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Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur umsatzsteuerlichen Organschaft
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Leitsatz (NV)
1. Bei der umsatzsteuerlichen Organschaft ist nicht erforderlich, dass sich alle drei Eingliederungsmerkmale gleicherma脽en deutlich feststellen lassen.
2. Allein aus der finanziellen Eingliederung kann nicht zwingend auf die wirtschaftliche Eingliederung geschlossen werden.
3. F眉r die Annahme einer wirtschaftlichen Eingliederung gen眉gt ein vern眉nftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung.
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Normenkette
FGO 搂听69 Abs. 3, 搂听115 Abs. 2; UStG 1999 搂 2 Abs. 2
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Verfahrensgang
FG Berlin (Beschluss vom 13.07.2005; Aktenzeichen 5 B 5450/04) |
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Tatbestand
I. Der Antragsteller, Beschwerdef眉hrer und Beschwerdegegner (Antragsteller) betreibt seit 1993 unter der Firma X einen Einzelhandel mit 鈥, wobei er zeitweise zwei Filialen unterhielt. Er war ferner den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zufolge mit einem Anteil von 90 v.H. als Gr眉ndungsgesellschafter am Stammkapital der am 7. September 1998 gegr眉ndeten X-GmbH (GmbH), die ebenfalls den Handel mit 鈥 betrieb, beteiligt. Au脽erdem war der Antragsteller Gesch盲ftsf眉hrer der GmbH. Nach einem Brandschaden in den Gesch盲ftsr盲umen der GmbH ist im Streitjahr (2001) die Er枚ffnung des Insolvenzverfahrens 眉ber das Verm枚gen der GmbH mangels Masse zur眉ckgewiesen worden. Die GmbH hat nach den Feststellungen des FG ihren Gesch盲ftsbetrieb zum Ende April des Streitjahres "wohl" eingestellt.
Einen Teil des Wareneinkaufs f眉r die GmbH, dessen Umfang im Streitjahr streitig ist, bezog der Antragsteller zun盲chst f眉r sein Einzelunternehmen und ver盲u脽erte die Ware danach an die GmbH. Die Lieferungen des Antragstellers an die GmbH betrugen den Angaben des Antragstellers zufolge in den Jahren 1998 bis 2000 zwischen 10,5 und 1,5 v.H. seines Gesamtumsatzes. Das Einzelunternehmen des Antragstellers und die GmbH traten in ihrer Werbung nach au脽en unter derselben Firma und mit demselben Firmenlogo auf, die GmbH ohne den Hinweis auf die Haftungsbeschr盲nkung. F眉r beide Unternehmen wurde mit dem drei脽igj盲hrigen Bestehen geworben und nach den Feststellungen des FG vermittelte die Werbung den Eindruck, bei der GmbH handele es sich um einen weiteren Filialbetrieb des Antragstellers.
Im Anschluss an eine vom Finanzamt beim Antragsteller durchgef眉hrte Umsatzsteuer-Sonderpr眉fung ging der Antragsgegner, Beschwerdegegner und Beschwerdef眉hrer (das Finanzamt --FA--) von einer Eingliederung der GmbH als Organgesellschaft in das Unternehmen des Antragstellers aus. Dabei versagte es u.a. einen Vorsteuerabzug in H枚he von 22 057,61 DM (11 278,08 鈧) aus Lieferungen und Leistungen der GmbH an den Antragsteller.
Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Umsatzsteuerbescheides f眉r 2001. Das FA lehnte den Antrag auf AdV ab. Das FG setzte die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids in H枚he von 22 057,61 DM (11 278,08 鈧) aus und lehnte den Antrag des Antragstellers im 脺brigen ab.
Zur Begr眉ndung f眉hrte das FG im Wesentlichen aus, neben der zwischen den Beteiligten unstreitig gegebenen finanziellen und organisatorischen Eingliederung der GmbH in das Unternehmen des Antragstellers sei auch deren wirtschaftliche Eingliederung zu bejahen. Die wirtschaftliche Eingliederung setze nicht voraus, dass die Organgesellschaft vom Organtr盲ger dergestalt beherrscht werde, dass sie ihre T盲tigkeit nur innerhalb des Organkreises Erfolg versprechend aus眉ben k枚nne. Die wirtschaftliche Eingliederung ergebe sich vorliegend aus der T盲tigkeit des Antragstellers und der GmbH im selben Wirtschaftszweig und derselben Branche sowie ihrem gemeinsamen und einheitlichen Marktauftritt. Die Vollziehung sei gleichwohl in H枚he von 22 657,61 DM (11 278,08 鈧)auszusetzen, weil nicht erkennbar sei, dass der Antragsteller tats盲chlich in dieser H枚he Vorsteuerbetr盲ge aus Lieferungen oder Leistungen der GmbH geltend gemacht habe.听听听
Sowohl der Antragsteller als auch das FA richten sich mit der vom FG zugelassenen Beschwerde gegen dessen Entscheidung.听
Zur Begr眉ndung seiner Beschwerde tr盲gt der Antragsteller im Wesentlichen vor, es habe keine Organschaft vorgelegen, weil die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Eingliederung nicht erf眉llt gewesen seien. Weder der geringf眉gige Wareneinkauf f眉r die GmbH noch gelegentliche gemeinsame Werbeaktionen h盲tten zu einer Umsatz- oder Gewinnsteigerung gef眉hrt. Eine wirtschaftliche Machtposition habe er, der Antragsteller, 眉ber die GmbH nicht gehabt.
Das FA tr盲gt zur Begr眉ndung seiner Beschwerde vor, der Antragsteller habe aus Rechnungen der GmbH vom 8. Februar 2001 und 15. Februar 2001 Vorsteuerbetr盲ge in H枚he von 22 057,61 DM (11 278,08 鈧) geltend gemacht. Es gebe keine ernstlichen Zweifel daran, dass ihm dieser Vorsteuerabzug nicht zustehe, weil es sich um Innenums盲tze im Organkreis gehandelt habe.
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II. Die Beschwerde des FA ist begr眉ndet, die des Antragstellers unbegr眉ndet.
Nach 搂 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das FG die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts auf Antrag u.a. dann aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtm盲脽igkeit bestehen. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden (搂 69 Abs. 3 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn bei 眉berschl盲giger Pr眉fung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den f眉r die Rechtm盲脽igkeit sprechenden Gr眉nden gewichtige, gegen sie sprechende Umst盲nde zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen听 Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen (st盲ndige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. M盲rz 2006 V B 156/05, BFH/NV 2006, 1527, m.w.N.).
1. Das FG hat zu Recht ernstliche Zweifel an der Rechtm盲脽igkeit des Umsatzsteuerbescheides f眉r 2001 insoweit verneint, als darin die Annahme einer Organschaft zwischen dem Antragsteller und der GmbH zugrunde gelegt worden ist. Nach 搂 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) wird die gewerbliche oder berufliche T盲tigkeit nicht selbst盲ndig ausge眉bt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tats盲chlichen Verh盲ltnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist. Die Voraussetzungen der finanziellen und organisatorischen Eingliederung liegen vor; das ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.听听
Es sind aber auch keine ernstlichen Zweifel an der Annahme einer wirtschaftlichen Eingliederung der GmbH durch das FA erkennbar. Es ist nicht erforderlich, dass alle drei Merkmale einer Eingliederung sich gleicherma脽en deutlich feststellen lassen. Treten zwei Eingliederungsmerkmale, wie hier die finanzielle Eingliederung durch die 90-prozentige Beteiligung des Antragstellers an der GmbH und die organisatorische Eingliederung durch seine Stellung als Gesch盲ftsf眉hrer, deutlich hervor, so steht es der Annahme einer Organschaft nicht entgegen, wenn das dritte Eingliederungsmerkmal weniger stark ausgepr盲gt ist (BFH-Urteile vom 1. April 2004 V R 24/03, BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905; vom 3. April 2003 V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434; vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373; vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223).听
Allerdings kann aus der finanziellen Eingliederung nicht zwingend auf die wirtschaftliche Eingliederung geschlossen werden (anderer Ansicht Stadie in Rau/D眉rrw盲chter, UStG, 搂 2 Rz. 692, 694, 701). F眉r die Organschaft reicht es nicht aus, dass die Eingliederung nur in Beziehung auf zwei der genannten Merkmale besteht (vgl. BFH-Urteile vom 25. Juni 1998 V R 76/97, BFH/NV 1998, 1534; vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133). F眉r die Annahme einer wirtschaftlichen Eingliederung gen眉gt aber ein vern眉nftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung. Eine dienende Funktion im Sinne einer wirtschaftlichen Zweckabh盲ngigkeit der Organgesellschaft gegen眉ber dem Organtr盲ger ist nicht erforderlich; die T盲tigkeiten m眉ssen aber aufeinander abgestimmt sein, sie m眉ssen sich f枚rdern und erg盲nzen (BFH in BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434, m.w.N).
Zu Recht hat das FG eine derartige Verflechtung aus dem gemeinsamen Auftreten am Markt gegen眉ber Kunden unter derselben Firma und unter Verwendung desselben Firmenlogos sowie dem Hinweis auf "das drei脽igj盲hrige Bestehen des Betriebs" hergeleitet. Dar眉ber hinaus hat der Antragsteller in seinem Kontennachweis zur Bilanz zum 31. Dezember 2001 Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an die GmbH in H枚he von 159 917,70 DM aktiviert. Auch hierin kommt die wirtschaftliche Kooperation zwischen GmbH und Einzelunternehmen zum Ausdruck.
2. Die Beschwerde des FA ist begr眉ndet, weil das FG den Umsatzsteuerbescheid f眉r 2001 zu Unrecht in H枚he von 22 075,61 DM (11 278,08 鈧) von der Vollziehung ausgesetzt hat. Aufgrund des Schreibens des Prozessbevollm盲chtigten des Antragstellers vom 23. August 2005 ist nunmehr unstreitig, dass diesem Vorsteuerbetrag zwei Rechnungen der GmbH vom 8. und 15. Februar 2001 zugrunde liegen, mit denen die GmbH 眉ber Lieferungen und Leistungen des Jahres 1999 abgerechnet hat. Aus den o.g. Gr眉nden bestehen aber keine ernstlichen Zweifel daran, dass dem Antragsteller diese Vorsteuerbetr盲ge nicht zustehen, weil sie auf Innenums盲tzen im Organkreis beruhen.
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Fundstellen
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BFH/NV 2007, 281 |
UR 2007, 302 |