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Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsaufspaltung: Zweifel an der Anwendbarkeit der 脛nderungsvorschrift des 搂 174 Abs. 3 AO 1977 bei nachtr盲glicher Beachtung von Einstimmigkeitsabreden seitens der Finanzverwaltung
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Leitsatz (amtlich)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob 搂 174 Abs. 3 AO 1977 die Rechtsgrundlage daf眉r bietet, bestandskr盲ftige Steuerbescheide in der Weise zu 盲ndern, dass ein Entnahmegewinn steuerlich ber眉cksichtigt wird, den das FA seinerzeit wegen Nichtanwendung der BFH-Rechtsprechung zur Bedeutung von Einstimmigkeitsabreden bei der Betriebsaufspaltung nicht erfasst hat (Bedenken gegen die Richtigkeit der im BMF-Schreiben vom 7. Oktober 2002, BStBl I 2002, 1028, unter V.1. vertretenen Auffassung).
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Normenkette
AO 1977 搂 174 Abs. 3; FGO 搂 69; EStG 搂 15 Abs. 1 Nr. 1
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine GbR. Bei ihrer Gr眉ndung wurde vereinbart, dass Beschl眉sse einstimmig zu fassen seien. Seit 1991 vermietete die GbR an die Fa. F-GmbH (GmbH) ein Grundst眉ck, das diese betrieblich nutzte. Die Gesellschafter der Antragstellerin waren bis zum 1. Oktober 1995 zugleich unmittelbar oder jedenfalls mittelbar auch an der GmbH beteiligt. So waren die BF und OF mit Anteilen von je 22 v.H. Gesellschafter der Antragstellerin. Zugleich waren sie an der F-KG (KG) beteiligt, die wiederum 44 v.H. der Anteile an der GmbH hielt. Die Beteiligung an der KG gaben die Br眉der zum 1. Oktober 1995 auf.
Seit Bestehen der Antragstellerin gingen deren damalige steuerliche Beraterin sowie der Antragsgegner und Beschwerdef眉hrer (das Finanzamt 鈥旻A鈥) davon aus, dass zwischen der Antragstellerin und der GmbH eine Betriebsaufspaltung bestehe. Dementsprechend wies auch der Bescheid 眉ber die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 1995 f眉r die GbR Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb aus.
Im Anschluss an eine im Jahr 1997 durchgef眉hrte Betriebspr眉fung machte der jetzige Prozessbevollm盲chtigte geltend, wegen der bei der Antragstellerin bestehenden Einstimmigkeitsabrede sei eine Betriebsaufspaltung nicht gegeben. Er beantragte daher die 脛nderung aller bisher ergangenen Feststellungsbescheide, auch des Bescheides f眉r 1995. Das FA lehnte diesen Antrag ab. Es wies zum einen darauf hin, dass jedenfalls bis zum 1. Oktober 1995 alle Gesellschafter der Antragstellerin zumindest mittelbar auch an der GmbH beteiligt gewesen seien. Das Einstimmigkeitserfordernis in der Besitzgesellschaft stehe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Annahme einer Betriebsaufspaltung nur dann entgegen, wenn wenigstens ein Gesellschafter nur an einer der beiden Gesellschaften beteiligt sei. Zudem habe das Einstimmigkeitsprinzip auch deswegen keinen Einfluss auf die personelle Verflechtung, weil die Rechtsbeziehungen zum Betriebsunternehmen schon vorher langfristig fixiert gewesen seien.
Die Antragstellerin verfolgte ihr Begehren damals nicht weiter.
In den Jahren 2001 bis 2003 f眉hrte das FA eine weitere Betriebspr眉fung bei der Antragstellerin durch. Im Betriebspr眉fungsbericht hei脽t es, dass im Juli 1999 infolge der Beendigung des Mietvertrages die sachliche Verflechtung entfallen sei. Nach Ma脽gabe des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 7. Oktober 2002 (BStBl I 2002, 1028) sei jedoch die Betriebsaufspaltung wegen Wegfalls der personellen Verflechtung bereits zum 1. Oktober 1995 beendet worden. Ihre bisherige Auffassung, derzufolge auch bei Vorliegen einer Einstimmigkeitsabrede in der Besitzgesellschaft wegen "faktischer Beherrschung dieser Gesellschaft" durch die Sowohl-als-auch-Gesellschafter eine personelle Verflechtung nicht ausgeschlossen sei, habe die Finanzverwaltung aufgegeben. Wegen des Wegfalls der gewerblichen Pr盲gung der T盲tigkeit der Antragstellerin sei ein Aufgabegewinn zu ermitteln.
Zwar sei f眉r das Jahr 1995 grunds盲tzlich Festsetzungsverj盲hrung eingetreten. Da das FA jedoch bei der Veranlagung dieses Jahres davon ausgegangen sei, dass der Aufgabegewinn wegen der Beendigung der Betriebsaufspaltung in einem anderen (sp盲teren) Jahr zu erfassen sei und sich diese Annahme nachfolgend als unrichtig erwiesen habe, k枚nne unter Durchbrechung der materiellen Bestandskraft die Feststellung des Jahres 1995 bez眉glich der Ber眉cksichtigung des Aufgabegewinns nach 搂 174 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) ge盲ndert werden (BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 1028 unter V.1.).
Das FA erlie脽 einen entsprechenden 脛nderungsbescheid. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, 眉ber den noch nicht entschieden ist. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA ab. Das Finanzgericht (FG) gab dem daraufhin bei ihm gestellten Aussetzungsantrag statt.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Beschwerde, die es damit begr眉ndet, es sei an die im BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 1028 vertretene Auffassung gebunden.
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Die Beschwerde ist unbegr眉ndet.
Das FG hat zutreffend entschieden, dass ernstliche Zweifel i.S. des 搂 69 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtm盲脽igkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen.
Im BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 1028 vertritt die Finanzverwaltung unter Abkehr von der fr眉her vertretenen Ansicht die Auffassung, dass eine Beherrschungsidentit盲t im Sinne der Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung nicht gegeben ist, wenn an einer Besitzgesellschaft neben der mehrheitlich bei der Betriebsgesellschaft beteiligten Person oder Personengruppe mindestens ein weiterer Gesellschafter beteiligt ist und Beschl眉sse der Gesellschafterversammlung wegen vertraglicher oder gesetzlicher Bestimmungen einstimmig gefasst werden m眉ssen.
Zugleich enth盲lt das BMF-Schreiben 脺bergangsregelungen. In den F盲llen, in denen in der Vergangenheit von einer echten Betriebsaufspaltung ausgegangen worden ist, die personelle Verflechtung aber nach der BFH-Rechtsprechung zu keinem Zeitpunkt bestanden hat, sollen die der "Betriebsgesellschaft" 眉berlassenen Wirtschaftsg眉ter 鈥晄ofern sie nicht aus anderen Gr眉nden dem Betriebsverm枚gen zuzurechnen sind鈥 in dem Zeitpunkt als entnommen angesehen werden, ab dem die Betriebsaufspaltung angenommen worden ist. Sind die Bescheide des entsprechenden Veranlagungszeitraums bereits bestandskr盲ftig, sollen sie nach 搂 174 Abs. 3 AO 1977 zu 盲ndern sein. Zur Begr眉ndung hei脽t es, vor dem Ergehen der einschl盲gigen BFH-Urteile h盲tten die F脛 aufgrund der bisherigen Rechtsauffassung auf die Besteuerung erkennbar in der Annahme verzichtet, die stillen Reserven seien in sp盲teren Veranlagungszeitr盲umen steuerwirksam zu erfassen. Diese Annahme habe sich nachtr盲glich als unzutreffend erwiesen.
Im Schrifttum wird die Richtigkeit dieser Aussage 鈥晄oweit ersichtlich鈥 einhellig bezweifelt (Tiedtke/Szczesny, Neue Juristische Wochenschrift 鈥昇JW鈥 2002, 3733, 3735, und Deutsches Steuerrecht 鈥旸StR鈥 2003, 757, 758; Korn/Strahl, Neue Wirtschafts-Briefe 鈥昇WB鈥 Fach 2, 8005, 8060; Mitsch, Die Information 眉ber Steuer und Recht 鈥旾nf鈥 2002, 746, 750; Ley/Strahl, DStR 2002, 2057, 2060; Korth, Aktuelles Steuerrecht 鈥旳ktStR鈥 2003, 41, 56; Kempermann, NWB 2003 Fach 3, 12501, 12509; Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., 搂 15 Rz. 825). Der Senat h盲lt diese Zweifel f眉r berechtigt. Der Sachverhalt, den das FA in den hier einschl盲gigen F盲llen bei Begr眉ndung der echten Betriebsaufspaltung unber眉cksichtigt gelassen hat, war die 脺berf眉hrung des Grundst眉cks aus dem Betriebsverm枚gen des bisherigen einheitlichen Unternehmens in das Privatverm枚gen der neu gegr眉ndeten verm枚gensverwaltenden Besitzgesellschaft. Dieser Vorgang w盲re, wenn das FA damals schon die Sicht des BFH zur Einstimmigkeitsabrede geteilt h盲tte, als Entnahme zu erfassen gewesen. Indessen hat das FA die Besteuerung bei der Begr眉ndung der vermeintlichen Betriebsaufspaltung nicht etwa deshalb unterlassen, weil es annahm, die Entnahme sei in einem sp盲teren Bescheid zu erfassen. Zwar hat die Beh枚rde von der Besteuerung eines Entnahmegewinns abgesehen, weil es der Auffassung war, die in dem Grundst眉ck ruhenden stillen Reserven blieben nicht unversteuert. Die in einem sp盲teren Zeitpunkt zu erwartende Versteuerung der stillen Reserven konnte jedoch aus der damaligen Sicht des FA auf unterschiedlichen Sachverhalten beruhen, z.B. auf der Beendigung des Mietverh盲ltnisses mit dem Betriebsunternehmen oder der Ver盲u脽erung des Grundst眉cks. Ob allein die Erwartung des FA, die stillen Reserven seien irgendwann aufgrund irgendeines Sachverhalts zu erfassen, die Anwendbarkeit des 搂 174 Abs. 3 AO 1977 rechtfertigt, erscheint ernstlich zweifelhaft.
Nichts anderes gilt, wenn 鈥晈ie im Streitfall vom FA angenommen鈥 zun盲chst infolge der Beteiligung aller Gesellschafter an der Besitz- wie an der Betriebsgesellschaft ungeachtet der Einstimmigkeitsabrede in der Besitz-GbR eine (echte oder unechte) Betriebsaufspaltung bestand, diese aber in einem sp盲teren Jahr dadurch beendet wurde, dass einige Gesellschafter ihre Beteiligung an der Betriebsgesellschaft aufgaben. In diesem Fall ist es der Sachverhalt der Beendigung der personellen Verflechtung, den das FA mit R眉cksicht auf die damalige Verwaltungsauffassung steuerlich nicht erfasst hat. Es hat dies aber nicht getan, weil es der Auffassung war, dieser Sachverhalt (Beendigung der personellen Verflechtung) sei in einem sp盲teren Jahr zu erfassen.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 1414723 |
BFH/NV 2005, 2086 |
BStBl II 2006, 158 |
BFHE 2006, 210 |
BFHE 210, 210 |
BB 2005, 2169 |
DB 2005, 2114 |
DStR 2005, 1642 |
DStRE 2005, 1240 |
DStZ 2005, 691 |
HFR 2005, 1054 |