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Entscheidungsstichwort (Thema)
Sofortabzug eines Disagios
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Leitsatz (amtlich)
Ein Disagio ist nur dann nicht sofort als Werbungskosten abziehbar, wenn es sich nicht im Rahmen des am aktuellen Kreditmarkt 脺blichen h盲lt. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage der tatrichterlichen W眉rdigung. Wird eine Disagiovereinbarung mit einer Gesch盲ftsbank wie unter fremden Dritten geschlossen, indiziert dies die Markt眉blichkeit.
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Normenkette
EStG 2009 搂听11 Abs. 2, 搂听9
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Verfahrensgang
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Tenor
Auf die Revision der Kl盲ger wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Oktober 2014听听4 K 1265/13 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Rheinland-Pfalz zur眉ckverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung 眉ber die Kosten des Revisionsverfahrens 眉bertragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Streitig ist der Werbungskostenabzug f眉r ein Disagio bei den Eink眉nften aus Vermietung und Verpachtung.
Rz. 2
Die Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag erwarb der Kl盲ger ein Mehrfamilienhaus zum Preis von 1,5听Mio.听鈧. Den Kaufpreis finanzierte er mit einem bei einer Gesch盲ftsbank aufgenommenen Hypothekendarlehen 眉ber einen Darlehensbetrag von nominell 1.333.000听鈧. Der Nominalzinssatz betrug bei einer festen Zinsbindung von zehn Jahren 2,85听% j盲hrlich. Bei der Berechnung des Nominalzinssatzes war ein Disagio von 10听% der Darlehenssumme ber眉cksichtigt.
Rz. 3
Der Kl盲ger machte bei der Ermittlung der Eink眉nfte aus der Vermietung des Mehrfamilienhauses das Disagio in H枚he von 133.000听鈧 sowie weitere Darlehenskosten in H枚he von 150听鈧 als sofort abziehbare Werbungskosten geltend. Im Einkommensteuerbescheid f眉r das Streitjahr (2009) ber眉cksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nur einen Betrag von 66.725听鈧 als Werbungskosten, da nur der markt眉bliche Teil von 5听% des Disagios sofort abziehbar sei. Der 眉ber 5听% hinausgehende Disagiobetrag werde auf den Zinsfestschreibungszeitraum von zehn Jahren verteilt und im Streitjahr nur anteilig in H枚he von 6.673听鈧 ber眉cksichtigt.
Rz. 4
Der Einspruch hatte, was das Disagio betraf, keinen Erfolg. Auch die Klage wurde abgewiesen. Das Finanzgericht (FG) vertrat mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 115 ver枚ffentlichten Urteil die Auffassung, das FA habe zu Recht den 眉ber 5听% hinausgehenden Disagiobetrag auf den Zinsfestschreibungszeitraum von zehn Jahren verteilt und im Streitjahr nur anteilig in H枚he eines Zehntels ber眉cksichtigt, denn das im Streitfall vereinbarte Disagio von 10听% sei nicht markt眉blich.
Rz. 5
Im Streitfall sei der vom Kl盲ger vereinbarte Darlehensnominalzins von 2,85听% deutlich niedriger als der Marktzins. Dies belegten die Berechnung des FA und die vom Kl盲ger selbst vorgelegte 脺bersicht 眉ber Effektivzinsen f眉r Immobilienkredite nach der Zinsstatistik f眉r Juli 2009 der Deutschen Bundesbank (diese betragen bei Wohnungsbaukrediten an private Haushalte mit Ursprungslaufzeit von 眉ber einem Jahr bis f眉nf Jahre ca.听4,6听% und von 眉ber f眉nf Jahren ca.听5听%). Das vom Kl盲ger vereinbarte Disagio sei dementsprechend ungew枚hnlich hoch. Damit habe sich der Kl盲ger die niedrigen Nominalzinsen f眉r die Laufzeit des Darlehens "erkauft". Da das Disagio bei dem vom Kl盲ger aufgenommenen Darlehen h枚her sei als 5听%, greife die Vereinfachungsregelung nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 20.听Oktober 2003 (BStBl I 2003, 546) und der Gesetzesbegr眉ndung (BTDrucks听16/2712 vom 25. September 2006 zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 --JStG听2007--) nicht ein.
Rz. 6
Hiergegen richtet sich die Revision der Kl盲ger, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts r眉gen (搂听11 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Das vereinbarte Disagio sei markt眉blich. Darlehen und Disagio seien zwischen unabh盲ngigen Dritten abgeschlossen und hielten einem Drittvergleich stand. Der Effektivzins des Darlehens liege im Rahmen des Marktzinsniveaus im September 2009.
Rz. 7
Die Kl盲ger beantragen, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu 盲ndern, dass bei den Eink眉nften des Kl盲gers aus der Vermietung des Mehrfamilienhauses weitere Werbungskosten in H枚he von 59.685听鈧 ber眉cksichtigt werden.
Rz. 8
Das FA beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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Rz. 9
II. Die Revision ist begr眉ndet; sie f眉hrt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zur眉ckverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (搂听126 Abs.听3 Satz听1 Nr.听2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG hinsichtlich der Markt眉blichkeit des streitbefangenen Disagios eine Feststellungslastentscheidung getroffen.
Rz. 10
1. Gem盲脽 搂听11 Abs.听2 Satz听1 EStG sind Ausgaben f眉r das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Werden Ausgaben f眉r eine Nutzungs眉berlassung von mehr als f眉nf Jahren im Voraus geleistet, sind sie gem盲脽 搂听11 Abs.听2 Satz听3 EStG insgesamt auf den Zeitraum gleichm盲脽ig zu verteilen, f眉r den die Vorauszahlung geleistet wird. Nach 搂听11 Abs.听2 Satz听4 EStG ist diese Regelung (Satz听3) auf ein Disagio nicht anzuwenden, soweit dieses markt眉blich ist. Danach ist auch ein markt眉bliches Disagio, das f眉r einen Kredit 眉ber eine Laufzeit von mehr als f眉nf Jahren gezahlt wird, nicht auf die Laufzeit zu verteilen, sondern kann im Jahr der Leistung, d.h. des Abflusses, voll zum Abzug gebracht werden.
Rz. 11
a) Disagio ist der Unterschiedsbetrag zwischen Nenn- und Verf眉gungsbetrag einer Schuld. Es fungiert im Ergebnis als Ausgleich f眉r einen niedrigeren Nominalzinssatz und ist damit als Vorauszahlung eines Teils der Zinsen anzusehen (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20.听Oktober 1999 X听R听69/96, BFHE 190, 185, BStBl II 2000, 259). Zweck von 搂听11 Abs.听2 Satz听3 EStG ist es, Einmalzahlungen f眉r die Gew盲hrung von Nutzungsrechten entsprechend dem tats盲chlich einger盲umten Nutzungsvorteil zu verteilen. Die Besonderheit der Vereinbarung eines Disagios besteht im Hinblick auf Satz听3 darin, dass es zwar wirtschaftlich Entgelt f眉r eine 脺berlassung ist, aber bereits im Zeitpunkt der Zahlung den Nutzungsvorteil vermindert, da sich die ausgezahlte Darlehenssumme um die H枚he des Disagios vermindert (Kister in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, 搂听11 EStG Rz听128, Stichwort "Klarstellende Bedeutung").
Rz. 12
b) Der in 搂听11 Abs.听2 Satz听4 EStG verwendete Begriff "markt眉blich" bezieht sich auf das jeweils konkret betroffene Disagio. Bezogen auf die dargelegte Funktion eines Disagios ergibt sich die Markt眉blichkeit aus der H枚he des Disagios im Verh盲ltnis zur H枚he und Laufzeit des Kredits, dies in Relation zu den aktuellen Verh盲ltnissen auf dem Kreditmarkt (HHR/Kister, 搂听11 EStG Rz听128, Stichwort "Markt眉blichkeit"): Was markt眉blich ist, ist nach den aktuellen Verh盲ltnissen auf dem Kreditmarkt bezogen auf das konkrete finanzierte Objekt zu entscheiden. Die Markt眉blichkeit an einen festen Zinssatz zu koppeln, kommt insoweit nicht in Betracht.
Rz. 13
Die Verwaltungsregelung im BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 546, wonach von einer Markt眉blichkeit ausgegangen werden kann, wenn f眉r ein Darlehen mit einem Zinsfestschreibungszeitraum von mindestens f眉nf Jahren ein Disagio in H枚he von bis zu 5听% vereinbart worden ist, hat nach der Gesetzesbegr眉ndung zum JStG听2007 (BTDrucks听16/2712 vom 25.听September 2006, S.听44) ohne materiell-rechtliche 脛nderung Eingang in 搂听11 Abs.听2 EStG gefunden. Jenseits dessen ist der Gesetzesbegr眉ndung lediglich zu entnehmen, dass eine Zinsvorauszahlung regelm盲脽ig anzunehmen ist, wenn der Nominalzins ungew枚hnlich niedrig und das Disagio entsprechend hoch bemessen ist. Die Gesetzesbegr眉ndung verbindet durch die Formulierung "ungew枚hnlich niedrig" das Kriterium der fehlenden Markt眉blichkeit mit dem des Ungew枚hnlichen. Nur ein ungew枚hnlicher Nominalzins rechtfertigt die Versagung des Sofortabzugs des Disagios.
Rz. 14
Abzugrenzen ist das markt眉bliche Disagio mithin von "ungew枚hnlichen" Gestaltungen, die sich nicht in dem auf dem aktuellen Kreditmarkt 眉blichen Rahmen halten. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage der tatrichterlichen W眉rdigung.
Rz. 15
Wird eine Zins- und Disagiovereinbarung mit einer Gesch盲ftsbank wie unter fremden Dritten geschlossen, indiziert dies die Markt眉blichkeit. Angesichts der 眉blichen Pflicht von Gesch盲ftsbanken zur Risikokontrolle sind mit einer Gesch盲ftsbank vereinbarte Zinsgestaltungen regelm盲脽ig als im Rahmen des am Kreditmarkt 脺blichen zu betrachten. Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn besondere Umst盲nde vorliegen, die daf眉r sprechen, dass der Rahmen des am Kreditmarkt 脺blichen verlassen wird. Solche Umst盲nde k枚nnen etwa in einer besonderen Kreditunw眉rdigkeit des Darlehensnehmers, besonderen pers枚nlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander oder ganz atypischen Vertragsgestaltungen liegen.
Rz. 16
Soweit das BMF aus Vereinfachungsgr眉nden von der Markt眉blichkeit ausgeht, wenn f眉r ein Darlehen mit einem Zinsfestschreibungszeitraum von mindestens f眉nf Jahren ein Disagio in H枚he von bis zu 5听% vereinbart worden ist, bedeutet dies eine Sachverhaltstypisierung, die die tatrichterliche W眉rdigung erleichtert. Handelt es sich jedoch, wie vorliegend, um ein Disagio von mehr als 5听%, so trifft die genannte Nichtbeanstandungsgrenze keine Aussage.
Rz. 17
2. Ausgehend von diesen Grunds盲tzen hat das FG im Streitfall keine hinreichenden Feststellungen zur Markt眉blichkeit der streitbefangenen Disagio- und Zinsvereinbarung getroffen.
Rz. 18
Die Nichtbeanstandungsgrenze des BMF (vgl. oben听1.b) regelt den Streitfall nicht. Es kann dahinstehen, ob diese Nichtbeanstandungsgrenze die Markt眉blichkeit zutreffend typisiert.
Rz. 19
Das FG hat lediglich festgestellt, dass der Nominalzins von 2,85听% deshalb ungew枚hnlich niedrig und deutlich niedriger sei als der Marktzins, weil die Effektivzinsen f眉r Immobilienkredite nach der Zinsstatistik f眉r Juli 2009 der Deutschen Bundesbank bei Wohnungsbaukrediten an private Haushalte mit Ursprungslaufzeit von 眉ber f眉nf Jahren ca.听5听% betr眉gen. Deshalb sei das Disagio des Kl盲gers ungew枚hnlich hoch. Da jedoch die streitbefangene Disagio- und Zinsvereinbarung mit einer Gesch盲ftsbank abgeschlossen wurde, wird die Markt眉blichkeit der Abrede vermutet. Das FG h盲tte, um diese Vermutung ggf. zu widerlegen, die Einzelumst盲nde der Vertragsgestaltung pr眉fen m眉ssen.
Rz. 20
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Da das FG die Ma脽st盲be f眉r die Feststellung der Markt眉blichkeit abweichend beurteilt hat, hat es nicht gepr眉ft, ob besondere Einzelumst盲nde des konkreten Falls gegen die durch den Vertragsschluss mit einer Gesch盲ftsbank indizierte Markt眉blichkeit sprachen. Dies wird im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein.
Rz. 21
4. Die Kostenentscheidung beruht auf 搂听143 Abs.听2 FGO.
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Fundstellen
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BFH/NV 2016, 1206 |
BFH/PR 2016, 270 |
BStBl II 2016, 646 |
BFHE 2016, 232 |
BFHE 253, 232 |
BB 2016, 1493 |
BB 2016, 1699 |
DB 2016, 1410 |
DB 2016, 6 |
DStR 2016, 1408 |
DStR 2016, 6 |
DStRE 2016, 822 |
HFR 2016, 693 |