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Entscheidungsstichwort (Thema)
脛nderung wegen neuer Tatsachen: Innere Tatsache und Hilfstatsache - Einkunftserzielungsabsicht bei unbebautem Grundst眉ck - neues Vorbringen in der Revisionsinstanz
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Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Tatsachen i.S. des 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 geh枚ren auch sog. innere Tatsachen wie die Absicht, Eink眉nfte zu erzielen, die nur anhand 盲u脽erer Merkmale (Hilfstatsachen) festgestellt werden k枚nnen.
2. Eine nach dem Zeitpunkt der Steuerfestsetzung entstandene Hilfstatsache, die f眉r diesen Zeitpunkt zu einer ver盲nderten W眉rdigung in bezug auf eine innere Tatsache f眉hrt, rechtfertigt jedoch nur dann eine Berichtigung nach 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977, wenn sie einen sicheren Schlu脽 auf die (innere) Haupttatsache erm枚glicht.
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Orientierungssatz
1. Hier: Verneinung der Einkunftserzielungsabsicht aus einem unbebauten Grundst眉ck durch das FA im 脛nderungsbescheid, weil der Vortrag des Steuerpflichtigen bei der urspr眉nglichen Veranlagung --Zur眉ckstellung der Bebauung aus wirtschaftlichen Gr眉nden-- durch die sp盲teren Umst盲nde (keine Einnahmen in den Folgejahren, weitere Grundst眉cksk盲ufe) widerlegt sei.
2. Die Absicht der Einkunftserzielung ist eine innere Tatsache, die nur anhand 盲u脽erer Merkmale beurteilt werden kann. Aus objektiven Umst盲nden mu脽 auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden. Der Absicht, aus einem unbebauten Grundst眉ck Eink眉nfte zu erzielen, stehen finanzielle Schwierigkeiten ebensowenig entgegen wie der Umstand, da脽 das Grundst眉ck noch nicht bebaut werden darf. Erforderlich ist allerdings, da脽 der Steuerpflichtige trotz der finanziellen Schwierigkeiten bzw. der noch fehlenden Bebaubarkeit konkret damit rechnen konnte, das Grundst眉ck in 眉berschaubarer Zeit bebauen zu k枚nnen, und er seine Bauabsicht nachhaltig zu verwirklichen versucht (vgl. BFH-Rechtsprechung).
3. Der BFH kann als Revisionsgericht nach 搂 118 Abs. 2 FGO neues tats盲chliches Vorbringen in der Revisionsinstanz nicht ber眉cksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 25.5.1988 I R 107/84).
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Normenkette
AO 1977 搂 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStG 1981 搂听9 Abs. 1 S. 1, 搂搂听21, 2 Abs. 2; FGO 搂 118 Abs. 2
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Tatbestand
Die Kl盲ger und Revisionsbeklagten (Kl盲ger) wurden im Streitjahr (1982) als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Der Kl盲ger erwarb in den Jahren 1968 und 1974 je eine Teilfl盲che eines unbebauten Grundst眉cks. Wie bereits in den Vorjahren machten die Kl盲ger f眉r das Streitjahr Aufwendungen f眉r das unbebaute Grundst眉ck als Werbungskosten bei den Eink眉nften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt --FA--) folgte dieser Erkl盲rung im Einkommensteuerbescheid vom 3. Oktober 1984; der Bescheid wurde bestandskr盲ftig.
Mit 脛nderungsbescheid vom 28. Dezember 1988 erkannte das FA die Aufwendungen nicht mehr als Werbungskosten an. In der Einspruchsentscheidung verwies es darauf, da脽 die Kl盲ger das Grundst眉ck noch nicht bebaut, aber im Jahr 1985 weitere Grundst眉cke erworben h盲tten. Daraus und aus dem Zeitablauf ergebe sich, da脽 der Kl盲ger im Streitjahr f眉r das unbebaute Grundst眉ck keine Einkunftserzielungsabsicht gehabt habe.
Im Klageverfahren f眉hrte das FA u.a. aus, bei der urspr眉nglichen Veranlagung im Jahre 1984 habe es dem Vortrag der Kl盲ger folgen k枚nnen, sie beabsichtigten, das Grundst眉ck zu bebauen, h盲tten aber aus wirtschaftlichen Gr眉nden bisher davon abgesehen. Erst aus den 1986 und 1987 eingereichten Steuererkl盲rungen f眉r 1983 bis 1985 habe sich ergeben, da脽 der Kl盲ger auch in den Folgejahren aus dem Grundst眉ck keine Einnahmen erzielt habe. Die weiteren Grundst眉cksk盲ufe h盲tten die vorgetragenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten widerlegt.
Die Kl盲ger legten dar, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten h盲tten darin bestanden, da脽 eine Bebauung wirtschaftlich nicht lohnend gewesen sei. Um das Grundst眉ck besser nutzen zu k枚nnen, h盲tten sie das Bauvorhaben mehrfach umgeplant, die Bauabsicht aber zu keinem Zeitpunkt aufgegeben.
Das Finanzgericht (FG) hob den 脛nderungsbescheid vom 28. Dezember 1988 und die Einspruchsentscheidung mit der Begr眉ndung auf, nach Erla脽 des urspr眉nglichen Bescheids eingetretene Tatsachen k枚nnten eine Berichtigung nach 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht rechtfertigen.
Mit der Revision r眉gt das FA Verletzung des 搂 173 AO 1977. Es tr盲gt erg盲nzend vor, der Kl盲ger habe das Grundst眉ck im Jahre 1990 mit hohem Gewinn ver盲u脽ert.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kl盲ger beantragen, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
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Die Revision ist unbegr眉ndet. Das FG hat zwar 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 unzutreffend angewendet. Die Vorentscheidung stellt sich aber im Ergebnis als richtig dar (vgl. 搂 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu 盲ndern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachtr盲glich bekanntwerden, die zu einer h枚heren Steuer f眉hren. Die Vorschrift setzt voraus, da脽 die Tatsachen bei Erla脽 des urspr眉nglichen Bescheids vorhanden waren und vom FA bei umfassender Kenntnis des Sachverhalts h盲tten ber眉cksichtigt werden k枚nnen. Erst nachtr盲glich eintretende Tatsachen f眉hren nicht zu einer 脛nderung nach 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Juli 1984 IV R 10/83, unter 1., BFHE 141, 488, BStBl II 1984, 786; vom 21. April 1988 IV R 215/85, unter 1., BFHE 153, 485, BStBl II 1988, 863).
Tatsache i.S. von 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 ist jeder Lebensvorgang, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen Steuertatbestand oder ein einzelnes Merkmal dieses Tatbestandes erf眉llt. Dazu geh枚ren auch sog. innere Tatsachen, wie die Absicht der Einkunftserzielung, die nur anhand 盲u脽erer Merkmale (Hilfstatsachen) festgestellt werden k枚nnen (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1989 X R 109/87, BFHE 159, 128, 131 f., BStBl II 1990, 278). Eine nach dem Zeitpunkt der Steuerfestsetzung entstandene Hilfstatsache, die f眉r diesen Zeitpunkt zu einer ver盲nderten W眉rdigung in bezug auf eine innere Tatsache f眉hrt, rechtfertigt eine Berichtigung nach 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977; denn durch sie wird die Haupttatsache nachtr盲glich bekannt (vgl. die zu 搂 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung --AO-- ergangenen BFH-Urteile vom 7. September 1965 I 69/63 U, BFHE 83, 495, BStBl III 1965, 677, und vom 19. Juni 1974 I R 94/71, BFHE 112, 494, BStBl II 1974, 586; Tipke/ Kruse, AO, 15. Aufl., 搂 173 Tz.26). Voraussetzung der Berichtigung ist aber, da脽 die nachtr盲glich entstandene Hilfstatsache einen sicheren Schlu脽 auf die (innere) Haupttatsache erm枚glicht; Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten reichen daf眉r nicht aus (Tipke/Kruse, a.a.O., 搂 173 Tz.9, 12 a.E.). Die objektive Beweislast (Feststellungslast) f眉r die tats盲chlichen Voraussetzungen des 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 tr盲gt das FA (BFH-Urteile vom 13. Dezember 1985 III R 183/81, BFHE 146, 320, BStBl II 1986, 441; vom 22. April 1988 III R 89/86, BFH/NV 1988, 768; vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585).
2. Das FG ist von anderen Rechtsgrunds盲tzen ausgegangen. Die Vorentscheidung stellt sich aber im Ergebnis deshalb als richtig dar, weil das FA nachtr盲glich bekanntgewordene Tatsachen oder Beweismittel, die zu einer h枚heren Steuer im Streitjahr f眉hren, nicht beigebracht bzw. nicht nachgewiesen hat.
a) Werbungskosten (搂 9 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) sind bei den Eink眉nften aus Vermietung und Verpachtung nur zu ber眉cksichtigen, wenn der Steuerpflichtige beabsichtigt, derartige Eink眉nfte zu erzielen (BFH-Urteil vom 2. M盲rz 1993 IX R 69/89, BFH/NV 1993, 532). Liegt diese Voraussetzung vor, kann der Steuerpflichtige bereits bevor er tats盲chlich Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (搂 21 EStG) aus einem Grundst眉ck erzielt, --sog. vorabentstandene-- Werbungskosten bei seinen Eink眉nften aus Vermietung und Verpachtung abziehen (Senatsurteile vom 19. September 1990 IX R 5/86, BFHE 161, 479, BStBl II 1990, 1030; in BFH/NV 1993, 532).
Absicht der Einkunftserzielung ist eine innere Tatsache, die nur anhand 盲u脽erer Merkmale beurteilt werden kann. Aus objektiven Umst盲nden mu脽 auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden (BFH-Beschlu脽 vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, unter Abschn. C.IV.3. c, bb, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; BFH-Urteil vom 24. M盲rz 1992 VIII R 12/89, unter 2., BFHE 168, 415, BStBl II 1993, 18 m.w.N.).
b) Im Streitfall sind keine Umst盲nde nachtr盲glich bekanntgeworden, die zweifelsfrei die vom FA urspr眉nglich als gegeben erachtete Einkunftserzielungsabsicht des Kl盲gers im Streitjahr ausschlie脽en.
Aus den Grundst眉cksgesch盲ften im Jahr 1985 kann nicht notwendigerweise gefolgert werden, der Kl盲ger habe schon im Streitjahr (1982) nicht mehr beabsichtigt, das unbebaute Grundst眉ck zu bebauen und daraus Eink眉nfte zu erzielen.
Selbst wenn man dem Vortrag des FA folgt, der Kl盲ger habe die Bebauung aus finanziellen Gr眉nden zur眉ckgestellt, und man ferner davon ausgeht, da脽 diese Gr眉nde dem FA erst nachtr盲glich i.S. des 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 bekanntgeworden sind, folgt auch daraus nicht zwingend, der Kl盲ger habe im Jahr 1982 nicht die Absicht gehabt, aus dem unbebauten Grundst眉ck Eink眉nfte zu erzielen. Finanzielle Schwierigkeiten stehen der Einkunftserzielungsabsicht ebensowenig entgegen wie der Umstand, da脽 ein Grundst眉ck noch nicht bebaut werden darf. Erforderlich ist allerdings, da脽 der Steuerpflichtige trotz der finanziellen Schwierigkeiten bzw. der noch fehlenden Bebaubarkeit konkret damit rechnen konnte, das Grundst眉ck in 眉berschaubarer Zeit bebauen zu k枚nnen, und er seine Bauabsicht nachhaltig zu verwirklichen sucht (vgl. dazu Senatsurteile vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761, und IX R 89/88, BFH/NV 1991, 741). Da脽 es im Streitfall an diesen Voraussetzungen fehlt, ergibt sich nach den bindenden Feststellungen des FG (vgl. 搂 118 Abs. 2 FGO) weder aus der Begr眉ndung des angefochtenen Bescheids, noch aus den Darlegungen des FA im Verfahren vor dem FG. Im 眉brigen war dem FA nach seinem eigenen Vorbringen bereits bei der urspr眉nglichen Veranlagung der Vortrag des Kl盲gers bekannt, wonach er die beabsichtigte Bebauung aus wirtschaftlichen Gr眉nden zur眉ckgestellt hatte.
Bekannt war dem FA auch der Zeitablauf seit dem Grundst眉ckserwerb. Es h盲tte deshalb schon bei der urspr眉nglichen Steuerfestsetzung Veranlassung bestanden, den Sachverhalt weiter aufzukl盲ren und den Abzug der auch der H枚he nach zweifelhaften Werbungskosten ggf. zu versagen.
Da脽 der Kl盲ger aus dem Grundst眉ck in den Folgejahren keine Einnahmen erzielt hat, l盲脽t, entgegen der Auffassung des FA, ebenfalls nicht notwendigerweise auf eine fehlende Einkunftserzielungsabsicht im Streitjahr schlie脽en.
Soweit das FA erstmals im Revisionsverfahren vorbringt, der Kl盲ger habe das Grundst眉ck im Jahr 1990 mit hohem Gewinn verkauft, kann dieser Vortrag unabh盲ngig von der Frage, ob sich hieraus 眉berhaupt sichere Schl眉sse auf die Absichten des Kl盲gers im Jahr 1982 ziehen lie脽en, schon deshalb nicht ber眉cksichtigt werden, weil der Senat als Revisionsgericht nach 搂 118 Abs. 2 FGO neues tats盲chliches Vorbringen in der Revisionsinstanz nicht ber眉cksichtigen kann (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 1988 I R 107/84, BFHE 154, 12, BStBl II 1989, 43). Das gleiche gilt hinsichtlich der erst im Revisionsverfahren vorgetragenen H枚he des Kaufpreises f眉r die im Jahr 1985 erworbenen Grundst眉cke.
Schlie脽lich begr眉nden die vom FA angef眉hrten tats盲chlichen Umst盲nde auch nicht zusammengenommen --im Rahmen einer Gesamtw眉rdigung-- den sicheren Schlu脽 auf eine fehlende Einkunftserzielungsabsicht im Streitjahr 1982.
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Fundstellen
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BFH/NV 1995, 25 |
BStBl II 1995, 192 |
BFHE 176, 221 |
BFHE 1995, 221 |
BB 1995, 396 |
BB 1995, 396-398 (LT) |
DB 1995, 411-412 (LT1-2) |
DStR 1995, 292-293 (KT) |
DStZ 1995, 351-352 (KT) |
HFR 1995, 242-243 (LT) |
StE 1995, 150 (K) |