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Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchgreifende Verfahrensr眉ge unterlassener Sachaufkl盲rung; kein Verlust des R眉gerechts
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Leitsatz (NV)
1. Ein ordnungsgem盲脽 gestellter Beweisantrag darf nur unber眉cksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel unerreichbar, unzul盲ssig, absolut untauglich oder f眉r die zu treffende Entscheidung unerheblich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisf眉hrers als wahr unterstellt werden kann.
2. Das FG verst枚脽t gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweisw眉rdigung, wenn es einen Antrag auf Zeugenbeweis mit der Begr眉ndung 眉bergeht, es habe sich nicht davon 眉berzeugen k枚nnen, dass vorliegende schriftliche Erkl盲rungen der als Zeugen benannten Personen zutreffend seien.
3. Das Recht, den im 脺bergehen eines Beweisantrags liegenden Verfahrensmangel zu r眉gen, geht u.a. dann nicht gem盲脽 搂 295 ZPO i.V.m. 搂 155 FGO verloren, wenn das FG - wenn auch nur kurz - im Urteil begr眉ndet, weshalb es von der Beweiserhebung abgesehen habe.
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Normenkette
FGO 搂 76 Abs. 1; ZPO 搂 295
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Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 10.11.2010; Aktenzeichen 1 K 2357/09) |
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Tatbestand
Rz. 1
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hatte im Rahmen einer im Jahr 2007 begonnenen Steuerfahndungspr眉fung bei der Kl盲gerin und Beschwerdef眉hrerin (Kl盲gerin) Unterlagen aufgefunden, die die Jahre ab 1999 betreffen, und aus denen er den Schluss zog, die Kl盲gerin habe bereits in den Streitjahren 1997 und 1998 als Betreiberin eines Bordells Eink眉nfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Die Kl盲gerin behauptete demgegen眉ber, in den Streitjahren selbst der Prostitution nachgegangen zu sein, und in den Jahren ab 2002 lediglich Eink眉nfte aus Vermietung und Verpachtung durch die tageweise Vermietung zweier Zimmer an Prostituierte erzielt zu haben.
Rz. 2
In der Klageschrift nahm der damalige Prozessbevollm盲chtigte der Kl盲gerin ausdr眉cklich Bezug auf die w盲hrend des Einspruchsverfahrens gestellten Beweisantr盲ge auf Vernehmung der in den Akten des parallel gegen die Kl盲gerin gef眉hrten Strafverfahrens namentlich bezeichneten Prostituierten. Mit Schreiben vom 5. Juli 2010 legte der Ehemann der Kl盲gerin (E) in einem von ihm gef眉hrten Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (1 V 1606/10) eidesstattliche Versicherungen von vier Prostituierten vor, die das Vorbringen der Kl盲gerin best盲tigen sollten. Am 26. Juli 2010 beantragte die Kl盲gerin, dem Verfahren 1 V 1606/10 "beizutreten". Das Finanzgericht (FG) kam diesem Antrag nach und verband zudem das Eilverfahren in der m眉ndlichen Verhandlung am 10. November 2010 mit dem vorliegenden Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2010, das in seiner Betreffzeile sowohl die Aktenzeichen des Eilverfahrens als auch des hier zu beurteilenden Klageverfahrens und weiterer Parallelverfahren enthielt, beantragten die Kl盲gerin und E pers枚nlich --seinerzeit nicht durch einen Prozessbevollm盲chtigten vertreten-- unter Bezugnahme auf die eidesstattlichen Versicherungen ausdr眉cklich die Vernehmung u.a. der vier Prostituierten als Zeuginnen.
Rz. 3
Das FG wies die Klage ohne Beweisaufnahme ab. Zur Begr眉ndung f眉hrte es u.a. aus, es habe sich nicht davon 眉berzeugen k枚nnen, dass die Angaben der Kl盲gerin, des E sowie die vorliegenden schriftlichen Erkl盲rungen der Prostituierten zur H枚he der vereinnahmten Geldbetr盲ge zutreffend seien.
Rz. 4
Mit ihrer wegen der Nichtzulassung der Revision erhobenen Beschwerde r眉gt die Kl盲gerin u.a. einen Verfahrensmangel.
Rz. 5
Das FA tritt der Beschwerde entgegen.
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Rz. 6
II. Die Beschwerde ist begr眉ndet. Es liegt ein von der Kl盲gerin geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (搂 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Rz. 7
1. Das FG hat seine aus 搂 76 Abs. 1 FGO folgende Pflicht zur Sachaufkl盲rung verletzt, indem es den gestellten Antrag auf Vernehmung der vier als Zeuginnen benannten Prostituierten 眉bergangen hat.
Rz. 8
a) Ein ordnungsgem盲脽 gestellter Beweisantrag darf nur unber眉cksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel f眉r die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzul盲ssig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisf眉hrenden als wahr unterstellt werden kann (st盲ndige h枚chstrichterliche Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. November 2009 VI B 11/09, BFH/NV 2010, 650, unter II.1.a, m.w.N.). Keiner dieser Ausnahmegr眉nde lag hinsichtlich des im Streitfall gestellten Beweisantrags vor.
Rz. 9
Auch verst枚脽t das FG gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweisw眉rdigung, wenn es erhebliche Beweisantritte eines Beteiligten mit der Begr眉ndung 眉bergeht, von der Erhebung des Beweises sei kein zweckdienliches Ergebnis zu erwarten (BFH-Beschluss vom 23. Dezember 2002 III B 77/02, BFH/NV 2003, 502, unter 3.a, m.w.N.). Dem steht es gleich, wenn das FG --wie hier-- ausf眉hrt, es habe sich "nicht davon 眉berzeugen" k枚nnen, dass die vorliegenden schriftlichen Erkl盲rungen der als Zeuginnen benannten Personen zutreffend seien.
Rz. 10
b) Anders als das FA meint, hat die Kl盲gerin ihr R眉gerecht nicht nach 搂 155 FGO i.V.m. 搂 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) verloren.
Rz. 11
Zwar ergibt sich aus dem Protokoll der m眉ndlichen Verhandlung vor dem FG nicht, dass die --seinerzeit wieder durch einen Steuerberater vertretene-- Kl盲gerin ihren schrifts盲tzlich mehrfach gestellten Beweisantrag in der m眉ndlichen Verhandlung wiederholt oder die unterbliebene Ladung der von ihr benannten Zeuginnen ger眉gt h盲tte. Auch hat weder die Kl盲gerin einen Antrag auf Berichtigung des Protokolls (搂 94 FGO i.V.m. 搂 164 ZPO) gestellt noch hat das FA --anders als beispielsweise in demjenigen Beschwerdeverfahren, 眉ber das der BFH mit Beschluss vom 27. Dezember 2010 IX B 107/10 (www.bundesfinanzhof.de) entschieden hat-- best盲tigt, dass die Behauptung der Kl盲gerin, den Beweisantrag in der m眉ndlichen Verhandlung vor dem FG wiederholt zu haben, zutreffend sei.
Rz. 12
Jedoch hat das FG begr眉ndet, weshalb es von der Beweiserhebung abgesehen hat. Denn es hat ausgef眉hrt, es habe sich nicht davon 眉berzeugen k枚nnen, dass die vorgelegten schriftlichen Erkl盲rungen zutreffend seien. In einem derartigen Fall bedarf es keiner R眉ge in der m眉ndlichen Verhandlung (BFH-Beschluss vom 26. November 2008 IX B 122/08, BFH/NV 2009, 600, m.w.N.); eine solche w盲re vielmehr als 眉berfl眉ssige F枚rmelei anzusehen, da bereits aus dem Urteil selbst hervorgeht, dass dem FG die Existenz des 眉bergangenen Beweismittels bewusst war.
Rz. 13
2. Der Senat h盲lt es f眉r angezeigt, nach 搂 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zur眉ckzuverweisen.
Rz. 14
F眉r das weitere Verfahren weist der Senat --ohne Bindungswirkung-- darauf hin, dass es sich anbieten k枚nnte, n盲here Feststellungen zur Schl眉ssigkeit des vom FA im Sch盲tzungswege angesetzten Einnahmenbetrages von 80 鈧 je Kundenbesuch zu treffen. Denn aus den am 30. November 2007 beschlagnahmten Einnahmenaufzeichnungen f眉r die Zeit vom 28. bis 30. November 2007, ergeben sich --worauf die Kl盲gerin im Beschwerdeverfahren zutreffend hingewiesen hat-- lediglich Einnahmen von durchschnittlich 61,90 鈧 je Kundenbesuch. Gerade diese Aufzeichnungen hat das FG jedoch zur Begr眉ndung seiner --auch insoweit die H枚he der Sch盲tzung des FA best盲tigenden-- Entscheidung ma脽geblich herangezogen.
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Fundstellen
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BFH/NV 2011, 1715 |