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Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff "Transportdauer" in der Richtlinie zum Schutz von Tieren beim Transport zweifelhaft
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Leitsatz (NV)
Geh枚rt die Zeit der Be- und Entladung zur "Transportdauer" im Sinne des Abschnitts 48 Nr. 4 Buchstabe d) des Anhangs der Richtlinie 91/628/EWG 眉ber den Schutz von Tieren beim Transport (neugefasst durch die Richtlinie 95/29/EG)?
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Normenkette
EWGV 805/68 Art. 13 Abs. 9; EWGV 615/98 Art. 1; EWGRL 628/91
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Die Kl盲gerin und Revisionsbeklagte (Kl盲gerin) hat im Herbst 2000听 28 lebende Rinder nach 脛gypten ausgef眉hrt und daf眉r vorschussweise Ausfuhrerstattung erhalten. Als der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Hauptzollamt --HZA--) anhand des von der Kl盲gerin vorgelegten Transportplanes feststellte, dass der Transport offenbar am 6. November 2000 um 10 Uhr begonnen und erst am 7. November 2000 um 1 Uhr unterbrochen worden ist, hat das HZA die Ausfuhrerstattung zuz眉glich 10 % mit der Begr眉ndung zur眉ckgefordert, die von der Richtlinie 91/628/EWG (RL 91/628/EWG) des Rates vom 19. November 1991 眉ber den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur 脛nderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG (Amtsblatt der Europ盲ischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 340/17) vorgeschriebene erste einst眉ndige Ruhepause sei nicht rechtzeitig (nach einer Transportdauer von 14 Stunden) eingelegt worden.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, nach Art. 13 Abs. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 眉ber die gemeinsame Marktorganisation f眉r Rindfleisch (ABlEG Nr. L 148/24), neugefasst durch Verordnung (EG) Nr. 2634/97 des Rates vom 18. Dezember 1997 zur 脛nderung vorgenannter Verordnung (ABlEG Nr. L 356/13) --VO Nr. 805/68--, h盲nge die Gew盲hrung von Ausfuhrerstattung von der Einhaltung der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zum Wohlbefinden der Tiere ab, insbesondere der Vorschriften zum Schutz der Tiere w盲hrend des Transports. Hierzu geh枚re die RL 91/628/EWG, neugefasst durch die Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29. Juni 1995 (ABlEG Nr. L 148/52). Dementsprechend mache Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom 18. M盲rz 1998 mit Durchf眉hrungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport (ABlEG Nr. L 82/19) die Zahlung der Erstattung von der Einhaltung vorgenannter Richtlinie abh盲ngig. Gegen die Vorschriften dieser Richtlinie habe die Kl盲gerin versto脽en.
Es sei zwar zwischen den Beteiligten streitig, wann die Rinder den Versandort verlassen h盲tten, ob um 10 Uhr oder erst um 11.30 Uhr. Das bed眉rfe aber keiner Kl盲rung, weil es nicht auf diesen Zeitpunkt, sondern auf den Zeitpunkt des Beginns der Verladung der Rinder ankomme, womit nach der Darstellung der Kl盲gerin um 10 Uhr begonnen worden sei --das HZA geht insofern von 8 Uhr aus--. Durch die Fahrtunterbrechung um 1 Uhr des Folgetages sei damit die in der Richtlinie vorgeschriebene maximale Transportdauer auch nach der Sachdarstellung der Kl盲gerin 眉berschritten worden. Gr眉nde, die nach der Richtlinie eine solche 脺berschreitung ausnahmsweise rechtfertigen k枚nnten, l盲gen nicht vor. Gleichwohl m眉sse die Klage Erfolg haben, weil die Richtlinie im Lichte des Grundsatzes der Verh盲ltnism盲脽igkeit dahin auszulegen sei, dass ein Versto脽 gegen die Vorschriften 眉ber den Transport und die Ruhezeiten nur dann zum Verlust des Erstattungsanspruches f眉hre, wenn die Nichteinhaltung der Tierschutzvorschriften nachweislich --d.h. feststellbar-- zu einer Beeintr盲chtigung des Wohls der Tiere gef眉hrt habe. Das sei im Falle der Kl盲gerin nicht festgestellt worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des HZA.
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Der Rechtsstreit ist auszusetzen und eine Entscheidung des Gerichtshofes der Europ盲ischen Gemeinschaften (EuGH) gem盲脽 Art. 234 des Vertrages zur Gr眉ndung der Europ盲ischen Gemeinschaft (EG) einzuholen.
Nach der in dem angefochtenen Urteil insoweit richtig dargestellten Rechtslage h盲ngt der Anspruch der Kl盲gerin auf Ausfuhrerstattung --erstens-- davon ab, ob bei dem Transport gegen die vorgenannte Richtlinie versto脽en worden ist und --zweitens-- ob dies ggf. gleichwohl nicht zum Verlust des Anspruches auf Ausfuhrerstattung f眉hrt, weil der Grundsatz der Verh盲ltnism盲脽igkeit gebietet, diese der Kl盲gerin trotz dieses Versto脽es zu belassen.
1. Die zweite Frage ist, wie der Senat in seinem heutigen Urteil VII R 76/04 (zur amtlichen Ver枚ffentlichung bestimmt) n盲her ausgef眉hrt hat, eindeutig zu verneinen; die gegenteilige Auffassung des FG ist mit dem Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren. Ein Versto脽 gegen die Vorschriften vorgenannter Richtlinie, insbesondere eine 脺berschreitung der h枚chstens zul盲ssigen Transportdauer, hat den Verlust des Anspruches auf Ausfuhrerstattung zur Folge, ohne dass dies davon abh盲ngig w盲re, dass tats盲chliche Feststellungen dazu getroffen werden k枚nnen, dass das Wohlbefinden der Tiere w盲hrend des Transports beeintr盲chtigt war.
Die Rechtsfolge des Verlustes des Erstattungsanspruches bei Nichtbeachtung der Vorschriften der Richtlinie ist in den vorstehend bezeichneten Rechtsvorschriften angeordnet. Die einschl盲gigen Vorschriften lassen keinen Raum f眉r die vom FG f眉r geboten gehaltene "Auslegung". Tiere wie Rinder m眉ssen nach Abschn. 48 Nr. 4 Buchst. d des Anhangs der Richtlinie nach einer Transportdauer von 14 Stunden eine Ruhepause erhalten. Dem Verordnungsgeber kann nicht der Vorwurf gemacht werden, damit gegen den Grundsatz der Verh盲ltnism盲脽igkeit versto脽en zu haben. F眉r die Wahrung der Belange des Tierschutzes beim Export lebenden Viehs konnte es erforderlich erscheinen, --wie in der Richtlinie geschehen-- bestimmte Standards f眉r dessen Transport aufzustellen und deren Einhaltung ungeachtet der Auswirkungen eines Versto脽es gegen diese auf das Wohlbefinden der Tiere im Einzelfall zu verlangen. Ob die gro脽e Bedeutung, die der gemeinschaftliche Gesetzgeber der Wahrung des Tierschutzes bei der Ausfuhr von lebendem Vieh beigemessen hat, gerechtfertigt ist und insbesondere auch den Interessen der Exportwirtschaft ausreichend Rechnung tr盲gt, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang.
2. Die vom Senat zu treffende Entscheidung h盲ngt mithin davon ab, ob es einen Versto脽 gegen die Richtlinie darstellt, dass im Streitfall eine (Zwischen-)Entladung der Rinder bzw. Fahrpause erst am 7. November 2000 um 1 Uhr stattgefunden hat. Zu diesem Zeitpunkt w盲re die (maximal) zul盲ssige Transportdauer von 14 Stunden bereits 眉berschritten gewesen, wenn man insofern die Zeit der Beladung der Rinder auf die LKW mitber眉cksichtigen muss. Denn mit der Beladung ist im Streitfall nach der eigenen Darstellung der Kl盲gerin um 10 Uhr begonnen worden --nach den Feststellungen des HZA sogar schon um 8 Uhr--. Das FG hat auch ohne Rechtsirrtum festgestellt, dass nichts gem盲脽 Abschn. 48 Nr. 8 des Anhangs der Richtlinie eine 脺berschreitung des 14-Stunden-Zeitraums h盲tte rechtfertigen k枚nnen, der folglich am folgenden Tag um 1 Uhr um mindestens eine Stunde 眉berschritten war.
Die vom Senat zu treffende Entscheidung h盲ngt also von der Beantwortung der Rechtsfrage ab, ob die Zeit der Beladung des Transportmittels (LKW) zur "Transportdauer" rechnet. Die Europ盲ische Kommission hat diese (auf den ersten Blick zu bejahende) Frage anders beantwortet als das FG und als es der beschlie脽ende Senat f眉r richtig h盲lt. Es erscheint deshalb angebracht, hierzu die Entscheidung des EuGH einzuholen.
Die ma脽geblichen Vorschriften der vorgenannten Richtlinie haben insoweit folgenden Wortlaut:
Transport ist nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b jegliche Bef枚rderung von Tieren mit einem Transportmittel, einschlie脽lich Ver- und Entladen. Verbringung ist nach den dortigen Buchst. g der Transport vom Versandort zum Bestimmungsort. Nach dem Buchst. h sind Ruhezeiten ein ununterbrochener Zeitraum w盲hrend der Verbringung, in dem die Tiere nicht in einem Transportmittel bef枚rdert werden.
Die Richtlinie enth盲lt einen Anhang, in dessen Kapitel VII Zeitabst盲nde f眉r das Tr盲nken und F眉ttern sowie Fahrt- und Ruhezeiten (脺berschrift zu Abschn. 48) festgelegt sind. Im Buchst. d der Nr. 4 des Abschn. 48 hei脽t es dazu, Tiere wie Rinder m眉ssten nach einer "Transportdauer" von 14 Stunden eine ausreichende, mindestens einst眉ndige Ruhepause erhalten, insbesondere damit sie getr盲nkt und n枚tigenfalls gef眉ttert werden k枚nnen. Nach dieser Ruhepause k枚nne der Transport f眉r weitere 14 Stunden fortgesetzt werden. Nach Nr. 5 m眉ssen die Tiere nach der festgesetzten Transportdauer entladen, gef眉ttert und getr盲nkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten.
Diese Vorschriften sprechen eine deutliche Sprache dahin, dass die Zeit des Be- und Entladens von Tieren zur Transportdauer dazu geh枚rt.
Es ist davon auszugehen, dass nach den Regeln guter Gesetzgebungskunst ein und derselbe Begriff, insbesondere wenn er in der Verordnung ausdr眉cklich definiert wird, in demselben Rechtsakt immer in demselben Sinne verwendet wird und zwar auch dann, wenn der Begriff in der Zusammensetzung mit anderen Begriffen gebraucht wird. Da der Begriff Transport dahin definiert ist, dass zum Transport auch das Be- und Entladen geh枚rt, ist folglich davon auszugehen, dass zur Transportdauer ebenfalls nicht nur die Fahrtzeit, sondern auch die Zeit des Be- und Entladens geh枚rt. 脺berdies d眉rften Ladezeiten nicht weniger als reine Fahrtzeiten geeignet sein, die Tiere zu belasten und bei 眉berm盲脽iger Dauer ihr Wohlbefinden ernstlich zu beeintr盲chtigen, so dass Sinn und Zweck der Regelung f眉r die Einbeziehung der Be- und Entladezeiten in die bis zu einer Ruhepause maximal zul盲ssige "Transportdauer" sprechen.
Den Senat veranlasst, den Gerichtshof gleichwohl dar眉ber zu befragen, ob zur Transportdauer auch die Zeit des Be- und Entladens geh枚rt, in erster Linie der Umstand, dass die Europ盲ische Kommission die Auffassung vertritt, f眉r die Bestimmung der Transportzeit sei der Zeitpunkt ma脽geblich, an dem das Fahrzeug den Versandort verl盲sst, selbst wenn der Verladevorgang mehrere Stunden gedauert habe (Schreiben der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz an das Bundesministerium f眉r Ern盲hrung Landwirtschaft und Forsten vom 21. November 2001, Aktenzeichen D/015810). Ferner kann zu Unsicherheit 眉ber das richtige Verst盲ndnis des Begriffs Transportdauer vorgenannte Nr. 5 des Abschn. 48 f眉hren, wonach die Tiere nach der festgesetzten Transportdauer entladen werden m眉ssen, die Entladung also offenbar nicht zum Transport gerechnet wird, sondern sich an den Transport anschlie脽t. Dabei mag diese der Definition des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie widersprechende Formulierung damit zusammenh盲ngen, dass Abschn. 48 des Anhangs in dessen urspr眉nglicher Fassung noch nicht enthalten war; tr盲fe dies zu, k枚nnte in Zweifel gezogen werden, ob die Bedeutung des Begriffs des Transports bei der Festlegung der Transportdauer beachtet worden ist. Schlie脽lich scheint das vom Senat schon wegen des Sinnes und Zwecks der Begrenzung der ununterbrochenen Transportzeit auf 14 Stunden f眉r geboten erachtete Auslegungsergebnis nicht in allen Sprachfassungen durch den Wortlaut des Anhangs in gleicher Deutlichkeit wie bei der deutschen Fassung best盲tigt zu werden. So spricht die englische Fassung in Abschn. 48 Nr. 4 Buchst. d anstelle von Transportzeit von "hours of journey"; sie nimmt also anders als die deutsche Fassung nicht den in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie definierten Begriff des Transports unmittelbar auf und scheint dadurch dem Wortlaut nach der Annahme Raum zu lassen, die "Fahrt" (journey) beginne nicht schon mit der Beladung des Fahrzeuges, sondern erst mit dessen Abfahrt. Freilich stellt auch die englische Fassung den Bezug zu der Transport-Definition der Richtlinie mittelbar her, weil "journey" nach der Definition des Art. 2 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie der "transport from place of departure to the place of destination" ist, folglich die "hours of journey" ganz genauso wie in der deutschen Fassung die Stunden des Transports, einschlie脽lich Be- und Entladen sind.
Der EuGH wird wegen der gleichwohl verbleibenden Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtslage um die Beantwortung der f眉r die Entscheidung des Rechtsstreits ma脽geblichen Frage ersucht, ob die Zeit der Beladung zur "Transportdauer" i.S. des Abschn. 48 Nr. 4 Buchst. d des Anhangs der RL 91/628/EWG 眉ber den Schutz von Tieren beim Transport geh枚rt.
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Fundstellen
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BFH/NV 2005, 1888 |