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Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Erlass, unzureichende Sachaufkl盲rung
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Leitsatz (NV)
Bei der gerichtlichen 脺berpr眉fung einer einen Erlass ablehnenden Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ma脽gebend; erst im gerichtlichen Verfahren nachgeschobene Gr眉nde sind insofern unbeachtlich.
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Normenkette
AO 1977 搂 227; FGO 搂听76 Abs. 1 S. 1, 搂搂听102, 115 Abs.听2 Nr. 3, Abs.听3 S. 3
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Tatbestand
I. Die Kl盲gerin und Beschwerdef眉hrerin (Kl盲gerin) war in den Jahren 1980 bis 1982 Gesch盲ftsf眉hrerin einer GmbH, die durch Beschluss des Amtsgerichts vom 7. Oktober 1981 mangels kostendeckender Konkursmasse aufgel枚st wurde. Bei einer Umsatzsteuer-Sonderpr眉fung im Jahre 1986 wurde festgestellt, dass sich die Kl盲gerin auch nach 1981 noch unternehmerisch bet盲tigt, ihre Ums盲tze hieraus jedoch nicht erkl盲rt habe. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt 鈥旻A鈥) erlie脽 hierauf, gest眉tzt auf die Pr眉fungsfeststellungen, entsprechende Umsatzsteuerbescheide 1982 und 1983. Den hiergegen erhobenen Einspruch, den die Kl盲gerin nicht begr眉ndete, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 1986 als unbegr眉ndet zur眉ck. Die 鈥昫er Kl盲gerin laut Postzustellungsurkunde pers枚nlich ausgeh盲ndigte鈥 Entscheidung wurde bestandskr盲ftig.
Aufgrund der Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderpr眉fung wurde die Kl盲gerin wegen Steuerhinterziehung rechtskr盲ftig verurteilt.
Am 24. M盲rz 1992 beantragte die Kl盲gerin einen zumindest teilweisen Erlass ihrer Steuerr眉ckst盲nde nebst S盲umniszuschl盲gen (Stand 24. September 1992: 36 515 DM). Zur Begr眉ndung trug sie vor, nur 眉ber ein monatliches Nettoeinkommen von 615,35 DM zu verf眉gen. Im 脺brigen sei sie lediglich durch die gesch盲ftlichen Aktivit盲ten ihres mittlerweile schwer erkrankten Ehemannes in die derzeitige finanzielle Situation geraten. Sie selbst treffe kein Verschulden an den Steuerr眉ckst盲nden, die zum Teil 眉ber zehn Jahre alt seien. Mit Hilfe von Verwandten k枚nne sie lediglich einen Teilbetrag aufbringen.
Das FA lehnte den Antrag ab. Die nachfolgende Beschwerde blieb erfolglos. Die Oberfinanzdirektion (OFD) f眉hrte in der Beschwerdeentscheidung vom 14. Januar 1993 im Wesentlichen aus: Sachliche Billigkeitsgr眉nde habe die Kl盲gerin weder vorgetragen noch erg盲ben sie sich aus dem Inhalt der Steuerakten. Pers枚nliche Erlassgr眉nde l盲gen schon deshalb nicht vor, weil durch den begehrten Erlass eine m枚gliche Existenzgef盲hrdung der Kl盲gerin nicht beseitigt w眉rde. Da die Kl盲gerin mithin schon nicht erlassbed眉rftig sei, k枚nne die Frage ihrer Erlassw眉rdigkeit offen bleiben.
Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage trug die Kl盲gerin im Wesentlichen vor, zu keinem Zeitpunkt eigene gesch盲ftliche Aktivit盲ten entfaltet zu haben. Alle gesch盲ftlichen und steuerlichen Dinge habe ihr inzwischen verstorbener Ehemann ohne ihr Wissen erledigt. Er habe auch ihre Unterschrift ohne ihr Wissen gef盲lscht und somit in ihrem Namen Erkl盲rungen abgegeben. Sie bestreite daher mit Nichtwissen, irgendwelche Entscheidungen des FA, die durch Postzustellungsurkunde zugestellt worden seien, pers枚nlich in Empfang genommen zu haben. Sollte dies tats盲chlich der Fall gewesen sein, so habe sie jedenfalls die zugegangenen Schriftst眉cke unge枚ffnet ihrem Ehemann 眉bergeben. Dies sei die ausdr眉ckliche Anweisung ihres Ehemannes gewesen, an die sie sich immer gehalten habe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es folgte der Begr眉ndung der Beschwerdeentscheidung der OFD vom 14. Januar 1993 und sah von der Darstellung der 贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别 ab (搂 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung 鈥旻GO鈥). Erg盲nzend f眉hrte das FG aus: Da die Kl盲gerin im Klageverfahren ihr Erlassbegehren nur auf sachliche Billigkeitsgr眉nde gest眉tzt habe, k枚nne sich die gerichtliche 脺berpr眉fung hierauf beschr盲nken. Insoweit sei allerdings darauf hinzuweisen, dass ihr jetziger Vortrag, sie sei zu keiner Zeit gesch盲ftlich t盲tig gewesen und ihre Unterschriften unter Steuererkl盲rungen seien von ihrem Ehemann gef盲lscht worden, neu sei. Im Vorverfahren (Beschwerdeverfahren) habe die Kl盲gerin 眉berdies noch vorgetragen, sie habe die ihr vorgelegten Steuererkl盲rungen und Schriftst眉cke "blind" unterschrieben.
Die Richtigkeit dieser nunmehr erstmals vorgetragenen Behauptungen falle nicht in die Pr眉fungsbefugnis des Gerichts: Nach 搂 102 FGO pr眉fe das Gericht die Ermessensentscheidung der Finanzbeh枚rde so, wie sie in der letzten Verwaltungsinstanz 鈥昲ier der Beschwerdeentscheidung鈥 getroffen worden sei. Es habe folglich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen. Da es auf diesen Zeitpunkt ankomme, sei ein sog. Nachschieben von Gr眉nden w盲hrend des Klageverfahrens 鈥晈ie vorliegend geschehen鈥 unzul盲ssig. Diese Gr眉nde k枚nnten allenfalls in einem neuen Erlassantrag ber眉cksichtigt werden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG hat die Kl盲gerin Beschwerde eingelegt. Sie r眉gt, das Urteil des FG beruhe auf dem Verfahrensfehler mangelnder Sachaufkl盲rung.
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II. Die Beschwerde der Kl盲gerin hat keinen Erfolg.
1. Nach 搂 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grunds盲tzliche Bedeutung hat (搂 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder das Urteil von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (搂 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (搂 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der Beschwerdeschrift muss die grunds盲tzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (搂 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Beschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils begr眉ndet werden; der Beschwerdef眉hrer kann nicht mehr mit Gr眉nden geh枚rt werden, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden (搂 115 Abs. 3 Satz 1 FGO; BFH-Beschluss vom 22. Oktober 1994 V B 40/94, BFH/NV 1995, 610).
2. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Kl盲gerin geltend, sie habe dem FA mit Schriftsatz vom 14. September 1992 nachdr眉cklich mitgeteilt, eine 脺berpr眉fung der Unterlagen habe ergeben, dass ihre Unterschrift unter einigen f眉r die Steuerfestsetzung relevanten Dokumenten gef盲lscht sei. Mit diesem Vortrag habe sich die OFD in der Beschwerdeentscheidung nicht auseinander gesetzt. Im Klageverfahren habe sie 鈥昫ie Kl盲gerin鈥 ein Sachverst盲ndigengutachten vorgelegt, das zu dem Ergebnis gekommen sei, dass ihre Unterschrift unter diversen Dokumenten gef盲lscht gewesen sei. Soweit das FG in seinem Urteil ausf眉hre, es sei erstmals im Klageverfahren vorgetragen worden, dass ihre Unterschrift gef盲lscht worden sei, sei dies ganz evident unzutreffend. Offensichtlich habe das FG ihren Schriftsatz vom 14. September 1992 v枚llig unbeachtet gelassen. Somit beruhe sein Urteil auf dem Verfahrensfehler mangelnder Sachaufkl盲rung.
3. Wird 鈥晈ie hier鈥 als Verfahrensmangel unzureichende Sachaufkl盲rung ger眉gt und geltend gemacht, das FG h盲tte auch ohne Vorliegen eines Beweisantrags aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht den Sachverhalt n盲her aufkl盲ren m眉ssen, sind gem盲脽 搂 115 Abs. 3 Satz 3 FGO darzulegen (vgl. z.B. BFH-Beschl眉sse vom 21. Juli 1995 V B 37/95, BFH/NV 1996, 55; vom 29. Januar 1999 V B 112/97, BFH/NV 1999, 1103):
- die ermittlungsbed眉rftigen Tatsachen,
- die nicht verwendeten Beweismittel sowie die entsprechenden Beweisthemen,
- aufgrund welcher Anhaltspunkte im schrifts盲tzlichen Vorbringen oder sonst in den Akten des FG die Beweiserhebung sich dem FG h盲tte aufdr盲ngen m眉ssen,
- das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme,
- inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann,
- dass die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig ger眉gt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem ger眉gt werden konnte.
4. Der Senat l盲sst offen, ob die Kl盲gerin diese Anforderungen ordnungsgem盲脽er Darlegung erf眉llt hat. Insoweit bestehen insbesondere Bedenken, ob in der Beschwerdebegr眉ndung hinreichend dargelegt wird, dass und weshalb sich dem FG nach seiner ma脽geblichen sachlich-rechtlichen Beurteilung die beanstandete unterlassene Sachaufkl盲rung h盲tte aufdr盲ngen m眉ssen.
Der ger眉gte Verfahrensmangel liegt jedenfalls (objektiv) nicht vor. Das FG hat seine Sachaufkl盲rungspflicht nicht verletzt. Die Kl盲gerin st眉tzt ihre Beschwerde darauf, das FG habe die aufgrund ihres Schriftsatzes vom 14. September 1992 sich aufdr盲ngende Sachaufkl盲rung nicht durchgef眉hrt und sei ihrem dortigen Vortrag nicht weiter nachgegangen, ihre Unterschrift sei wiederholt gef盲lscht worden. Dieser Schriftsatz befindet sich jedoch 鈥昦us welchen Gr眉nden auch immer鈥 nicht bei den Verwaltungsakten. Er ist (dementsprechend) auch in der Beschwerdeentscheidung der OFD vom 14. Januar 1993 nicht ber眉cksichtigt worden. Die Kl盲gerin hat diesen Schriftsatz im erstinstanzlichen Verfahren vor dem FG nicht vorgelegt und sich darauf auch nicht bezogen. Deshalb bestand f眉r das FG keine Veranlassung, dem Vorbringen in diesem 鈥昬rst im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu den Gerichtsakten gereichten鈥 Schriftsatz n盲her nachzugehen. Denn bei der gerichtlichen 脺berpr眉fung einer einen Erlass ablehnenden Entscheidung der Verwaltung ist 鈥晈ie das FG zutreffend dargelegt hat鈥 die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also der Beschwerdeentscheidung, ma脽gebend; erst im gerichtlichen Verfahren nachgeschobene Gr眉nde sind insofern unerheblich (vgl. Lange in H眉bschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 搂 102 FGO, Rz. 35 ff., m.w.N.; Gr盲ber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 搂 102 Tz. 13 ff., m.w.N.).
5. Von einer weiteren Begr眉ndung seiner Entscheidung sieht der Senat gem盲脽 Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
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Fundstellen
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BFH/NV 2000, 973 |