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Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellung vom Bausteuerabzug durch einstweilige Anordnung
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Leitsatz (NV)
Das FA kann nicht im Wege der einstweiligen Anordnung zur Erteilung einer Freistellungsbescheinigung gem盲脽 搂 48b EStG verpflichtet werden, wenn der Antragsteller lediglich vortr盲gt, infolge des Fehlens der Bescheinigung allgemein Wettbewerbsnachteile zu haben oder in Einzelf盲llen mit Angeboten nicht zum Zuge gekommen zu sein. Notwendig ist vielmehr eine substantiierte Darstellung, nach der das Unternehmen nach konkret gemachten Erfahrungen ohne die Bescheinigung die f眉r sein wirtschaftliches 脺berleben notwendigen Auftr盲ge nicht erhalten kann.
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Normenkette
EStG 搂搂听48, 48a, 48b; FGO 搂 114 Abs. 2
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Verfahrensgang
Nieders盲chsisches FG (EFG 2002, 842) |
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Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten dar眉ber, ob der Antragsgegner und Beschwerdef眉hrer (das Finanzamt 鈥旻A鈥) verpflichtet ist, der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) eine Freistellungsbescheinigung nach 搂 48b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erteilen.
Die Antragstellerin ist eine GmbH, zu deren Gesch盲ftsgegenstand u.a. der Betrieb eines Malereiunternehmens geh枚rt. Sie erwirtschaftete in den Jahren 1995 bis 1999 Ums盲tze zwischen ca. 45 000 DM und ca. 432 000 DM; dabei erzielte sie in den Jahren 1995 bis 1998 Verluste, w盲hrend sie f眉r 1999 einen Gewinn in H枚he von ca. 80 000 DM erkl盲rte. Steuererkl盲rungen gab die Antragstellerin nicht oder versp盲tet ab, weshalb das FA wiederholt Steuerbescheide mit gesch盲tzten Besteuerungsgrundlagen erlie脽. Veranlagungen auf Grund nachgereichter Erkl盲rungen f眉hrten f眉r 1995 bis 1998 jeweils zu einer K枚rperschaftsteuer von 0 DM und f眉r 1999 zu einer K枚rperschaftsteuer in H枚he von 154 DM. Steuererkl盲rungen f眉r 2000 hat die Antragstellerin nach Aktenlage bislang nicht abgegeben.
Am 30. Juni 1999 stellte das Arbeitsamt fest, dass die Antragstellerin Arbeitnehmer besch盲ftigte, von denen einige nicht die erforderliche Arbeitserlaubnis besa脽en. Daraufhin gab die Antragstellerin am 17. Mai 2000 Lohnsteuer-Anmeldungen f眉r die Zeit ab Juni 1999 ab. Weitere Lohnsteuer-Anmeldungen wurden entweder gar nicht oder mit erheblicher Versp盲tung abgegeben. Deshalb kam es auch bei der Lohnsteuer zu Sch盲tzungen. Ein Teil der Lohnsteuer wurde nicht gezahlt; am 7. Mai 2002 betrug der R眉ckstand f眉r 2000 und 2001 insgesamt 3 466,25 DM.
Der gesamte Steuerr眉ckstand der Antragstellerin belief sich am 25. Februar 2002 auf 38 302,58 EUR zuz眉glich S盲umniszuschl盲gen in H枚he von 17 762,20 EUR. Schon am 13. September 2001 hatte das FA wegen Abgabenr眉ckst盲nden in H枚he von 94 000 DM die Er枚ffnung des Insolvenzverfahrens 眉ber das Verm枚gen der Antragstellerin beantragt. 脺ber diesen Antrag wurde nach Aktenlage bislang nicht entschieden.
Unter dem 22. Januar 2002 beantragte die Antragstellerin die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach 搂 48b EStG. Das FA lehnte den Antrag ab, da angesichts des bisherigen steuerlichen Verhaltens der Antragstellerin der Steueranspruch nicht gesichert sei. Die Antragstellerin hat den Ablehnungsbescheid mit einem Einspruch angefochten, 眉ber den noch nicht entschieden worden ist.
Sodann beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, dass das FA zur Erteilung einer auf drei Jahre befristeten Freistellungsbescheinigung verpflichtet werde. Diesem Antrag gab das FG teilweise statt. Es verpflichtete das FA zur Erteilung einer auf neun Monate, l盲ngstens bis zur Bestandskraft des ablehnenden Bescheids, befristeten Freistellungsbescheinigung. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 842 abgedruckt.
Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde r眉gt das FA Verletzung des 搂 48b EStG. Es beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zur眉ckzuweisen.
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II. Die Beschwerde ist begr眉ndet. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Der begehrte einstweilige Rechtsschutz kann der Antragstellerin nicht gew盲hrt werden, weil er auf eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache hinauslaufen w眉rde und die hierf眉r bestehenden besonderen Voraussetzungen im Streitfall nicht vorliegen.
1. Nach 搂 114 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorl盲ufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverh盲ltnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gr眉nden n枚tig erscheint. Um eine solche Regelungsanordnung geht es, wenn der Antragsteller auf dem Weg 眉ber eine einstweilige Anordnung die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung erreichen will (Senatsbeschluss vom 27. Juli 1994 I B 246/93, BFHE 175, 205, BStBl II 1994, 899, 900). So liegen die Dinge im Streitfall.
2. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats darf eine Regelungsanordnung grunds盲tzlich nicht erlassen werden, wenn sie die Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorwegnehmen w眉rde. Unter diesem Gesichtspunkt ist es insbesondere in der Regel unzul盲ssig, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Freistellungsbescheinigung zu erteilen (Senatsbeschluss in BFHE 175, 205, BStBl II 1994, 899; Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, 搂 114 FGO Rz. 18 und 81). Dieser Grundsatz gilt auch im Hinblick auf Freistellungsbescheinigungen nach 搂 48b EStG (ebenso Bl眉mich/Ebling, Einkommensteuergesetz, 碍枚谤辫别谤蝉肠丑补蹿迟蝉迟别耻别谤驳别蝉别迟锄, Gewerbesteuergesetz, 搂 48b EStG Rz. 66).
Eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung besteht nur dann, wenn der Erlass einer Regelungsanordnung zur Gew盲hrung effektiven Rechtsschutzes unumg盲nglich ist, der Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich ist und der Anordnungsgrund eine besondere Intensit盲t aufweist (Senatsbeschluss vom 23. September 1998 I B 82/98, BFHE 186, 433, BStBl II 2000, 320, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im summarischen Verfahren nach Aktenlage zu pr眉fen, wobei nur die schl眉ssig dargelegten und glaubhaft gemachten Umst盲nde ber眉cksichtigt werden k枚nnen. Letzteres gilt insbesondere auch f眉r das Vorliegen eines besonders gewichtigen Anordnungsgrundes.
3. Im Streitfall k枚nnte hiernach der Antrag nur dann Erfolg haben, wenn sich aus dem Vortrag der Antragstellerin und den von ihr beigebrachten Unterlagen erg盲be, dass die Existenz der Antragstellerin gef盲hrdet und die begehrte einstweilige Anordnung zur Beseitigung dieser Existenzgef盲hrdung einerseits geeignet und andererseits unerl盲sslich ist. Das ist nicht der Fall. Angesichts des Umstandes, dass unstreitig ein noch nicht beschiedener Insolvenzantrag des FA im Raum steht, kann zwar von einer Existenzgef盲hrdung der Antragstellerin ausgegangen werden. Die Antragstellerin hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass diese Existenzgef盲hrdung durch die Versagung der Freistellungsbescheinigung ausgel枚st wird und nur durch die Erteilung einer solchen Bescheinigung beseitigt werden kann.
a) Die Freistellungsbescheinigung nach 搂 48b Abs. 1 Satz 1 EStG ist Bestandteil des Steuerabzugsverfahrens bei Bauleistungen gem盲脽 搂搂 48 ff. EStG. Ihre Vorlage befreit den Leistungsempf盲nger von dessen Verpflichtung zum Steuerabzug. Eine solche Verpflichtung besteht indessen ohnehin nicht, wenn der Leistungsempf盲nger kein Unternehmer ist (搂 48 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder wenn sein Unternehmen die Vermietung von Wohnungen zum Gegenstand hat und er nicht mehr als zwei Wohnungen vermietet (搂 48 Abs. 1 Satz 2 EStG). Bauleistungen gegen眉ber diesem Personenkreis werden mithin durch das Fehlen einer Freistellungsbescheinigung nicht ber眉hrt.
F眉r die 眉brigen Leistungsempf盲nger ist eine solche Bescheinigung zwar insoweit von Vorteil, als sie hierdurch der Notwendigkeit enthoben werden, die einzubehaltende Steuer zu berechnen sowie anzumelden und abzuf眉hren (搂 48a EStG). Deshalb mag auch der Hinweis des FG zutreffen, dass potentielle Auftraggeber vielfach die Vorlage der Bescheinigung w眉nschen werden. Auch in diesem Bereich kann jedoch nicht generell unterstellt werden, dass Anbieter ohne Freistellungsbescheinigung von vornherein unber眉cksichtigt bleiben. Vielmehr d眉rfte es hier zum einen darauf ankommen, ob der jeweilige Auftraggeber in seiner internen Organisation auf die Durchf眉hrung des Steuerabzugsverfahrens eingestellt ist; zum anderen wird das Vorhandensein oder Fehlen einer Freistellungsbescheinigung h盲ufig nur eines von mehreren Kriterien f眉r die Gesamtbeurteilung des betreffenden Angebots sein.
b) Vor diesem Hintergrund wird das Erfordernis der vorl盲ufigen Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nicht schon dadurch in der gebotenen Weise dargelegt, dass der Antragsteller behauptet, infolge des Fehlens der Bescheinigung allgemein Wettbewerbsnachteile zu haben oder in Einzelf盲llen mit seinen Angeboten nicht zum Zuge gekommen zu sein. Erforderlich ist vielmehr eine substantiierte Darstellung, ausweislich derer das betreffende Unternehmen nach den konkret gemachten Erfahrungen ohne die Freistellungsbescheinigung nicht in der Lage ist, die f眉r sein wirtschaftliches 脺berleben erforderlichen Auftr盲ge zu erhalten. Hierzu geh枚ren in der Regel zum einen Angaben dazu, in welchem Umfang das Unternehmen von Auftr盲gen steuerabzugspflichtiger Leistungsempf盲nger abh盲ngig ist. Zum anderen wird es im Zweifel erforderlich sein, in geeigneter Form darzulegen, dass das Fehlen der Freistellungsbescheinigung generell oder zumindest in einer Vielzahl von Einzelf盲llen die Akquisition von Auftr盲gen verhindert hat oder zu verhindern droht. Zudem folgt aus Abs. 3 Nr. 3 und aus Abs. 4 des 搂 48b EStG, dass eine Freistellungsbescheinigung objekt- oder auftragsbezogen erteilt werden kann (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen 鈥旴MF鈥 vom 1. November 2001, BStBl I 2001, 804, Tz. 31; Bl眉mich/Ebling, a.a.O., 搂 48b EStG Rz. 54; Kirchhof/Gosch, Einkommensteuergesetz, 2. Aufl., 搂 48b Rz. 8); wer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine nicht in dieser Weise beschr盲nkte Bescheinigung begehrt, muss ggf. dartun, dass und weshalb seine wirtschaftliche 脺berlebensf盲higkeit nicht auch durch eine beschr盲nkte Bescheinigung vorl盲ufig gesichert werden kann. Schlie脽lich m眉ssen die erforderlichen Angaben glaubhaft gemacht werden, was entweder durch die in der Zivilprozessordnung (ZPO) vorgesehenen Beweismittel oder im Wege der eidesstattlichen Versicherung erfolgen kann (搂 155 FGO i.V.m. 搂 294 ZPO).
c) Im Streitfall wird das Vorbringen der Antragstellerin diesen Erfordernissen nicht gerecht. Aus den Akten ergibt sich zwar, dass die Antragstellerin nur im Bereich des Gewerbe- und Industriebaus und nicht f眉r Privatkunden t盲tig ist. Der in 搂 48 Abs. 1 und Satz 2 EStG genannte Kundenkreis wird mithin von ihr nicht bedient, so dass zu diesem Gesichtspunkt kein weiterer Vortrag erforderlich war. Es fehlen jedoch n盲here Darlegungen dazu, dass allgemein oder zumindest in einer Mehrzahl konkreter F盲lle die Akquisition von Auftr盲gen am Fehlen der Freistellungsbescheinigung gescheitert ist; das Schreiben einer Bauherren-Arbeitsgemeinschaft, das die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren in Ablichtung vorgelegt hat, betrifft nach dem ausdr眉cklichen Vortrag der Antragstellerin einen vereinzelt gebliebenen Fall und reicht deshalb zur Glaubhaftmachung einer generellen Existenzgef盲hrdung nicht aus. Zudem hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorgebracht, dass die Versagung der Freistellungsbescheinigung einen Auftragsr眉ckgang verursacht habe, der "auf Dauer" zu einer Existenzgef盲hrdung f眉hren k枚nne; hieraus ist abzuleiten, dass sie auch ohne die Bescheinigung weiterhin Auftr盲ge erh盲lt, ohne dass sie 眉ber den Umfang dieser Auftr盲ge Angaben gemacht hat. Schlie脽lich geben ihre Ausf眉hrungen auch keinen Anhaltspunkt daf眉r, dass sie einen existenzwichtigen konkreten Auftrag in Aussicht hat; damit scheidet die M枚glichkeit, ihr 鈥昰gf. gegen Sicherheitsleistung鈥 eine auf diesen Auftrag beschr盲nkte Freistellungsbescheinigung zu erteilen, ebenfalls aus. Angesichts dessen muss ihr Antrag, ohne dass der Senat auf die Frage nach dem Bestehen eines Anordnungsanspruchs n盲her eingehen kann, schon mangels des erforderlichen Anordnungsgrundes abgelehnt werden.
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Fundstellen
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BFH/NV 2003, 166 |
DStR 2002, 2077 |
DStRE 2002, 1507 |