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Leitsatz (amtlich)
Eine nicht begr眉ndete Ermessensentscheidung der Verwaltung ist im Regelfall rechtsfehlerhaft.
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Normenkette
AO 搂 118 S. 1; StAnpG 搂 7 Abs. 3; AO 1977 搂 121; VwVfG 搂 39
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Wegen der Mineral枚lsteuerschuld der X- KG in H枚he von rd. 1,5 Mio DM nahm das HZA den Kl盲ger am 26. August 1975 mit Steuerhaftungsbescheid f眉r einen Teilbetrag von 50 000 DM Mineral枚lsteuer als Haftenden nach 搂 109 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) in Anspruch, und zwar als Gesamtschuldner neben der Muttergesellschaft, dem hinter dieser stehenden Herrn X, und anderen. Zur Begr眉ndung machte das HZA im wesentlichen geltend, der Kl盲ger habe die Pflichten verletzt, die ihm nach 搂搂 105 Abs. 1, 103 AO im Interesse der Besteuerung auferlegt gewesen seien. Insbesondere habe er nicht f眉r die Entrichtung der Mineral枚lsteuern aus den von ihm verwalteten Mitteln gesorgt.
Die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den Steuerhaftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung mit folgender Begr眉ndung auf:
Die Haftungsvoraussetzungen des 搂 1O9 Abs. l AO l盲gen vor. Der Kl盲ger geh枚re zu dem nach dieser Bestimmung haftenden Personenkreis. Er habe daf眉r zu sorgen gehabt, da脽 die Steuern aus den Mitteln entrichtet wurden, die er verwaltet habe (搂 103 Satz 1 AO). Die Steueranspr眉che seien dadurch verk眉rzt worden, da脽 die geschuldete Mineral枚lsteuer nicht zum F盲lligkeitszeitpunkt entrichtet worden sei. F眉r den Eintritt dieser Steuerverk眉rzung sei die Pflichtverletzung des Kl盲gers urs盲chlich gewesen. Der Kl盲ger h盲tte zumindest die Mittel, die ihm zur Verf眉gung gestanden h盲tten, auf die in Betracht kommenden Gl盲ubiger verteilen, d. h. alle Gl盲ubiger gleichm盲脽ig behandeln m眉ssen. Er habe alle am F盲lligkeitstag der Steuern und kurz danach verf眉gbaren fl眉ssigen Mittel, die den f盲lligen Steuerbetrag um ein Vielfaches 眉bertroffen h盲tten, ausschlie脽lich an die Muttergesellschaft 眉berwiesen. Der Kl盲ger habe seine Zahlungspflicht fahrl盲ssig verletzt. Er h盲tte sich nicht darauf verlassen d眉rfen, da脽 die Schulden von der Muttergesellschaft beglichen w眉rden. Sp盲testens ab 10. Juni 1976 sei sein Verhalten als bewu脽t fahrl盲ssig zu qualifizieren.
Gleichwohl seien der Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung rechtswidrig. Der Kl盲ger sei neben anderen Personen in Anspruch genommen worden, welche dieselbe steuerliche Leistung schuldeten oder f眉r sie hafteten (z. B. aus 搂 112 AO). Alle diese Personen seien Gesamtschuldner (搂 7 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Das Finanzamt (FA) habe die Wahl, an welchen Gesamtschuldner es sich halten wolle (搂 7 Abs. 3 Satz 2 StAnpG, 搂 118 AO), nach pflichtm盲脽igem Ermessen unter Beachtung der durch Recht und Billigkeit gezogenen Grenzen zu treffen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Januar 1972 VI R 187/68, BFHE 104, 294 BStBl II 1972, 364). Eine fehlerfreie Ermessensaus眉bung sei nur gegeben, wenn die Beh枚rde die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu ber眉cksichtigenden Rechts- und Billigkeitsgesichtspunkte des konkreten Einzelfalles in einer Weise er枚rtere, die erkennen lie脽en, da脽 die Beh枚rde sich mit diesen Gesichtspunkten im Rahmen ihrer Erw盲gungen befa脽t habe (BFH-Urteile vom 1. Dezember 1966 V 137/64, BFHE 87, 405, BStBl III 1967, 156, und vom 24. September 1976 I R 41/75, BFHE 120, 212 BStBl II 1977, 127).
Der angefochtene Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung lie脽en mit keinem Wort erkennen, ob das HZA bei oder vor der Inanspruchnahme des Kl盲gers 眉berhaupt eine Ermessenentscheidung getroffen und bei dieser die im Streitfall aus den dargelegten Gr眉nden gebotenen Billigkeitserw盲gungen angestellt habe. Das HZA h盲tte dartun m眉ssen, ob und ggf. auf welche Betr盲ge es die 眉brigen Mithaftenden in Anspruch genommen bzw. warum es dies bisher unterlassen habe. Insbesondere die angespannte wirtschaftliche Lage, in der sich der Kl盲ger, wie in der m眉ndlichen Verhandlung vorgetragen worden sei, infolge der Notwendigkeit befinde, eine neue Existenzgrundlage aufzubauen, h盲tte vom HZA ber眉cksichtigt werden und es zu Billigkeitserw盲gungen veranlassen m眉ssen. Da derartige f眉r eine ordnungsm盲脽ige Ermessensaus眉bung erforderlichen Erw盲gungen nicht erkenntlich seien, seien die angefochtenen Bescheide rechtswidrig. Zudem erscheine die erneute Inanspruchnahme des Kl盲gers wegen desselben Sachverhalts mit R眉cksicht auf seine wirtschaftlichen Verh盲ltnisse und den im Verh盲ltnis zu anderen Haftungsschuldern v枚llig unbedeutenden Anteil an dem durch die Steuerstraftaten gezogenen Nutzen nicht mehr vertretbar.
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Die Revision ist unbegr眉ndet.
Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, da脽 das HZA die Wahl, an welchen Gesamtschuldner in welcher H枚he es sich halten will, nach pflichtm盲脽igem Ermessen unter Beachtung der durch Recht und Billigkeit gezogenen Grenzen zu treffen hat (BFH-Urteile in BFHE 104, 294, BStBl II 1972, 364, und vom 24. Oktober 1979 VII R 7/77, BFHE 129, 13, BStBl II 1980, 58). Das FG hat ferner zutreffend entschieden, da脽 der angefochtene Bescheid und die Einspruchsentscheidung deswegen rechtswidrig sind, weil sie 眉ber die Ermessenserw盲gungen des HZA keinen Aufschlu脽 geben.
Der Staatsb眉rger, in dessen Rechte eingegriffen wird, hat einen Anspruch darauf, die Gr眉nde daf眉r zu erfahren; denn nur dann kann er seine Rechte sachgem盲脽 verteidigen (Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 16. Januar 1957 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32, 44). Deswegen m眉ssen bei Aus眉bung des Verwaltungsermessens die angestellten Erw盲gungen, die Abw盲gung des F眉r und Wider der sich gegen眉berstehenden Belange, aus der Entscheidung erkennbar sein (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 14. Oktober 1965 II C 3.63, BVerwGE 22, 215, 217, mit weiteren Nachweisen). Diesen Rechtsgrunds盲tzen entsprechen die Regelungen der 搂搂 121 der Abgabenordnung (AO 1977) und 39 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Nach 搂 121 Abs. 1 AO 1977 ist ein schriftlicher Verwaltungsakt schriftlich zu begr眉nden, soweit dies zu seinem Verst盲ndnis erforderlich ist. 搂 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG bestimmt, da脽 die Begr眉ndung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen soll, von denen die Beh枚rde bei der Aus眉bung ihres Ermessens ausgegangen ist. Nur in Ausnahmef盲llen kann von der Begr眉ndung abgesehen werden, und zwar im wesentlichen nur dann, soweit dem Betroffenen die Auffassung der Beh枚rde 眉ber die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begr眉ndung f眉r ihn ohne weiteres erkennbar ist (搂搂 121 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977, 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG). Zwar sind diese Bestimmungen im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar, weil sie im ma脽gebenden Zeitpunkt noch nicht in Kraft , waren. Sie haben aber Grunds盲tze kodifiziert, die bereits vorher G眉ltigkeit hatten (vgl. BVerwGE 22, 215, 217).
Der angefochtene Haftungsbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung enthalten keine Ausf眉hrungen des HZA zur Frage der Ermessensaus眉bung. Zwar hat das HZA den rechtlichen Teil seiner Entscheidung - die Frage, ob die Voraussetzungen f眉r die Inanspruchnahme des Kl盲gers als Haftungsschuldner vorlagen - ausf眉hrlich unter Schilderung des Sachverhalts begr眉ndet. Dagegen fehlt eine Begr眉ndung der Ermessensentscheidung v枚llig. Darauf hatte das HZA allenfalls dann verzichten k枚nnen, wenn diese Entscheidung durch die Rechtsentscheidung gewisserma脽en vorgepr盲gt gewesen w盲re, die Ermessenserw盲gungen des HZA also z. B. aus dem Ma脽 des Verschuldens des Kl盲gers als Haftungsschuldner, das aus der rechtlichen Begr眉ndung ersichtlich ist, mit einer jeden Zweifel ausschlie脽enden Deutlichkeit h盲tten abgelesen werden k枚nnen. Einen solchen Fall hatte der V. Senat des BFH in dem zitierten Urteil in BFHE 125, 126, BStBl II 1978, 508, auf das sich das HZA beruft, zu entscheiden. Der vorliegende Fall ist damit schon deswegen nicht zu vergleichen, weil dem Kl盲ger nach den Feststellungen des FG keine grob fahrl盲ssige oder gar vors盲tzliche Steuerverk眉rzung zur Last gelegt wird, sondern nur eine solche Verk眉rzung aufgrund von einfacher (wenn auch bewu脽ter) Fahrl盲ssigkeit. In einem solchen Fall konnte das HZA nicht darauf verzichten, n盲her zu begr眉nden, warum es den Kl盲ger neben den anderen Gesamtschuldnern 眉berhaupt und gerade in der von ihm f眉r richtig gehaltenen H枚he in Anspruch nahm.
Wegen der fehlenden Begr眉ndung waren der Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung fehlerhaft. Beide Verwaltungsakte waren daher auf die Anfechtungsklage des Kl盲gers hin aufzuheben.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 422858 |
BStBl II 1981, 493 |
BFHE 1981, 1 |