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Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Sachaufkl盲rungspflicht durch 脺bergehen eines Beweisantrags
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Leitsatz (NV)
1. Eine beantragte Zeugenvernehmung darf nicht deshalb wegen Unerheblichkeit des Beweismittels abgelehnt werden, weil das FG aufgrund der Aussagen der von ihm vernommenen Zeugen davon 眉berzeugt ist, dass die in den eidesstattlichen Versicherungen der nicht vernommenen Zeugen schriftlich gemachten Angaben nicht der Wahrheit entsprechen.
2. Eine beantragte Zeugenvernehmung darf nicht deshalb wegen absoluter Untauglichkeit des Beweismittels abgelehnt werden, weil der Prozessvertreter des Beweisf眉hrenden auf Frage des Gerichts nicht genau erkl盲ren kann, was die Zeugen zu dem Beweisthema aussagen werden.
3. Eine beantragte Zeugenvernehmung darf nicht wegen einer zugunsten des Beweisf眉hrenden als wahr unterstellten Beweistatsache abgelehnt werden, wenn das FG tats盲chlich nur unterstellt hat, die Zeugen seien bei der Unterschrift unter die von ihnen abgegebenen eidesstattlichen Erkl盲rungen davon ausgegangen, dass ihre Angaben der Wahrheit entsprechen, und dass sie dies auch in einer Beweisaufnahme so erkl盲ren w眉rden.
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Normenkette
FGO 搂听115 Abs. 2 Nr. 3, 搂听76 Abs. 1 S. 1
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Verfahrensgang
Nieders盲chsisches FG (Urteil vom 09.04.2013; Aktenzeichen 8 K 147/11) |
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Tatbestand
Rz. 1
I. Der Kl盲ger und Beschwerdef眉hrer (Kl盲ger) und die Beigeladene waren im Streitjahr 2008 miteinander verheiratet. Mit seiner nur von ihm unterschriebenen Einkommensteuererkl盲rung beantragte der Kl盲ger die Zusammenveranlagung mit der Beigeladenen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) nahm hingegen mit Bescheid vom 21. Februar 2011 eine Einzelveranlagung des Kl盲gers vor. Dem dagegen gerichteten Einspruch gab das FA zwar hinsichtlich weiterer geltend gemachter Werbungskosten statt. Die begehrte Zusammenveranlagung lehnte es hingegen mit Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2011 weiterhin ab, nachdem die Beigeladene in ihrer eigenen Einkommensteuererkl盲rung angegeben hatte, seit 2007 vom Kl盲ger dauernd getrennt zu leben.
Rz. 2
Im Laufe des hiergegen gerichteten finanzgerichtlichen Verfahrens wurde die Beigeladene vom zust盲ndigen Amtsgericht verurteilt, einer Zusammenveranlagung mit dem Kl盲ger zuzustimmen.
Rz. 3
Das Finanzgericht (FG) zog mehrere die Trennungsauseinandersetzung der fr眉heren Eheleute betreffende staatsanwaltschaftliche und amtsgerichtliche Verfahrensakten bei und vernahm in der m眉ndlichen Verhandlung einen Nachbarn (N) des Kl盲gers und einen weiteren Zeugen (Z), der erkl盲rte, mit der Beigeladenen von Silvester 2007 bis Fr眉hjahr 2009 zusammengelebt zu haben. Die Klage wies es daraufhin als unbegr眉ndet ab. Zur Begr眉ndung verwies es im Wesentlichen darauf, dass der Kl盲ger nicht nachgewiesen habe, mit der Beigeladenen im Streitjahr noch zusammengelebt zu haben. Es stehe nicht fest, dass im Jahr 2008 noch zumindest zeitweise eine Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft bestanden habe. Eine Vernehmung der vom Kl盲ger benannten Zeugen --seiner Eltern und seines Arbeitskollegen-- f眉hrte das FG nicht durch. Es k枚nne unterstellt werden, dass die Zeugen bei der Unterschrift unter die --vom Kl盲ger vorgelegten-- eidesstattlichen Erkl盲rungen bzw. die Best盲tigung davon ausgegangen seien, dass die Angaben der Wahrheit entspr盲chen und dies auch bei einer Beweisaufnahme so erkl盲ren w眉rden. Danach sei eine Vernehmung entbehrlich, denn eine weitere Sachaufkl盲rung k枚nne durch ihre Vernehmung nicht mehr erfolgen. Der Prozessbevollm盲chtigte habe n盲mlich auf die entsprechende Frage des Gerichts ausdr眉cklich ausgef眉hrt, dass infolge des Zeitablaufs nicht mehr gesagt werden k枚nne, wer die Beigeladene wann im Jahr 2008 bei welcher T盲tigkeit in der bisherigen Ehewohnung gesehen habe. Im 脺brigen stehe den Erkl盲rungen des N und der weiteren vom Kl盲ger benannten Zeugen die glaubhafte Aussage des Zeugen Z entgegen, die die Darlegung der Beigeladenen st眉tze.
Rz. 4
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kl盲ger die Zulassung der Revision wegen des Vorliegens von Verfahrensm盲ngeln (搂 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Rz. 5
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Kl盲gers ist zul盲ssig und begr眉ndet; sie f眉hrt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zur眉ckverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (搂 116 Abs. 6 FGO).
Rz. 6
Es liegt ein von dem Kl盲ger in der erforderlichen Form (搂 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) dargelegter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (搂 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Denn das FG hat seine aus 搂 76 Abs. 1 Satz 1 FGO folgende Pflicht zur Sachaufkl盲rung verletzt.
Rz. 7
1. Entgegen der Auffassung des FA scheitert die Beschwerde nicht daran, dass der Kl盲ger einen Verfahrensmangel nicht in der nach 搂 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt hat.
Rz. 8
Der Senat braucht nicht zu pr眉fen, ob sich aus dem Vorbringen des Kl盲gers schl眉ssig die erforderlichen Angaben zum Beweisantritt und zum Beweisthema, also die den angeblichen Verfahrensversto脽 begr眉ndenden Tatsachen, ergeben, da dem Kl盲ger f眉r seine Verfahrensr眉ge insoweit eine Begr眉ndungserleichterung zugute kommt. Denn soweit das FG --wie im Streitfall-- selbst begr眉ndet hat, weshalb von der Erhebung einzelner Beweise (hier: der Einvernahme der Eltern des Kl盲gers und des Arbeitskollegen des Kl盲gers als Zeugen) abgesehen worden ist, ergeben sich die den angeblichen Verfahrensversto脽 begr眉ndenden Tatsachen aus dem Urteil selbst, so dass die Forderung nach ihrer Angabe zus盲tzlich auch in der Beschwerdeschrift eine unn枚tige F枚rmelei darstellen w眉rde. Es gen眉gt daher insoweit bereits die --hier vom Kl盲ger erhobene-- schlichte R眉ge der Nichtvernehmung von Zeugen den Anforderungen des 搂 120 Abs. 3 FGO, die auch bei einer auf 搂 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gest眉tzten Nichtzulassungsbeschwerde ma脽geblich sind (vgl. etwa Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).
Rz. 9
2. Der ger眉gte Verfahrensmangel liegt auch tats盲chlich vor. Das FG hat seine aus 搂 76 Abs. 1 FGO folgende Pflicht zur Sachaufkl盲rung verletzt, indem es die gestellten Beweisantr盲ge 眉bergangen hat.
Rz. 10
a) Ein ordnungsgem盲脽 gestellter Beweisantrag darf nur unber眉cksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel f眉r die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzul盲ssig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisf眉hrenden als wahr unterstellt werden kann (st盲ndige h枚chstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 29. Juni 2011 X B 242/10, BFH/NV 2011, 1715, m.w.N.).
Rz. 11
b) Der Kl盲gervertreter hat den Beweisantrag auf Vernehmung der Eltern und des Arbeitskollegen des Kl盲gers laut Sitzungsprotokoll unmittelbar vor der Schlie脽ung der m眉ndlichen Verhandlung wiederholt und ihn inhaltlich dadurch pr盲zisiert, dass er auf die vorgelegten und in der m眉ndlichen Verhandlung verlesenen schriftlichen Erkl盲rungen dieser Zeugen Bezug genommen und dargelegt hat, dass die Zeugen die dortigen Angaben auch in einer Beweisaufnahme best盲tigen w眉rden.
Rz. 12
c) Keiner der o.g. Gr眉nde f眉r eine zul盲ssige Nichtber眉cksichtigung von Beweismitteln lag hinsichtlich der im Streitfall gestellten Beweisantr盲ge vor.
Rz. 13
aa) Die Beweismittel waren nach dem insoweit ma脽geblichen materiellen Rechtsstandpunkt des FG (s. hierzu Senatsbeschluss vom 14. Januar 2011 III B 96/09, BFH/NV 2011, 788) nicht unerheblich. Das FG hat f眉r die Frage, ob der Kl盲ger und die Beigeladene i.S. des 搂 26 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes w盲hrend des Streitjahres 2008 dauernd getrennt gelebt haben, darauf abgestellt, ob zwischen ihnen noch eine Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft bestanden hat und dabei u.a. 眉berpr眉ft, ob die Beigeladene noch in der bisherigen Ehewohnung gen盲chtigt, f眉r den Kl盲ger eingekauft, gekocht und gewaschen hat. Insofern w盲ren Aussagen der benannten Zeugen, die sich nach Angabe des Kl盲gers in der bisherigen Ehewohnung wegen h盲ufiger Besuche bzw. einer bestehenden Fahrgemeinschaft regelm盲脽ig aufgehalten haben, f眉r die n盲here Beurteilung der Lebensverh盲ltnisse des Kl盲gers erheblich gewesen. Demgegen眉ber entf盲llt die Erheblichkeit der Zeugenaussagen nicht dadurch, dass sie nach Auffassung des FG aufgrund der Aussagen der in der m眉ndlichen Verhandlung vernommenen Beteiligten und Zeugen nicht zur weiteren Aufkl盲rung des Sachverhaltes entscheidungserheblich h盲tten beitragen k枚nnen. Die Erheblichkeit der Angaben der benannten Zeugen ergibt sich vielmehr schon daraus, dass das FG deren schriftliche Angaben gegen die Aussagen der in der m眉ndlichen Verhandlung vernommenen Zeugen und Beteiligten abgewogen hat. Das FG verst枚脽t zudem gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweisw眉rdigung, wenn es erhebliche Beweisantritte eines Beteiligten mit der Begr眉ndung 眉bergeht, von der Erhebung des Beweises sei kein zweckdienliches Ergebnis zu erwarten (BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 1715, m.w.N.). Dem steht es gleich, wenn das FG --wie hier-- ausf眉hrt, die Erkl盲rungen bzw. eidesstattlichen Versicherungen lie脽en nicht den zwingenden Schluss zu, dass zwischen dem Kl盲ger und der Beigeladenen 2008 tats盲chlich noch eine Wirtschaftsgemeinschaft bestanden habe.
Rz. 14
bb) Die Beweismittel sind auch nicht etwa deswegen untauglich, weil der Kl盲gervertreter in der m眉ndlichen Verhandlung erkl盲rt habe, dass infolge des Zeitablaufs nicht mehr gesagt werden k枚nne, wer die Beigeladene wann im Jahr 2008 bei welcher T盲tigkeit in der bisherigen Ehewohnung gesehen habe. Hieraus ergibt sich noch nicht, dass die Zeugen keinerlei sachdienliche Angaben zu dem fraglichen Beweisthema h盲tten machen k枚nnen. Selbst wenn der Kl盲gervertreter hierzu aufgrund seiner eigenen Kenntnis noch keine konkreten Angaben machen konnte, ist nicht ausgeschlossen, dass sich bei einer Zeugenvernehmung in der m眉ndlichen Verhandlung sachdienliche Angaben ergeben h盲tten.
Rz. 15
cc) Schlie脽lich hat das FG die in Frage stehende Tatsache auch nicht zugunsten des beweisf眉hrenden Kl盲gers als wahr unterstellt. Vielmehr hat es nur unterstellt, dass die Zeugen bei der Unterschrift unter die eidesstattlichen Erkl盲rungen bzw. die Best盲tigung davon ausgegangen sind, dass die Angaben der Wahrheit entsprachen und dies auch in einer Beweisaufnahme so erkl盲ren w眉rden. Die f眉r die Annahme einer Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft ma脽geblichen Tatsachen hat das FG indessen nicht als wahr unterstellt. Vielmehr verwarf es im Ergebnis die schriftlichen Angaben der nicht vernommenen Zeugen als nicht glaubhaft.
Rz. 16
d) Der Kl盲ger hat sein R眉gerecht nicht nach 搂 155 FGO i.V.m. 搂 295 der Zivilprozessordnung verloren.
Rz. 17
aa) Ein Verfahrensmangel kann hiernach nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten k枚nnen und verzichtet haben. Zu diesen verzichtbaren M盲ngeln geh枚rt auch das 脺bergehen eines Beweisantrags (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 14. November 2003 VIII B 70/02, BFH/NV 2004, 513, m.w.N.).
Rz. 18
bb) Im Streitfall hat der Kl盲ger unmittelbar vor Schluss der m眉ndlichen Verhandlung seinen Beweisantrag wiederholt. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er auf der beantragten Beweiserhebung bestehe. Er hat allerdings in dieser Verhandlung die Nichterhebung des Beweises nicht nochmals ausdr眉cklich ger眉gt. Dies kann nach der Rechtsprechung dann einen Verlust des R眉gerechts zur Folge haben, wenn zu erkennen war, dass das Gericht die beantragte Vernehmung nicht durchf眉hren werde (BFH-Beschluss vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372).
Rz. 19
Im Streitfall lagen keine besonderen Umst盲nde vor, aufgrund derer der Kl盲ger damit rechnen musste, dass das FG die Zeugenvernehmung nicht durchf眉hren werde (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 15. Juni 2005 X B 180/03, BFH/NV 2005, 1843). Die vom Kl盲ger benannten Zeugen waren in der m眉ndlichen Verhandlung nicht anwesend. Auch hat ausweislich der Prozessakten weder das FA einer Beweiserhebung widersprochen noch hat das FG zum Ausdruck gebracht, eine Beweiserhebung sei entbehrlich. Ferner haben die Beteiligten laut Sitzungsniederschrift nach der Wiederholung des Beweisantrags nicht mehr weiter zur Sache verhandelt, da die m眉ndliche Verhandlung geschlossen wurde.
Rz. 20
e) Die Vorentscheidung kann auf diesem Verfahrensmangel beruhen, da nicht auszuschlie脽en ist, dass das FG nach Durchf眉hrung der Beweiserhebungen zu einem anderen Ergebnis gelangt w盲re. Dem FG wird daher Gelegenheit gegeben, die unterbliebenen Beweiserhebungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
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Fundstellen
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BFH/NV 2014, 62 |