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Entscheidungsstichwort (Thema)
Kircheneinkommensteuer in sog. glaubensverschiedenen Ehen
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Leitsatz (NV)
1. Die Kircheneinkommensteuer, die sich als Annexsteuer nach dem einkommensteuerrechtlich ermittelten Einkommen bemisst, ist strikt vom besonderen Kirchgeld, das nach der Rechtsprechung des BVerfG als eigenst盲ndige Steuer nach dem Lebensf眉hrungsaufwand bemessen wird, zu trennen.
2. Von daher bestehen keine verfassungsrechtlichen Zweifel, wenn in einer sog. glaubensverschiedenen Ehe bei der Anteilsbemessung der Kircheneinkommensteuer des alleinverdienenden Ehegatten (Kirchenmitglied) der Lebensf眉hrungsaufwand des nicht verdienenden Ehegatten (Nicht-Kirchenmitglied) nicht zu ber眉cksichtigen ist.
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Normenkette
GG Art. 3; KiStG BW 搂听5 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, 搂听19 Abs. 4; FGO 搂 115 Abs. 2 Nr. 1
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Rz. 1
I. Der Kl盲ger und Beschwerdef眉hrer (Kl盲ger) war im Streitjahr (2006) Mitglied der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Baden (der Beigeladenen); seine Ehefrau, mit der er zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde, war konfessionslos. Der Kl盲ger erzielte im Streitjahr Eink眉nfte in H枚he von 53.529 鈧, seine Ehefrau in H枚he von ./. 1.543 鈧.
Rz. 2
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) erlie脽 gegen眉ber dem Kl盲ger einen Bescheid 眉ber evangelische Kircheneinkommensteuer und setzte diese zun盲chst auf 444,08 鈧 fest. Im weiteren Verlauf wurde die Kircheneinkommensteuer auf nunmehr 258,96 鈧 herabgesetzt. Als Bemessungsgrundlage wurde hierbei ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 35.874 鈧 unter Ber眉cksichtigung eines Kinderfreibetrags von 5.808 鈧, der steuerfreien Halbeink眉nfte des Kl盲gers von 1.004 鈧 und der Steuererm盲脽igung nach 搂 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) von 117 鈧 die Einkommensteuer unter Anwendung des Splittingtarifs mit 3.237 鈧 errechnet. Der Anteil des Kl盲gers an der gemeinschaftlichen Bemessungsgrundlage der Ehegatten wurde entsprechend 搂 19 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes 眉ber die Erhebung von Steuern durch 枚ffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-W眉rttemberg (KiStG BW) vom 15. Juni 1978 (Gesetz- und Verordnungsblatt Baden-W眉rttemberg 1978, 369, BStBl I 1978, 403) nach dem Verh盲ltnis der Steuerbetr盲ge, die sich bei Anwendung der Einkommensteuergrundtabelle auf die Summe der Eink眉nfte eines jeden Ehegatten ergaben, im Streitfall mit 100 v.H. bestimmt.
Rz. 3
Mit seiner dagegen erhobenen Klage wandte sich der Kl盲ger gegen die Nichtber眉cksichtigung des ihm entstehenden Lebensf眉hrungsaufwands f眉r die nicht kirchenangeh枚rige Ehefrau; er begehrt die Minderung der festgesetzten Kirchensteuer um 96 鈧, dieser Betrag entspreche dem besonderen Kirchgeld bei glaubensverschiedenen Ehen nach 搂 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KiStG BW, das festgesetzt w眉rde, wenn seine Ehefrau Alleinverdienerin w盲re. Die Klage blieb erfolglos (Urteil des Finanzgerichts --FG-- Baden-W眉rttemberg vom 18. Juni 2012听 10 K 3864/11). Die Revision hat das FG nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kl盲ger und macht sinngem盲脽 geltend, die Aufteilungsregelung des 搂 19 Abs. 4 Satz 2 KiStG BW versto脽e --aufgrund der Nichtber眉cksichtigung eines "negativen" besonderen Kirchgelds-- gegen das Gebot der Folgerichtigkeit sowie das Prinzip der Leistungsf盲higkeit und damit gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG).
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Rz. 4
II. Die Beschwerde ist nicht begr眉ndet. Gr眉nde f眉r die Zulassung der Revision (搂 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen nicht vor. Die Rechtssache hat insbesondere keine grunds盲tzliche Bedeutung (搂 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Rz. 5
Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grunds盲tzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausf眉hrungen zur Kl盲rungsbed眉rftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch kl盲rbar ist und deren Beurteilung von der Kl盲rung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abh盲ngig ist (so z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. M盲rz 2009 VI B 105/08, BFH/NV 2009, 1140). Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, so ist zur substantiierten Darlegung eine an den Vorgaben des Grundgesetzes sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte Auseinandersetzung erforderlich (BFH-Beschluss vom 4. Februar 2003 VIII B 182/02, BFH/NV 2003, 1059, m.w.N.). In der Beschwerdebegr眉ndung ist zu erl盲utern, gegen welche Verfassungsnormen die angewandte Rechtsnorm versto脽en soll; der geltend gemachte Verfassungsversto脽 ist n盲her zu begr眉nden. Dazu geh枚rt insbesondere eine Auseinandersetzung mit der einschl盲gigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH (BFH-Beschl眉sse vom 19. Dezember 2003 II B 152/02, BFH/NV 2004, 533; vom 31. Januar 2005 III B 59/04, BFH/NV 2005, 1081, m.w.N.). Es fehlt jedoch an der Kl盲rungsbed眉rftigkeit, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist und nicht (erst) in einem Revisionsverfahren gekl盲rt werden muss (st盲ndige Rechtsprechung z.B. BFH-Beschluss vom 3. November 2010 X B 101/10, BFH/NV 2011, 285; vgl. hierzu auch Gr盲ber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., 搂 115 Rz 28, m.w.N.).
Rz. 6
a) Wenn der Kl盲ger sinngem盲脽 die Rechtsfrage formuliert, ob 搂 19 Abs. 4 KiStG BW insofern gegen das Gebot der Folgerichtigkeit und damit gegen das Gleichheitsgebot in Art. 3 GG verst枚脽t, als in glaubensverschiedenen Ehen bei der Anteilsbemessung der Kircheneinkommensteuer der Lebensf眉hrungsaufwand des nicht-verdienenden Ehegatten (Nicht-Kirchenmitglied) beim alleinverdienenden Ehegatten (Kirchenmitglied) nicht ber眉cksichtigt wird, im umgekehrten Fall aber (Alleinverdiener ist Nicht-Kirchenmitglied und nicht-verdienender Ehegatte ist Kirchenmitglied) das besondere Kirchgeld vom nicht-verdienenden Ehegatten als Kirchenmitglied erhoben wird und sich typisierend an dessen Lebensf眉hrungsaufwand bemisst, ist diese Rechtsfrage nicht kl盲rungsbed眉rftig. Die Rechtslage ist eindeutig.
Rz. 7
b) Die f眉r die vom Kl盲ger aufgeworfene Rechtsfrage im Wesentlichen ma脽geblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. insbesondere BVerfG-Beschluss vom 28. Oktober 2010听 2 BvR 591/06, 2 BvR 1689/09, 2 BvR 2698/09, 2 BvR 2715/09, 2 BvR 148/10, 2 BvR 816/10, H枚chstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2011, 98, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG) und des BFH (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2005 I R 76/04, BFHE 211, 90, BStBl II 2006, 274, m.w.N.) gekl盲rt. So hat das BVerfG hervorgehoben, dass zwar nicht das einkommensteuerrechtlich ermittelte Einkommen des nicht einer Kirche angeh枚renden Ehegatten, wohl aber der Lebensf眉hrungsaufwand des kirchenangeh枚rigen Ehegatten den Gegenstand der Besteuerung bilden kann (vgl. BVerfG-Urteil vom 14. Dezember 1965听 1 BvR 606/60, BVerfGE 19, 268, BStBl I 1966, 196). Wenn angesichts der Schwierigkeiten der Bestimmung des Lebensf眉hrungsaufwandes als Indikator der wirtschaftlichen Leistungsf盲higkeit des kirchenangeh枚rigen Ehepartners dieser Aufwand nach dem gemeinsamen Einkommen der Ehegatten bemessen wird, ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2011, 98, unter Hinweis auf Senatsurteil in BFHE 211, 90, BStBl II 2006, 274).
Rz. 8
Diese Ausf眉hrungen des BVerfG beziehen sich allerdings auf das besondere Kirchgeld, das im Gegensatz zu Kirchensteuern, die als Zuschlagsteuer zur Einkommensteuer erhoben werden (Kircheneinkommensteuer), als eine eigenst盲ndige Steuer, die auf einem kircheneigenen Steuertarif beruht, erhoben wird (vgl. hierzu: Marr茅 in Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, S. 1135; v. Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl., Art. 137 WRV Rz 541; Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 327 ff. und 473 ff., m.w.N.). Den Ausf眉hrungen des BVerfG liegt damit erkennbar die Grundannahme einer strikten Trennung zwischen der Kircheneinkommensteuer als Annexsteuer und dem besonderen Kirchgeld als eigenst盲ndige Steuer zugrunde. Ein "Korrespondenzprinzip", wie es der Kl盲ger f眉r die Kircheneinkommensteuer steuerlich ber眉cksichtigen will, liegt ihnen erkennbar nicht zugrunde. Denn mit dem besonderen Kirchgeld sollen Kirchenangeh枚rige, deren wirtschaftliche Leistungsf盲higkeit sich durch eine Eheschlie脽ung im Hinblick auf das Einkommen des --konfessionslosen-- Ehegatten erh枚ht hat, und die mangels eigenen Einkommens im Sinne des Einkommensteuergesetzes kirchensteuerfrei bleiben w眉rden, einer angemessenen Besteuerung unterworfen werden. Nur f眉r diese Fallkonstellation orientiert sich das besondere Kirchgeld als eigenst盲ndige Steuer der H枚he nach an dem tats盲chlichen Lebenszuschnitt des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten und nach der Rechtsprechung des BVerfG als unbedenkliches Besteuerungsmerkmal am "Lebensf眉hrungsaufwand" des kirchenangeh枚rigen Ehegatten (BVerfG-Urteil in BVerfGE 19, 268, BStBl I 1966, 196; ebenso: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 1977 VII C 48.73, BVerwGE 52, 104; Senatsbeschluss vom 22. Januar 2012 I B 18/01, BFH/NV 2002, 674, m.w.N.). Dies bedeutet, dass --entgegen den Ausf眉hrungen des Kl盲gers in der Beschwerdeschrift-- es jedenfalls verfassungsrechtlich nicht geboten ist, den f眉r das besondere Kirchgeld herangezogenen Besteuerungsma脽stab des Lebensf眉hrungsaufwandes "korrespondierend" auch auf die Kircheneinkommensteuer zu 眉bertragen. Dies insbesondere auch deshalb nicht, weil sich im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach 搂搂 26, 26b EStG 2002 die Bemessungsgrundlage der Kircheneinkommensteuer bereits durch die Anwendung des Splitting-Verfahrens nach 搂 32a Abs. 5 EStG 2002 vermindert hat und hierdurch innerhalb der Erwerbs-, aber auch Verbrauchsgemeinschaft der Ehegatten im Ergebnis auch die gegenseitigen Unterhaltspflichten abgebildet werden. Die zus盲tzliche Ber眉cksichtigung eines "Lebensf眉hrungsaufwandes" w眉rde demgegen眉ber den "Sonderfall" der glaubensverschiedenen Ehe in der Konstellation des Streitfalls gegen眉ber konfessionsgleichen und konfessionsverschiedenen Ehen besser stellen. Dem kann nach Auffassung des Senats nicht mit der Beschwerde entgegengehalten werden, dass im Kirchensteuerrecht die glaubensverschiedene Ehe nicht als "Leistungsf盲higkeitsgemeinschaft" zu verstehen sei. Diese Betrachtung mag --obwohl wie ausgef眉hrt die Anwendung des Splitting-Verfahrens die Bemessungsgrundlage vermindert hat-- zutreffend sein, da sich der Gesetzgeber bei der Bemessungsgrundlage f眉r glaubensverschiedene Ehen im Falle der Zusammenveranlagung f眉r das Individualisierungsprinzip entschieden hat und gerade nicht jedem Ehegatten die H盲lfte des gemeinsamen Einkommens bzw. der Einkommensteuer zurechnet, dies hat jedoch nicht die vom Kl盲ger begehrte Rechtsfolge zur Konsequenz, dass eine Ber眉cksichtigung des "Lebensf眉hrungsaufwandes" auch bei der Kircheneinkommensteuer verfassungsrechtlich geboten ist. Vergleicht man die Kirchensteuerbelastung konfessionsgleicher und konfessionsverschiedener Ehen einerseits und die glaubensverschiedener Ehen andererseits, so ist eine Ungleichbehandlung der Ehe als Leistungsf盲higkeitsgemeinschaft nicht festzustellen. Sowohl die konfessionsgleiche oder konfessionsverschiedene Ehe als auch die glaubensverschiedene Ehe ist, sofern nur ein Ehegatte Eink眉nfte bezieht, mit Kirchensteuer in H枚he von 8 v.H. bzw. 9 v.H. der gemeinsamen Einkommensteuer belastet (vgl. insoweit auch Senatsurteil vom 8. April 1997 I R 68/96, BFHE 183, 107, BStBl II 1997, 545). Im Grunde m枚chte der Kl盲ger als verheiratetes Kirchenmitglied besser als der Ehepartner einer konfessionsgleichen oder konfessionsverschiedenen Ehe gestellt werden. Verfassungsrechtlich besteht hierf眉r keine Handhabe.
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Fundstellen
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BFH/NV 2014, 182 |