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Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Angaben zu au脽ergew枚hnlichen Belastungen in der Steuererkl盲rung; grobes Verschulden des steuerlichen Beraters
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Leitsatz (amtlich)
1. Einem Steuerberater kann ein grobes Verschulden am nachtr盲glichen Bekanntwerden von Zahnbehandlungskosten zur Last fallen, wenn er es unterl盲sst, seinen Mandanten nach solchen Aufwendungen zu fragen.
2. Die Verpflichtung nachzufragen entf盲llt auch nicht dadurch, dass ein Dritter Angaben und Unterlagen f眉r den Steuerpflichtigen beibringt.
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Normenkette
AO 搂 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG 搂 33; FGO 搂 76 Abs. 1 S. 1
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Rz. 1
I. Streitig ist, ob die Kl盲gerin und Revisionskl盲gerin (Kl盲gerin) die 脛nderung von Einkommensteuerbescheiden verlangen kann, weil Aufwendungen nachtr盲glich bekanntgeworden sind.
Rz. 2
Die Kl盲gerin ist von Beruf Diplom-X und wurde f眉r die Streitjahre 1998 bis 2000 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) bestandskr盲ftig zur Einkommensteuer veranlagt.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 3. Januar 2003 beantragte die Kl盲gerin die 脛nderung der genannten Steuerfestsetzungen nach 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO). Sie teilte dem FA mit, dass ihr in den Streitjahren hohe au脽ergew枚hnliche Belastungen erwachsen seien. Dabei handele es sich um Aufwendungen f眉r medizinisch notwendige Zahnerhaltungsma脽nahmen infolge einer Kiefererkrankung in H枚he von 19.324,63 DM im Jahr 1998, 37.537,12 DM im Jahr 1999 und 11.213,21 DM im Jahr 2000.
Rz. 4
Das FA lehnte eine 脛nderung der Bescheide mit der Begr眉ndung ab, die Kl盲gerin bzw. ihren steuerlichen Berater treffe ein grobes Verschulden am nachtr盲glichen Bekanntwerden der neuen Tatsache.
Rz. 5
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 645 ver枚ffentlichten Gr眉nden als unbegr眉ndet ab.
Rz. 6
Mit der Revision r眉gt die Kl盲gerin die unrichtige Anwendung des 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Sie macht insbesondere geltend, dass die wesentlichen steuerlich relevanten Angaben und Unterlagen von der Firma Y bzw. Z zusammengestellt und an den steuerlichen Berater 眉bermittelt worden seien. Das FG habe diesen Vortrag, insbesondere einen entsprechenden Beweisantrag in der m眉ndlichen Verhandlung, nicht gew眉rdigt. Damit liege ein Verfahrensmangel vor.
Rz. 7
Die Kl盲gerin beantragt,das Urteil des FG M眉nchen vom 29. November 2006 aufzuheben und die Einkommensteuer f眉r den Veranlagungszeitraum 1998 auf 71.609 DM, f眉r den Veranlagungszeitraum 1999 auf 120.666 DM und f眉r den Veranlagungszeitraum 2000 auf 68.479 DM festzusetzen.
Rz. 8
Das FA beantragt,die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
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Rz. 9
II. Die Revision der Kl盲gerin ist unbegr眉ndet und nach 搂 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur眉ckzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die bestandskr盲ftigen Einkommensteuerbescheide 1998, 1999 und 2000 nicht nach 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zugunsten der Kl盲gerin ge盲ndert werden k枚nnen, weil sie ein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen nachtr盲glich bekannt geworden sind.
Rz. 10
1. Das FG hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollst盲ndig aufgekl盲rt und damit nicht gegen 搂 76 Abs. 1 Satz 1 FGO 惫别谤蝉迟辞脽别苍.
Rz. 11
a) Nach 搂 76 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und gem盲脽 搂 81 Abs. 1 Satz 2 FGO die erforderlichen Beweise zu erheben. Dabei hat es den entscheidungserheblichen Sachverhalt so vollst盲ndig wie m枚glich und bis zur Grenze des Zumutbaren, d.h. unter Ausnutzung aller verf眉gbaren Beweismittel aufzukl盲ren. Von den Verfahrensbeteiligten angebotene Beweise muss das FG grunds盲tzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will (vgl. auch Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Dezember 2005 I B 249/04, BFH/NV 2006, 780). Auf eine beantragte Beweiserhebung kann es im Regelfall nur verzichten, wenn das Beweismittel f眉r die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisf眉hrenden als wahr unterstellt werden kann, das Beweismittel unerreichbar, unzul盲ssig oder absolut untauglich ist (st盲ndige Rechtsprechung, z.B. Senatsentscheidungen vom 13. November 2007 VI B 100/07, BFH/NV 2008, 219; vom 1. Februar 2007 VI B 124/06, BFH/NV 2007, 956; vom 16. November 2005 VI R 71/99, BFH/NV 2006, 753; jeweils m.w.N.).
Rz. 12
b) Nach diesem Rechtsma脽stab musste der in der m眉ndlichen Verhandlung vor dem FG angebotene Zeugenbeweis zu der Frage, ob und inwieweit die Kl盲gerin durch die Firma Y bzw. Z in den Streitjahren wirtschaftlich betreut und f眉r sie die Buchhaltung gef眉hrt wurde, nicht erhoben werden. Hierauf kam es im Streitfall nicht an. Das FG konnte daher auch auf die Erhebung dieses Beweises verzichten. Die Kl盲gerin selbst hat vorgetragen, dass das FG in der m眉ndlichen Verhandlung bedeutet habe, den vorgetragenen Sachverhalt bzw. die diesbez眉gliche Best盲tigung durch den Zeugen als zutreffend zu unterstellen. Damit musste sich auch der Kl盲gerin aufdr盲ngen, dass unter den besonderen Umst盲nden des Streitfalles eine Auseinandersetzung mit der Frage eines zurechenbaren Verschuldens von Hilfspersonen nicht entscheidungserheblich war. Das Urteil des FG geht demzufolge auch erkennbar von der Grundannahme aus, dass ein Steuerberater verpflichtet ist, den f眉r die Abgabe einer vollst盲ndigen Steuererkl盲rung ma脽gebenden Sachverhalt zu ermitteln. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das FG allein auf das Verschulden des steuerlichen Beraters abgestellt hat und --ohne dies ausdr眉cklich in den 贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别n auszuf眉hren-- ein etwaiges Verschulden von Hilfspersonen f眉r die zu treffende Entscheidung als unerheblich angesehen hat.
Rz. 13
Da im Streitfall von einem eigenen Verschulden des steuerlichen Beraters auszugehen ist, widerspricht die Entscheidung des Senats auch nicht den Aussagen des III. und IV. Senats des BFH zum groben Verschulden von Hilfspersonen (BFH-Urteile vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324; vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412). Selbst wenn man im Streitfall von einem Verschulden weiterer Hilfspersonen ausgehen w眉rde, w盲re dieses Verschulden nach Auffassung des Senats dem steuerlichen Berater als eigenes Verschulden zuzurechnen. Auch in diesem Fall erg盲be sich kein Widerspruch zur genannten Rechtsprechung des III. und IV. Senats des BFH, da im Unterschied zum Streitfall die Dienstleistungen der Hilfspersonen in jenen F盲llen dem Steuerpflichtigen gegen眉ber unmittelbar erbracht worden waren. Im Ergebnis konnte das FG daher ein etwaiges Verschulden weiterer Hilfspersonen unber眉cksichtigt lassen.
Rz. 14
2. Nach 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu 盲ndern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachtr盲glich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer f眉hren, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachtr盲glich bekannt werden.
Rz. 15
a) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrl盲ssigkeit zu vertreten. Grobe Fahrl盲ssigkeit ist nach st盲ndiger Rechtsprechung des BFH anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen pers枚nlichen F盲higkeiten und Verh盲ltnissen zumutbare Sorgfalt in ungew枚hnlichem Ma脽e und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (z.B. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2006 VI R 59/02, BFH/NV 2007, 866, m.w.N.). Grob fahrl盲ssiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erkl盲rungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollst盲ndige Steuererkl盲rungen abgibt (BFH-Urteile vom 30. Oktober 1986 III R 163/82, BFHE 148, 208, BStBl II 1987, 161; vom 1. Oktober 1993 III R 58/92, BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346; vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl II 2005, 75; in BFH/NV 2007, 866). Beruht die unvollst盲ndige Steuererkl盲rung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten (BFH-Urteile vom 10. August 1988 IX R 219/84, BFHE 154, 481, BStBl II 1989, 131; vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212).
Rz. 16
b) Nach st盲ndiger Rechtsprechung des BFH hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererkl盲rung zu vertreten (z.B. BFH-Urteil in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, m.w.N.). Die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererkl盲rung ergibt sich aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen f眉r die Richtigkeit seiner Angaben in der Steuererkl盲rung (搂 150 Abs. 2 Satz 1 AO). Dieser Verantwortung kann er sich nicht dadurch entziehen, dass er die Ausarbeitung der Steuererkl盲rung seinem steuerlichen Berater 眉bertr盲gt.
Rz. 17
c) Ob ein Beteiligter grob fahrl盲ssig gehandelt hat, ist im Wesentlichen Tatfrage. Die hierzu getroffenen Feststellungen des FG d眉rfen --abgesehen von zul盲ssigen und begr眉ndeten Verfahrensr眉gen-- nur daraufhin 眉berpr眉ft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrl盲ssigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob die W眉rdigung der Umst盲nde hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungss盲tzen entspricht. Dies hindert das Revisionsgericht allerdings nicht, selbst zur Annahme eines groben Verschuldens zu kommen, wenn hierf眉r ausreichende tats盲chliche Feststellungen vorliegen (BFH-Urteile vom 9. August 1991 III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65; vom 23. Oktober 2002 III R 32/00, BFH/NV 2003, 441).
Rz. 18
3. Bei Anwendung dieser Grunds盲tze auf den Streitfall hat das FG rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Kl盲gerin am nachtr盲glichen Bekanntwerden der Krankheitskosten ein grobes Verschulden trifft.
Rz. 19
Wie das FG zutreffend erkannt hat, kann es im Streitfall offen bleiben, ob sich die Kl盲gerin auf einen die grobe Fahrl盲ssigkeit ausschlie脽enden, entschuldbaren Rechtsirrtum in ihrer Person berufen kann. Die Kl盲gerin muss sich aber, wie das FG ebenfalls zutreffend entschieden hat, das Verschulden ihres steuerlichen Beraters im Streitfall zurechnen lassen. Von Angeh枚rigen der steuerberatenden Berufe muss verlangt werden, dass sie den Inhalt der Merkbl盲tter kennen und die 眉blichen Vordrucke beherrschen. Der steuerliche Berater durfte weiter gerade bei einem steuerlichen Laien, wie der Kl盲gerin, nicht ohne Nachfrage davon ausgehen, dass aufgrund der bestehenden Krankenversicherung und der hohen zumutbaren Belastung der Kl盲gerin keine steuerlich relevanten Krankheitskosten vorlagen. Vielmehr musste er die von ihm beratene Steuerpflichtige im Bereich der au脽ergew枚hnlichen Belastungen nach Aufwendungen fragen, die steuerlich zu ber眉cksichtigen waren. Denn ein Steuerberater hat seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbed眉rftigkeit er grunds盲tzlich auszugehen hat, umfassend zu beraten. Im Rahmen dieser Verpflichtung hat er den f眉r die Abgabe einer vollst盲ndigen Steuererkl盲rung ma脽gebenden Sachverhalt zu ermitteln. Er darf sich insbesondere nicht --wie im Streitfall-- darauf verlassen, dass die steuerlich relevanten Angaben und Unterlagen durch Dritte derart aufbereitet werden, dass Nachfragen beim Steuerpflichtigen selbst entbehrlich werden. Der steuerliche Berater handelte daher im Streitfall grob fahrl盲ssig.
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Fundstellen
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BFH/NV 2010, 709 |
BFH/PR 2010, 186 |
BStBl II 2010, 531 |
BFHE 2010, 365 |
BB 2010, 1392 |
DB 2010, 421 |
DStR 2010, 373 |
DStRE 2010, 388 |
DStZ 2010, 393 |
HFR 2010, 445 |