach 搂 42e EStG, die der A-GmbH vom zust盲ndigen Betriebsst盲ttenfinanzamt erteilt wurde, steht einer 脛nderung des bisher falschen Ansatzes des Bruttoarbeitslohns durch das FA nicht entgegen. Denn das FA ist an die Inhalte dieser Anrufungsauskunft nicht gebunden. Die Anrufungsauskunft nach 搂 42e EStG, die nach der neueren Senatsrechtsprechung ein feststellender Verwaltungsakt ist (Urteil vom 30. April 2009 VI R 54/07, BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996), bindet ausschlie脽lich das erteilende Betriebsst盲ttenfinanzamt im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens (Senatsurteil vom 9. Oktober 1992 VI R 97/90, BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166; Senatsbeschluss vom 22. Mai 2007 VI B 143/06, BFH/NV 2007, 1658). Hieran 盲ndert die Qualifikation der Anrufungsauskunft als Verwaltungsakt nichts (vgl. Bl眉mich/Heuermann, 搂 42e EStG Rz 30, 38). Auch als Verwaltungsakt wird die Anrufungsauskunft ohne Mitwirkung des Wohnsitzfinanzamts erteilt. H盲tte der Gesetzgeber eine 眉ber das Betriebsst盲ttenfinanzamt hinausgehende Bindungswirkung herbeif眉hren wollen, dann h盲tte er entweder die f眉r die Arbeitnehmer zust盲ndigen Wohnsitzfinanz盲mter in das Verfahren der Anrufungsauskunft einbeziehen oder die Anrufungsauskunft selbst als Grundlagenbescheid ausgestalten m眉ssen. Zudem ist das Lohnsteuerabzugsverfahren ein Vorauszahlungsverfahren (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1), dessen Besonderheiten und Regelungen nicht in das Veranlagungsverfahren hineinwirken (Trzaskalik, in: Kirchhof/S枚hn/Mellinghoff, EStG, 搂 38 Rz A 7).
Rz. 25
cc) Schlie脽lich steht 搂 42d Abs. 3 Satz 4 EStG der 脛nderung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer f眉r seine Lohnsteuer nur in bestimmten F盲llen als Gesamtschuldner neben dem Arbeitgeber in Anspruch genommen werden. Es kann offenbleiben, ob der Kl盲ger vorliegend als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden k枚nnte. Denn der Senat hat bereits entschieden, dass diese Vorschrift trotz ihres irref眉hrenden Wortlauts keine Auswirkungen auf das Veranlagungsverfahren hat (Urteil vom 17. Mai 1985 VI R 137/82, BFHE 144, 217, BStBl II 1985, 660). Es handelt sich um eine Regelung des Lohnsteuerabzugsverfahrens. Damit gelten die Beschr盲nkungen f眉r eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers nur innerhalb dieses Verfahrens. Anhaltspunkte daf眉r, dass der Gesetzgeber diesen Grundsatz durchbrechen wollte und die Vorschrift zur gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme des Arbeitnehmers lediglich systematisch unzutreffend eingeordnet hat, sind nicht erkennbar. Daher kann der Arbeitnehmer im Veranlagungsverfahren uneingeschr盲nkt in Anspruch genommen werden.
Rz. 26
e) Zu Recht ging das FG auch davon aus, dass das FA nicht wegen Versto脽es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben an einer 脛nderung nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert war. Der Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Steuerrecht anzuwenden ist, kann zwar einer Steuernachforderung und damit auch einer 脛nderung zu Lasten eines Steuerpflichtigen entgegenstehen. Dies setzt aber voraus, dass die Nachforderung dem vorausgegangenen Verhalten der Verwaltung widerspricht und der Steuerpflichtige im berechtigten Vertrauen auf dieses Verhalten verm枚gensrechtliche Dispositionen getroffen hat, die sich nicht mehr r眉ckg盲ngig machen lassen (BFH-Urteile vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90; vom 11. August 1972 VI R 262/69, BFHE 107, 127, BStBl II 1973, 35). Solche Dipositionen hat der Kl盲ger nicht getroffen. Er hat auch keinen Verm枚gensschaden dadurch erlitten, dass er nachtr盲glich zu der gesetzlich geschuldeten Steuer herangezogen wurde (Senatsurteil vom 10. Juli 1964 VI 299/63 U, BFHE 80, 314, BStBl III 1964, 587).
Rz. 27
Im Streitfall fehlt es bereits an einem vom FA gesetzten Vertrauenstatbestand. Denn das FA hat nicht zu erkennen gegeben, dass es die Einkommensteuerfestsetzung des Kl盲gers sp盲ter nicht noch einmal 盲ndern wird. Auch das Verhalten der OFD, die den Sachverhalt nicht aufgekl盲rt und die Wohnsitzfinanz盲mter nicht entsprechend informiert hat, begr眉ndet keinen Vertrauenstatbestand, auf den sich der Kl盲ger gegen眉ber dem FA berufen k枚nnte.
听
Fundstellen
亿兆体育-Index 2639343 |
BFH/NV 2011, 883 |
BFH/PR 2011, 205 |
BStBl II 2011, 479 |
BFHE 2011, 5 |
BFHE 232, 5 |
BB 2011, 1315 |
BB 2011, 726 |
DB 2011, 798 |
DStR 2011, 521 |
DStRE 2011, 461 |
HFR 2011, 513 |